TE Vfgh Erkenntnis 2022/3/3 V249/2021 (V249/2021-10)

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Veröffentlicht am 03.03.2022
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Index

L8000 Raumordnung

Norm

B-VG Art139 Abs1 Z2
StGG Art5
EMRK 1. ZP Art1
Stmk BauG §18
Stmk RaumOG 2010 §9, §26, §32, §37, §40, §41, §62
Flächenwidmungsplan 4.0 der Landeshauptstadt Graz §4
VfGG §7 Abs1

Leitsatz

Aufhebung von Teilen eines Flächenwidmungsplans der Landeshauptstadt Graz, soweit damit die Erforderlichkeit einer Bebauungsplanung für ein bestimmtes Grundstück vorgeschrieben wird; Verletzung der Verpflichtung gemäß dem Flächenwidmungsplan zur Erlassung eines Bebauungsplans binnen 18 Monaten durch den Gemeinderat; Beendigung eines Verfahrens zur Erstellung oder Änderung von Bebauungsplänen nur durch Erlassung – nicht durch Verweigerung – eines Bebauungsplanes; langjährige Nichterlassung des Bebauungsplans stellt effektives Bauverbot und unverhältnismäßige Eigentumsbeschränkung dar

Spruch

I. §4 iVm Deckplan 1 (Bebauungsplanzonierungsplan) des 4.0 Flächenwidmungsplanes der Landeshauptstadt Graz, ABl Nr 04/2018, wird, soweit damit für das Grundstück Nr 1398/2, KG 63105 Gries, die Erforderlichkeit einer Bebauungsplanung vorgesehen wird, als gesetzwidrig aufgehoben.

II. Die Steiermärkische Landesregierung ist zur unverzüglichen Kundmachung dieses Ausspruches im Landesgesetzblatt für Steiermark verpflichtet.

Begründung

Entscheidungsgründe

I. Anlassverfahren, Prüfungsbeschluss und Vorverfahren

1. Beim Verfassungsgerichtshof ist zur Zahl E1163/2021 eine auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde anhängig, der folgender Sachverhalt zugrunde liegt:

1.1. Der Beschwerdeführer ist Eigentümer des Grundstückes Nr 1398/2, KG 63105 Gries, in Graz. Mit dem 4.0 Flächenwidmungsplan der Landeshauptstadt Graz wurde ua für dieses, als Bauland ("Nutzungsüberlagerung Allgemeines Wohngebiet mit Kerngebiet") gewidmete Grundstück gemäß §26 Abs4 Steiermärkisches Raumordnungsgesetz 2010 – StROG die Erforderlichkeit einer Bebauungsplanung verordnet (§4 iVm Deckplan 1 [Bebauungsplanzonierungsplan], vgl unten II.4.: rote Schraffur); teilweise sind in diesem Gebiet bereits Bebauungspläne vorhanden (rote Flächen). Allgemein gilt gemäß §40 Abs8 StROG, dass soweit eine Bebauungsplanpflicht nach §26 Abs4 StROG besteht, die Gemeinden spätestens im Anlassfall Bebauungspläne zu erstellen haben, wobei das Verfahren zur Erstellung oder Änderung der Bebauungspläne unverzüglich nach Eintreten des Anlassfalles einzuleiten und spätestens innerhalb von 18 Monaten abzuschließen ist. Baubewilligungen dürfen erst nach Vorliegen eines rechtswirksamen Bebauungsplanes erteilt werden.

1.1.1. Laut Vorhabensliste des Stadtplanungsamtes der Landeshauptstadt Graz vom 18. Oktober 2017 war das in Rede stehende Grundstück zunächst Teil der vorbereitenden Planungen zur Erstellung des Bebauungsplanes "Brückengasse – Karlauplatz – Fabriksgasse". Mit Schreiben vom 22. Jänner 2018 beantragte der Beschwerdeführer die Erlassung eines Bebauungsplanes für das Grundstück und legte in weiterer Folge im Jahr 2019 von Sachverständigen und Planungsagenturen erarbeitete Bebauungsvorschläge und konkretisierende Planunterlagen vor, die im Wesentlichen die Errichtung von Gebäuden mit insgesamt 60 bis 74 Wohn- und Gewerbeeinheiten sowie von Stellplätzen zum Gegenstand haben. Der am 15. November 2018 aufgelegte Entwurf des Bebauungsplanes "Brückengasse – Karlauplatz – Fabriksgasse" bezog das Grundstück des Beschwerdeführers aber nicht mit ein.

1.1.2. Mit Schreiben vom 28. Jänner 2019 erhob der Beschwerdeführer dagegen Einwendungen. Unter anderem monierte er das Ausscheiden seines Grundstückes aus dem Planungsgebiet. Durch diese Verkleinerung sei das Planungsgebiet nicht mehr zweckmäßig und werde die städtebauliche Abstimmung zwischen den Bauplätzen der angrenzenden Grundstücke verhindert. Mit Beschluss vom 6. Juni 2019, dem Beschwerdeführer zur Kenntnis gebracht mit Schreiben vom 13. Juni 2019, erließ der Gemeinderat der Landeshauptstadt Graz den 05.28.0 Bebauungsplan "Brückengasse – Karlauplatz – Fabriksgasse" und erledigte die Einwendung des Beschwerdeführers betreffend das Ausscheiden seines Grundstückes aus dem Planungsgebiet wie folgt (Schreibweise im Original):

"Ad 3) Festlegung Planungsgebiet

Hinsichtlich der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit der Aufwendungen im Bebauungsplanverfahren wird versucht einen praktikablen Bereich als Planungsgebiet festzulegen. Für die Grundstücke Nr 1382 [Anm: gemeint 1398/2], 1400 und 1399/1 ist momentan keine bauliche Entwicklung für eine den Raumordnungsgrundsätzen und Steiermärkischen Baugesetz entsprechende Struktur und Gestaltung aufgrund des schwierigen Parzellenzuschnitts möglich. Bei Interesse der Eigentümer könnte durch entsprechende Maßnahmen (z. B. mit einer flächengleichen Grundumlegung) die Basis für eine bauliche Entwicklung gelegt werden und ein Bebauungsplan erstellt werden."

1.1.3. Der Beschwerdeführer hält die für sein Grundstück festgelegte Bebauungsplanpflicht für gesetzwidrig und richtete daher zunächst einen Antrag gemäß Art139 Abs1 Z3 B-VG an den Verfassungsgerichtshof, den 4.0 Flächenwidmungsplan insoweit als gesetzwidrig aufzuheben. Der Verfassungsgerichtshof wies diesen Antrag mit Beschluss vom 23. Juni 2020, V88/2019, als unzulässig zurück.

Begründend wurde dazu ausgeführt, dass der Verfassungsgerichtshof das Rechtsschutzbedürfnis des Antragstellers im Hinblick auf §40 Abs8 StROG angesichts des Verhaltens der Behörde nicht verkenne, sich jedoch nicht veranlasst sehe, aus diesem Grund von seiner ständigen Judikatur abzugehen. Dem Antragsteller stehe ein anderer zumutbarer Weg, seine Bedenken an den Verfassungsgerichtshof heranzutragen, insoweit offen, als er eine Bauplatzerklärung gemäß §18 Steiermärkisches Baugesetz – Stmk BauG beantragen und die allfällige Verweigerung derselben vor dem Verwaltungsgericht bekämpfen könne. In diesem Verfahren wäre der angefochtene 4.0 Flächenwidmungsplan präjudiziell.

1.2. Der Beschwerdeführer stellte daraufhin einen Antrag gemäß §18 Abs1 Stmk BauG, die Bebauungsgrundlagen für sein Grundstück einzelfallbezogen in näher bestimmtem Ausmaß festzulegen. Mit Bescheid vom 31. August 2020 wies der Stadtsenat der Landeshauptstadt Graz (belangte Behörde) diesen Antrag als unbegründet ab.

1.3. Die dagegen erhobene Beschwerde wies das Landesverwaltungsgericht Steiermark mit Erkenntnis vom 17. März 2021 als unbegründet ab.

In der Begründung wird ausgeführt, dass für den betreffenden Teil des Baulandes gemäß §26 Abs4 StROG eine Bebauungsplanzonierung vorhanden und damit eine Bebauungsplanung erforderlich sei. Somit liege die entscheidende Voraussetzung des §18 Abs1 Stmk BauG, der keinen Ermessensspielraum einräume, nicht vor. Auch sei darauf zu verweisen, dass gemäß §40 Abs8 StROG Baubewilligungen erst nach Vorliegen eines rechtswirksamen Bebauungsplanes erteilt werden dürften. Ferner sei die Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes zu erwähnen, wonach eine gesetzwidrige Untätigkeit des Verordnungsgebers bei der Erlassung eines Bebauungsplanes die Verfassungswidrigkeit der einer Erteilung der Baubewilligung entgegenstehenden Bestimmungen bewirken könne (VfSlg 17.604/2005).

2. Bei der Behandlung der gegen diese Entscheidung gerichteten Beschwerde sind beim Verfassungsgerichtshof Bedenken ob der Gesetzmäßigkeit des 4.0 Flächenwidmungsplanes der Landeshauptstadt Graz, ABl 04/2018, entstanden, soweit damit für das Grundstück Nr 1398/2, KG 63105 Gries, die Erforderlichkeit einer Bebauungsplanung vorgesehen wird. Der Verfassungsgerichtshof hat daher am 30. September 2021 beschlossen, diese Verordnungsbestimmung von Amts wegen auf ihre Gesetzmäßigkeit zu prüfen.

3. Der Verfassungsgerichtshof legte seine Bedenken, die ihn zur Einleitung des Verordnungsprüfungsverfahrens bestimmt haben, in seinem Prüfungsbeschluss wörtlich wie folgt dar:

"3.1. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes hat Flächenwidmungen eine entsprechende Grundlagenforschung voranzugehen. Diese muss in allgemeinen Überlegungen bestehen, die die Grundlage für die jeweilige Planungsentscheidung hinsichtlich der von der Widmung konkret betroffenen Flächen bilden, und als solche erkennbar und nachvollziehbar sein (zB VfSlg 14.537/1996, 19.075/2010; zur Bebaubarkeit vgl VfSlg 19.907/2014). Eine derartige Grundlagenforschung ist auch im Vorfeld der Änderung eines bestehenden Flächenwidmungsplanes vorzunehmen.

3.2. Aus den dem Verfassungsgerichtshof vorgelegten Verordnungsakten geht (in Übereinstimmung mit dem Vorbringen des Gemeinderates der Landeshauptstadt Graz und der Steiermärkischen Landesregierung im vorangegangenen Verfahren zur Zahl V88/2019) hervor, dass im Allgemeinen ausreichende Erhebungen im Hinblick auf die von der Bebauungsplanpflicht betroffenen Grundstücke durchgeführt worden sein dürften. Es dürfte daher der verordnungserlassenden Behörde nicht entgegenzutreten sein, wenn sie für das betreffende Gebiet grundsätzlich die Pflicht zur Erstellung von Bebauungsplänen statuiert.

3.3. Die gemäß §4 iVm Deckplan 1 (Bebauungsplanzonierungsplan) des 4.0 Flächenwidmungsplanes in Bezug auf das in Rede stehende Grundstück festgelegte Bebauungsplanpflicht gemäß §26 Abs4 StROG dürfte sich jedoch aus einem anderen Grund als gesetzwidrig erweisen, der im Verhalten der verordnungserlassenden Behörde liegt:

3.3.1. Wie der Verfassungsgerichtshof in VfSlg 17.604/2005 ausgeführt hat, kann ein Gesetz verfassungswidrig sein, wenn seine Verfassungsmäßigkeit von der Erlassung einer Verordnung abhängt, der Verordnungsgeber jedoch in der Folge untätig bleibt. Angesichts eines gesetzlich angeordneten Ausschlusses der Erteilung einer Baubewilligung, die nur dann möglich sein sollte, wenn entsprechende Bebauungspläne erlassen würden, sprach der Verfassungsgerichtshof aus, dass das so effektiv bewirkte Bauverbot eine Eigentumsbeschränkung darstellt, für deren Zulässigkeit der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte ua im Urteil vom 23. September 1982, Fall Sporrong und Lönnroth, Appl 7151/75, 7152/75, EuGRZ 1983, S 523 ff., ein faires Gleichgewicht zwischen den öffentlichen Interessen an der Eigentumsbeschränkung und dem privaten Interesse am Schutz des Eigentumes verlangt hat. Ein solches faires Gleichgewicht im Sinne des Art1 1. ZPEMRK liegt nicht mehr vor, wenn in einem unangemessen langen Zeitraum trotz Vorliegens der Voraussetzungen keine Bebauungsplanung vorgenommen wird und dies auch nicht in einem absehbaren Zeitraum der Fall sein wird. Das Verbot der Erteilung der Baubewilligung für Bauland, das seit Jahrzehnten als solches gewidmet war und für das (auf Grund der in jenem Fall geltenden Rechtslage) zwar ein allgemeiner Bebauungsplan, jedoch nicht der notwendige ergänzende Bebauungsplan erlassen worden und dessen Erlassung innerhalb eines absehbaren Zeitraumes auch nicht sichergestellt war, ist – so der Verfassungsgerichtshof – unverhältnismäßig und verstößt gegen das gebotene faire Gleichgewicht zwischen den öffentlichen Interessen an der Eigentumsbeschränkung und dem privaten Interesse am Schutz des Eigentumes.

3.3.2. Diese Überlegungen dürften sich auch auf das Verhältnis von Flächenwidmungsplan und Bebauungsplan im vorliegenden Fall übertragen lassen. Sieht nämlich der Verordnungsgeber im Flächenwidmungsplan die Erlassung eines Bebauungsplanes verpflichtend vor, so bewirkt er damit, solange er keinen Bebauungsplan erlässt, ein effektives Bauverbot auf dem betreffenden Grundstück:

§40 Abs8 StROG und §4 Abs1 des 4.0 Flächenwidmungsplanes bestimmen, dass Baubewilligungen erst nach Vorliegen eines rechtswirksamen Bebauungsplanes erteilt werden dürfen. Der Landesgesetzgeber sieht daher auch vor, dass die jeweilige Gemeinde spätestens im 'Anlassfall', insbesondere im Falle eines 'Ansuchens um Erstellung des Bebauungsplanes nach erfolgter Abklärung aller Vorfragen', Bebauungspläne zu erstellen, Verfahren zur Erstellung oder Änderung der Bebauungspläne unverzüglich nach Eintreten des Anlassfalles einzuleiten und spätestens innerhalb von 18 Monaten abzuschließen hat (§40 Abs8 StROG). Das Gesetz verpflichtet somit dazu, dass ein solches Verfahren mit der Erlassung eines Bebauungsplanes – nicht mit deren Verweigerung – zu enden hat: Das 'Abschließen' des Verfahrens zur Bebauungsplanerstellung besteht in der Kundmachung des Bebauungsplanes. Aus §40 Abs1 und 8 StROG ergibt sich demnach, dass die Erstellung eines Bebauungsplanes nicht im Ermessen der verordnungserlassenden Behörde liegt, sondern sie dazu verpflichtet ist, die Bebauungsplanung innerhalb einer bestimmten Frist vorzunehmen. Aus §40 Abs2 StROG ergibt sich ferner, dass die 'den Raumordnungsgrundsätzen entsprechende Entwicklung der Struktur und Gestaltung des im Flächenwidmungsplan ausgewiesenen Baulandes und des Freilandes (Sondernutzungen)' mit der Bebauungsplanung – nicht durch ihre tatsächliche Verweigerung – anzustreben ist. Ein Bebauungsplan ist daher jedenfalls zu erlassen, wenn der Flächenwidmungsplan dies vorsieht; die Planungsziele sind durch den Bebauungsplan anzustreben und die Erlassung des Bebauungsplanes kann nicht mit Verweis auf die Raumordnungsgrundsätze verweigert werden. Lassen diese nämlich im Einzelfall keine Bebauung zu, so dürfte das betreffende Grundstück überhaupt nicht als Bauland gewidmet sein. Zu all dem kommt hinzu, dass die Festlegung der Bebauungsgrundlagen im Bauland für den Einzelfall gemäß §18 Abs1 Stmk BauG wie im vorliegenden Fall nur in Betracht kommt, 'sofern Bebauungspläne nicht erforderlich sind'.

3.3.3. Im vorliegenden Fall hat der Beschwerdeführer am 22. Jänner 2018 die Erstellung eines Bebauungsplanes für das in Rede stehende Grundstück beantragt. Der Gemeinderat der Landeshauptstadt Graz hat darüber knapp 18 Monate später, am 6. Juni 2019, entschieden, dass für das Grundstück ein Bebauungsplan nicht erstellt wird. Der Gemeinderat dürfte also das Verfahren zur Erstellung des Bebauungsplanes entgegen §40 Abs8 StROG nicht innerhalb von 18 Monaten 'abgeschlossen', sondern im Gegenteil der Sache nach entschieden haben, innerhalb der vorgesehenen Frist keinen Bebauungsplan zu erlassen. Damit besteht aber für das Grundstück des Beschwerdeführers im Zeitpunkt der Beschlussfassung durch den Verfassungsgerichtshof nun schon seit mehr als drei Jahren ein effektives Bauverbot, das die verordnungserlassende Behörde anscheinend durch Erlassung des Bebauungsplanes hätte beseitigen müssen.

3.3.4. Im Übrigen dürfte das Verhalten der verordnungserlassenden Behörde dazu führen, dass die gesetzlichen Vorschriften über die Bausperre (§9 StROG) oder aber die Grundumlegung (§§48 ff. StROG) umgangen werden. Beide Instrumente hängen mit dem Bebauungsplan zusammen: Eine Bausperre tritt gemäß §9 Abs3 StROG nach zwei Jahren ex lege außer Kraft, sofern kein Bebauungsplan erlassen wurde; die Grundumlegung setzt gemäß §40 Abs4 Z4 StROG einen bestehenden Bebauungsplan voraus. Der verordnungserlassenden Behörde dürfte es aber nicht erlaubt sein, ohne entsprechende gesetzliche Grundlage mit der Bebauungsplanung solange zuzuwarten, bis die Grundstücke im Planungsgebiet den von ihr gewünschten Zuschnitt aufweisen. Vielmehr dürften ein Bebauungsplan zu erlassen und die Grundstücksgrenzen – die Bereitschaft der Eigentümer vorausgesetzt – allenfalls erst dann zu bereinigen gewesen sein. Daran dürften weder die seitens der belangten Behörde in ihrer Gegenschrift angeführte Regelung des §40 Abs8 StROG, wonach die Erstellung beantragter Bebauungspläne erst 'nach erfolgter Abklärung aller Vorfragen' zu erfolgen habe, noch die Regelung des §62 Abs2 StROG, die die Möglichkeit der aufsichtsbehördlichen Ersatzvornahme in Bezug auf die Bebauungsplanerstellung vorsieht (vgl §§98a, 101a Stmk Gemeindeordnung 1967), etwas ändern.

3.3.5. Im Ergebnis dürfte diese, durch die ausdrückliche Verweigerung der Verordnungserlassung qualifizierte Untätigkeit der verordnungserlassenden Behörde im Sinne der oben angeführten Rechtsprechung somit dazu führen, dass sich die Bebauungsplanpflicht im 4.0 Flächenwidmungsplan in Bezug auf das Grundstück des Beschwerdeführers als Eigentumsbeschränkung darstellt, die nicht mehr von einem fairen Gleichgewicht der öffentlichen und privaten Interessen getragen sein dürfte. Sie dürfte damit gesetzwidrig sein."

4. Die verordnungserlassende Behörde hat die Akten betreffend das Zustandekommen der in Prüfung gezogenen Verordnungsbestimmung vorgelegt und eine Äußerung erstattet, in der den im Prüfungsbeschluss dargelegten Bedenken wörtlich wie folgt entgegengetreten wird:

"Seitens der zuständigen Fachabteilung Stadtplanungsamt wird das öffentliche Interesse (Ausbau des öffentlichen Verkehrs) wie nachstehend begründet:

Die Stadt, insbesondere die Stadtplanung, hat zwar in den letzten Jahren keinen Bebauungsplan-Entwurf für das verfahrensgegenständliche Grundstück erstellt, aber die Klärung der essentiellen Vorfragen bzw Planungsprozesse und Grundsatzbeschlüsse vorangetrieben.

Über die gegenständliche Liegenschaft verläuft nämlich, wie den Eigentümern bekannt ist, eine künftige Straßenbahntrasse. Diese Straßenbahnlinie wird über den Griesplatz bis zur vorläufigen Endhaltestelle 'Nahverkehrsknoten Don Bosco' verlaufen. Die Trassenfindung wird seit 2018 kontinuierlich vorangetrieben und findet in enger Abstimmung mit dem Straßenamt und der Verkehrsplanung der Stadt Graz sowie dem Land Steiermark statt. Unter Mitwirkung mehrerer externer Experten werden die verschiedenen Verkehrsströme (MIV – Motorisierter Individualverkehr, ÖV – Öffentlicher Verkehr sowie der Fußgänger- und Radverkehrs) bearbeitet. Auch die Zufahrten zu den umliegenden Liegenschaften und zum Einkaufszentrum 'City Park' werden in diese Planungen und Berechnungen miteinbezogen.

Folgende Studien/Beschlüsse sind seit 2018 abgeschlossen worden bzw erfolgt:

Masterplan ÖV, Straßenbahnausbau 2023 +, Grundsatzbeschluss:

Im Gemeinderatsstück aus dem November 2019 werden mehrere Varianten (Planfälle) verschiedener Straßenbahnprojekte untersucht und Empfehlungen ausgesprochen.

Gemäß der Grazer Mobilitätsstrategie, den Beschlüssen zum regionalen Verkehrskonzept Graz – Graz-Umgebung und dem Gesamtverkehrsplan ist das dringende Erfordernis eines abgestimmten, massiven Ausbaus des leistungsfähigsten, schienengebundenen innerstädtischen ÖV-Systems (nämlich der Straßenbahn) in Graz gegeben.

Wie im Grazer Gesamtverkehrskonzept vorgesehen, stellt der Ausbau des öffentlichen Verkehrs eine der wichtigsten verkehrspolitischen Grundsätze der Stadt Graz dar.

[…]

Rahmenplan Quartier Citypark, Kooperatives Dialogverfahren:

Parallel zum Grundsatzbeschluss Straßenbahnführung wurde zwischen den Eigentümern des CITYPARKES und der Stadt Graz ein Kooperatives Städtebauliches Planungsverfahren über die Weiterentwicklung des Citypark-Areals durchgeführt.

Das Verfahren ist weitgehend abgeschlossen, der Endbericht wird für das erste Quartal 2022 erwartet.

Als Grundlagen dienen nicht nur die städtebaulich-raumplanerischen Vorgaben, sondern naturgemäß auch die verkehrlichen Festlegungen des Umfeldes, die in einer schemenhaften Skizze den Ausschreibungsunterlagen beigelegt worden sind.

[…]

Der Rahmenplan wird aufbauend auf einem kooperativen, moderierten städtebaulichen Dialogverfahren erstellt.

Im Zu[ge] des Kooperativen Planungsverfahrens wurde der gegenständliche Trassenabschnitt der Straßenbahn vorgezogen beplant und stehen inzwischen nur mehr wenige Untervarianten zur Diskussion.

Regierungsprogramm KPÖ – GRÜNE – SPÖ:

Infolge der Gemeinderatswahl der Landeshauptstadt Graz im September 2021 nahm im November die neu zusammengesetzte Stadtregierung ihre Arbeit auf. Im veröffentlichten Leitbild der neuen Grazer Regierungskoalition werden 21 Schwerpunktprojekte angeführt. Als erstes Projekt ist die Realisierung der Süd-West-Linie bis 2025 genannt.

[…]

Unter dem Punkt Arbeitsprogramm, Unterpunkt Mobilität wird die Umsetzung nocheinmal an zweiter Stelle erwähnt.

[…]

Die neue Stadtregierung bekennt sich sehr stark zum Ausbau des öffentlichen Verkehrs.

Aufgrund des sehr knappen vorgegebenen Zeitplanes – angestrebt ist die bauliche Realisierung der Linie bis 2025 – treiben die Planungsabteilungen (Verkehrsplanung, Stadtplanung, etc.) rasch alle Fach- und Detailplanungen voran.

Das Projekt hat auch Auswirkungen auf hoheitliche Prozesse in der örtlichen Raumplanung. Aus heutiger Sicht bedarf es insbesondere auch der Abänderung bestehender, rechtswirksame[r] Bebauungspläne.

Ebenso ist bei der Erlassung neuer Bebauungspläne die künftige Straßenbahntrasse zu berücksichtigen. Anders als im Jahr 2018 ist heute davon auszugehen, dass belastbare Grundlagen dafür in wenigen Monaten vorliegen werden.

Aufgrund der vorliegenden Grundsatzbeschlüsse, Studien und des Regierungsprogrammes, also aufgrund der absehbaren Klärung einer zentralen Vorfrage, kann das Stadtplanungsamt in Aussicht stellen, dass im Laufe des Jahres 2022 ein Bebauungsplan-Entwurf für das Areal 'Strohmayer' erstellt und öffentlich aufgelegt wird."

5. Ergänzend hat die verordnungserlassende Behörde folgende Äußerung erstattet:

"In Ergänzung zum Schriftsatz vom 25.11.2021 wird seitens der zuständigen Fachabteilung Stadtplanungsamt auf eine Besonderheit des StROG 2010 hingewiesen.

Der Verfassungsgerichtshof hinterfragt, ob ein 'faires Gleichgewicht' zwischen den öffentlichen Interessen an der Eigentumsbeschränkung und dem privaten Interesse am Schutz des Eigentums gegeben ist.

Durch die 'Weigerung' der Stadt Graz, einen Bebauungsplan zu erlassen, könnte eine unverhältnismäßige Schlechterstellung des Grundeigentümers eintreten. Erwogen wird daher, für die gegenständliche Fläche die Bebauungsplanpflicht aufzuheben.

Nun sieht das StROG 2010 bekanntlich nicht nur eine Antragsmöglichkeit um die Erlassung einer Verordnung (eines Bebauungsplanes) vor, sondern normiert in §62 auch die Folgen einer allfälligen Untätigkeit der Gemeinde:

[§62 Aufsichtsbehördliche Maßnahmen]

Die Ersatzvornahme durch die Aufsichtsbehörde wird sowohl dem Interesse des Grundeigentümers an einer zeitnahen Bebauung als auch dem unzweifelhaft gegebenen öffentlichen Interesse an einer geordneten Siedlungsentwicklung gerecht.

Der Mehrwert eines Bebauungsplanes – im Vergleich zum bauplatzbezogenen Bauverfahren – liegt in der übergeordneten städtebaulichen Betrachtung und Festlegung.

Aus nicht bekannten Gründen hat sich der Grundeigentümer nicht mit dem Begehren nach einem – gem. §62 StROG 2010 ersatzweise vom Land zu erlassenden – Bebauungsplan an das Amt der Steiermärkischen Landesregierung gewendet, sondern einen Antrag auf Festlegung der Bebauungsgrundlagen gem. §18 BauG gestellt.

Es wird ersucht, bei der Abwägung aller Aspekte auch dem öffentlichen Interesse insofern angemessenes Gewicht beizumessen, als ein Lösungsweg vorgegeben werden möge, der eine übergeordnete städtebauliche Planung vorsieht und nicht den direkten Weg zu einem einfachen Bauverfahren eröffnet."

6. Die Steiermärkische Landesregierung hat eine Äußerung erstattet, in der dem Prüfungsbeschluss wörtlich wie folgt entgegengetreten wird:

"Der Flächenwidmungsplan 4.0, bestehend aus dem Verordnungswortlaut, der planlichen Darstellung und dem Bebauungsplanzonierungsplan sowie weiteren Deckplänen wurde mit Bescheid der Abteilung 13 Umwelt und Raumordnung des Amtes der Steiermärkischen Landesregierung vom 08.03.2018 genehmigt und ist am 22.03.2018 in Rechtskraft erwachsen. Die Aufsichtsbehörde vertritt die Rechtsansicht, dass die im Flächenwidmungsplan 4.0 der Stadt Graz gem. der planlichen Darstellung im Deckplan 1 (Bebauungsplanzonierungsplan) erfolgte Festlegung einer Bebauungsplanpflicht für das Grst.Nr 1398/2, KG 63105 Gries, sachlich gerechtfertigt und somit gesetzmäßig und überdies nicht gleichheitswidrig ist. Dazu darf inhaltlich auf die bereits zum Verfahrensfall mit der GZ: V88/2019-2 ergangene Äußerung der Steiermärkischen Landesregierung vom 16.1.2020 […] verwiesen werden.

[…]"

7. Im vorangegangen Verfahren zur Zahl V88/2019 hat die Steiermärkische Landesregierung folgende – hier in Bezug genommene – Äußerung erstattet:

"[…]

In §27 Abs7 des Stadtentwicklungskonzeptes 4.0 der Stadt Graz ist zum Thema Siedlungsraum und Bevölkerung festgelegt, dass die Bebauungsplanung zur Sicherung der städtebaulichen Qualität und des Landschaftsbildes intensiviert werden soll (siehe dazu auch die Erläuterungen zum Deckplan 1 – Bebauungsplanzonierungsplan). Dies soll insbesondere

?    in Bereichen mit hoher Gestaltqualität und in Gebieten mit großem gestalterischen Verbesserungspotential sowie

?    in Gebieten mit hoher Entwicklungsdynamik bzw Umstrukturierungsdruck und in Gebieten mit hohem Entwicklungs- bzw Nachverdichtungspotential erfolgen.

Wie der Antragsteller selbst ausführt, wurde der gegenständliche Bereich in einer Studie der Technischen Universität Graz ('Idensified Density') als für eine bauliche Entwicklung im Rahmen einer Nachverdichtung besonders geeignet eingestuft. Die Argumentation der Stadt Graz, dass die Festlegung einer Bebauungsplanpflicht in diesem Bereich aufgrund der Lage innerhalb eines für die Stadtwahrnehmung wichtigen Bereiches, aufgrund des Zusammenspiels einer möglichen hohen Bebauungsdichte und einer kleinteiligen Parzellierung sowie einer voraussichtlichen Umstrukturierung bzw Nachverdichtung mit großem gestalterischen Potential erfolgt, ist für die Aufsichtsbehörde schlüssig und nachvollziehbar. Aus diesem Grunde vertritt die Aufsichtsbehörde die Rechtsansicht, dass die im Flächenwidmungsplan 4.0 der Stadt Graz gem. der planlichen Darstellung im Deckplan 1 (Bebauungsplanzonierungsplan) erfolgte Festlegung einer Bebauungsplanpflicht sachlich gerechtfertigt und somit gesetzmäßig und überdies nicht gleichheitswidrig ist.

Zu den Ausführungen, wonach die Festlegung der Bebauungsplanpflicht die Wirkung eines zeitlich unbeschrankten Baubewilligungsverbotes entfalte, ist festzuhalten, dass mögliche Schwierigkeiten im Zuge der Erstellung eines Bebauungsplanes nicht als Argument für die Gesetzwidrigkeit der Festlegung der Bebauungsplanpflicht herangezogen werden können. Vielmehr ist gem. §40 Abs2 StROG mit der Bebauungsplanung eine den Raumordnungsgrundsätzen entsprechende Entwicklung der Struktur und Gestaltung des im Flächenwidmungsplan ausgewiesenen Baulandes anzustreben. Demnach kommt der Bebauungsplanung im Bereich der örtlichen Raumordnung eine zentrale Bedeutung zu, weil die Erreichung der Raumordnungsziele in Bezug auf die Entwicklung des Baulandes ohne sie vielfach nicht möglich ist. Vor allem gilt dies im Hinblick auf die Durchsetzung einer bodensparenden, aufeinander abgestimmten Bebauung der vorhandenen Bauplätze (siehe dazu Trippl/Schwarzbeck/Freiberger, Steiermärkisches Baurecht, 5., neubearbeitete Auflage, Anmerkung 9 zu §40 Abs2 StROG).

[…]"

II. Rechtslage

1. §18 des Steiermärkischen Baugesetzes – Stmk BauG, LGBl 59/1995, idF LGBl 11/2020 lautet:

"§18

Festlegung der Bebauungsgrundlagen im Bauland für den Einzelfall

(1) Auf Antrag hat die Behörde, sofern Bebauungspläne nicht erforderlich sind, mit Bescheid folgende Bebauungsgrundlagen festzulegen:

1. die Baugebietskategorien nach dem Flächenwidmungsplan,

2. die Bebauungsweise, die Bebauungsdichte und den Bebauungsgrad,

3. die Straßenfluchtlinie und das Ausmaß der abzutretenden Grundfläche und

4. die zulässige Höhe der baulichen Anlagen.

Ferner kann die Behörde die Bauflucht- und Baugrenzlinien sowie Vorgaben über die Firstrichtung und Dachform unter Berücksichtigung des Straßen-, Orts- und Landschaftsbildes festlegen.

(2) Einem Antrag nach Abs1 sind anzuschließen:

1. ein Lageplan, mindestens im Maßstab 1:1000, mit einer Darstellung der für die Bebauung in Aussicht genommenen Grundstücke, einschließlich der an den Bauplatz angrenzenden Grundflächen, jeweils mit den darauf befindlichen Gebäuden und deren Geschoßanzahl;

2. der Nachweis des Eigentums oder des Baurechtes am Bauplatz in Form einer amtlichen Grundbuchabschrift oder in anderer rechtlich gesicherter Form, jeweils nicht älter als sechs Wochen;

3. die Zustimmungserklärung des Grundeigentümers oder des Inhabers des Baurechtes (Bauberechtigter), wenn der Antragsteller nicht selbst Grundeigentümer oder Inhaber des Baurechtes ist.

(3) Die Behörde hat binnen acht Wochen ab Vorliegen der vollständigen Unterlagen zu entscheiden. In diesem Verfahren ist nur der Antragsteller Partei.

(4) Die Entscheidung über die Bebauungsgrundlagen tritt außer Kraft:

1. nach Ablauf von zwei Jahren ab Rechtskraft, sofern nicht um eine Baubewilligung angesucht wird;

2. mit Rechtskraft der Entscheidung über ein Ansuchen um Baubewilligung.

(5) Die Erwirkung eines Festlegungsbescheides ist nicht Voraussetzung für die Erteilung einer Baubewilligung.

(6) Die Festlegungen sind für das Bauverfahren – unabhängig von abweichenden Regelungen in Flächenwidmungsplänen oder Bebauungsplänen – verbindlich."

2. Die maßgeblichen Bestimmungen des Steiermärkischen Raumordnungsgesetzes 2010 – StROG, LGBl 49/2010, idF LGBl 6/2020 lauteten auszugsweise:

"§1

Geltungsbereich

(1) – (2) […]

(3) Soweit durch die Bestimmungen dieses Gesetzes der Zuständigkeitsbereich des Bundes, insbesondere in Angelegenheiten des Gewerbes und der Industrie, des Verkehrswesens bezüglich der Eisenbahnen sowie der Bundesstraßen, des Bergwesens, des Forstwesens und des Denkmalschutzes berührt wird, kommt diesen Bestimmungen keine über die Zuständigkeit des Landes hinausgehende rechtliche Wirkung zu."

"§9

Bausperre

(1) Die Landesregierung hat, wenn dies zur Sicherung der Zielsetzungen eines zu erlassenden Entwicklungsprogramms notwendig ist, für bestimmte Teile des Landesgebietes durch Verordnung eine Bausperre zu erlassen. Die Verordnung ist in der 'Grazer Zeitung – Amtsblatt für die Steiermark' und auch sonst ortsüblich und zweckmäßig bekanntzumachen.

(2) Der Gemeinderat hat, wenn dies zur Sicherung der Zielsetzungen eines zu erlassenden örtlichen Entwicklungskonzeptes, Flächenwidmungsplanes oder Bebauungsplanes notwendig ist, für das gesamte Gemeindegebiet oder für bestimmte Teile desselben durch Verordnung eine Bausperre zu erlassen.

(3) Die Bausperre tritt, soweit sie nicht früher aufgehoben wird, mit dem Inkrafttreten des Entwicklungsprogramms (Abs1), des örtlichen Entwicklungskonzeptes, des Flächenwidmungs- oder Bebauungsplanes (Abs2) außer Kraft. Wird das Entwicklungsprogramm, das örtliche Entwicklungskonzept, der Flächenwidmungs- oder der Bebauungsplan nicht innerhalb von zwei Jahren ab Inkrafttreten der Bausperre erlassen, dann tritt die Bausperre außer Kraft. Die zweijährige Frist kann aus Gründen, die nicht in einer Säumigkeit der Gemeinde oder des Landes liegen, um höchstens ein weiteres Jahr verlängert werden.

(4) Die Bausperre hat die Wirkung, dass für raumbedeutsame Maßnahmen behördliche Bewilligungen, insbesondere nach dem Steiermärkischen Baugesetz, die dem Planungsvorhaben, zu deren Sicherung die Bausperre erlassen wurde, widersprechen, nicht erlassen werden dürfen."

"§26

Inhalt des Flächenwidmungsplans

(1) Der Flächenwidmungsplan hat das gesamte Gemeindegebiet räumlich zu gliedern und die Nutzungsart für alle Flächen entsprechend den räumlich-funktionellen Erfordernissen festzulegen. Dabei sind folgende Nutzungsarten vorzusehen:

1. Bauland,

2. Verkehrsflächen,

3. Freiland.

[…]

(2) – (3) […]

(4) Im Flächenwidmungsplan hat die Gemeinde jene Teile des Baulandes und jene Sondernutzungen im Freiland sowie jene Verkehrsflächen festzulegen, für die durch Verordnung Bebauungspläne zu erlassen sind (Bebauungsplanzonierung). Die Festlegungen sind bei der nächsten regelmäßigen Revision oder Änderung des Flächenwidmungsplanes im Flächenwidmungsplan zu treffen. Die Gemeinde kann überdies in der Bebauungsplanzonierung festlegen, dass bestimmte bauliche Anlagen bereits vor dem Vorliegen eines rechtswirksamen Bebauungsplanes baurechtlich bewilligt werden dürfen, wenn sich diese in die umgebende Bebauung einfügen, der Ensemblekomplettierung dienen und im Einklang mit den mit der Bebauungsplanung verfolgten Zielsetzungen stehen. Dazu sind Festlegungen hinsichtlich Lage, Größe, Höhe, Gestaltung und Funktion zu treffen. Bei jeder weiteren Fortführung oder Änderung des Flächenwidmungsplanes sind die Bebauungsplanzonierung sowie der Inhalt der Festlegungen zu überprüfen.

(5) – (6) […]

(7) Im Flächenwidmungsplan sind ersichtlich zu machen:

1. Flächen, die durch rechtswirksame überörtliche Festlegungen für eine besondere Nutzung bestimmt sind (Eisenbahnen, Flugplätze, Schifffahrtsanlagen, Bundes- und Landesstraßen, militärische Anlagen, Standorträume für die Errichtung von Abfallbehandlungsanlagen, Ver- und Entsorgungsanlagen Versorgungsanlagen von überörtlicher Bedeutung, Bergbaugebiete, öffentliche Gewässer und dergleichen) sowie Projekte dieser Art;

2. – 10. […]

(8) […]"

"§32

Verkehrsflächen

(1) Als Verkehrsflächen sind solche Flächen festzulegen, die für die Abwicklung des fließenden und ruhenden Verkehrs sowie für die Aufschließung des Baulandes und des Freilandes vorgesehen sind. Dazu gehören auch die für die Erhaltung, den Betrieb und den Schutz der Verkehrsanlagen und Versorgungsleitungen sowie die für Versorgung der Verkehrsteilnehmer erforderlichen Flächen und Einrichtungen.

(2) Verkehrsflächen, deren Festlegung im Flächenwidmungsplan nicht möglich oder zweckmäßig ist, sind im Bebauungsplan festzulegen."

"§37

Vorbehaltsflächen

(1) Im Flächenwidmungsplan können Flächen für Einrichtungen und Anlagen, für die eine nachweisbare Notwendigkeit besteht, die öffentlichen Zwecken dienen und dem umliegenden Gebiet zugeordnet sind, wie Schulen, Schülerheime, Kindergärten, Rüsthäuser, Krankenanstalten, Alten- und Pflegeheime, Zivilschutzanlagen, Energieversorgungsanlagen, öffentliche Plätze mit zentralen Funktionen, Seelsorgeeinrichtungen, Erholungsflächen (Parkanlagen, Spiel- und Sportanlagen), Friedhöfe, Abfall- und Abwasserbeseitigungsanlagen, kommunale Einrichtungen und Verkehrsflächen als Vorbehaltsflächen ausgewiesen werden. Dabei sollen die im Verfahren gemäß §42 Abs2 Z2 angebotenen Grundstücke berücksichtigt werden.

(2) – (7) […]"

"§40

Bebauungsplanung

(1) Jede Gemeinde hat zur Umsetzung der im Flächenwidmungsplan festgelegten Bebauungsplanzonierung durch Verordnung Bebauungspläne zu erstellen und fortzuführen. Der Bebauungsplan besteht aus einer zeichnerischen Darstellung und einem Verordnungswortlaut. Zur Begründung ist ein Erläuterungsbericht zu erstellen.

(2) Mit der Bebauungsplanung ist eine den Raumordnungsgrundsätzen entsprechende Entwicklung der Struktur und Gestaltung des im Flächenwidmungsplan ausgewiesenen Baulandes und des Freilandes (Sondernutzungen) anzustreben.

(3) […]

(4) Die Erlassung von Bebauungsplänen hat jedenfalls zu erfolgen:

1. Nach einer Änderung des Flächenwidmungsplanes zur Vermeidung oder Behebung von Widersprüchen zu übergeordneten Planungen der Gemeinde, zumindest im Anlassfall.

2. Zur Errichtung von Einkaufszentren. Ein begründeter Entfall ist bei bereits abgeschlossen bebauten Gebieten zulässig, wenn keine wesentliche Veränderung des äußeren Erscheinungsbildes und der Auswirkungen auf die Umwelt zu erwarten sind. Die Aufstellung oder Fortführung eines Bebauungsplanes ist auch Voraussetzung für Änderungen an einem Einkaufszentrum, die eine Baubewilligung erfordern und auf den Flächenwidmungsplan und den Zweck der Bebauungsplanung von Einfluss sind. In der Bebauungsplanung sind unter anderem die gesetzlichen Regelungen für Einkaufszentren in Verbindung mit den Bestimmungen der Einkaufszentrenverordnung umzusetzen.

3. In einem Landschaftsschutzgebiet gemäß den naturschutzrechtlichen Bestimmungen, wenn die zusammenhängend unbebauten Grundflächen 3000 m² übersteigen, sofern kein räumliches Leitbild gemäß §22 Abs7 erlassen wurde.

4. Beim Erfordernis einer Grundumlegung.

(5) – (7) […]

(8) Für die Teile des Baulandes und jene Sondernutzungen im Freiland, für die gemäß §26 Abs4 Bebauungspläne zu erlassen sind, haben die Gemeinden spätestens im Anlassfall (z. B. Ansuchen um Erstellung eines Bebauungsplanes nach erfolgter Abklärung aller Vorfragen) Bebauungspläne zu erstellen. Dabei ist das Verfahren zur Erstellung oder Änderung der Bebauungspläne unverzüglich nach Eintreten des Anlassfalles einzuleiten und spätestens innerhalb von 18 Monaten abzuschließen. Baubewilligungen nach dem Steiermärkischen Baugesetz dürfen erst nach Vorliegen eines rechtswirksamen Bebauungsplanes erteilt werden. Für Zubauten sowie für bauliche Anlagen, die entsprechend einer Festlegung im Flächenwidmungsplan gemäß §26 Abs4 vor der Erlassung eines Bebauungsplanes baurechtlich bewilligt werden dürfen, ist ein Gutachten eines Sachverständigen auf dem Gebiet der Raumplanung ausreichend.

§41

Inhalt der Bebauungsplanung

(1) In den Bebauungsplänen sind jedenfalls ersichtlich zu machen und festzulegen (Mindestinhalt):

1. […]

2. Festlegungen:

a) […]

b) Verkehrsflächen der Gemeinde: Straßenfluchtlinien, Abgrenzung der öffentlichen Verkehrsfläche;

c) – d) […]

e) private Verkehrsflächen: Grundsätze zur inneren Erschließung;

f) – i) […]

(2) In den Bebauungsplänen können folgende zusätzliche Inhalte (fließend bis Maximalinhalt) festgelegt werden:

1. Verkehrsflächen der Gemeinde und private Verkehrsflächen: Höhenlage und Profile der Verkehrsflächen, Überbaubarkeit von Verkehrsflächen, differenzierte Verkehrsfunktionen, Grundstückszufahrten, Grundsätze zur Grünausstattung, zur Oberflächengestaltung und Beleuchtung, Abtretungsflächen, Festlegung der inneren Erschließung, Durchlässigkeit (auch für Fuß- und Radwege, Durchgänge, Passagen, Arkaden und dergleichen);

2. öffentlicher Verkehr: Vorkehrungen für den öffentlichen Verkehr;

3. – 13. […]

(3) […]"

"§62

Aufsichtsbehördliche Maßnahmen

(1) […]

(2) Kommt die Gemeinde den Verpflichtungen nach §22 Abs8 und 9 sowie nach §40 Abs8 aus eigenem Verschulden nicht fristgerecht nach, können diese durch die Landesregierung auf Kosten der Gemeinde erfüllt werden."

3. Die maßgebliche Bestimmung des 4.0 Flächenwidmungsplanes der Landeshauptstadt Graz, beschlossen im Gemeinderat am 11. Mai 2017 und am 8. Februar 2018, genehmigt von der Steiermärkischen Landesregierung mit Bescheid vom 8. März 2018 und kundgemacht im Amtsblatt vom 22. März 2018, ABl 04/2018, lautet (die gesamte Bestimmung ist als in Bezug auf das betreffende Grundstück in Prüfung gezogen hervorgehoben):

"§4

BEBAUUNGSPLANZONIERUNG

(1) Für Flächen, für die gemäß Deckplan 1 (Bebauungsplanzonierungsplan) eine Bebauungsplanung erforderlich ist, wird im Anlassfall ein Bebauungsplan erstellt. Baubewilligungen sowie Genehmigungen nach §33 nach dem Steiermärkischen Baugesetz 1995 dürfen erst nach Vorliegen eines rechtswirksamen Bebauungsplanes erteilt werden. Für Zubauten ist ein Gutachten eines Sachverständigen auf dem Gebiet der Raumplanung ausreichend.

(2) Gemäß §26 Abs26 des 4.0 Stadtentwicklungskonzeptes der Stadt Graz gilt Abs1 sinngemäß auch für Flächen mit bestehender oder angestrebter Blockrandbebauung in geschlossenen Siedlungsbereichen, für die zum Schutz der Innenhöfe und Vorgärten die Bebauungsplanpflicht festgesetzt ist, mit der Maßgabe, dass bei der Schließung von Baulücken und bei Zubauten ein raumplanerisches Gutachten genügt.

(3) Für Flächen mit zeitlich nachfolgend einsetzender Bebauungsplanpflicht gilt ebenfalls Abs1 sinngemäß.

(4) Innerhalb der festgelegten bebauungsplanpflichtigen Gebiete ist im Zuge der Bebauungsplanerstellung eine Unterteilung in städtebaulich zweckmäßige Planungsgebiete (Teilbebauungspläne) vorzunehmen.

(5) Die in der Bebauungsplanzonierung festgelegte Bebauungsplanpflicht für Vorbehaltsflächen tritt erst mit Einsetzen der zeitlich nachfolgenden Nutzung in Kraft. Für diese gilt dann Abs1 sinngemäß."

4. Der maßgebliche Bereich des Deckplanes 1 (Bebauungsplanzonierungsplan) des 4.0 Flächenwidmungsplanes der Landeshauptstadt Graz stellt sich wie folgt dar (das betreffende Grundstück ist durch den Pfeil hervorgehoben):

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III. Erwägungen

1. Zur Zulässigkeit des Verfahrens

1.1. Im Verfahren hat sich nichts ergeben, was an der Präjudizialität des in Prüfung gezogenen §4 iVm Deckplan 1 (Bebauungsplanzonierungsplan) des 4.0 Flächenwidmungsplanes der Landeshauptstadt Graz, ABl 04/2018, zweifeln ließe, soweit damit für das Grundstück Nr 1398/2, KG 63105 Gries, die Erforderlichkeit einer Bebauungsplanung vorgesehen wird.

1.2. Da auch sonst keine Prozesshindernisse hervorgekommen sind, erweist sich das Verordnungsprüfungsverfahren insgesamt als zulässig.

2. In der Sache

2.1. Die im Prüfungsbeschluss dargelegten Bedenken des Verfassungsgerichtshofes konnten im Verordnungsprüfungsverfahren nicht zerstreut werden:

2.2. Die verordnungserlassende Behörde ist den im Prüfungsbeschluss dargelegten Bedenken einerseits im Wesentlichen unter Hinweis auf eine Vorantreibung der "Klärung der essentiellen Vorfragen bzw Planungsprozesse und Grundsatzbeschlüsse" entgegengetreten, weil – wie im Verordnungsprüfungsverfahren erstmalig vorgebracht wird – über das in Rede stehende Grundstück eine künftige Straßenbahntrasse verlaufen solle; die nicht erfolgte Erlassung eines Bebauungsplanes begründet sie sohin mit dem öffentlichen Interesse an dem Ausbau des öffentlichen Verkehrs bzw der Verkehrsplanung. Andererseits verweist die verordnungserlassende Behörde in ihrer ergänzenden Äußerung auf die Regelung des §62 Abs2 StROG, die die Möglichkeit der aufsichtsbehördlichen Ersatzvornahme in Bezug auf die Bebauungsplanerstellung vorsieht.

Die Steiermärkische Landesregierung ist den im Prüfungsbeschluss dargelegten Bedenken lediglich mit einem allgemeinen Verweis darauf entgegengetreten, dass die Festlegung einer Bebauungsplanpflicht für das in Rede stehende Grundstück "sachlich gerechtfertigt und somit gesetzmäßig und überdies nicht gleichheitswidrig" sei.

2.3. Damit sind die verordnungserlassende Behörde und die Steiermärkische Landesregierung nicht im Recht:

2.3.1. Der Verfassungsgerichtshof bleibt bei seiner Auffassung, dass aus den vorgelegten Verordnungsakten (in Übereinstimmung mit dem Vorbringen des Gemeinderates der Landeshauptstadt Graz und der Steiermärkischen Landesregierung im vorangegangenen Verfahren zur Zahl V88/2019) hervorgeht, dass im Allgemeinen ausreichende Erhebungen im Hinblick auf die von der Bebauungsplanpflicht betroffenen Grundstücke durchgeführt worden sind. Es ist daher der verordnungserlassenden Behörde nicht entgegenzutreten, wenn sie für das betreffende Gebiet grundsätzlich die Pflicht zur Erstellung von Bebauungsplänen statuiert.

2.3.2. Wie im Prüfungsbeschluss ausgeführt, lassen sich jedoch die im Fall VfSlg 17.604/2005 angestellten Überlegungen auf das Verhältnis von Flächenwidmungsplan und Bebauungsplan im vorliegenden Fall übertragen. Sieht nämlich der Verordnungsgeber im Flächenwidmungsplan die Erlassung eines Bebauungsplanes verpflichtend vor, so bewirkt er damit, solange er keinen Bebauungsplan erlässt, ein effektives Bauverbot auf dem betreffenden Grundstück:

§40 Abs8 StROG und §4 Abs1 des 4.0 Flächenwidmungsplanes bestimmen, dass Baubewilligungen erst nach Vorliegen eines rechtswirksamen Bebauungsplanes erteilt werden dürfen. Der Landesgesetzgeber sieht daher auch vor, dass die jeweilige Gemeinde spätestens im "Anlassfall", insbesondere im Falle eines "Ansuchens um Erstellung des Bebauungsplanes nach erfolgter Abklärung aller Vorfragen", Bebauungspläne zu erstellen, Verfahren zur Erstellung oder Änderung der Bebauungspläne unverzüglich nach Eintreten des Anlassfalles einzuleiten und spätestens innerhalb von 18 Monaten abzuschließen hat (§40 Abs8 StROG). Das Gesetz verpflichtet somit dazu, dass ein solches Verfahren mit der Erlassung eines Bebauungsplanes – nicht mit deren Verweigerung – zu enden hat: Das "Abschließen" des Verfahrens zur Bebauungsplanerstellung besteht in der Kundmachung des Bebauungsplanes. Aus §40 Abs1 und 8 StROG ergibt sich demnach, dass die Erstellung eines Bebauungsplanes nicht im Ermessen der verordnungserlassenden Behörde liegt, sondern sie dazu verpflichtet ist, die Bebauungsplanung innerhalb einer bestimmten Frist vorzunehmen. Aus §40 Abs2 StROG ergibt sich ferner, dass die "den Raumordnungsgrundsätzen entsprechende Entwicklung der Struktur und Gestaltung des im Flächenwidmungsplan ausgewiesenen Baulandes und des Freilandes (Sondernutzungen)" mit der Bebauungsplanung – nicht durch ihre tatsächliche Verweigerung – anzustreben ist. Ein Bebauungsplan ist daher jedenfalls zu erlassen, wenn der Flächenwidmungsplan dies vorsieht; die Planungsziele sind durch den Bebauungsplan anzustreben und die Erlassung des Bebauungsplanes kann nicht mit Verweis auf die Raumordnungsgrundsätze verweigert werden. Lassen diese nämlich im Einzelfall keine Bebauung zu, so dürfte das betreffende Grundstück überhaupt nicht als Bauland gewidmet sein. Zu all dem kommt hinzu, dass die Festlegung der Bebauungsgrundlagen im Bauland für den Einzelfall gemäß §18 Abs1 Stmk BauG wie im vorliegenden Fall nur in Betracht kommt, "sofern Bebauungspläne nicht erforderlich sind".

Im Anlassfall hat der Beschwerdeführer am 22. Jänner 2018 die Erstellung eines Bebauungsplanes für das in Rede stehende Grundstück beantragt. Der Gemeinderat der Landeshauptstadt Graz hat innerhalb von 18 Monaten, nämlich am 6. Juni 2019, lediglich entschieden, dass für das Grundstück ein Bebauungsplan nicht erstellt wird. Der Gemeinderat hat also das Verfahren zur Erstellung des Bebauungsplanes entgegen §40 Abs8 StROG nicht innerhalb von 18 Monaten "abgeschlossen", sondern im Gegenteil der Sache nach entschieden, innerhalb der vorgesehenen Frist keinen Bebauungsplan zu erlassen. Damit besteht aber für das Grundstück des Beschwerdeführers im Anlassfall im Zeitpunkt der Beschlussfassung durch den Verfassungsgerichtshof nun schon seit knapp vier Jahren ein effektives Bauverbot, das die verordnungserlassende Behörde durch Erlassung des Bebauungsplanes hätte beseitigen müssen.

Wenn die verordnungserlassende Behörde nun – erstmalig – vorbringt, dass über das in Rede stehende Grundstück (anscheinend im nördlichen Teil) eine künftige Straßenbahntrasse verlaufen solle, hat dies keinerlei Bezug zu den Bedenken des Verfassungsgerichtshofes. Zwar mögen der Ausbau des öffentlichen Verkehrs in Richtung des Grazer Südwestens zur vorläufigen Endhaltestelle "Don Bosco" erforderlich sein und ein entsprechender Grundsatzbeschluss des Gemeinderates der Landeshauptstadt Graz vom 14. November 2019 bzw ein Schwerpunkt im Regierungsprogramm der Stadtregierung vom 13. November 2021 vorliegen. Eine solche Planungsabsicht wäre aber zunächst durch eine entsprechende Entwicklungsplanung insbesondere im Flächenwidmungsplan zu verfolgen gewesen, die wiederum durch eine Bausperre iSd §9 Abs2 StROG hätte abgesichert werden können. Aus den vorgelegten Verordnungsakten ist aber in keiner Weise ersichtlich, dass "über die gegenständliche Liegenschaft […] eine künftige Straßenbahntrasse [verlaufe]"; das Grundstück ist aus dem Planungsareal vielmehr explizit ausgenommen. Eine allfällige (teilweise) Veräußerung oder Enteignung des im grundbücherlichen Eigentum des Beschwerdeführers im Anlassfall stehenden Grundstückes zum Zwecke der Verkehrsplanung wird ebenso wenig behauptet. Im Einzelnen wären (geplante) öffentliche oder private Verkehrsflächen entweder gemäß §37 Abs1 StROG als Vorbehaltsflächen auszuweisen oder aber gemäß §32 Abs1 und 2 StROG im Flächenwidmungsplan (§26 Abs1 Z2, Abs4 StROG) oder, soweit dies nicht möglich oder zweckmäßig ist, im Bebauungsplan (§41 Abs1 Z2 litb und e, Abs2 Z1 und 2 StROG) festzulegen bzw – soweit es sich um überörtliche Festlegungen in Angelegenheiten des Verkehrswesens bezüglich der Eisenbahnen nach §1 Abs3 StROG handelt – im Flächenwidmungsplan (§26 Abs7 Z1 StROG) ersichtlich zu machen gewesen.

2.4. Im Ergebnis führt diese, durch die ausdrückliche Verweigerung der Verordnungserlassung qualifizierte Untätigkeit der verordnungserlassenden Behörde im Sinne der oben angeführten Rechtsprechung somit dazu, dass sich die Bebauungsplanpflicht im 4.0 Flächenwidmungsplan in Bezug auf das Grundstück des Beschwerdeführers im Anlassfall als Eigentumsbeschränkung darstellt, die nicht mehr von einem fairen Gleichgewicht der öffentlichen und privaten Interessen getragen ist. Sie ist damit gesetzwidrig, woran auch die Regelung des §40 Abs8 StROG, wonach die Erstellung beantragter Bebauungspläne erst "nach erfolgter Abklärung aller Vorfragen" zu erfolgen hat, nichts zu ändern vermag. Soweit im Übrigen auf die Regelung des §62 Abs2 StROG verwiesen wird, die die Möglichkeit der aufsichtsbehördlichen Ersatzvornahme in Bezug auf die Bebauungsplanerstellung vorsieht, ist zu erwähnen, dass ein solches Aufsichtsmittel die Gemeinde nicht ihrer Verpflichtung enthebt, selbst gesetzmäßig zu handeln, ganz abgesehen davon, dass dem Normunterworfenen kein Rechtsanspruch darauf zusteht, dass die Aufsichtsbehörde dieses Aufsichtsmittel ergreift.

IV. Ergebnis

1. §4 iVm Deckplan 1 (Bebauungsplanzonierungsplan) des 4.0 Flächenwidmungsplanes der Landeshauptstadt Graz, ABl 04/2018, ist daher, soweit damit für das Grundstück Nr 1398/2, KG 63105 Gries, die Erforderlichkeit einer Bebauungsplanung vorgesehen wird, als gesetzwidrig aufzuheben.

2. Die Verpflichtung der Steiermärkischen Landesregierung zur unverzüglichen Kundmachung dieses Ausspruches erfließt aus Art139 Abs5 erster Satz B-VG und §59 Abs2 VfGG iVm §2 Abs1 Z7 Steiermärkisches Kundmachungsgesetz, LGBl 25/1999, idF LGBl 44/2015.

3. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.

Schlagworte

Bebauungsplan, Flächenwidmungsplan, Eigentumsbeschränkung, Bauverbot, Verordnungserlassung, Entscheidungspflicht, Baurecht

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2022:V249.2021

Zuletzt aktualisiert am

30.03.2022
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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