TE Vwgh Beschluss 2022/2/28 Ra 2021/11/0148

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Veröffentlicht am 28.02.2022
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof

Norm

VwGG §46 Abs1

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Schick sowie die Hofrätinnen Dr. Pollak und MMag. Ginthör als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Vitecek, über 1. den Antrag des B L in B, vertreten durch Mag. Peter Akkad, Rechtsanwalt in 4632 Pichl bei Wels, Fadleiten 18, auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Revisionsfrist sowie 2. über die Revision der genannten Partei gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Oberösterreich vom 3. August 2021, Zl. LVwG-651989/25/MS, betreffend Entziehung der Lenkberechtigung (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bezirkshauptmannschaft Wels-Land), den Beschluss gefasst:

Spruch

I. Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wird abgewiesen.

II. Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1        Mit dem angefochtenen Erkenntnis vom 3. August 2021 wies das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich die Beschwerde des Revisionswerbers gegen den Bescheid der belangten Behörde vom 26. Jänner 2021, mit dem diesem die Lenkberechtigung entzogen wurde, als unbegründet ab. Die Revision nach Art. 133 Abs. 4 B-VG erklärte das Verwaltungsgericht für nicht zulässig. Den Angaben des Revisionswerbers zufolge wurde ihm das angefochtene Erkenntnis am 16. August 2021 zugestellt.

2        Die vorliegende außerordentliche Revision wurde am 27. September 2021, dem letzten Tag der (ausgehend vom 16. August 2021 berechneten) sechswöchigen Revisionsfrist, um 16:09 Uhr per ERV entgegen § 24 Abs. 1 VwGG an den Verwaltungsgerichtshof übermittelt und durch diesen am 30. September 2021 an das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich als gemäß § 24 Abs. 1 VwGG zuständige Einbringungsstelle weitergeleitet, wo sie am 1. Oktober 2021 einlangte.

3        Mit Eingabe vom 28. September 2021 beantragte der Revisionswerber die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand. Diese Eingabe wurde unter einem mit einem Revisionsschriftsatz an das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich postalisch übermittelt (Postaufgabe am 28. September 2021) und langte am 30. September 2021 beim Verwaltungsgericht ein.

4        Mit Schreiben vom 19. Oktober 2021 legte das Verwaltungsgericht die Revision sowie den Wiedereinsetzungsantrag unter Anschluss der Verfahrensakten dem Verwaltungsgerichtshof gemäß § 30a Abs. 7 VwGG vor.

I. Zum Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand:

5        Zum Wiedereinsetzungsantrag brachte der Revisionswerber zusammengefasst vor, sein anwaltlicher Rechtsvertreter, der davon in Kenntnis sei, dass Revisionsschriftsätze beim Verwaltungsgericht einzubringen seien, habe das elektronische Handbuch der von ihm verwendeten „Anwaltssoftware“ betreffend Eingaben an den Verwaltungsgerichtshof konsultiert und den Revisionsschriftsatz entsprechend dieser Anleitung per ERV eingebracht. In dem Handbuch sei in keiner Weise darauf hingewiesen worden, dass die Revision nicht an die „richtige“ für die Eingabe zuständige Behörde bzw. das zuständige Gericht, sondern auch bei Auswahl des Reiters „Ersteingabe“ direkt an den Verwaltungsgerichtshof übermittelt werde. Dies sei zudem aufgrund der Übermittlungsbestätigung nicht erkennbar gewesen. Die Software funktioniere „sonst“ stets so, dass der Benutzer die beabsichtigte Eingabe auswähle. Dann erledige die Software die „richtige“ Zustellung via ERV automatisch, wenn die Stammdaten des Aktes entsprechend richtig angelegt worden seien, d.h. die Software wisse beispielsweise, dass eine zivilrechtliche Berufung bei Anwahl dieses Betreibungsschrittes und Angabe der richtigen Daten im Aktenstamm beim Erstgericht einzubringen sei. Vor diesem Hintergrund habe der Rechtsvertreter davon ausgehen können, dass der per ERV eingebrachte Revisionsschriftsatz beim Landesverwaltungsgericht Oberösterreich eingegangen sei.

6        Mit diesem Vorbringen wird das Vorliegen der Voraussetzungen für die Wiedereinsetzung gemäß § 46 Abs. 1 VwGG freilich nicht dargetan.

7        Gemäß § 46 Abs. 1 VwGG ist einer Partei auf Antrag die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis eine Frist versäumt und dadurch einen Rechtsnachteil erleidet. Dass der Partei ein Verschulden an der Versäumung zur Last liegt, hindert die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht, wenn es sich nur um einen minderen Grad des Versehens handelt.

8        Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes trifft das Verschulden des Parteienvertreters die von diesem vertretene Partei, wobei an berufliche und rechtskundige Parteienvertreter ein strengerer Maßstab anzulegen ist als an rechtsunkundige und bisher noch nie an gerichtlichen Verfahren beteiligte Personen (vgl. VwGH 28.2.2018, Ra 2017/04/0146, mwN).

9        Der ins Treffen geführte Wiedereinsetzungsgrund führt den Antrag schon deshalb nicht zum Erfolg, weil es einem berufsmäßigen Parteienvertreter obliegt, sich mit den Schritten, die für die Übermittlung von Revisionsschriftsätzen an das Verwaltungsgericht erforderlich sind, ausreichend vertraut zu machen. Nähere Regelungen zu den technischen Einbringungsmöglichkeiten beim Landesverwaltungsgericht Oberösterreich (auch betreffend Revisionen) finden sich in § 1 der im Internet erfolgten Kundmachung des Präsidenten dieses Landesverwaltungsgerichts vom 20. Jänner 2020, LVwGI-2020-3861/5/Fi/SHe (siehe auch den in § 1 Abs. 1 leg. cit. für den elektronischen Rechtsverkehr angeführten „ERV-Anschriftcode“). Ein Rechtsanwalt hat sich derartige Informationen zu beschaffen (vgl. VwGH 23.1.2018, Ra 2017/05/0296).

10       Ein bloß minderer Grad des Versehens im Sinn von § 46 Abs. 1 VwGG liegt somit nicht vor. Folglich war der Wiedereinsetzungsantrag abzuweisen.

II. Zur Revision:

11       Das angefochtene Erkenntnis wurde dem Revisionswerber nach den Angaben der Revision, die mit den Ausführungen im Vorlageschreiben des Verwaltungsgerichts übereinstimmen, am 16. August 2021 zugestellt. Ausgehend davon endete die Revisionsfrist am 27. September 2021.

12       Die Revision wäre innerhalb der sechswöchigen Revisionsfrist und somit spätestens am 27. September 2021 nicht beim Verwaltungsgerichtshof, sondern gemäß § 24 Abs. 1 VwGG beim Landesverwaltungsgericht Oberösterreich einzubringen gewesen.

13       Die unmittelbar beim Verwaltungsgerichtshof eingebrachte Revision war gemäß § 62 Abs. 1 VwGG in Verbindung mit § 6 Abs. 1 AVG an das Verwaltungsgericht weiterzuleiten, wobei die Frist zur Erhebung einer Revision in einem solchen Fall nur gewahrt ist, wenn das Schriftstück noch innerhalb der Revisionsfrist einem Zustelldienst zur Beförderung an die zuständige Stelle übergeben wird (§ 33 Abs. 3 AVG) oder sonst bei dieser einlangt (vgl. etwa VwGH 17.12.2018, Ra 2018/06/0226, mwN). Eine fristwahrende Weiterleitung ist im vorliegenden Fall nicht erfolgt.

14       Die Revisionsfrist wurde somit weder durch den vom Verwaltungsgerichtshof weitergeleiteten noch durch den vom Revisionswerber unter einem mit dem Wiedereinsetzungsantrag an das Verwaltungsgericht am 28. September 2021 postalisch übermittelten Revisionsschriftsatz gewahrt.

15       Somit war die Revision gemäß § 34 Abs. 1 VwGG als verspätet zurückzuweisen.

Wien, am 28. Februar 2022

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2022:RA2021110148.L00

Im RIS seit

21.03.2022

Zuletzt aktualisiert am

12.04.2022
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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