TE OGH 2021/12/16 4Ob162/21h

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Veröffentlicht am 16.12.2021
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Vogel als Vorsitzenden und die Hofräte Dr. Schwarzenbacher, Hon.-Prof. PD Dr. Rassi und MMag. Matzka sowie die Hofrätin Mag. Istjan, LL.M., als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei A* B*, vertreten durch Mag. Gülay Aydemir, Rechtsanwältin in Wien, gegen die beklagte Partei S* B*, vertreten durch Dr. Erich Kafka und Dr. Manfred Palkovits, Rechtsanwälte in Wien, wegen 15.873,17 EUR sA und Feststellung, aus Anlass der Revision und des Revisionsrekurses der klagenden Partei gegen das Urteil und den damit verbundenen Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Berufungs- und Rekursgericht vom 26. Juni 2021, GZ 38 R 125/21w-27, womit das Urteil des Bezirksgerichts Fünfhaus vom 22. Februar 2021, GZ 9 C 270/20s-19, teilweise abgeändert und der damit verbundene Beschluss bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

1. In Ansehung der Bestätigung der Zurückweisung eines Klagsteils von 3.293,21 EUR wird der Revisionsrekurs der klagenden Partei zurückgewiesen; sie hat die Kosten hierfür selbst zu tragen.

2. Im Übrigen wird der Akt dem Erstgericht zurückgestellt.

Text

Begründung:

[1]            Der Kläger begehrt von der beklagten Vermieterin einerseits die Rückzahlung wegen Mietzinsminderungsansprüchen unter Vorbehalt gezahlter Mietzinse von 7.579,96? EUR sowie andererseits die Zahlung von 8.293,21 EUR an Schadenersatz; er strebt weiters die Feststellung seines Rechts zur Mietzinsminderung sowie der Haftung der beklagten Vermieterin für künftige Schäden an.

[2]            Das Erstgericht gab dem Mietzins-Rückzahlungsbegehren im Umfang von 1.758,56 EUR sA statt und wies ein Rückzahlungsbegehren von 5.821,40 EUR, ein Schadenersatzbegehren von 5.000 EUR sowie die beiden Feststellungsbegehren ab; ein Schadenersatzbegehren von 3.293,21 EUR wies es wegen Unzulässigkeit des streitigen Rechtswegs (§ 37 MRG) zurück, wobei es dies im Urteil aussprach und begründete.

[3]            Über die von beiden Parteien erhobenen Berufungen erkannte das Berufungsgericht ebenfalls zur Gänze in Urteilsform. Es änderte das Ersturteil dahin ab, dass es auch das Zahlungsbegehren von 1.758,56 EUR sA abwies; im Übrigen bestätigte es die abweisende Entscheidung ebenso wie die durch das Erstgericht ausgesprochene Zurückweisung. Es bewertete den Entscheidungsgegenstand als insgesamt 5.000 EUR, jedoch nicht 30.000 EUR übersteigend und ließ die ordentliche Revision nicht zu.

[4]            Der Kläger erhebt nun ein als „außerordentliche Revision“ bezeichnetes Rechtsmittel, in dem er jedoch einerseits den Antrag an das Berufungsgericht stellt, die ordentliche Revision doch zuzulassen, und andererseits die Revision ausführt; in dieser wendet er sich aber inhaltlich nicht nur gegen die Abweisung seiner Begehren, sondern neuerlich auch gegen die Zurückweisung eines Teilbegehrens von 3.293,21 EUR.

Rechtliche Beurteilung

[5]            Das Erstgericht legte das Rechtsmittel dem Obersten Gerichtshof zur Entscheidung vor. Diese Vorgangsweise entspricht nicht der Rechtslage:

[6]       1. Vorauszuschicken ist generell, dass die fehlende oder unrichtige Bezeichnung eines Rechtsmittels dessen Behandlung in einer dem Gesetz entsprechenden Weise nicht hindert (RS0036258). Ob eine Entscheidung anfechtbar ist und mit welchem Rechtsmittel das zu geschehen hat, hängt nicht davon ab, welche Entscheidungsform das Gericht tatsächlich gewählt hat oder wählen wollte, sondern nur davon, welche Entscheidungsform die richtige ist (RS0041880 [T1]; RS0041859 [T3]).

[7]       2.1. Das Erstgericht hat einen Teil des Klagebegehens von 3.293,21 EUR in Urteilsform als unzulässig zurückgewiesen; das vom Kläger auch dagegen angerufene Rechtsmittelgericht hat über diese Zurückweisung dahin abgesprochen, dass es (richtig: als Rekursgericht) in seinem Berufungsurteil (richtig insofern: Beschluss) dem dagegen erhobenen Rechtsmittel (richtig: Rekurs) nicht Folge gab.

[8]       2.2. Hat das Erstgericht eine Klage wegen Unzulässigkeit des Rechtswegs unrichtigerweise in Urteilsform zurückgewiesen, so steht dagegen nur der Rekurs offen und wird die Anwendung des § 528 ZPO hierdurch nicht ausgeschlossen (vgl RS0040285).

[9]            Auch gegen einen unrichtig als Urteil bezeichneten Beschluss des Rekursgerichts, mit dem ein erstgerichtlicher Beschluss auf Zurückweisung der Klage bestätigt wurde, ist daher der (richtig:) Revisionsrekurs zu erheben. Dieser ist bei Bekämpfung eines Konformatsbeschlusses zwar nicht nach § 528 Abs 2 Z 2 ZPO jedenfalls unzulässig (vgl RS0116348 [T1]), jedoch unter anderem nach § 528 Abs 2 Z 1 ZPO dann, wenn der Entscheidungsgegenstand an Geld oder Geldeswert insgesamt 5.000 EUR nicht übersteigt, es sei denn, es handelt sich um Streitigkeiten nach § 502 Abs 4 oder Abs 5 ZPO.

[10]     2.3. Der zurückgewiesene Klagsteil übersteigt 5.000 EUR nicht und es liegt auch kein Fall des § 502 Abs 4 oder Abs 5 ZPO – insbesondere keine Bestandstreitigkeit nach § 502 Abs 5 Z 2 ZPO – vor. Das Rechtsmittel des Klägers ist daher insofern jedenfalls unzulässig (vgl RS0044496).

[11]           2.4. Zwar wäre dessen Zurückweisung Aufgabe des Erstgerichts gewesen (§ 523 ZPO), doch ist im Fall der dennoch erfolgten Vorlage an den Obersten Gerichtshof dieser befugt, die Unzulässigkeit wahrzunehmen (vgl Sloboda in Fasching/Konecny3 IV/1 § 523 ZPO [1. 9. 2019 rdb.at] Rz 10). Es war daher in Pkt 1 des Spruches der absolut unzulässige Revisionsrekurs gegen die Bestätigung der Zurückweisung eines Klagsteils von 3.293,21 EUR sogleich zurückzuweisen.

[12]     2.5. Die Kostenentscheidung gründet in §§ 50, 40 ZPO.

[13]           3.1. Nach § 502 Abs 3 ZPO ist eine Revision, außer im Fall des § 508 Abs 3 ZPO, jedenfalls unzulässig, wenn – wie hier – der Entscheidungsgegenstand insgesamt zwar 5.000 EUR, nicht aber 30.000 EUR übersteigt, das Gericht zweiter Instanz ausgesprochen hat, dass die Revision nicht zulässig ist, und auch keine Streitigkeit nach § 502 Abs 4 oder Abs 5 vorliegt.

[14]     3.2. Nach § 508 Abs 1 ZPO kann eine Partei einen begründeten Antrag an das Rechtsmittelgericht stellen, seinen Ausspruch dahin abzuändern, dass die ordentliche Revision doch für zulässig erklärt werde; mit demselben Schriftsatz ist das ordentliche Rechtsmittel auszuführen. Erachtet das Rechtsmittelgericht den Antrag für stichhältig, so hat es seinen Ausspruch mit Beschluss abzuändern und auszusprechen, dass das ordentliche Rechtsmittel doch zulässig ist (§ 508 Abs 3 ZPO), anderenfalls hat es den Antrag samt dem ordentlichen Rechtsmittel mit – keiner Begründung bedürftigem und unanfechtbarem – Beschluss zurückzuweisen (§ 508 Abs 4 ZPO).

[15]           3.3. In Ansehung der Abweisung der Klagsforderungen von insgesamt 12.579,96? EUR sowie der Feststellungsbegehren und angesichts der Bewertung des Entscheidungsgegenstands durch das Berufungsgericht übersteigt der maßgebliche Wert des urteilsmäßig entschiedenen Entscheidungsgegenstands 5.000 EUR, nicht aber 30.000 EUR. Die (richtig: ordentliche) Revision ist daher nicht dem Obersten Gerichtshof vorzulegen; dieser darf über das Rechtsmittel nur und erst entscheiden, wenn das Gericht zweiter Instanz über den mit der Revision verbundenen Zulassungsantrag gemäß § 508 Abs 3 ZPO ausgesprochen hat, dass das ordentliche Rechtsmittel doch zulässig sei (RS0109623).

[16]     3.4. Es war daher die aus Pkt 2 des Spruches ersichtliche Rückleitungsanordnung an das Erstgericht zu treffen. Dieses hat den Akt mit Zulassungsantrag und Revision nunmehr dem Berufungsgericht vorzulegen, welches nach § 508 ZPO Beschluss zu fassen und darüber hinaus auch die Berichtigung seines Urteils und/oder seiner Ausfertigungen in Ansehung der an der Urteilsfällung beteiligten Richter (Widerspruch zwischen Kopf und Unterfertigungsstampiglie) zu prüfen haben wird.

Textnummer

E133976

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2021:0040OB00162.21H.1216.000

Im RIS seit

20.03.2022

Zuletzt aktualisiert am

20.03.2022
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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