TE Vfgh Beschluss 2022/2/28 V186/2021

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Veröffentlicht am 28.02.2022
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Index

L8200 Bauordnung

Norm

B-VG Art139 Abs1 Z3
Wr BauO 1930 §53
Flächenwidmungs- und Bebauungsplan der Gemeinde Wien, Plandokument 7695G
VfGG §7 Abs2

Leitsatz

Zurückweisung eines Individualantrages auf Aufhebung eines Flächenwidmungs- und Bebauungsplanes der Gemeinde Wien mit dem Verkehrsflächen festgesetzt wurden mangels unmittelbaren Eingriffs in die Rechtssphäre durch die bekämpfte Verordnung

Spruch

Der Antrag wird zurückgewiesen.

Begründung

Begründung

1. Die Antragsteller stellen den auf Art139 B-VG gestützten Antrag, "die auf der EZ 1111, Gst. Nr 646/11, Kat Gem 01510 Pötzleinsdorf, geltenden [Festsetzungen] des Bebauungsplanes des Magistrats der Stadt Wien PD 7695G – '§53 Fw' und '2,50' sowie die, die festgesetzte Verkehrsfläche gemäß §53 Wr. BauO umschließende 'Baulinie' und 'Grenzlinie' als gesetzwidrig", aufzuheben.

2. Zur Antragslegitimation bringen die Antragsteller vor, sie seien Eigentümer der Liegenschaft EZ 1108, KG 01510 Pötzleinsdorf, bestehend aus den Grundstücken Nr 646/9 und 646/19, und Miteigentümer der Liegenschaft EZ 1111, KG 01510 Pötzleinsdorf. Die Liegenschaft EZ 1108 sei ursprünglich über die Liegenschaft EZ 1111 erschlossen worden, weshalb die genannte Liegenschaft und der vordere Teil der Liegenschaft EZ 1108 als Verkehrsfläche gem. §53 BO für Wien festgesetzt worden seien.

Durch eine Änderung des Flächenwidmungs- und Bebauungsplanes, Plandokument 7695G des Magistrates der Stadt Wien vom 28. Jänner 2021, sei es zu einer Änderung der Konfiguration der Verkehrsfläche gekommen. Die Verkehrsfläche sei in ihrer Breite um 0,5 m auf 2,5 m verkürzt und dergestalt reduziert worden, dass sie sich nunmehr ausschließlich auf einem Teil der Liegenschaft EZ 1111 befinde. Eine weitere Änderung ergebe sich dadurch, dass die Verkehrsfläche nunmehr als Fußweg festgesetzt worden sei.

Durch die Änderung grenze die Verkehrsfläche nicht mehr an die Liegenschaft EZ 1108 an; dies sei jedoch auch nicht mehr erforderlich, weil die Erschließung der Liegenschaft mittlerweile über ein von den Antragstellern in der Zwischenzeit erworbenes Fahnengrundstück erschlossen werde.

Die Festsetzung der Verkehrsfläche beschränke die Verfügungsgewalt der Antragsteller über die in ihrem Miteigentum stehenden Liegenschaft. Die angefochtene Verordnung greife auch unmittelbar in die Rechtsposition der Antragsteller ein, weil §53 BO für Wien die Liegenschaftseigentümer zur Erhaltung der Verkehrsfläche (Erhaltung, Reinigung, Beleuchtung, Herstellung von notwendigen Einbauten) verpflichte. Weiters seien die Antragsteller durch die Festsetzung verpflichtet, die Benützung des Grundstückes durch fremde Personen zu dulden. Ein zumutbarer anderer Weg zur Verordnungsbekämpfung sei nicht gegeben.

3. Zur Begründung der Rechtswidrigkeit der angefochtenen Verordnung führen die Antragsteller aus, dass die Verordnung dem Recht auf Unverletzlichkeit des Eigentums (Art5 StGG und Art1 1. ZPEMRK) und dem Gleichheitssatz (Art2 StGG und Art7 B-VG) widerspreche. Weiters widerspreche die Festsetzung den in §53 BO für Wien normierten Voraussetzungen für die Festlegung einer Verkehrsfläche.

4. Der Gemeinderat der Stadt Wien legte die Verordnungsakten vor und erstattete eine Äußerung mit dem Begehren, den Antrag zurück-, in eventu abzuweisen.

5. Die Wiener Landesregierung erstattete eine Äußerung und begehrte die Zurück–, in eventu die Abweisung des Antrages.

6. Der Antrag ist unzulässig:

6.1. §53 des Wiener Stadtentwicklungs-, Stadtplanungs- und Baugesetzbuches (Bauordnung für Wien – BO für Wien), LGBl 11/1930, idF LGBl 70/2021 lautet:

"Verpflichtung der Anlieger zur Herstellung und Erhaltung von Straßen

§53

(1) Dienen neue Verkehrsflächen ausschließlich oder vorwiegend der besseren Aufschließung der anliegenden Grundflächen, kann im Bebauungsplan angeordnet werden, dass diese Verkehrsflächen von den Eigentümern nach den Anordnungen der Gemeinde hergestellt, erhalten, gereinigt, beleuchtet und ebenso die notwendigen Einbauten hergestellt und erhalten werden.

(2) Übernimmt die Gemeinde diese Verpflichtungen, haben die Eigentümer die zur Verkehrsfläche entfallenden Grundflächen entsprechend den Grundsätzen der §§17 und 18 vorher an die Gemeinde abzutreten.

(3) Bei Abteilung einer Grundfläche auf Bauplätze, Baulose, Kleingärten oder Teile von solchen oder auf Trennstücke gemäß §18 sind die nach Maßgabe der Baulinien oder Straßenfluchtlinien zu der Verkehrsfläche entfallenden Grundflächen nach den Grundsätzen der §§17 und 18 (mit Ausnahme der breiten- und flächenmäßigen Beschränkungen) gleichzeitig mit der grundbücherlichen Durchführung in selbstständige Trennstücke (Straßentrennstücke) zu legen. Bei Unstetigkeiten der Achse und bei Bruchpunkten erstreckt sich diese Verpflichtung auch auf die zwischen den Senkrechten gelegenen Grundflächen. Sofern die den Bauplätzen, Baulosen, Kleingärten oder Trennstücken vorgelagerten Straßentrennstücke nicht in eine eigene, gemeinsame Einlage gelegt werden, sind sie der jeweiligen Einlage des angrenzenden Bauplatzes, Bauloses, Kleingartens oder Trennstückes zuzuschreiben, dürfen aber dessen Flächenausmaß nicht zugerechnet werden."

6.2. Gemäß Art139 Abs1 Z3 B-VG erkennt der Verfassungsgerichtshof über die Gesetzwidrigkeit von Verordnungen auf Antrag einer Person, die unmittelbar durch diese Gesetzwidrigkeit in ihren Rechten verletzt zu sein behauptet, wenn die Verordnung ohne Fällung einer gerichtlichen Entscheidung oder ohne Erlassung eines Bescheides für diese Person wirksam geworden ist. Wie der Verfassungsgerichtshof in seiner mit VfSlg 8058/1977 beginnenden ständigen Rechtsprechung ausgeführt hat, ist daher grundlegende Voraussetzung für die Antragslegitimation, dass die Verordnung in die Rechtssphäre der betroffenen Person unmittelbar eingreift und sie – im Fall ihrer Gesetzwidrigkeit – verletzt. Hiebei hat der Verfassungsgerichtshof vom Antragsvorbringen auszugehen und lediglich zu prüfen, ob die vom Antragsteller ins Treffen geführten Wirkungen solche sind, wie sie Art139 Abs1 Z3 B-VG als Voraussetzung für die Antragslegitimation fordert (vgl zB VfSlg 8594/1979, 15.527/1999, 16.425/2002 und 16.426/2002).

6.3. Die Verpflichtung zur Herstellung, Erhaltung und Duldung der Nutzung der öffentlichen Verkehrsfläche (vgl zur Duldung VfSlg 16.455/2002) lässt sich – entgegen der Auffassung der Antragsteller – nicht unmittelbar aus der Verordnung ableiten. Wie der Verfassungsgerichtshof bereits in VfSlg 13.217/1992 ausgesprochen hat, ist eine solche Verpflichtung in §53 BO für Wien weder im Einzelnen festgelegt, noch ergibt sie sich in der Weise aus der Verordnung, dass diese eine im Gesetz zureichend umschriebene Verpflichtung auslöst. Die Verpflichtung zu konkreten Anliegerleistungen folgt erst aus einem auf Grund des §53 BO für Wien sowie auf Grund des maßgeblichen Bebauungsplanes zu erlassenden Bescheid, weshalb von einem unmittelbaren Eingriff in die Rechtssphäre nicht gesprochen werden kann.

7. Im Übrigen führen die Antragsteller auch nicht aus, welche konkreten Verpflichtungen ihnen durch die Festlegung der Verkehrsfläche auferlegt werden. Die bloße Tatsache, dass die angefochtene Verordnung Gemeingebrauch vorsieht, stellt keinen unmittelbaren Eingriff dar, weil dieser nicht erst durch die Verordnungsänderung herbeigeführt wird, sondern bereits zuvor bestanden hat.

8. Der Antrag ist daher mangels Legitimation der Antragsteller als unzulässig zurückzuweisen. Dies konnte gemäß §19 Abs3 Z2 lite VfGG in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen werden.

Schlagworte

VfGH / Individualantrag, VfGH / Legitimation, Bebauungsplan, Flächenwidmungsplan, Baurecht

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2022:V186.2021

Zuletzt aktualisiert am

25.03.2022
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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