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001 Verwaltungsrecht allgemein;Norm
ABGB §1332;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Weiss und die Hofräte Dr. Graf und Mag. Heinzl als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Hajicek, über den Antrag des R in S, vertreten durch Dr. T, Rechtsanwalt in S, auf Bewilligung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Behebung von Mängeln der Beschwerde in dem mit Beschluß vom 19. September 1995, 95/14/0061-5, abgeschlossenen Verfahren, den Beschluß gefaßt:
Spruch
Dem Antrag wird nicht stattgegeben.
Begründung
Mit Beschluß des Verwaltungsgerichtshofes vom 19. September 1995, 95/14/0061-5, wurde das Verfahren betreffend die vom Antragsteller erhobene Beschwerde gegen den Bescheid (Beschwerdeentscheidung) der Finanzlandesdirektion für Oberösterreich vom 17. Februar 1995, Zl 614/1-2/T-1994, betreffend Einleitung eines Finanzstrafverfahrens eingestellt, weil der Antragsteller dem an ihn ergangenen Auftrag zur Verbesserung der Beschwerde insoweit nicht entsprochen hat, als der ergänzende Schriftsatz entgegen der Aufforderung, ihn in dreifacher Ausfertigung vorzulegen, nur in zweifacher Ausfertigung vorgelegt wurde. Der Beschluß wurde dem Antragsteller am 2. November 1995 zu Handen seines ausgewiesenen Vertreters zugestellt.
Im fristgerecht zur Post gegebenen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wird ausgeführt, daß der Rechtsvertreter des Antragstellers täglich eine Unzahl von Post unterfertige, wobei dieser in erster Linie als Rechtsanwalt im Rahmen von Zivilverfahren auftrete und in derartigen Verfahren Schriftsätze üblicherweise zweifach mit einer Halbschrift bei Gericht überreicht würden. Aus diesem Grund habe der Rechtsvertreter irrtümlich eine der drei Schriftsatzausfertigungen nicht unterfertigt. Ein derartiger Fehler sei dem Rechtsvertreter bislang noch nicht unterlaufen. Es könne keinen Zweifel geben, daß die unterbliebene Unterschrift auf der dritten Gleichschrift des ergänzenden Schriftsatzes sowohl ein unvorhergesehenes Ereignis darstelle bzw. im schlimmsten Fall (nur) als leicht fahrlässig angelastet werden könne, weshalb beantragt werde, die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen. Gleichzeitig wurde eine dritte Ausfertigung des ergänzenden Schriftsatzes vorgelegt.
Gemäß § 46 Abs. 1 VwGG ist einer Partei auf Antrag die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis eine Frist versäumt und dadurch einen Rechtsnachteil erleidet. Daß der Partei ein Verschulden an der Versäumung zur Last liegt, hindert die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht, wenn es sich nur um einen minderen Grad des Versehens handelt.
Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes trifft das Verschulden des Parteienvertreters die von diesem vertretene Partei. Der Begriff des minderen Grad des Versehens wird als leichte Fahrlässigkeit im Sinne des § 1332 ABGB verstanden. Der Wiedereinsetzungswerber bzw. sein Vertreter darf also nicht auffallend sorglos gehandelt, somit die im Verkehr mit Gerichten und für die Einhaltung von Terminen und Fristen erforderliche und ihm nach seinen persönlichen Fähigkeiten zumutbare Sorgfalt außer acht gelassen haben. Dabei ist an berufliche rechtskundige Parteienvertreter ein strengerer Maßstab anzulegen als an rechtsunkundige oder bisher noch nie an gerichtlichen Verfahren beteiligte Personen (vgl den hg Beschluß vom 21. November 1995, 95/14/0140).
Bei Anlegung dieses Maßstabes hätte es die dem Vertreter des Antragstellers obliegende Sorgfaltspflicht erfordert, sich anläßlich der Unterfertigung von der ordnungsgemäßen Erfüllung des Mängelbehebungsauftrages zu vergewissern. Das Vorbringen des Antragstellers, sein Rechtsvertreter trete als Rechtsanwalt in erster Linie im Rahmen von Zivilverfahren auf und in derartigen Verfahren würden Schriftsätze üblicherweise zweifach mit einer Halbschrift bei Gericht überreicht, weshalb irrtümlich eine der drei "Schriftsatzausfertigungen" nicht unterfertigt worden sei, zeigt, daß der Rechtsvertreter des Antragstellers dieser Verpflichtung nicht nachkam, wenn er die vorbereiteten Schriftsätze - auf welchen im übrigen richtigerweise und deutlich sichtbar der Vermerk "3-fach, 1 HS" angebracht war - lediglich routinemäßig unterfertigte, somit den konkreten Auftrag des Verwaltungsgerichtshofes nicht beachtete. Dies umso mehr als der Rechtsvertreter des Antragstellers nach dem Antragsvorbringen hinsichtlich der Anzahl der vorzulegenden Schriftsatzausfertigungen an den Verwaltungsgerichtshof über die entsprechende, eine routinemäßige Behandlung allenfalls rechtfertigende Erfahrung nicht verfügte.
Das Außerachtlassen der im gegebenen Fall erforderlichen und zumutbaren Sorgfalt ist als ein den Grad minderen Versehens überschreitendes Verschulden des Antragstellervertreters zu werten (vgl abermals den zitierten hg Beschluß vom 21. November 1995, mwN).
Dem Wiedereinsetzungsantrag war daher nicht stattzugeben.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1996:1995140144.X00Im RIS seit
11.07.2001