TE Vwgh Erkenntnis 2022/2/25 Ra 2020/13/0041

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Veröffentlicht am 25.02.2022
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof
32/01 Finanzverfahren allgemeines Abgabenrecht

Norm

BAO §262
BAO §262 Abs1
BAO §262 Abs2
BAO §262 Abs3
BAO §262 Abs4
BAO §263
BAO §264
BAO §265 Abs1
BAO §279
BAO §279 Abs1
BAO §291 Abs1
VwGG §42 Abs2 Z2

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Büsser und den Hofrat MMag. Maislinger sowie die Hofrätinnen Dr. Reinbacher und Dr.in Lachmayer sowie den Hofrat Dr. Bodis als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Schramel, über die Revision der O GmbH in W, vertreten durch die Knirsch Gschaider & Cerha Rechtsanwälte OG in 1010 Wien, Wipplingerstraße 5, gegen das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichts vom 9. Jänner 2019, RV/7105892/2018, betreffend Haftung für Lohnsteuer für die Jahre 2008 bis 2010 und Festsetzung des Dienstgeberbeitrags sowie des Zuschlags zum Dienstgeberbeitrag für die Jahre 2008 bis 2010, zu Recht erkannt:

Spruch

Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit des Bundesfinanzgerichtes aufgehoben.

Der Bund hat der Revisionswerberin Aufwendungen in der Höhe von 1.346,40 € binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1        Zur Vorgeschichte des Revisionsfalls wird zunächst auf das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 21. November 2018, Ro 2016/13/0013 (im Folgenden: Vorerkenntnis), verwiesen. Der Verwaltungsgerichtshof hob damit das im ersten Rechtsgang ergangene Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes vom 15. Februar 2016, RV/7103143/2014, wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit auf.

2        Der Verwaltungsgerichtshof sprach im Vorerkenntnis aus, dass die Rechtsauffassung des Bundesfinanzgerichts, wonach bei Überlassung von Vorführkraftfahrzeugen durch einen KFZ-Händler an seine Dienstnehmer zur Privatnutzung die Bewertung nicht nach der Bestimmung des § 4 Abs. 6, sondern nach jener des § 4 Abs. 1 der Sachbezugswerteverordnung, BGBl. II Nr. 416/2001, vorzunehmen sei, unrichtig war. Die - aufgrund der Befreiungsbestimmung des § 3 Z 3 NoVAG 1991 - bei Vorführkraftfahrzeugen nicht angefallene NoVA war nach der im Streitzeitraum geltenden Rechtslage (§ 4 Abs. 6 iVm Abs. 1 der Sachbezugswerteverordnung, BGBl. II Nr. 416/2001 idF BGBl. II Nr. 467/2004) zudem nicht den Anschaffungskosten hinzuzurechnen.

3        Mit dem im - nach dem Vorerkenntnis - fortgesetzten Verfahren ergangenen Erkenntnis gab das Bundesfinanzgericht der Beschwerde der Revisionswerberin teilweise Folge und änderte damit die angefochtenen Bescheide ab, indem es die Ermittlung der strittigen Sachbezugswerte nach § 4 Abs. 6 der Sachbezugswerteverordnung vornahm.

4        Die gegen dieses Erkenntnis erhobene Amtsrevision wurde vom Verwaltungsgerichtshof mit Beschluss vom 22. Jänner 2021, Ra 2019/13/0023, zurückgewiesen.

5        Gegen dieses Erkenntnis richtet sich auch die vorliegende außerordentliche Revision, zu deren Zulässigkeit u.a. geltend gemacht wird, das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichts weiche von näher angeführter Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, weil das Bundesfinanzgericht trotz Unterbleiben einer Beschwerdevorentscheidung - und eines Vorlageantrages - in der Sache selbst entschieden habe, obwohl keiner der in § 262 Abs. 2 bis 4 BAO angeführten Fälle vorgelegen sei.

6        Der Verwaltungsgerichtshof hat nach Einleitung des Vorverfahrens, in dem das Finanzamt eine Revisionsbeantwortung erstattet hat, erwogen:

7        Die Revision erweist sich als zulässig und begründet.

8        Gemäß § 262 Abs. 1 BAO ist über Bescheidbeschwerden nach Durchführung der etwa noch erforderlichen Ermittlungen von der Abgabenbehörde, die den angefochtenen Bescheid erlassen hat, mit als Beschwerdevorentscheidung zu bezeichnendem Bescheid abzusprechen. Die Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung hat nur dann zu unterbleiben, wenn einer der in § 262 Abs. 2 bis 4 BAO genannten Fälle vorliegt.

9        Gemäß § 265 Abs. 1 BAO hat die Abgabenbehörde die Bescheidbeschwerde, über die keine Beschwerdevorentscheidung zu erlassen ist oder über die infolge eines Vorlageantrages vom Verwaltungsgericht zu entscheiden ist, nach Durchführung der etwa noch erforderlichen Ermittlungen ohne unnötigen Aufschub dem Verwaltungsgericht vorzulegen.

10       Gemäß § 291 Abs. 1 BAO ist das Verwaltungsgericht - soweit die Bundes- oder Landesgesetze nicht anderes vorsehen - verpflichtet, über Anträge der Parteien und über Beschwerden ohne unnötigen Aufschub, spätestens aber sechs Monate nach deren Einlangen zu entscheiden. Im Verfahren über Bescheidbeschwerden beginnt die Entscheidungsfrist mit der Vorlage der Beschwerde gemäß § 265 BAO.

11       Der Entscheidungspflicht des Bundesfinanzgerichtes unterliegt nach diesen Bestimmungen die von der Abgabenbehörde dem Bundesfinanzgericht vorgelegte Bescheidbeschwerde. Ist die Beschwerdevorentscheidung - von den in § 262 Abs. 2 bis 4 BAO normierten Ausnahmen abgesehen - noch nicht erlassen, besteht daher auch keine Entscheidungspflicht des Bundesfinanzgerichts über ihm vorgelegte Beschwerden (vgl. VwGH 20.11.2019, Fr 2018/15/0011). Zuständig zu einer Entscheidung (in der Sache) ist das Bundesfinanzgericht somit (grundsätzlich) nur dann, wenn zuvor bereits die Abgabenbehörde mit Beschwerdevorentscheidung entschieden hat und dagegen ein Vorlageantrag erhoben wurde (vgl. VwGH 29.1.2015, Ro 2015/15/0001; 22.11.2017, Ra 2017/13/0010).

12       Im vorliegenden Fall hat die Abgabenbehörde nach den vorgelegten Akten des Verfahrens im Hinblick auf die in der Beschwerde vom 8. Mai 2014 aufgestellte Behauptung, die Bestimmung des § 4 Abs. 6 der Sachbezugswerteverordnung, BGBl. II Nr. 416/2001, sei gesetzwidrig, gemäß § 262 Abs. 3 BAO von der Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung abgesehen und die Beschwerde direkt dem Bundesfinanzgericht vorgelegt.

13       Gemäß § 262 Abs. 3 BAO ist keine Beschwerdevorentscheidung zu erlassen und die Bescheidbeschwerde unverzüglich dem Verwaltungsgericht vorzulegen, wenn in der Bescheidbeschwerde „lediglich“ die Gesetzwidrigkeit von Verordnungen, die Verfassungswidrigkeit von Gesetzen oder die Rechtswidrigkeit von Staatsverträgen behauptet wird. Werden in der Bescheidbeschwerde auch andere Gründe für das Vorliegen einer Rechtswidrigkeit geltend gemacht, kommt die Ausnahme von der Verpflichtung der Abgabenbehörde zur Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung somit nicht zum Tragen (vgl. Ritz/Koran, BAO7, § 262 Tz 11; Ellinger/Sutter/Urtz, BAO3, § 262 Anm 8).

14       In der Beschwerde vom 8. Mai 2014 wird dargelegt, die „Nachverrechnung aufgrund der GPLA“ sei aus zwei Gründen unrechtmäßig: Einerseits weil die Bestimmung des § 4 Abs. 6 der Sachbezugswerteverordnung auf Mitarbeiter von KFZ-Händlern nicht anwendbar sei, andererseits weil die genannte Bestimmung dem EStG widerspreche und ihr damit eine gesetzliche Grundlage fehle. In der Beschwerde wurde somit nicht ausschließlich („lediglich“) die (teilweise) Gesetzwidrigkeit der Sachbezugswerteverordnung geltend gemacht, womit der Tatbestand des § 262 Abs. 3 BAO nicht erfüllt war. Aus den vorgelegten Akten des Verfahrens geht auch nicht hervor, dass der Tatbestand des § 262 Abs. 2 BAO erfüllt gewesen wäre; dies behauptet auch die belangte Behörde nicht.

15       Mangels Anwendbarkeit der Ausnahmebestimmungen des § 262 Abs. 2 bis 4 BAO wäre die Abgabenbehörde verpflichtet gewesen, eine Beschwerdevorentscheidung zu erlassen. Da das Bundesfinanzgericht dies verkannte und über die Beschwerde der Revisionswerberin absprach, nahm es eine Zuständigkeit in Anspruch, die ihm nicht zukam. Dadurch belastete es das angefochtene Erkenntnis mit Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit des Bundesfinanzgerichts.

16       Das angefochtene Erkenntnis war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 2 VwGG wegen - vorrangig wahrzunehmender - Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit des Bundesfinanzgerichtes aufzuheben.

17       Die Zuerkennung von Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.

Wien, am 25. Februar 2022

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2022:RA2020130041.L00

Im RIS seit

21.03.2022

Zuletzt aktualisiert am

28.03.2022
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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