TE Vwgh Erkenntnis 2022/2/17 Ra 2021/20/0400

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Veröffentlicht am 17.02.2022
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren
41/02 Passrecht Fremdenrecht
49/01 Flüchtlinge

Norm

AsylG 2005 §3 Abs1
AVG §58
AVG §60
FlKonv Art1 AbschnA Z2
VwGVG 2014 §29
VwGVG 2014 §42 Abs2 Z1

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Hinterwirth, den Hofrat Mag. Eder und die Hofrätin Mag. Rossmeisel als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Kienesberger, über die Revision des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl in 1030 Wien, Modecenterstraße 22, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 8. Oktober 2021, W257 2185419-1/20E, betreffend Angelegenheiten nach dem AsylG 2005 (mitbeteiligte Partei: M H in W), zu Recht erkannt:

Spruch

Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Begründung

1        Der Mitbeteiligte, ein afghanischer Staatsangehöriger, stellte nach unrechtmäßiger Einreise in das Bundesgebiet am 21. März 2015 einen Antrag auf internationalen Schutz nach dem Asylgesetz 2005 (AsylG 2005). Er gab zum Grund seiner Flucht an, im Iran geboren und aufgewachsen, dort jedoch illegal aufhältig gewesen und deshalb geschlagen worden zu sein. Des Weiteren brachte der Mitbeteiligte vor, von seinem Vater und dessen Freunden im Iran misshandelt worden zu sein. Als er Schutz bei der Polizei gesucht habe, hätten sich Soldaten über ihn lustig gemacht, weil er aus Afghanistan stamme, und zwei Soldaten hätten ihn zudem vergewaltigt.

2        Mit Bescheid vom 27. Dezember 2017 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl den Antrag des Mitbeteiligten in Bezug auf die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten ab, erkannte ihm allerdings gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 den Status des subsidiär Schutzberechtigten zu und erteilte ihm gemäß § 8 Abs. 4 AsylG 2005 eine befristete Aufenthaltsberechtigung mit Gültigkeit bis zum 27. Dezember 2018.

3        Die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten begründete die Behörde damit, dass aufgrund des Aufwachsens des Mitbeteiligten im Iran, in Ermangelung familiärer Anknüpfungspunkte in Afghanistan und der Minderjährigkeit individuelle Verhältnisse vorlägen, die es nicht mit erforderlicher Sicherheit ausschließen ließen, dass der Mitbeteiligte im Fall seiner Rückkehr nach Afghanistan einer realen Gefahr ausgesetzt sei, die eine existenzbedrohende Notlage nach sich ziehen könnte.

4        In der gegen die Nichtzuerkennung des Status des Asylberechtigten erhobenen Beschwerde machte der Mitbeteiligte nunmehr geltend, er sei aufgrund der Zugehörigkeit zur sozialen Gruppe der Waisen- und Straßenkinder und der als „westlich“ und somit als politisch feindlich wahrgenommenen Rückkehrer einer asylrechtlich relevanten Verfolgung im Falle seiner Rückkehr nach Afghanistan ausgesetzt. Da er alleinstehend und Angehöriger der Volksgruppe der Hazara sei, weise er weitere Vulnerabilitätsmerkmale auf, die eine asylrechtlich relevante Verfolgung nach sich zöge.

5        Das Bundesverwaltungsgericht gab der Beschwerde nach Durchführung einer Verhandlung mit dem angefochtenen Erkenntnis statt, erkannte dem Mitbeteiligten gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 den Status des Asylberechtigten zu und stellte gemäß § 3 Abs. 5 AsylG 2005 fest, dass ihm kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukomme. Unter einem erklärte das Bundesverwaltungsgericht die Erhebung einer Revision nach Art. 133 Abs. 4 B-VG für nicht zulässig.

6        Das Bundesverwaltungsgericht ging davon aus, dass der Mitbeteiligte den Iran aufgrund der allgemeinen schlechten Situation und der Sicherheitslage, der mangelnden Freiheit und der Tatsache, dass er illegal im Iran gelebt habe, verlassen habe. Er verfüge aufgrund eigener Gewalterfahrungen und seiner Wahrnehmung der Entwicklungen in Afghanistan über eine deutlich „Afghanen/Afghanistan-ablehnende“ Haltung. Die Haltung und Denkweise des Mitbeteiligten entspräche nicht den in der afghanischen Gesellschaft herrschenden Gepflogenheiten. Er wolle ein selbstbestimmtes Leben führen, sich bilden und eigenständig wesentliche Lebensentscheidungen treffen. Dass der Mitbeteiligte Gewalt ausgesetzt wäre, weil er der Volksgruppe der Hazara angehöre oder schiitischen Glaubens sei, könne hingegen nicht festgestellt werden. Wahrscheinlich sei aber, dass der Mitbeteiligte aufgrund einer Kumulation seiner Eigenschaften (Hazara, junger Erwachsener, iranischer Dialekt) und seiner Denk- und Verhaltensweise (Afghanistan ablehnend, modern denkend, moderne Interessen, nach selbstbestimmtem Leben trachtend), seiner Vergangenheit (niemals in Afghanistan gelebt; nie in die afghanische Gesellschaft integriert) sowie aufgrund seines psychischen und physischen Zustands (labiler Zustand; Selbstverletzung) in seinem Herkunftsland psychischer und/oder physischer Gewalt ausgesetzt sei.

7        Es könne nicht festgestellt werden, dass der Mitbeteiligte im Falle einer Rückkehr nach Afghanistan sowohl Zugang zu einem traditionellen Unterstützungsnetzwerk durch Mitglieder der Familie oder Mitglieder seiner ethnischen Gruppe als auch gleichzeitig Zugang zu Unterkunft, grundlegender Versorgung wie sanitärer Infrastruktur, Gesundheitsdiensten und Bildung sowie zu Erwerbsmöglichkeiten hätte. Dem Mitbeteiligten drohe derzeit aufgrund der dort herrschenden allgemeinen schlechten Sicherheitslage und dem stetigen Vorstoß der Taliban bei einer Rückkehr in sein Heimatland ein Eingriff in seine körperliche Unversehrtheit. Zudem liefe er bei einer Rückkehr in sein Heimatland mangels familiärer Anknüpfungspunkte und mangels Eigentums Gefahr, grundlegende und notwendige Lebensbedürfnisse wie Nahrung, Kleidung sowie Unterkunft nicht befriedigen zu können und in eine ausweglose bzw. existenzbedrohende Situation zu geraten.

8        In seiner rechtlichen Beurteilung ging das Bundesverwaltungsgericht davon aus, dass es der Mitbeteiligte glaubhaft gemacht habe, über Eigenschaften zu verfügen, die in ihrer Gesamtschau eine maßgebliche Verfolgungswahrscheinlichkeit aus einem der in Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK (sozialen Gruppe) genannten Gründe maßgeblich erscheinen lassen: er gehöre der Minderheit der Hazara an, sei erst kürzlich volljährig geworden, verfüge über mangelnde Ausbildung und über keine Ortskenntnis in Afghanistan, das mittlerweile von den Taliban weitgehend kontrolliert werde. Der Mitbeteiligte habe einen iranischen Akzent und habe sich niemals in Afghanistan aufgehalten, sodass er auch noch nie in die afghanische Gesellschaft integriert gewesen sei. Er verfüge über keine eigenen Wahrnehmungen über das Leben in Afghanistan und über keine familiären oder sozialen Anknüpfungspunkte in Afghanistan. Weiters habe er Einstellungen und Verhaltensweisen, die aus Sicht der Taliban als „westlich“ wahrgenommen würden und er sei psychisch labil und traumatisiert. Er müsste seine Grundeinstellung (freies, selbstbestimmtes Leben führen und danach handeln) unterdrücken, um nicht Gefahr zu laufen, ernsthafter physischer Übergriffe ausgesetzt zu sein.

9        Dagegen richtet sich die Revision des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage derselben sowie der Verfahrensakten das Vorverfahren eingeleitet hat. Der Mitbeteiligte erstattete keine Revisionsbeantwortung.

10       Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Revision erwogen:

11       Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl bringt zur Zulässigkeit seiner Amtsrevision vor, das Bundesverwaltungsgericht weiche von der Rechtsprechung zur Begründungspflicht ab, weil sich aus dem Erkenntnis nicht klar ergebe, an welchen Konventionsgrund die von ihm angenommene Verfolgung des Mitbeteiligten anknüpfe. Dem Bundesverwaltungsgericht zufolge liege die Gefährdung in einer Kumulation mehrerer Eigenschaften, deshalb gehöre der Mitbeteiligte einer sozialen Gruppe an. Hinsichtlich der Zugehörigkeit zu einer solchen fehlten aber konkrete Feststellungen zu den Merkmalen und zur geforderten abgegrenzten Identität sowie zum kausalen Zusammenhang mit der Verfolgung. In Bezug auf die westliche Denk- und Verhaltensweise lege das Bundesverwaltungsgericht nicht nachvollziehbar dar, welche konkrete Lebensführung der Mitbeteiligte im Fall einer Rückkehr nicht mehr aufrechterhalten könne und ihn einer asylrelevanten Verfolgung aussetzen würde. Es sei nicht erkennbar, mit welchen Eingriffen in die persönliche Sphäre der Mitbeteiligte bei einer Rückkehr konkret zu rechnen hätte. Es könne daher nicht beurteilt werden, ob diese die Intensität asylrelevanter Verfolgung erreichten.

12       Die Amtsrevision erweist sich als zulässig. Sie ist auch begründet.

13       Der Verwaltungsgerichtshof hat zur Begründungspflicht eines Erkenntnisses eines Verwaltungsgerichts gemäß § 29 VwGVG festgehalten, dass die Begründung jenen Anforderungen zu entsprechen hat, die in der Rechtsprechung zu den §§ 58 und 60 AVG entwickelt wurden. Dies erfordert in einem ersten Schritt die eindeutige, eine Rechtsverfolgung durch die Partei ermöglichende und einer nachprüfenden Kontrolle durch die Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts zugängliche konkrete Feststellung des der Entscheidung zugrunde gelegten Sachverhaltes, in einem zweiten Schritt die Angabe jener Gründe, welche die Behörde im Falle des Vorliegens widerstreitender Beweisergebnisse in Ausübung der freien Beweiswürdigung dazu bewogen haben, gerade jenen Sachverhalt festzustellen, und in einem dritten Schritt die Darstellung der rechtlichen Erwägungen, deren Ergebnisse zum Spruch des Bescheides geführt haben. Diesen Erfordernissen werden die Verwaltungsgerichte dann gerecht, wenn sich die ihre Entscheidung tragenden Überlegungen zum maßgeblichen Sachverhalt, zur Beweiswürdigung sowie zur rechtlichen Beurteilung aus der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung selbst ergeben (vgl. etwa VwGH 8.7.2021, Ra 2021/20/0188, mwN).

14       Nach § 3 Abs. 1 AsylG 2005 ist Voraussetzung für die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten die Glaubhaftmachung, dass dem Asylwerber im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinn des Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention (GFK), demnach aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung droht.

15       Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist zentraler Aspekt der in Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK definierten Verfolgung im Herkunftsstaat die wohlbegründete Furcht davor. Eine Furcht kann nur dann wohlbegründet sein, wenn sie im Licht der speziellen Situation des Asylwerbers unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist. Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation aus Konventionsgründen fürchten würde. Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre des Einzelnen zu verstehen. Erhebliche Intensität liegt vor, wenn der Eingriff geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates zu begründen. Die Verfolgungsgefahr steht mit der wohlbegründeten Furcht in engstem Zusammenhang und ist Bezugspunkt der wohlbegründeten Furcht. Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht; die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht (vgl. VwGH 8.7.2021, Ra 2021/20/0111, mwN).

16       Fehlt ein kausaler Zusammenhang mit einem oder mehreren Konventionsgründen, kommt die Asylgewährung nicht in Betracht (vgl. VwGH 16.4.2020, Ra 2019/14/0505, Rn. 17, mwN).

17       Vor dem Hintergrund dieser Rechtslage ist der festgestellte Sachverhalt für die Beurteilung der Frage, ob im Fall des Mitbeteiligten die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten nach § 3 Abs. 1 AsylG 2005 vorliegen, in mehrfacher Hinsicht unvollständig und auch Ergebnis dessen, dass das Bundesverwaltungsgericht einigen Rechtsirrtümern unterlegen ist.

18       Wie sich aus den oben dargestellten Feststellungen im angefochtenen Erkenntnis ergibt, sah das Bundesverwaltungsgericht eine asylrelevante Verfolgung des Mitbeteiligten zum Einen in der allgemeinen, schlechten (Sicherheits-)Lage in Afghanistan und dem „Vorstoß der Taliban“ sowie dem Umstand, dass der Mitbeteiligte dort weder aufgewachsen noch sozialisiert worden sei und Gefahr liefe, keine Existenz aufbauen zu können. Dazu ist festzuhalten, dass diesen Aspekten bereits das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl durch die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 8 Ab. 1 AsylG 2005 Rechnung getragen hat (vgl. zu den Kriterien der Zuerkennung des Status des subsidiären Schutzberechtigten bei Vorliegen eines „real risk“ der Verletzung des Art. 3 EMRK, VwGH 12.1.2022, Ra 2021/20/0225, mwN).

19       Zum anderen beurteilte das Bundesverwaltungsgericht den Umstand, dass der Mitbeteiligte über „Eigenschaften verfüge, die in ihrer Gesamtschau eine maßgebliche Verfolgungswahrscheinlichkeit aus einem der in Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK (soziale Gruppe) genannten Gründen maßgeblich erscheinen ließe“ als asylrelevant.

20       Zur Auslegung des Begriffs der „sozialen Gruppe“ hat sich der Verwaltungsgerichtshof bereits in seiner bisherigen Rechtsprechung auf Art. 10 Abs. 1 lit. d der Status-RL und die dazu ergangene Rechtsprechung des EuGH bezogen. Damit das Vorliegen einer „sozialen Gruppe“ im Sinne dieser Bestimmung festgestellt werden kann, müssen nach der Rechtsprechung des EuGH zwei kumulative Voraussetzungen erfüllt sein. Zum einen müssen die Mitglieder der Gruppe „angeborene Merkmale“ oder einen „Hintergrund, der nicht verändert werden kann“, gemein haben, oder Merkmale oder eine Glaubensüberzeugung teilen, „die so bedeutsam für die Identität oder das Gewissen sind, dass der Betreffende nicht gezwungen werden sollte, auf sie zu verzichten“. Zum anderen muss diese Gruppe in dem betreffenden Drittland eine deutlich abgegrenzte Identität haben, da sie von der als sie umgebenden Gesellschaft als andersartig betrachtet wird (vgl. VwGH 11.12.2019, Ra 2019/20/0295, mwN).

21       Um das Vorliegen einer Verfolgung aus dem Konventionsgrund der Zugehörigkeit zu einer sozialen Gruppe beurteilen zu können, bedarf es daher sowohl Feststellungen zu den Merkmalen bzw. zur abgegrenzten Identität dieser Gruppe als auch zum kausalen Zusammenhang mit der Verfolgung (vgl. VwGH 14.8.2020, Ro 2020/14/0002).

22       Die Ausführungen im angefochtenen Erkenntnis - sowohl in den beweiswürdigenden Erwägungen als auch in der rechtlichen Beurteilung - lassen den Schluss zu, dass das Verwaltungsgericht die Voraussetzungen für das Vorliegen einer sozialen Gruppe allein in der Kumulierung von Eigenschaften des Mitbeteiligten als ausreichend ansah. Feststellungen zu den Merkmalen und zur Identität einer solchen Gruppe fehlen gänzlich. Dies ist mit der dargelegten Rechtsprechung nicht in Einklang zu bringen.

23       Zudem hat das Bundesverwaltungsgericht keine Feststellungen getroffen, die es erlaubten, auf eine Kausalität zwischen der Zugehörigkeit der vom Verwaltungsgericht angenommenen Gruppe und einer drohenden Gefahr zu schließen (vgl. etwa zu den Kriterien für das Vorliegen einer wohlbegründeten Furcht vor Verfolgung erneut VwGH Ra 2021/20/0111, mwN).

24       Es kann auch anhand des bisher festgestellten Sachverhalts nicht die Aussage getroffen werden, dass diese Gefahren jene erhebliche Intensität erreichten, bei der sie als Verfolgung zu qualifizieren wären. Ergänzend ist festzuhalten, dass nicht jede diskriminierende Maßnahme gegen eine Person als „Verfolgung“ iSd Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK anzusehen ist, sondern nur solche, die in ihrer Gesamtheit zu einer schwerwiegenden Verletzung grundlegender Menschenrechte der Betroffenen führen (vgl. wieder VwGH Ra 2019/20/0295, Rn. 27, unter Bezugnahme auf Art. 9 Abs. 1 der Richtlinie 2011/95/EU). Ob dies der Fall ist, ist im Einzelfall zu prüfen und in einer die nachprüfende Kontrolle ermöglichenden Begründung darzulegen (VwGH 16.12.2021, Ra 2021/18/0387, mwN).

25       Da das Bundesverwaltungsgericht somit aus den aufgezeigten Gründen die Rechtslage verkannt und infolgedessen für die Entscheidung wesentliche Feststellungen nicht getroffen hat, war die angefochtene Entscheidung wegen (prävalierender) inhaltlicher Rechtswidrigkeit gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG - in einem nach § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat - aufzuheben.

Wien, am 17. Februar 2022

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2022:RA2021200400.L00

Im RIS seit

21.03.2022

Zuletzt aktualisiert am

28.03.2022
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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