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L69304 Wasserversorgung OberösterreichNorm
AbwasserentsorgungsG OÖ 2001Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Hinterwirth sowie die Hofräte Dr. Bachler, Mag. Haunold, Mag. Stickler und Dr. Himberger als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Sinai, über die Revision des J R in H, vertreten durch die K M R Rechtsanwaltssocietät Dr. Longin Josef Kempf, Dr. Josef Maier in 4722 Peuerbach, Steegenstraße 3, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Oberösterreich vom 27. Jänner 2020, Zlen. LVwG-151851/30/JS/MH und LVwG-151852/27/JS/MH, betreffend Anschlusspflicht an die öffentliche Wasserversorgung (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Gemeinderat der Gemeinde H), zu Recht erkannt:
Spruch
Die Revision wird als unbegründet abgewiesen.
Der Revisionswerber hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von € 553,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
1 Der Revisionswerber ist - aufgrund eines mit seinen Eltern abgeschlossenen Übergabevertrags vom 18. April 2019 - Alleineigentümer des Grundstücks .243, KG H., auf dem sich ein nach Süden hin geöffneter Dreikanthof und ein ehemaliger Schweinestall befinden. Diese bilden den Hofbereich eines land- und forstwirtschaftlichen Anwesens und gelten daher als „ein Objekt“ („H. Nr. 10“) im Sinn des § 3 Z 4 des Oö. Wasserversorgungsgesetzes 2015 (Oö. WVG 2015). Das Objekt wird durch einen Brunnen, der sich im Nahbereich des Freizeitgartens des westlichen Wohntrakts des Dreikanthofs befindet, mit Trinkwasser versorgt.
2 Vom Brunnen verlaufen zwei Stränge einer Verbrauchsleitung in den westlichen Wohntrakt. Ein weiterer Strang dieser Leitung quert den Innenhof bis zum im Nordtrakt befindlichen Windkessel der Brunnenanlage. Von dort verläuft ein Strang der Verbrauchsleitung in den östlichen Wohntrakt, ein weiterer Strang bis zum ehemaligen Schweinestall.
3 In der südlich unmittelbar an das Grundstück .243 angrenzenden öffentlichen Straße verläuft ein Strang der Versorgungsleitung der Wasserversorgungsanlage der Gemeinde H.
4 Mit Schreiben vom 27. Juni 2017 und 30. August 2017 beantragten die Eltern des Revisionswerbers die Ausnahme von der Anschlusspflicht an die Wasserversorgungsanlage der Gemeinde H. aus dem Grund des § 6 Abs. 2 Z 4 Oö. WVG 2015. Dazu führten sie aus, die Herstellungskosten der Anschlussleitung von der Versorgungsleitung der Gemeinde bis zur vorgesehenen Übergabestelle beim Windkessel im Nordtrakt des Dreikanthofes betrügen - laut beigelegtem Kostenvoranschlag - € 26.433,24. Diese Anschlusskosten seien „unverhältnismäßig hoch“ im Sinn des § 6 Abs. 2 Z 4 Oö. WVG 2015.
5 Mit Bescheid des Bürgermeisters der Gemeinde H. vom 19. Dezember 2017 wurde dem Ansuchen der Eltern des Revisionswerbers nicht stattgegeben.
6 Ihre dagegen erhobene Berufung wurde mit Bescheiden der belangten Behörde jeweils vom 2. Juli 2018 als unbegründet abgewiesen.
7 Dagegen erhoben die Eltern des Revisionswerbers in einem gemeinsamen Schriftsatz Beschwerde.
8 Aufgrund des Übergabevertrags vom 18. April 2019 trat der Revisionswerber als nunmehriger Alleineigentümer des verfahrensgegenständlichen Objekts in das Beschwerdeverfahren ein. Seine Eltern schieden als Beschwerdeführer aus.
9 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Verwaltungsgericht die Beschwerde des Revisionswerbers nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung als unbegründet ab. Die Revision erklärte es für nicht zulässig.
10 Das Verwaltungsgericht stellte - neben dem oben dargestellten, unstrittigen Sachverhalt - fest, die Übergabestelle (als Ende der Anschlussleitung) für das Objekt könne wasserbautechnisch sowohl in den Wohntrakten des Objekts als auch außerhalb im Innenhof errichtet werden. Bei der vom Revisionswerber gewünschten Verlängerung der Anschlussleitung bis zum Windkessel im Nordtrakt handle es sich um eine für die Feststellung der Anschlusskosten unbeachtliche Inneninstallation.
11 Die Kosten der Herstellung der Anschlussleitung (samt dazugehörender Einrichtungen wie etwa Wasserzählerschacht) zum Anschluss des Objekts an die Wasserversorgungsanlage der Gemeinde H. betrügen netto rund € 4.600,--. Die durchschnittlichen Kosten für die Herstellung einer Anschlussleitung an die Wasserversorgungsanlage der Gemeinde H. betrügen zwischen netto € 5.000,-- und € 6.000,--.
12 Der Boden im Nahbereich des Grundstücks des Revisionswerbers bestehe aus Lehm, Löss und Sand und sei für den Wasserleitungsbau bestens geeignet.
13 In rechtlicher Hinsicht führte das Verwaltungsgericht aus, wie festgestellt, könne unabhängig davon, ob die Übergabestelle im straßenseitigen Südbereich des Grundstücks innerhalb des Objekts (Wohntrakt) oder außerhalb im Innenhof mittels Übergabeschacht als Fertigteil (samt Absperrventil) errichtet werde, die Anschlussleitung bei besten Boden- und Grabungsverhältnissen wasserbautechnisch hergestellt werden. Für diesen (rund 10 m langen) Anschlussbereich seien vom Revisionswerber auch keine Gründe einer Unverhältnismäßigkeit der zu erwartenden Herstellungskosten (von rund € 4.600,--) im Rahmen seiner Mitwirkungspflicht dargetan worden. Diese Kosten bewegten sich im Bereich der durchschnittlichen Anschlusskosten in der Gemeinde (von netto € 5.000,-- bis € 6.000,--), weshalb sich im verwaltungsgerichtlichen Verfahren, insbesondere aufgrund der gutachterlichen Ausführungen des wasserbautechnischen Amtssachverständigen, auch sonst keine Umstände einer Unverhältnismäßigkeit der Kostenbelastung für den Revisionswerber im Sinn des § 6 Abs. 2 Z 4 Oö. WVG 2015 ergeben hätten.
14 Die belangte Behörde habe damit zu Recht die Voraussetzungen für eine Ausnahme von der Anschlusspflicht des Objekts des Revisionswerbers an die Gemeinde-Wasserversorgungsanlage der Gemeinde H. schon aus diesem Grund verneint und den Antrag abgewiesen. Auf die übrigen Antragsvoraussetzungen nach § 6 Abs. 2 Oö. WVG 2015 sei daher nicht mehr weiter einzugehen gewesen.
15 Die ordentliche Revision ließ das Verwaltungsgericht im Wesentlichen mit der Begründung, es lägen keine Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der entscheidungswesentlichen Rechtsfrage der Verhältnismäßigkeit der Kostenbelastung des Revisionswerbers im Fall der Herstellung einer Anschlussleitung im Sinn des § 6 Abs. 2 Z 4 Oö. WVG 2015 vor, nicht zu.
16 Dagegen richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision wegen Rechtswidrigkeit des Inhalts und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.
17 Die belangte Behörde erstattete eine Revisionsbeantwortung, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Revision beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
18 In der Zulässigkeitsbegründung der Revision wird zusammengefasst vorgebracht, es fehle Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Frage, wo die für die Beurteilung der Höhe der Anschlusskosten nach § 6 Abs. 2 Z 4 Oö. WVG 2015 relevante Übergabestelle (örtlich) festzumachen sei. Aus den Materialien zum Oö. WVG 2015 ergebe sich, dass die Anschlussleitung mit der Übergabestelle ende. Aufgrund des Abstellens des Gesetzes auf Objekte (Gebäude) anstatt Liegenschaften habe sich die Übergabestelle regelmäßig im Gebäude zu befinden. Sie dürfe bei bestehenden Objekten daher nicht willkürlich, sondern nur dort angenommen werden, wo die Anschlussleitung nach den technischen Gegebenheiten im Objekt ende und an zentraler Stelle in die hausinternen Wasserleitungen übergehe, die bereits der Verbrauchsanlage zuzuordnen seien. Das sei in der Regel dort, wo sich der Windkessel der bisher vorhandenen Brunnenanlage befinde, von dem aus die hausinternen Wasserleitungen die einzelnen Räume mit Wasser versorgten.
19 Im gegebenen Zusammenhang sei auch die Rechtsfrage von weittragender Bedeutung, ob bei einem bestehenden Objekt, das aus mehreren Gebäuden bestehe, die im Sinn des § 3 Z 4 Oö. WVG 2015 den Hofbereich eines landwirtschaftlichen Anwesens bildeten, die Kosten der Herstellung eines Wasseranschlusses auch für diese einzelnen Gebäude bei der Ermittlung der Höhe der Herstellungskosten der Anschlussleitung nach § 6 Abs. 2 Z 4 Oö. WVG 2015 zu berücksichtigen seien.
20 Die Revision erweist sich aufgrund dieser Ausführungen als zulässig. Sie ist jedoch nicht begründet.
21 Die maßgebenden Bestimmungen des Oö. WVG 2015 lauten (auszugsweise):
„§ 3
Begriffsbestimmungen
Im Sinn dieses Landesgesetzes bedeutet:
1. Anschlussleitung: Wasserleitung, welche das Wasser von der Versorgungsleitung eines Wasserversorgungsunternehmens bis zur Übergabestelle an die Verbraucherin bzw. den Verbraucher einschließlich des Absperrventils liefert (Hausanschlussleitung);
(...)
4. Objekt: ein Gebäude, in dem bei bestimmungsgemäßer Nutzung Trink- und/oder Nutzwasser verbraucht wird; mehrere Gebäude, die den Hofbereich eines land- und forstwirtschaftlichen Anwesens bilden, gelten als ein Objekt; dies gilt sinngemäß auch für Betriebsanlagen, die aus mehreren Gebäuden bestehen;
(...)
§ 5
Anschluss- und Bezugspflicht
(1) Für Objekte besteht Anschlusspflicht an eine Gemeinde-Wasserversorgungsanlage, wenn
1. der zu erwartende Wasserbedarf dieser Objekte von dieser öffentlichen Wasserversorgungsanlage voll befriedigt werden kann, und
2. die kürzeste, in Luftlinie gemessene Entfernung zwischen dem auf den Erdboden projizierten am weitesten Richtung Versorgungsleitung vorspringenden Teil des Objektes (Messpunkt) und dem für den Anschluss in Betracht kommenden Strang der Versorgungsleitung der Gemeinde-Wasserversorgungsanlage nicht mehr als 50 Meter beträgt.
(...)
§ 6
Ausnahmen von der Anschlusspflicht
(...)
(2) Die Gemeinde hat für Objekte mit zum Zeitpunkt des Entstehens der Anschlusspflicht bestehender eigener Wasserversorgungsanlage auf Antrag eine Ausnahme von der Anschlusspflicht zu gewähren, wenn
(...)
4. die Kosten der Herstellung der Anschlussleitung und sämtlicher dazugehörender Einrichtungen, wie insbesondere Drucksteigerungseinrichtungen, Wasserzähler und Hauptabsperrventil, einschließlich der Kosten für die Wiederherstellung von Anlagen, die im Zug der Anschlusserrichtung beeinträchtigt werden würden, sowie einschließlich der Leistung von Entschädigungszahlungen im Sinn des § 8 Abs. 1 für die Anschlussverpflichtete bzw. den Anschlussverpflichteten mindestens doppelt so hoch wären wie die durchschnittlichen Anschlusskosten in der Gemeinde.
(...)“
22 Dem vorliegenden Fall ist voranzustellen, dass § 6 Abs. 2 Z 4 Oö. WVG 2015 nunmehr - anders als noch seine Vorgängerbestimmung im Oö. Wasserversorgungsgesetz, LGBl. Nr. 24/1997 (Oö. WVG 1997), - jene „Anschlusskosten“, hinsichtlich derer ein Vergleich mit dem Durchschnitt in der Gemeinde anzustellen ist, im Einzelnen ausdrücklich festlegt. Davon umfasst sind unter anderem die Kosten der Herstellung der Anschlussleitung, das ist nach § 3 Z 1 Oö. WVG 2015 die „Wasserleitung, welche das Wasser von der Versorgungsleitung eines Wasserversorgungsunternehmens bis zur Übergabestelle an die Verbraucherin bzw. den Verbraucher einschließlich des Absperrventils liefert (Hausanschlussleitung)“ (vgl. VwGH 12.5.2021, Ra 2019/07/0018, 0019).
23 Durch § 3 Z 1 Oö. WVG 2015 wird klargestellt, dass die Anschlussleitung mit der Übergabestelle endet (vgl. AB 1372/2015 BlgLT 27. GP 5).
24 Der Revisionswerber wirft in diesem Zusammenhang die Frage auf, an welcher Stelle eines Objekts die Übergabestelle im Sinn des § 3 Z 1 Oö. WVG 2015 anzunehmen sei, um die Höhe der Herstellungskosten der Anschlussleitung nach § 6 Abs. 2 Z 4 Oö. WVG 2015 im Sinn des Gesetzes ermitteln zu können.
25 Der Verwaltungsgerichtshof hat sich in seinem Erkenntnis vom 22. April 2010, 2008/07/0143 bis 0146, grundlegend mit der Vorgängerbestimmung des § 3 Abs. 2 Z 3 Oö. WVG 1997 - der noch nicht definierte, was unter den für eine Ausnahme von der Anschlusspflicht maßgeblichen „Kosten für den Anschluss“ zu verstehen war - in Hinblick auf die Situierung des Endes der Anschlussleitung auseinandergesetzt.
26 Der Entscheidung lag zu Grunde, dass die Gebäude und Grundstücke der damaligen Beschwerdeführer dem Anschlusszwang an die öffentliche Wasserversorgungsanlage einer Gemeinde nach § 1 Abs. 1 Oö. WVG 1997 unterlagen. Nach dieser Bestimmung bestand Anschlusszwang „für Gebäude und Anlagen einschließlich der jeweils dazugehörigen Grundstücke, in denen Wasser verbraucht wird (...)“.
27 Ausgehend davon gelangte der Verwaltungsgerichtshof zur Ansicht, dass die Anschlussleitung nicht zwingend an der jeweiligen Grundstückgrenze ende, sondern sich auch innerhalb des anschlusspflichtigen Objekts (also auch im Gebäude oder am Grundstück) befinden könne. Weil die damals belangte Behörde unter den Anschlusskosten nach § 3 Abs. 2 Z 3 Oö. WVG 1997 aber lediglich die Kosten für die Herstellung der Anschlussleitung bis zur Grundgrenze verstand, fehlte es den angefochtenen Bescheiden an nachvollziehbaren Feststellungen über die Situierung der jeweiligen Übergabestellen.
28 Nach § 1 Abs. 3 Z 2 Oö WVG 1997 zählte zum Versorgungsbereich jede Liegenschaft, deren kürzeste Entfernung zu einer Versorgungsleitung der öffentlichen Wasserversorgungsanlage nicht mehr als 50 Meter betrug.
29 Dazu hielt der Verwaltungsgerichtshof in seinem bereits zitierten Erkenntnis vom 22. April 2010, 2008/07/0143 bis 0146, fest, dass die Entfernung zwischen Liegenschaftsgrenze und Versorgungsleitung gemäß § 1 Abs. 3 Z 2 Oö WVG 1997 lediglich für die Beurteilung der Frage von Bedeutung sei, ob eine Liegenschaft überhaupt im Versorgungsbereich einer öffentlichen Wasserversorgungsanlage liege. Für den Begriff der Anschlusskosten und die Ermittlung ihrer Verhältnismäßigkeit war aus dieser Bestimmung jedoch nichts zu gewinnen.
30 Diese Rechtsansicht ist auf die Rechtslage nach dem an die Stelle des Oö. WVG 1997 getretenen Oö. WVG 2015 übertragbar.
31 Die mit dem Oö. WVG 2015 erfolgten Anpassungen bzw. Änderungen des oberösterreichischen Wasserversorgungsregimes verfolgten (unter anderem) den Zweck, eine Angleichung an die Bestimmungen des Oö. Abwasserentsorgungsgesetzes 2001 (Oö. AEG 2001) in Hinblick auf das Anknüpfungsobjekt der Anschlussverpflichtung zu erreichen („Objekt anstelle des Grundstücks“, vgl. dazu AB 1372/2015 BlgLT 27. GP 1).
32 Daher definiert § 3 Z 4 Oö. WVG 2015 nunmehr - enger als § 1 Abs. 1 Oö. WVG 1997 - „Objekt“ als „ein Gebäude“, in dem bei bestimmungsgemäßer Nutzung Trink- und/oder Nutzwasser verbraucht wird (wobei mehrere Gebäude, die den Hofbereich eines land- und forstwirtschaftlichen Anwesens bilden, und Betriebsanlagen, die aus mehreren Gebäuden bestehen, als „ein Objekt“ gelten). Damit stellt das Oö. WVG 2015 in Zusammenhang mit der Anschlusspflicht auf Gebäude anstatt - wie bisher das Oö. WVG 1997 - auf Liegenschaften ab (vgl. AB 1372/2015 BlgLT 27. GP 6).
33 Demnach sieht § 5 Abs. 1 Z 2 Oö. WVG 2015 vor, dass Anschlusspflicht dann besteht, wenn die kürzeste, in Luftlinie gemessene Entfernung zwischen dem auf den Erdboden projizierten am weitesten Richtung Versorgungsleitung vorspringenden Teil des „Objekts“ (Messpunkt) - also eines Gebäudes - und dem für den Anschluss in Betracht kommenden Strang der Versorgungsleitung der Gemeinde-Wasserversorgungsanlage nicht mehr als 50 Meter beträgt.
34 Auch nach § 6 Abs. 2 Oö. WVG 2015 hat die Gemeinde für „Objekte“ - also Gebäude - mit zum Zeitpunkt des Entstehens der Anschlusspflicht bestehender eigener Wasserversorgungsanlage - wie das Objekt des Revisionswerbers - auf Antrag eine Ausnahme von der Anschlusspflicht zu gewähren, wenn die in den Z 1 bis 4 genannten Voraussetzungen vorliegen. So sieht die - hier relevante - Z 4 dafür vor, dass die Kosten der Herstellung der Anschlussleitung und sämtlicher dazugehörender (näher genannten) Einrichtungen für die Anschlussverpflichtete bzw. den Anschlussverpflichteten mindestens doppelt so hoch wären wie die durchschnittlichen Anschlusskosten in der Gemeinde.
35 Nur in Bezug auf die Anschlusspflicht nach § 5 Oö. WVG 2015 ist auf den Abstand des anzuschließenden Objekts - also des Gebäudes anstelle der Liegenschaft - zur Versorgungsleitung einer Gemeinde-Wasserversorgungsanlage abzustellen. Aus dieser Bestimmung ist für den Begriff der Anschlusskosten und die Ermittlung ihrer Verhältnismäßigkeit nichts zu gewinnen. Folglich ist auch in einem Verfahren über einen Antrag auf Ausnahme von der Anschlusspflicht bei der Ermittlung der Höhe der Herstellungskosten der Anschlussleitung nach § 6 Abs. 2 Z 4 Oö. WVG 2015 die Distanz zwischen der Versorgungsleitung einer Gemeinde-Wasserversorgungsanlage und dem anzuschließenden Objekt - somit dem Gebäude - nicht von Bedeutung. Damit ist von einem Ende der Anschlussleitung im Sinn des § 3 Z 1 Oö. WVG 2015 nicht zwingend beim anzuschließenden Gebäude auszugehen; diese kann sich auch am Grundstück außerhalb des Gebäudes befinden, wie das der Verwaltungsgerichtshof in seinem bereits zitierten Erkenntnis vom 22. April 2010, 2008/07/0143 bis 0146, zum Oö WVG 1997 ausgesprochen hat.
36 Dem Revisionswerber ist daher nicht zuzustimmen, dass das Verwaltungsgericht mit seiner Rechtsansicht, wonach es nach § 6 Abs. 2 Z 4 Oö. WVG 2015 nicht darauf ankomme, ob die Übergabestelle innerhalb oder außerhalb eines Objekts situiert sei, die Rechtslage nach dem Oö. WVG 2015 verkannt habe.
37 Es liegt auf der Hand, dass die angenommene Situierung einer Übergabestelle Auswirkungen auf die Höhe der Herstellungskosten der Anschlussleitung hat. Ein Rechtsanspruch eines Anschlusspflichtigen darauf, dass eine bestimmte Situierung der Übergabestelle - etwa eine von ihm dafür vorgesehene Stelle einer bestehenden Verbrauchsanlage - als Grundlage für die Berechnung der Anschlusskosten herangezogen wird, ist dem Gesetz nicht zu entnehmen. Die Frage, ob die Situierung einer Übergabestelle für die Weiterleitung des Wassers geeignet und zweckmäßig ist, unterliegt grundsätzlich der einzelfallbezogenen Beurteilung des Verwaltungsgerichts. Eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung läge nur dann vor, wenn diese Beurteilung in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden unvertretbaren Weise vorgenommen worden wäre (vgl. zu ähnlichen Fragestellungen ua VwGH 3.12.2021, Ra 2019/07/0069).
38 Im vorliegenden Fall ging das Verwaltungsgericht auf Grundlage fachlicher Stellungnahmen von mehreren möglichen Situierungen der Übergabestelle (im Südbereich der Wohntrakte oder im Innenhof) aus, legte diese seinen Berechnungen zu Grunde und gelangte in jedem dieser Fälle zum (insoweit im Revisionsverfahren unstrittigen) Ergebnis, dass die Höhe der Herstellungskosten der Anschlussleitung nicht doppelt so hoch wären wie der Durchschnitt der Anschlüsse der Gemeinde. Dass dem Verwaltungsgericht bei Annahme dieser möglichen Stellen ein Fehler unterlaufen wäre, der zu einer Unvertretbarkeit der Beurteilung im obigen Sinn führte, ist nicht hervorgekommen.
39 Zudem ist der Revisionswerber darauf hinzuweisen, dass nach § 6 Abs. 2 Z 4 Oö. WVG 2015 nur die „Kosten der Herstellung der Anschlussleitung und sämtlicher dazugehörender [näher genannter] Einrichtungen“ bei der Ermittlung der Anschlusskosten zu berücksichtigen sind. Die Kosten für die weitere Leitungsführung (für die restliche Versorgungsanlage) - somit jene ab der Übergabestelle - fallen dabei nicht mehr unter den Begriff der „Kosten der Herstellung der Anschlussleitung und sämtlicher dazugehörender Einrichtungen“ (vgl. zur insoweit übertragbaren Rechtslage nach dem Oö. WVG 1997 etwa VwGH 24.7.2014, Ro 2014/07/0061, mwN).
40 Der Revisionswerber bringt noch vor, dass sein Objekt (Gebäude) über keinen Keller verfüge, sodass alle Armaturen (Wasserzähler) im Wohnbereich hergestellt werden müssten. Das Verwaltungsgericht habe es verabsäumt, diese konkreten Wohnverhältnisse zu berücksichtigen.
41 Angesichts der Tatsache, dass nach den Feststellungen des Verwaltungsgerichtes die Übergabestelle auch im Innenhof errichtet werden kann, geht dieses Vorbringen infolge einer tragfähigen Alternativbegründung jedenfalls ins Leere (vgl. VwGH 18.2.2021, Ra 2018/07/0347, mwN).
42 Die Revision erweist sich daher als unbegründet und war gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
Von der Durchführung der vom Revisionswerber beantragten Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 6 VwGG abgesehen werden, zumal das Verwaltungsgericht, ein Tribunal im Sinne der EMRK, eine mündliche Verhandlung durchgeführt hat (vgl. VwGH 7.5.2020, Ra 2019/10/0159, mwN).
43 Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.
Wien, am 23. Februar 2022
Schlagworte
Anzuwendendes Recht Maßgebende Rechtslage VwRallg2 Auslegung Anwendung der Auslegungsmethoden Verhältnis der wörtlichen Auslegung zur teleologischen und historischen Auslegung Bedeutung der Gesetzesmaterialien VwRallg3/2/2 Auslegung unbestimmter Begriffe VwRallg3/4 Individuelle Normen und Parteienrechte Rechtsanspruch Antragsrecht Anfechtungsrecht VwRallg9/2European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2022:RA2021070009.L00Im RIS seit
21.03.2022Zuletzt aktualisiert am
28.03.2022