TE Lvwg Erkenntnis 2021/12/20 LVwG-1-260/2021-R13

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Veröffentlicht am 20.12.2021
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Entscheidungsdatum

20.12.2021

Norm

KFG 1967 §82 Abs8
VStG §27 Abs1

Text

Im Namen der Republik!

Erkenntnis

Das Landesverwaltungsgericht Vorarlberg hat durch sein Mitglied Dr. Isabel Vonbank, LL.M., über die Beschwerde des S S, G, vertreten durch Reif und Partner Rechtsanwälte OG, Graz, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft B vom 22.04.2021 betreffend Übertretungen des Kraftfahrgesetzes, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung, zu Recht erkannt:

Gemäß § 50 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG) wird

?    der Beschwerde hinsichtlich Spruchpunkt 1. Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis aufgehoben und das Verwaltungsstrafverfahren eingestellt;

?    Spruchpunkt 2. wegen Unzuständigkeit der Behörde (Bezirkshauptmannschaft B) ersatzlos aufgehoben.

Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985 (VwGG) eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof unzulässig.

Begründung

1.   Im angefochtenen Straferkenntnis wurde dem Beschuldigten vorgeworfen:

1.   

Datum/Zeit:                  14.02.2021, 12:00 Uhr

Ort:                           H, L, Höhe Str.km XXX Grenzübergang H - S, Einreisespur, in Richtung Österreich

Betroffenes Fahrzeug:

PKW, Kennzeichen: YYY

 

 

Sie haben als Benutzer eines Fahrzeuges mit einem ausländischen Kennzeichen dieses länger als 1 Monat nach der erstmaligen Einbringung des Fahrzeuges nach Österreich verwendet, obwohl Fahrzeuge mit ausländischem Kennzeichen, die von Personen mit dem Hauptwohnsitz oder Sitz im Inland in das Bundesgebiet eingebracht und in diesem verwendet werden, bis zum Gegenbeweis als Fahrzeug mit dem dauernden Standort im Inland anzusehen sind.

Die Verwendung solcher Fahrzeuge ohne Zulassung gemäß § 37 KFG ist nur während eines Monats ab ihrer erstmaligen Einbringung in das Bundesgebiet zulässig.

Das KFZ wurde am Sommer des Jahres 2019 erstmalig in Österreich eingebracht.

Sie haben Ihren Hauptwohnsitz in Österreich und haben das KFZ zum angeführten Zeitpunkt am angeführten Ort verwendet.

2.   

Datum/Zeit:                  14.02.2021, 12:00 Uhr

Ort:                           H, L, Höhe Str.km XXX Grenzübergang H - S, Einreisespur, in Richtung Österreich

Betroffenes Fahrzeug:

PKW, Kennzeichen: YYY

 

 

Sie haben es als Benutzer eines Fahrzeuges mit einem ausländischen Kennzeichen unterlassen, den Zulassungsschein und die Kennzeichentafeln nach Ablauf eines Monats nach der erstmaligen Einbringung des Fahrzeuges nach Österreich der Behörde in deren Wirkungsbereich sich das Fahrzeug befindet, abzuliefern, obwohl Fahrzeuge mit ausländischem Kennzeichen, die von Personen mit dem Hauptwohnsitz oder Sitz im Inland in das Bundesgebiet eingebracht und in diesem verwendet werden, bis zum Gegenbeweis als Fahrzeug mit dem dauernden Standort im Inland anzusehen sind.

Die Verwendung solcher Fahrzeuge ohne Zulassung gemäß § 37 ist nur während eines Monats unmittelbar nach ihrer erstmaligen Einbringung in das Bundesgebiet zulässig.

Nach Ablauf dieser Frist sind der Zulassungsschein und die Kennzeichentafeln der Behörde, in deren örtlichem Wirkungsbereich sich das Fahrzeug befindet, abzuliefern.

Das KFZ wurde im Sommer des Jahres 2019 erstmalig in Österreich eingebracht.

Der Standort in Österreich ist in G, H-Gasse.

Sie haben bis zum 14.02.2021 die Kennzeichen und den Fahrzeugschein nicht abgeliefert.

Sie haben dadurch folgende Rechtsvorschrift(en) verletzt:

1.   

§ 82 Abs. 8 2ter Satz KFG

2.   

§ 82 Abs. 8 KFG

Wegen dieser Verwaltungsübertretung(en) wird (werden) über Sie folgende Strafe(n) verhängt:

Geldstrafe von

falls diese uneinbringlich ist, Ersatzfreiheitsstrafe von

Freiheitsstrafe von

Gemäß

1.   € 150,00

1 Tage(n) 6 Stunde(n) 0 Minute(n)

 

§ 134 Abs. 1 Kraftfahrgesetz (KFG) idgF

2.   € 220,00

1 Tage(n) 20 Stunde(n) 0 Minute(n)

 

§ 134 KFG

Weitere Verfügungen (zB Verfallsausspruch, Anrechnung von Vorhaft):

     

Ferner haben Sie gemäß § 64 des Verwaltungsstrafgesetzes 1991 - VStG zu zahlen:

€ 37,00 als Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens, das sind 10% der Strafe, jedoch mindestens € 10,00 für jedes Delikt (je ein Tag Freiheitsstrafe wird gleich € 100,00 angerechnet).

Der zu zahlende Gesamtbetrag (Strafe/Kosten/Barauslagen) beträgt daher

€ 407,00

2.   Gegen dieses Straferkenntnis hat der Beschuldigte rechtzeitig Beschwerde erhoben. Als Beschwerdegründe wird Rechtswidrigkeit des Inhaltes (sowohl in formeller als auch in materieller Hinsicht) geltend gemacht und ausgeführt wie folgt:

1.   

Sachverhalt:

Der Beschwerdeführer sei am 14.02.2021 gegen 12:00 Uhr über den Grenzübergang H-S nach Österreich gefahren. Der Beschwerdeführer sei in G an der Behörde bekannten Adresse gemeldet. Richtig sei auch, dass das Fahrzeug mit dem Kennzeichen YYY in Deutschland zugelassen sei.

Tatsache sei jedoch, dass dieses Fahrzeug zwar auf den Beschwerdeführer angemeldet sei, dessen beiden Söhne, P und S, das Fahrzeug benützen würden. Diese seien in erster Linie in Deutschland aber auch in Rumänien in der Schweiz im Rahmen ihrer Ausbildung tätig.

Das Fahrzeug sei nie länger als einen Monat in Österreich, sondern sogar nur in relativ kurzen Zeiträumen von ein paar Wochen.

Trotz vorgenannter Umstände gehe die belangte Behörde zu Unrecht davon aus, dass es sich beim gegenständlichen Fahrzeug um ein sogenanntes eingebrachtes Fahrzeug im Sinne des KFG handeln würde, was unrichtig sei.

2.

Das Verfahren vor der BH B sei mangelhaft geblieben, da sich die Behörde nicht ausreichend mit der Stellungnahme bzw mit der Rechtfertigung des Beschwerdeführers auseinandergesetzt habe, schon gar nicht die Zeugen einvernommen habe, die sich aus dem Akt ergeben hätten, wie insbesondere die beiden Söhne des Beschwerdeführers.

Wäre diese Beweisaufnahme durchgeführt worden, wäre die belangte Behörde bei richtiger Beweiswürdigung zur Kenntnis gekommen, dass kein eingebrachtes Fahrzeug vorliege.

3.

Das Straferkenntnis sei auch materiell rechtswidrig.

Die belangte Behörde habe grundsätzlich richtig erkannt, dass das Fahrzeug in erster Linie im Ausland bewegt werde, so insbesondere in Deutschland, und dass das Fahrzeug in erster Linie von den Söhnen benutzt werde.

Die belangte Behörde begründe nicht, aus welchen Überlegungen heraus sie davon ausgehe, dass eine Einbringung des Fahrzeuges nach Österreich vorgelegen sei. Offenbar vermeine die Behörde, dass allein der Umstand, dass der Beschuldigten in Österreich Hauptwohnsitz rechtlich gemeldet sei, die Einbringung begründen würde, was unrichtig sei. Es komme sehr wohl auf die tatsächliche Übung an und insbesondere, ob überhaupt ein Wille vorhanden gewesen sei, das Fahrzeug nach Österreich einzubringen und es dort zu verwenden.

Im gegenständlichen Fall diene das Fahrzeug den Söhnen, die sich in Deutschland und in Rumänien aber auch in der Schweiz aufhalten würden und in Österreich nur zu Besuch seien.

Aus all diesen Gründen sei der Bescheid sowohl materiell als auch formell rechtswidrig.

Die Behörde sei nicht auf sämtliche Argumente eingegangen und habe sich im Straferkenntnis nicht damit auseinandergesetzt.

Die belangte Behörde übersehe, dass im gegenständlichen Fall ein Strafverfahren vorliege und die belangte Behörde die Pflicht habe, sich mit sämtlichen belastenden und entlastenden Materialien kritisch auseinanderzusetzen. Ein Sachverhalt festzustellen, zu begründen, aus welchen Überlegungen heraus die belangte Behörde zu diesem Sachverhalt gelangt sei.

Die belangte Behörde habe diesbezüglich dreigliedrig vorzugehen. Sie habe eine Feststellung zu treffen, die Beweise, aufgrund welcher sie zu diesen Feststellungen gelangt sei, zu nennen und darzulegen, warum sie anderen entlastenden Beweisergebnissen keinen Glauben geschenkt habe.

Aus all diesen Gründen sei daher der Bescheid formell und materiell rechtswidrig.

4.

Aus all diesen Gründen würden gestellt nachstehende Anträge:

a) Das LVwG Vorarlberg wolle in Stattgebung dieser Beschwerden angefochtenen Bescheid infolge Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufheben und zur Verfahrensergänzung und zur neuerlichen Entscheidung an die belangte Behörde zurückverweisen;

b) In eventu das angefochtene Straferkenntnis wegen Rechtswidrigkeit des Inhalts nach Verfahrensergänzung dahingehend abändern, als das Straferkenntnis gegen Beschuldigten/Beschwerdeführer eingestellt werde, ebenfalls aber eine mündliche Beschwerdeverhandlung anberaumen und dabei den Beschwerdeführer Einvernehmen, wie auch dessen Söhne S und P S.

Mit Schriftsatz vom 24.11.2021 gab der Rechtsvertreter des Beschwerdeführers bekannt, dass der Sohn A in der Beschwerde fälschlicherweise mit Stefan bezeichnet worden sei.

3.              Beweis wurde aufgenommen durch Einsichtnahme in den Behördenakt und das ZMR, Einvernahme des Beschwerdeführers sowie der Zeugen P S, A S und A S-D sowie Einsichtnahme über die vom Beschwerdeführer vorgelegte Fahrtenaufstellung.

4.   Aufgrund des durchgeführten Beweisverfahrens steht folgender Sachverhalt als erwiesen fest:

4.1. Der Beschwerdeführer hat seit 29.06.2018 an der Adresse H-Gasse in G seinen Hauptwohnsitz. Seine Ehegattin A D-S sowie die drei gemeinsamen Söhne A, P und B haben ihren Hauptwohnsitz seit 29.06.2018 bzw 16.07.2018 an derselben Adresse gemeldet.

4.2. Der Beschwerdeführer hat einen Nebenwohnsitz in F.

A S studiert seit einigen Jahren in Z und hat dort seinen Lebensmittelpunkt.

P S hat 2019/2020 eine Ausbildung in F und H absolviert und ab September 2020 ein Jahr in T M in Rumänien studiert.

B S ist Schüler und hat ab Februar 2020 ein Auslandssemester in der Schweiz absolviert.

A S-D ist eine kroatische Staatsangehörige und tätigt öfter Familienbesuche in Bosnien.

4.3. Der Beschwerdeführer hat das Fahrzeug mit dem amtlichen Kennzeichen YYY im August 2019 in F gekauft. Das Fahrzeug wurde im Herbst 2020 erstmals nach Österreich verbracht.

Das Fahrzeug wurde im Zeitraum August 2019 bis zum 14.02.2021 (Tatzeitpunkt) – in absteigender Häufigkeit – von P S, A S-D, A S und dem Beschwerdeführer verwendet.

Das Fahrzeug wurde ausschließlich für Fahrten ins und im Ausland verwendet. Das Fahrzeug diente hauptsächlich dazu, dass die Söhne des Beschwerdeführers zu ihren Studienorten fahren und die Frau des Beschwerdeführers Familienbesuche in Bosnien tätigt und diese Personen das Fahrzeug an den jeweiligen Standorten – teils über lange Zeiträume – verwenden. Standorte des Fahrzeuges waren F, H, Z, T M (Rumänien), Z (Bosnien) und G.

Im Jahr 2019 war der Standort des Fahrzeuges weitaus überwiegend Deutschland (ca 2 Wochen Standort in Österreich). Auch wurde das Fahrzeug weitaus überwiegend in Deutschland verwendet. Die Verwendung erfolgte durch P S.

Im Jahr 2020 war der Standort des Fahrzeuges überwiegend im Ausland (ca vier Monate Standort in Österreich). Auch wurde das Fahrzeug überwiegend im Ausland (Deutschland, Rumänien, Schweiz, Bosnien) verwendet. Die Verwendung erfolgte durch P S, A S-D, A S und den Beschwerdeführer.

Im Jahr 2021 (bis zum 14.02.2021) war der Standort des Fahrzeuges weitaus überwiegend Österreich, das Fahrzeug wurde aber überwiegend im Ausland (Schweiz) verwendet. Die Verwendung erfolgte durch den Beschwerdeführer und A S-D.

Auf den Beschwerdeführer ist ein zweites Fahrzeug angemeldet, welches von der Familie S für Fahrten im Inland verwendet wird.

Das Fahrzeug ist seit September 2021 in Österreich zugelassen.

5.   Dieser Sachverhalt wird auf Grund der unter Punkt 3. angeführten Beweismittel als erwiesen angenommen.

Alle einvernommenen Personen haben im Einklang angegeben, dass das Fahrzeug ausschließlich für Fahrten ins sowie im Ausland verwendet wurde. Der Beschwerdeführer hat in der Verhandlung eine Aufstellung über getätigten Fahrten vorgelegt, welche detailliert Auskunft darüber gibt, wann, von wem, wo und wie lange das Fahrzeug verwendet wurde. Die einvernommenen Zeugen haben die Verwendung des Fahrzeuges übereinstimmend mit der vom Beschwerdeführer aufgelegten Aufstellung geschildert. Es gab keine Anhaltspunkte, die an der Richtigkeit der von den Zeugen getätigten Angaben zweifeln haben lassen.

6.   Nach § 134 Abs 1 Kraftfahrgesetz 1967, BGBl Nr 267/1967, idF BGBl I Nr 134/2020, begeht eine Verwaltungsübertretung und ist mit einer Geldstrafe bis zu 5 000 Euro, im Falle ihrer Uneinbringlichkeit mit Freiheitsstrafe bis zu sechs Wochen zu bestrafen, wer diesem Bundesgesetz, den auf Grund dieses Bundesgesetzes erlassenen Verordnungen, Bescheiden oder sonstigen Anordnungen, den Artikeln 5 bis 9 und 10 Abs. 4 und 5 der Verordnung (EG) Nr 561/2006, der Verordnung (EU) Nr 165/2014 oder den Artikeln 5 bis 8 und 10 des Europäischen Übereinkommens über die Arbeit des im internationalen Straßenverkehr beschäftigten Fahrpersonals (AETR), BGBl Nr 518/1975 in der Fassung BGBl Nr 203/1993, zuwiderhandelt. Bei der Einbringung von Fahrzeugen in das Bundesgebiet sind solche Zuwiderhandlungen auch strafbar, wenn sie auf dem Wege von einer österreichischen Grenzabfertigungsstelle, die auf ausländischem Gebiet liegt, zur Staatsgrenze begangen werden. Wurde der Täter wegen der gleichen Zuwiderhandlung bereits einmal bestraft, so kann an Stelle der Geldstrafe eine Freiheitsstrafe bis zu sechs Wochen verhängt werden. Wurde der Täter wegen der gleichen Zuwiderhandlung bereits zweimal bestraft, so können die Geldstrafe und die Freiheitsstrafe auch nebeneinander verhängt werden. Die Verhängung einer Freiheitsstrafe ist in diesen Fällen aber nur zulässig, wenn es ihrer bedarf, um den Täter von weiteren Verwaltungsübertretungen der gleichen Art abzuhalten. Auch der Versuch einer solchen Zuwiderhandlung ist strafbar.

Nach § 82 Abs 8 KFG, BGBl Nr 267/1967, idF BGBl I Nr 134/2020, sind Fahrzeuge mit ausländischem Kennzeichen, die von Personen mit dem Hauptwohnsitz oder Sitz im Inland in das Bundesgebiet eingebracht oder in diesem verwendet werden, bis zum Gegenbeweis als Fahrzeug mit dem dauernden Standort im Inland anzusehen. Die Verwendung solcher Fahrzeuge ohne Zulassung gemäß § 37 ist nur während eines Monats ab der erstmaligen Einbringung in das Bundesgebiet zulässig. Eine vorübergehende Verbringung aus dem Bundesgebiet unterbricht diese Frist nicht. Nach Ablauf eines Monats ab der erstmaligen Einbringung in das Bundesgebiet sind der Zulassungsschein und die Kennzeichentafeln der Behörde, in deren örtlichem Wirkungsbereich sich das Fahrzeug befindet, abzuliefern. Wenn glaubhaft gemacht wird, dass innerhalb dieses Monats die inländische Zulassung nicht vorgenommen werden konnte, darf das Fahrzeug ein weiterer Monat verwendet werden. Danach sind der Zulassungsschein und die Kennzeichentafeln der Behörde, in deren örtlichem Wirkungsbereich sich das Fahrzeug befindet, abzuliefern. Die Ablieferung begründet keinen Anspruch auf Entschädigung.

7.              Spruchpunkt 1.:

Der Verwaltungsgerichtshof hat dazu ausgesprochen, dass gegen die in § 82 Abs 8 erster Satz KFG vorgesehene Vermutung, ein Kraftfahrzeug, das von Personen mit dem Hauptwohnsitz oder Sitz im Inland in das Bundesgebiet eingebracht oder in diesem verwendet wird, habe seinen dauernden Standort im Inland, ausdrücklich der Gegenbeweis zulässig ist („bis zum Gegenbeweis“). Damit handelt es sich um eine widerlegliche Rechtsvermutung, die der Person, die das Fahrzeug in das Bundesgebiet eingebracht hat, die Möglichkeit einräumt, den Gegenbeweis zu erbringen, dass das Fahrzeug seinen dauernden Standort tatsächlich nicht im Inland hat. Um diesen Gegenbeweis erbringen zu können, hat diese Person dabei von sich aus initiativ und umfassend darzulegen, aus welchen Gründen das Fahrzeug nicht als ein Fahrzeug mit dauerndem inländischem Standort anzusehen ist, und dafür auch die erforderlichen Beweise anzubieten (vgl VwGH 3.10.2016, Ra 2016/02/0151; VwGH 30.1.2020, Ra 2019/16/0215; VwGH 27.4.2020, Ra 2019/02/0240).

Der Gegenbeweis iSd § 82 Abs 8 erster Satz KFG 1967 ist (jedenfalls) als erbracht anzusehen, wenn das Fahrzeug weitaus überwiegend nicht in Österreich verwendet wird (vgl VwGH 28.10.2009, 2008/15/0276, VwSlg 8485/F, sowie VwGH 16.6.2021, Ra 2018/16/0171). Dass für einen tauglichen Gegenbeweis ein weitaus überwiegendes Verwenden im Ausland erforderlich wäre und ein lediglich überwiegendes Verwenden im Ausland noch nicht ausreiche, ist der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht zu entnehmen (vgl VwGH 16.06.2021, Ra 2018/16/0171).

Wie unter Punkt 4. festgestellt und unter Punkt 5. beweiswürdigend ausgeführt, ist das Fahrzeug im Zeitraum zwischen seiner Einbringung nach Österreich und dem Tatzeitpunkt überwiegend im Ausland verwendet worden. Auch war der Standort des Fahrzeuges überwiegend im Ausland. Der Gegenbeweis iSd § 82 Abs 8 KFG ist somit als erbracht anzusehen. Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

8.              Spruchpunkt 2.:

Eine Verwaltungsübertretung gemäß § 27 Abs 1 VStG wird dort begangen, wo der Täter gehandelt hat oder hätte handeln sollen (§ 2 Abs 2 VStG).

Die Verwaltungsübertretung nach § 82 Abs 3 3. Satz ist ein Unterlassungsdelikt. Tatort ist somit jener Ort, an dem der Täter hätte handeln sollen, also jener Ort, an dem der Zulassungsschein und die Kennzeichentafeln abzuliefern gewesen wäre (vgl VwGH 31.01.2014, Ro 2014/02/0010, zu § 43 Abs 4 lit b KFG [Unterlassungsdelikt]: Tatort ist jener Ort, an dem die Abmeldung des Kraftfahrzeuges vorzunehmen gewesen wäre). Nach § 82 Abs 8 3. Satz KFG sind nach Ablauf eines Monats ab der erstmaligen Einbringung in das Bundesgebiet der Zulassungsschein und die Kennzeichentafeln der Behörde, in deren örtlichem Wirkungsbereich sich das Fahrzeug befindet, abzuliefern. Tatort des Unterlassungsdeliktes ist daher der Sitz der Behörde, in deren örtlichem Wirkungsbereich sich das Fahrzeug befindet.

Der (mit dem Straferkenntnis vorgeworfene) Standort in Österreich ist in G, H-Gasse. Die Bezirkshauptmannschaft B ist somit im vorliegenden Fall örtlich nicht zuständig (§ 27 Abs 1 VStG).

Ein VwG hat gemäß § 27 VwGVG eine Unzuständigkeit der im Verfahren vor dem VwG belangten Behörde vorrangig aufzugreifen, auch wenn diese in der Beschwerde nicht releviert worden sein sollte, und das Straferkenntnis ersatzlos aufzuheben (vgl zB VwGH 28. 1. 2016, Ra 2015/07/0140; VwGH 29.1.2020, Ra 2018/08/0234). Eine anstelle dessen erfolgte Entscheidung des VwG in der Sache belastet diese mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes (vgl VwGH 10.06.2015, Ra 2015/11/0005). Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

9.              Die Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art 133 Abs 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Ob der Gegenbeweis im Sinne des § 82 Abs 8 erster Satz KFG 1967 als erbracht anzusehen ist, ist eine Frage der Beweiswürdigung (vgl VwGH 28.10.2009, 2008/15/0276, VwSlg 8485/F), zu deren Überprüfung im Einzelfall der VwGH nach seiner ständigen Rechtsprechung im Allgemeinen nicht berufen ist (vgl etwa VwGH 29.9.2020, Ra 2020/16/0134 und VwGH 15.9.2020, Ra 2020/16/0133, jeweils mwN).

Schlagworte

Kraftfahrrecht, dauernder Standort Inland, Tatort

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LVWGVO:2021:LVwG.1.260.2021.R13

Zuletzt aktualisiert am

18.03.2022
Quelle: Landesverwaltungsgericht Vorarlberg LVwg Vorarlberg, http://www.lvwg-vorarlberg.at
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