Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Hofrat Dr. Schwarzenbacher als Vorsitzenden sowie die Hofrätinnen und Hofräte Hon.-Prof. PD Dr. Rassi, Dr. Kodek, MMag. Matzka und Mag. Istjan, LL.M., als weitere Richter in der Rechtssache der Antragstellerin H* GmbH, *, vertreten durch die Binder Grösswang Rechtsanwälte GmbH in Wien, wider den Antragsgegner M* K*, vertreten durch Mag. Dr. Otto Ranzenhofer, Rechtsanwalt in Wien, wegen Löschung der Marke 206 953, über die außerordentliche Revision der Antragstellerin gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 26. März 2021, GZ 33 R 17/21v-3, den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.
Text
Begründung:
[1] Der Antragsgegner ist Inhaber der Wortmarke „COYOTE“, Registernummer 206 953 (Priorität 18. 6. 2002; AZ AM 3954/2002), für die Dienstleistungen der Gruppe 43 „Betrieb einer Bar“ und „Verpflegung von Gästen in Restaurants“; die Schutzdauer der Marke wurde bis 30. 11. 2022 verlängert. Der Antragsgegner betrieb unter der Bezeichnung „Coyote“ in W*, eine Bar und Diskothek, und zwar von 19. 7. 2002 bis zur konkursbedingten Schließung des Betriebs am 9. 11. 2016; danach wurde die Marke lizenziert.
[2] Die Antragstellerin (bzw ihre Rechtsvorgängerin) betrieb seit Winter 2001 im Tiroler Winterurlaubsort I* eine Table-Dance-Bar unter dem Namen „Coyote Ugly“. Nachdem der Antragsgegner gegen die Antragstellerin ein Urteil erwirkt hatte, mit dem dieser verboten wurde, die Bezeichnung „Coyote“ oder eine verwechselbar ähnliche Bezeichnung im Zusammenhang mit dem Betrieb einer Bar oder der Ankündigung und der Durchführung von gleichartigen Dienstleistungen kennzeichenmäßig zu verwenden (unangefochten gebliebenes Teilurteil des Handelsgerichts Wien vom 14. 6. 2016, GZ 39 Cg 19/15k-13), änderte die Antragstellerin Anfang 2018 den Namen ihrer Bar in „Crazy Ugly“.
[3] Nachdem ein erster, auf § 33 MSchG gestützter Löschungsantrag der Antragstellerin vom 28. 2. 2018 abgewiesen worden war, wies die Nichtigkeitsabteilung das am 16. 4. 2019 beim Patentamt eingelangte, auf §§ 31 und 32 MSchG gestützte neuerliche Löschungsbegehren der Antragstellerin unter anderem mit der Begründung ab, dass wegen Zeitablaufs der Löschungsanspruch verwirkt sei.
[4] Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung im Ergebnis.
[5] Die dagegen erhobene außerordentliche Revision der Antragstellerin zeigt keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO auf:
Rechtliche Beurteilung
[6] 1.1. Nach § 31 Abs 1 MSchG kann die Löschung einer Marke begehren, wer nachweist, dass das von ihm für dieselben oder für ähnliche Waren oder Dienstleistungen geführte nichtregistrierte Zeichen bereits zur Zeit der Anmeldung der angefochtenen, seinem nichtregistrierten Zeichen gleichen oder ähnlichen Marke innerhalb beteiligter Verkehrskreise als Kennzeichen der Waren oder Dienstleistungen seines Unternehmens gegolten hat, es sei denn, die Marke wurde vom Markeninhaber mindestens ebenso lange unregistriert geführt, wie vom Unternehmen des Antragstellers.
[7] Nach § 32 Abs 1 MSchG kann ein Unternehmer die Löschung einer Marke begehren, wenn sein Name, seine Firma oder die besondere Bezeichnung seines Unternehmens oder eine diesen Bezeichnungen ähnliche Bezeichnung ohne seine Zustimmung als Marke oder als Bestandteil einer Marke registriert worden ist (§ 12 MSchG) und wenn die Benutzung der Marke geeignet wäre, im geschäftlichen Verkehr die Gefahr von Verwechslungen mit einem der vorerwähnten Unternehmenskennzeichen des Antragstellers hervorzurufen.
[8] 1.2. Nach § 31 Abs 2 und (gleichlautend) § 32 Abs 2 MSchG ist der Löschungsantrag abzuweisen, wenn der Antragsteller die Benutzung der eingetragenen Marke während eines Zeitraums von fünf aufeinanderfolgenden Jahren in Kenntnis dieser Benutzung geduldet hat. Dies gilt nur für die Waren und Dienstleistungen, für die die eingetragene Marke benutzt worden ist, und auch nur dann, wenn die Anmeldung der eingetragenen Marke nicht bösgläubig vorgenommen worden ist.
[9] Nach der Rechtsprechung des EuGH (22. 9. 2011, C-482/09, Bud?jovický Budvar) hat der nationale Richter folgende notwendige Voraussetzungen für das Ingangsetzen der Frist für die Verwirkung durch Duldung gemäß Art 9 Abs 1 der Richtlinie 89/104 (vgl nunmehr Art 9 Abs 1 Richtlinie [EU] 2015/2436 vom 16. 12. 2015 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Marken) zu prüfen: erstens die Eintragung der jüngeren Marke im betreffenden Mitgliedstaat, zweitens Gutgläubigkeit bei der Anmeldung dieser Marke, drittens die Benutzung der jüngeren Marke durch deren Inhaber in dem Mitgliedstaat, in dem sie eingetragen worden ist und viertens die Kenntnis des Inhabers der älteren Marke von der Eintragung der jüngeren Marke und von deren Benutzung nach ihrer Eintragung. Dem entspricht die Rechtsprechung des Senats zu § 9 Abs 5 UWG iVm § 58 MSchG, wonach der Inhaber der jüngeren Marke behaupten und beweisen muss, dass dem Inhaber des älteren Zeichens die Benutzung des jüngeren Zeichens bekannt war (RS0119756).
[10] 2.1. Die Revisionswerberin stützt sich in ihrem Rechtsmittel selbst darauf, dass die Verwechslungsgefahr der Zeichen unstrittig sei, und dass sie bzw ihre Rechtsvorgängerin am 16. 4. 2009 und 6. 12. 2012 auf die Registrierung der gegenständlichen Marke hingewiesen worden sei; sie behauptet jedoch nunmehr, diese Schreiben hätten keinerlei Hinweis auf die Benutzung dieser Marke durch den Antragsgegner enthalten.
[11] 2.2. Nach diesen genannten Urkunden (die der Entscheidung des Revisionsgerichts ebenfalls ohne weiteres zugrundezulegen sind: vgl RS0121557 [T3]) hat jedoch der Antragsgegner darin nicht nur auf die Details der Registrierung der Marke „Coyote“, sondern jeweils ausdrücklich auch darauf hingewiesen, dass er Inhaber des Gastgewerbebetriebs „Coyote“ in W*, sei. Dementsprechende Tatsachenbehauptungen hat der Antragsgegner auch vor der Nichtigkeitsabteilung aufgestellt.
[12] 2.3. Dem hielt die Antragstellerin in erster Instanz nur unsubstanziiert entgegen, dass die in § 31 Abs 2 MSchG „vorgesehenen Tatbestandselemente nicht erfüllt“ seien.
[13] Im Löschungsantrag an das Patentamt hatte die Antragstellerin zuvor noch zugestanden, sie hätte Kenntnis erlangt, dass der Antragsgegner in W* ein Unternehmen mit der Bezeichnung „Coyote“ und Dienstleistungen entsprechend der Dienstleistungskategorie 43 betreibe; sie hätte jedoch nicht gewusst, dass es sich dabei um gleichartige Betriebe gehandelt habe, weil beide eine „Verbindung der Verabreichung von Getränken und leicht bekleidete[n] Mädchen“ aufgewiesen hätten.
[14] 2.4. Auf Letzteres kommt es jedoch nicht an, weil die konkrete Form des Lokals der Antragstellerin zwanglos dem „Betrieb einer Bar“ und damit der Dienstleistungskategorie der Marke des Antragsgegners und des Betriebs, für den er sie benutzte, unterstellt werden kann. Die aufgrund der erwähnten Schreiben bestehende Kenntnis der Antragstellerin, dass der Antragsgegner seine Marke für die Bezeichnung seines gleichnamigen, der Dienstleistungskategorie laut Registrierung unterliegenden Betriebs auch tatsächlich benutzte (zum Genügen schon geringfügiger wirtschaftlich tatsächlich gerechtfertigter Benutzung vgl 4 Ob 26/18d [Pkt 3] mwN), kann damit als von der Antragstellerin unbestritten angesehen werden; ihre in der Berufung erstmals erhobene und in der Revision wiederholte gegenteilige Behauptung ist eine unzulässige Neuerung.
[15] 3.1. Zufolge dieser nicht bestrittenen Kenntnis der Marke und auch ihrer Benutzung war bei Erhebung des Löschungsbegehrens die Frist nach § 31 Abs 2 bzw § 32 Abs 2 MSchG bereits abgelaufen, was der Antragsgegner vor der Nichtigkeitsabteilung auch ausdrücklich eingewandt und diese als eine tragende Begründung für die Abweisung des Löschungsantrags angeführt hatte; das Vorliegen der weiteren Voraussetzungen der Verwirkung ist dagegen nicht strittig und wird in der Revision auch nicht in Frage gestellt.
[16] 3.2. Da die Abweisung des Antrags durch die Vorinstanzen somit im Einzelfall vertretbar erfolgte, war die dagegen keine erhebliche Rechtsfrage aufzeigende außerordentliche Revision schon aus diesem Grund zurückzuweisen.
[17] Einer weiteren Begründung – insbesondere zu den in der Revision weiters herangezogenen Fragen der Verkehrsgeltung und des aufrechten Besitzstands an der Etablissementbezeichnung der Antragstellerin sowie den ausschließlich zu diesen Fragen behaupteten Mängeln des berufungsgerichtlichen Verfahrens – bedarf dieser Beschluss nicht (§ 510 Abs 3 ZPO).
Textnummer
E134158European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2022:0040OB00118.21P.0125.000Im RIS seit
21.03.2022Zuletzt aktualisiert am
21.03.2022