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GewerbeONorm
VStG §6Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Kobzina und die Hofräte Dr. Weiss und DDr. Jakusch als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Janistyn, über die Beschwerde des AS in T, vertreten durch Dr. Otto Kunze, Rechtsanwalt in Wien I, Schellinggasse 5/3, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Oberösterreich vom 26. November 1985, Zl. Ge-25.175/3-1985/Sch/Hin, betreffend Übertretung der Gewerbeordnung 1973, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 8.600,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Gleichzeitig mit dem Bescheid des Stadtsenates der Landeshauptstadt Linz vom 25. Juli 1985, mit dem ein in derselben Strafsache ergangenes Straferkenntnis des Magistrates der Landeshauptstadt Linz wegen Unzuständigkeit der Erstbehörde behoben wurde, erging das Straferkenntnis des Bürgermeisters der Landeshauptstadt Linz vom 25. Juli 1985, mit dem der Beschwerdeführer schuldig erkannt wurde, er habe „als gewerberechtlicher Geschäftsführer und sohin als gemäß § 9 Abs. 1 VStG 1950 Verantwortlicher der Firma B AG“ im Standort Linz, L-straße 44, zumindest in der Zeit vom 5. Dezember 1983 bis 27. Juni 1984 eine mit Bescheid des Magistrates Linz, Baurechtsamt, vom 22. Jänner 1971 gewerbebehördlich genehmigte Kompressionskühlanlage im Verkaufslokal „der Firma“ B insofern in gemäß § 81 GewO 1973 genehmigungspflichtiger Weise geändert und nach dieser Änderung im angeführten Zeitraum betrieben, als anstelle der drei genehmigten Kältemaschinen mit einer Kälteleistung von 1.370, 6.450 und 2.200 kcal/h vier neue Kühlmaschinen, nämlich zwei Kältemaschinen mit einer Kälteleistung von je 1,86 kW, eine mit 5,46 kW und eine weitere Kältemaschine mit einer Kälteleistung von 5,58 kW installiert worden seien, welche geeignet seien, die Nachbarn in unzumutbarer Weise durch Lärm zu belästigen. Er habe dadurch eine Verwaltungsübertretung nach § 366 Abs. 1 Z. 4 GewO 1973 begangen. Gemäß § 366 Abs. 1 „Z. 4“ GewO 1973 wurde gegen den Beschwerdeführer eine Geldstrafe in der Höhe von S 15.000,-- (Ersatzarreststrafe 10 Tage) verhängt.
Zur Begründung wurde im wesentlichen ausgeführt, der Beschwerdeführer behaupte in seiner Rechtfertigung, daß die Aufstellung der neuen Kältemaschinen in der Zeit vom 5. Dezember 1983 bis 27. Juni 1984 durchaus möglich gewesen sei, sich jedoch seiner Kenntnis entziehe, weil die entsprechenden Unterlagen im Technischen Büro in der Zentrale in W bearbeitet würden. Diese Rechtfertigung sei nach Ansicht der Behörde im Hinblick auf die berufliche Stellung des Beschwerdeführers in der „Firma“ B AG nicht glaubwürdig und als reine Schutzbehauptung anzusehen, zumal dem Beschwerdeführer als gewerberechtlichem Geschäftsführer die Kenntnis der Vorgänge im Betrieb wie auch der einschlägigen Vorschriften der Gewerbeordnung 1973 nicht nur zugemutet werden müsse, sondern er vielmehr gemäß § 39 Abs. 1 GewO 1973 der Behörde gegenüber für die Einhaltung sämtlicher seinen Betrieb betreffenden gewerberechtlichen Vorschriften verantwortlich sei. Dem Beschwerdeführer sei spätestens am 19. Juli 1983 das Erfordernis einer Genehmigung für die vorgenommene Änderung der Betriebsanlage bekannt gewesen. Dennoch habe er die Anlage ohne Genehmigung zumindest seit 5. Dezember 1983 betrieben bzw. betreiben lassen. Der Schuldentlastungsbeweis sei dem Beschwerdeführer also nicht nur nicht gelungen, vielmehr sei als Schuldform zumindest bedingter Vorsatz gegeben. Dies, wie auch der lange Zeitraum, sei bei der Strafbemessung als erschwerend gewertet worden. Mildernd sei die Unbescholtenheit berücksichtigt worden. Auf die vom Beschwerdeführer glaubwürdig angegebenen Einkommens-, Familien- und Vermögensverhältnisse sei gebührend Bedacht genommen worden. Die verhängte Strafe erscheine im Sinne des § 19 VStG 1950 als angemessen.
Dagegen erhob der Beschwerdeführer Berufung.
Mit Bescheid des Landeshauptmannes von Oberösterreich vom 26. November 1985 wurde der Berufung insofern Folge gegeben, als der Tatzeitraum auf die Zeit vom 27. Februar 1984 bis 27. Juni 1984 eingeschränkt wurde. Im übrigen wurde die Berufung hinsichtlich des Schuldspruches und hinsichtlich des Ausspruches (in der Bescheidausfertigung unrichtig „Ansuchens“) der verhängten Strafe abgewiesen.
Zur Begründung wurde ausgeführt, die Einschränkung des Tatzeitraumes ergebe sich daraus, daß erst mit dem Rechtshilfeersuchen vom 27. August 1984 die Bezirkshauptmannschaft Linz-Land als die nach dem Wohnsitz zuständige Behörde um Beschuldigtenrechtfertigung ersucht worden sei, wobei jedoch das Rechtshilfeersuchen vollinhaltlich bereits die im angefochtenen Straferkenntnis zum Ausdruck gebrachte Konkretisierung der Tat enthalten habe. Im übrigen sei dem Berufungsvorbringen folgendes entgegenzuhalten: Der Beschwerdeführer habe seine Stellung als Filialleiter nicht bestritten. Aktenkundig sei, daß die Erstbehörde am 14. August 1984 beim Bezirksverwaltungsamt des Magistrates Linz erhoben habe, daß der Beschwerdeführer als Filialleiter der weiteren Betriebsstätte in Linz, L-straße 44, angezeigt und zur Kenntnis genommen worden sei. Im § 370 GewO 1973 sei die gewerberechtliche Verantwortlichkeit für den Bereich der weiteren Betriebsstätte festgelegt. Die Berufungsbehörde halte die Beurteilung des subjektiven Tatbestandes durch die Erstbehörde für zutreffend. Im vorliegenden Fall sei die Kühlanlage im Herbst 1982 ohne gewerbebehördliche Genehmigung geändert worden. Erst auf Grund von Beschwerden aus der Nachbarschaft und über Aufforderung der Erstbehörde habe „die Firma“ am 19. Juli 1983 nachträglich um die gewerbebehördliche Genehmigung für die neue Kühlanlage angesucht. Spätestens seit diesem Zeitpunkt habe der Beschwerdeführer Kenntnis davon haben müssen, daß die Kühlanlage ohne die erforderliche Genehmigung betrieben werde. Dem Beschwerdeführer sei insofern zu folgen, daß eine Abschaltung der Kühlanlagen nicht möglich gewesen sei, weshalb der Tatzeitraum, der im übrigen eingeschränkt worden sei, nicht als Erschwerungsgrund zu bewerten sei. Andererseits sei dem Vorbringen des Beschwerdeführers kein Umstand zu entnehmen, der ihn vom Vorwurf entlasten könnte, als gewerberechtlicher Geschäftsführer ausreichende Maßnahmen zur Herstellung eines konsensgemäßen Zustandes bzw. zur Erlangung der Genehmigung unternommen zu haben. Diese Unterlassung lasse es nicht zu, den von der Erstbehörde zutreffend erlassenen Schuldspruch zu ändern und die auf die vorliegenden Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse abgestimmte Strafhöhe nach § 51 Abs. 4 VStG 1950 herabzusetzen.
Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der Rechtswidrigkeit des Inhaltes des angefochtenen Bescheides und dessen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsstrafverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die Abweisung der Beschwerde beantragte.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Der Beschwerdeführer erachtet sich in dem Recht verletzt, bei der gegebenen Sach- und Rechtslage nicht wegen der ihm zur Last gelegten Verwaltungsübertretung nach § 366 Abs. 1 Z. 4 GewO 1973 schuldig erkannt und dafür bestraft zu werden. In eventu erachtet er sich in dem Recht auf eine dem Gesetz entsprechende Strafbemessung verletzt.
In Ausführung dieser Beschwerdepunkte trägt der Beschwerdeführer vor, die Erstbehörde habe ihn in seiner Eigenschaft „als gewerberechtlicher Geschäftsführer und sohin als gemäß § 9 Abs. 1 VStG 1950 Verantwortlicher der Firma ...“ als Täter in Anspruch genommen. Die belangte Behörde gebe im Spruch des angefochtenen Bescheides der Berufung - abgesehen von der Einschränkung des Tatzeitraumes - keine Folge, übernehme also die rechtliche Qualifikation der Erstbehörde. Richtig sei zwar, daß der Beschwerdeführer gewerberechtlicher Filialgeschäftsführer der gegenständlichen Betriebsstätte sei, unrichtig sei es, daß er Verantwortlicher des Unternehmens gemäß § 9 Abs. 1 VStG 1950 wäre. Verantwortlicher Beauftragter im Sinne letzterer Gesetzesbestimmung sei immer nur jemand, der zur Vertretung des Unternehmens nach außen berufen ist. Diese Rechtsstellung ergebe sich daher schon aus dem Gesetz. Der gewerberechtliche Geschäftsführer werde aber als solcher vom Unternehmensinhaber erst bestellt, und erst auf Grund dieser Bestellung ergebe sich seine Repräsentanz als Verantwortlicher. Es sei daher rechtsirrig, den Beschwerdeführer „als gemäß § 9 Abs. 1 VStG 1950 Verantwortlicher“ in Anspruch zu nehmen. Dafür fehlten auch jegliche Feststellungen durch die Behörde. Nur dann hätte der Beschwerdeführer in diesem Sinne als Täter in Anspruch genommen werden können, wenn er handelsrechtlich vertretungsbefugtes Organ des Unternehmens wäre, was er tatsächlich nicht sei. Wenn der Beschwerdeführer als gemäß § 9 VStG 1950 in Anspruch genommen werde, obwohl er dies tatsächlich nicht sei, habe die Behörde gegen den Beschwerdeführer keine gehörige Verfolgungshandlung gesetzt. Nur unter der Voraussetzung einer entsprechenden Verfolgungshandlung (§ 32 Abs. 2 VStG 1950) innerhalb der - im gegenständlichen Fall sechsmonatigen - Verjährungsfrist (§ 31 Abs. 2 VStG 1950) trete nicht Verjährung ein. Da eine gehörige Verfolgungshandlung nicht vorliege, sei eine Verfolgung des Beschwerdeführers jedoch unzulässig (§ 31 Abs. 1 VStG 1950).
Die belangte Behörde habe sich weiters mit der Frage des Vorliegens des Schuldausschließungsgrundes des Notstandes nicht auseinandergesetzt, welcher dem Beschwerdeführer in zweierlei Richtung zuzubilligen sei:
a) Der Großteil der im gegenständlichen Betrieb lagernden Lebensmittel müsse gekühlt feilgehalten werden, dies entspreche dem Wissensstand, ohne daß es eines weiteren Beweises bedürfe. Der Ausfall einer ausreichenden Kühlmöglichkeit wäre gleichbedeutend mit der dadurch notwendig gewordenen Schließung der Betriebsstätte. Es sei daher zwingende Notwendigkeit in Entsprechung lebensmittelrechtlicher Vorschriften für eine angemessene Kühlung vorzusorgen. Eine derartige Lagermöglichkeit sei zwingend geboten, weil nur dadurch die durch das Gesetz geforderte Verkehrsfähigkeit ermöglicht werde. Selbst bei Kenntnis aller Umstände wäre es für den Beschwerdeführer vordringlich gewesen, für entsprechende Kühlmöglichkeiten zu sorgen, zumal dem Beschwerdeführer eine Änderung im Immissionsumfang weder bekannt gewesen sei, noch bekannt sein hätte müssen. Eine allenfalls vorhandene Konfliktsituation habe daher bei Abwägung aller Umstände nur insofern gelöst werden können, als die Voraussetzungen hätten geschaffen werden müssen, die für die Erhaltung der Verkehrsfähigkeit feilgehaltener Produkte erforderlich sind.
b) Der Beschwerdeführer sei als kaufmännischer Angestellter Filialinspektor von 13 Filialen „der Firma“ und in Personalunion auch gewerberechtlicher Geschäftsführer der gegenständlichen Betriebsstätte. Ob eine Betriebsstätte eröffnet oder geschlossen werde, liege nicht im Rahmen seiner Entscheidungsbefugnis, dies falle vielmehr in das Ressort des zuständigen Vorstandsdirektors. Der Beschwerdeführer habe sich diesbezüglich auf die Ausführungen in der Berufung des Vorstandsdirektors WW vom 27. Juli 1984 berufen. Daraus folgere, daß der Beschwerdeführer selbst bei Kenntnis aller Umstände die Schließung der Betriebsstätte nicht veranlassen hätte können. Die Unternehmensleitung hätte eine derartige Maßnahme oder auch nur den Versuch einer solchen Maßnahme sicher zum Anlaß genommen, mit einer Lösung des Dienstverhältnisses vorzugehen. Der Beschwerdeführer habe sich diesbezüglich auf die zeugenschaftliche Einvernahme der Prokuristin HT berufen. Bei Anwendung des § 6 VStG 1950 hätte die belangte Behörde im gegebenen Zusammenhang auch auf § 9 Abs. 5 VStG 1950 Bedacht nehmen müssen. Im übrigen räume die belangte Behörde eine Konfliktsituation im Sinne des § 6 VStG 1950 mit dem Hinweis ein, daß eine Abschaltung der Kühlanlagen nicht möglich gewesen wäre.
Andererseits erhebe die belangte Behörde den Vorwurf, der Beschwerdeführer hätte als gewerberechtlicher Geschäftsführer nicht ausreichende Maßnahmen zur Herstellung eines konsensgemäßen Zustandes, bzw. zur Erlangung der Genehmigung unternommen. Für eine derartige Feststellung fehle es an ausreichenden Grundlagen, die Behörde habe sich diesbezüglich nicht mit der Verantwortung des Beschwerdeführers auseinandergesetzt. Das Unternehmen habe seinerzeit über 290 weitere Betriebsstätten im gesamten Bundesgebiet betrieben. Der Beschwerdeführer selbst sei Filialinspektor für 18 Betriebsstätten gewesen. Unternehmen der vorliegenden Größenordnung müßten administrativ zwangsläufig anders organisiert sein als Unternehmen mit einem überschaubaren Umfang. Großunternehmen könnten nur zentralistisch und nach Sachgebieten ausgerichtet geleitet werden. Im gegenständlichen Fall bestünden in der Zentrale gesonderte Referate, auch für den Bereich der Genehmigung von Betriebsanlagen mit den angeschlossenen technischen Abteilungen. Jede Betriebsanlage oder jede Änderung einer Betriebsanlage werde daher im wesentlichen durch das technische Büro der Zentrale projektiert, bearbeitet und abgeschlossen. Die gesamten Verhandlungen führe also die Zentrale, die auch regelmäßig durch die zuständige Behörde angesprochen werde. Die zuständigen Mitarbeiter der Betriebszentrale seien ausgesprochene Fachleute und mit den Gegebenheiten derartiger Verfahren wesentlich vertraut. Der Beschwerdeführer habe natürlich gewußt, daß die vorhandenen Kühlgeräte durch moderne Kühlgeräte ersetzt würden. Für ihn sei dies aber lediglich ein Austausch gewesen, der angesichts der von ihm angenommenen technischen Voraussetzungen keiner besonderen Genehmigung bedurft habe. Es sei ihm auch nicht bekannt gewesen, daß dadurch Nachbarschaftsstörungen im größeren Umfang auftreten könnten. Selbst als das Genehmigungsverfahren über Aufforderung der Behörde eingeleitet worden sei, sei ausschließlich das zuständige Referat der Betriebszentrale damit befaßt gewesen. Es entziehe sich durchaus der Kenntnis des Beschwerdeführers, wieso das Genehmigungsverfahren vom Juli 1983 bis November 1984 gedauert habe. Auf die Dauer des Verfahrens habe der Beschwerdeführer überhaupt keinen Einfluß nehmen können, er habe vielmehr darauf vertrauen müssen, daß seitens der Betriebszentrale alles unternommen werde, was notwendig sei. Mangels Einbindung in dieses Verfahren habe der Beschwerdeführer auch aus objektiver Sicht gesehen mit einer derartigen Verzögerung nicht rechnen können. Er habe sich diesbezüglich auf den Akt des Linzer Magistrates ebenso berufen wie auf FK als Zeugen, letzteren insbesondere dafür, daß er federführend für das Genehmigungsverfahren gewesen sei. Die Behörde habe sich mit dieser Verantwortung nicht auseinandergesetzt.
Bei der Strafbemessung habe die Erstbehörde den langen Tatzeitraum als erschwerend gewertet, mildernd die Unbescholtenheit. Die Behörde erster Instanz habe demnach eine Geldstrafe in Höhe von S 15.000,-- als angemessen angesehen, dies unter Zugrundelegung eines monatlichen Nettoeinkommens von rund S 14.000,-- und Sorgepflichten für Ehefrau und ein Kind. Die belangte Behörde habe den Tatzeitraum nicht als Erschwerungsgrund erachtet, dies mit dem schon wiedergegebenen Hinweis, daß eine Abschaltung der Kühlanlagen nicht möglich gewesen sei. Trotzdem habe die belangte Behörde die verhängte Geldstrafe als angemessen erachtet. S 366 Abs. 1 GewO 1973 sehe eine Strafobergrenze von S 30.000,-- vor. Bei einem zugrunde zu legenden monatlichen Nettoeinkommen von S 14.000,-- und nach den festgestellten Sorgepflichten mangle es daher von vornherein an einer vertretbaren Relation. Im gegenständlichen Fall lägen keine Erschwerungsumstände vor, die belangte Behörde habe als mildernd allerdings auch nur Unbescholtenheit angenommen. Übersehen werde dabei, daß, sollte der Tatbestand überhaupt anlastbar sein, die Tat in Ausübung einer Dienstobliegenheit und unter Umständen begangen worden sei, welche ein anderes Handeln unzumutbar gemacht hätte. Das Strafgesetzbuch sehe u.a. (§ 34 Z. 11) einen Milderungsgrund dann vor, wenn die Tat unter Umständen begangen werde, die einem Schuldausschließungsgrund nahekomme. Bei Berücksichtigung dieser Umstände müsse der belangten Behörde ein Ermessensmißbrauch zum Vorwurf gemacht werden.
Nach § 9 Abs. 1 VStG 1950 ist für die Einhaltung der Verwaltungsvorschriften durch juristische Personen derjenige, der zur Vertretung nach außen berufen ist, u.a. nur insofern strafrechtlich verantwortlich, als die Verwaltungsvorschriften nicht anderes bestimmen.
Im Grunde des § 370 Abs. 2 GewO 1973 sind Geld- und Arreststrafen gegen den Geschäftsführer zu verhängen, wenn die Bestellung eines Geschäftsführers angezeigt oder genehmigt wurde (§ 39).
Die Bestimmung des Absatzes 2 gilt zufolge des Absatzes 4 des § 370 GewO 1973 sinngemäß für den Fall der Anzeige oder der Genehmigung der Bestellung eines Filialgeschäftsführers gemäß § 47 hinsichtlich der Betriebsstätte, für die er verantwortlich ist.
Der Beschwerdeführer führt in der vorliegenden Beschwerde aus, er sei gewerberechtlicher Filialgeschäftsführer der gegenständlichen Betriebsstätte. Die belangte Behörde stellte in der Begründung des angefochtenen Bescheides in dieser Hinsicht fest, daß der Beschwerdeführer als „Filialleiter“ (richtig offenbar „Filialgeschäftsführer“) der weiteren Betriebsstätte in W angezeigt und zur Kenntnis genommen worden sei. Eben dieses Sachverhaltselement wurde mit dem Hinweis auf die Geschäftsführerqualifikation und die Angabe der weiteren Betriebsstätte in W in Ansehung des mit dem 27. Juni 1984 angenommenen Endes der Tatzeit - obgleich zur Unterbrechung der Frist für die Verfolgungsverjährung nach § 31 Abs. 2 VStG 1950 der Vorwurf, für die Tat im Sinne des § 370 GewO 1973 verantwortlich zu sein, nicht erforderlich gewesen wäre (vgl. die hg. Erkenntnisse eines verstärkten Senates vom 16. Jänner 1987, Zl. 86/18/0073 und Zl. 86/18/0077) - bereits in dem am 30. August 1984 zur Post gegebenen Beschuldigten-Ladungsbescheid vom 29. August 1984 angeführt und in dem diesbezüglich im Instanzenzug bestätigten Straferkenntnisses des Bürgermeisters der Landeshauptstadt Linz vom 25. Juli 1985 im Sinne des § 44a lit. a VStG 1950 hinlänglich konkretisiert.
Unter Notstand im Sinne des § 6 VStG 1950 kann nur ein Fall der Kollision von Pflichten und Rechten verstanden werden, in dem jemand sich oder einen anderen aus schwerer unmittelbarer Gefahr einzig und allein dadurch retten kann, daß er eine im allgemeinen strafbare Handlung begeht (vgl. das hg. Erkenntnis vom 5. März 1985, Zl. 84/04/0191).
Zum Wesen des Notstandes gehört, daß die Gefahr zumutbarerweise nicht in anderer Art als durch die Begehung der objektiv strafbaren Handlung zu beheben ist (vgl. das hg. Erkenntnis vom 25. November 1985, Zl. 85/02/0176).
Der § 370 GewO 1973 legt die verwaltungsstrafrechtliche Verantwortung der Geschäftsführer und in Ausübung weiterer Betriebsanlagen der Filialgeschäftsführer, deren Bestellung angezeigt (oder genehmigt) wurde, fest, ohne daß in dieser Bestimmung ein Unterschied zwischen Großunternehmen und Unternehmen „mit einem überschaubaren Umfang“ gemacht worden wäre.
Der Verwaltungsgerichtshof kann nicht finden, daß die belangte Behörde unter dem Gesichtspunkt dieser Unterscheidung dem Beschwerdeführer zugestehen hätte müssen, es wäre ihm nicht zumutbar gewesen, hinsichtlich der Betriebsstätte, für die er auf Grund des § 370 in Verbindung mit § 47 Abs. 1 GewO 1973 als Filialgeschäftsführer verantwortlich ist, im vorliegenden Fall für die Erfüllung der gewerberechtlichen Verpflichtungen nach § 366 Abs. 1 Z. 4 GewO 1973, Sorge zu tragen.
Wie bereits dargestellt, führt der Beschwerdeführer in seiner vorliegenden Beschwerde - dies in Übereinstimmung mit dem ehedem gegen das erstbehördliche Straferkenntnis gerichteten Berufungsvorbringen - aus, er habe natürlich gewußt, daß die vorhandenen Kühlgeräte durch moderne Kühlgeräte ersetzt würden, daß dies für ihn aber lediglich ein Austausch gewesen sei, der angesichts der von ihm angenommenen technischen Voraussetzungen keiner besonderen Genehmigung bedurft hätte, und daß ihm nicht bekannt gewesen sei, daß durch diesen Austausch
Nachbarschaftsstörungen in größerem Umfang auftreten könnten. Auch mit diesem Vorbringen vermag der Beschwerdeführer nicht darzutun, daß ihm die belangte Behörde zugute halten hätte müssen, es wäre ihm nicht zumutbar gewesen, sich entsprechend seiner sich aus § 370 in Verbindung mit § 366 Abs. 1 Z. 4 GewO 1973 ergebenden verwaltungsstrafrechtlichen Verantwortlichkeit zu verhalten. Im Gegensatz zu der der Beschwerde zugrunde gelegten Auffassung weist dieses Vorbringen nicht auf ein Freisein von - zumindest in einem Mangel an rechtzeitiger vorsorglicher Sorgfalt bestehenden - Verschulden hin.
Die Frage, wer im Rahmen des Unternehmens „federführend für das Genehmigungsverfahren“ gewesen sei, war in Ansehung der Frage, ob sich der Beschwerdeführer im Rahmen des ihm Zumutbaren der ihm zur Last gelegten Verwaltungsübertretung schuldig gemacht habe, rechtlich unerheblich. Es war daher nicht rechtswidrig, wenn der angefochtene Bescheid erlassen wurde, ohne daß der vom Beschwerdeführer hinsichtlich der Einholung der gewerbebehördlichen Genehmigung angeführte Zeuge einvernommen wurde.
Nach Ansicht des Verwaltungsgerichtshofes durfte die belangte Behörde auch unter Berücksichtigung des vom Beschwerdeführer im Verwaltungsstrafverfahren erstatteten Vorbringens weiters davon ausgehen, daß der Beschwerdeführer, hätte er rechtzeitig eine seiner Verantwortlichkeit als Filialgeschäftsführer entsprechende Obsorge zur Vermeidung der Begehung einer Verwaltungsübertretung nach § 366 Abs. 1 Z. 4 GewO 1973 getroffen, den Eintritt der von ihm in der vorliegenden Beschwerde angeführten Konfliktsituationen (Einhaltung der Bestimmungen des Lebensmittelgesetzes, Lösung des Dienstverhältnisses) nicht hätte befürchten müssen.
Der Hinweis des Beschwerdeführers auf § 9 Abs. 5 VStG 1950 geht fehl, weil der Beschwerdeführer nicht als ein verantwortlicher Beauftragter im Sinne des § 9 Abs. 2 VStG 1950, sondern in seiner Eigenschaft als Filialgeschäftsführer der in W gelegenen weiteren Betriebsstätte schuldig gesprochen wurde. Selbst wenn er jedoch als verantwortlicher Beauftragter schuldig gesprochen worden wäre, ist ihm zu erwidern, daß die belangte Behörde seinem Vorbringen nicht entnehmen konnte, daß ihm eine besondere Weisung, und gegebenenfalls welche, erteilt worden wäre.
Gleichwohl ist der vorliegenden Beschwerde Erfolg beschieden.
Gemäß § 366 Abs. 1 Z. 4 GewO 1973 begeht eine Verwaltungsübertretung, wer eine genehmigte Betriebsanlage ohne die erforderliche Genehmigung ändert oder nach der Änderung betreibt (§ 81).
Diese Gesetzesstelle enthält daher zwei - alternative -Straftatbestände, nämlich einerseits den der Änderung und andererseits den des Betreibens nach der Änderung.
Mit dem angefochtenen Bescheid wurde das erstbehördliche Straferkenntnis sowohl hinsichtlich des Tatvorwurfes der Änderung als auch hinsichtlich jenes des Betreibens nach der Änderung im Instanzenzug bestätigt. Was die Änderung anlangt, führte die belangte Behörde in der Begründung ihres Bescheides aus, die Kühlanlage sei bereits im Herbst 1982 ohne gewerbebehördliche Genehmigung geändert worden. Im Spruch des angefochtenen Bescheides hingegen wurde lediglich ein Tatzeitraum vom 27. Februar 1984 bis 27. Juni 1984 festgestellt. Entweder besteht somit ein Widerspruch zwischen dem Spruch, demzufolge dem Beschwerdeführer die Begehung einer Verwaltungsübertretung nur in der Zeit vom 27. Februar 1984 bis 27. Juni 1984 angelastet wurde, und der Begründung des angefochtenen Bescheides, demzufolge die dem Beschwerdeführer angelastete Änderung der Betriebsanlage bereits im Herbst 1982 vorgenommen worden sei, oder es ist der spruchgemäß festgestellte Tatzeitraum nur dem Betreiben nach der Änderung zuzuordnen, dann fehlt hinsichtlich der Änderung entgegen der Bestimmung des § 44a lit. a VStG 1950 die Angabe einer Tatzeit. Sollte die belangte Behörde hingegen davon ausgegangen sein, daß dem Beschwerdeführer die ohne die erforderliche Genehmigung vorgenommene Änderung nicht vorzuwerfen sei, so hätte insofern der Schuldspruch des erstbehördlichen Straferkenntnisses nicht bestätigt werden dürfen. Von welcher dieser drei möglichen Sehweisen man auch ausgeht, ist der angefochtene Bescheid hinsichtlich des gegen den Beschwerdeführer gefällten Schuldspruches mit Rechtswidrigkeit seines Inhaltes belastet.
Ferner war der Beschwerdeführer im Spruch des mit dem angefochtenen Bescheid diesbezüglich im Instanzenzug bestätigten Straferkenntnisses nicht als „gemäß § 9 Abs. 1 VStG 1950 Verantwortlicher“ zu bezeichnen, vielmehr wären als Grundlage für die Verantwortlichkeit des Beschwerdeführers im Hinblick auf seine Eigenschaft als gewerberechtlicher Filialgeschäftsführer die Bestimmungen des § 370 Abs. 2 und 4 GewO 1973 anzuführen gewesen.
Gemäß § 19 Abs. 1 VStG 1950 ist Grundlage für die Bemessung der Strafe stets das Ausmaß der mit der Tat verbundenen Schädigung oder Gefährdung derjenigen Interessen, deren Schutz die Strafdrohung dient und der Umstand, inwieweit die Tat sonst nachteilige Folgen nach sich gezogen hat. Im Grunde des Absatzes 2 der bezogenen Gesetzesstelle sind im ordentlichen Verfahren (§§ 40 bis 46) überdies die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe, soweit sie nicht die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen. Auf das Ausmaß des Verschuldens ist besonders Bedacht zu nehmen. Unter Berücksichtigung der Eigenart des Verwaltungsstrafrechts sind die Bestimmungen der §§ 32 bis 35 des Strafgesetzbuches anzuwenden.
Im vorliegenden Fall ging der Tatvorwurf dahin, der Beschwerdeführer sei dafür verantwortlich, daß das Tatbild einer Verwaltungsübertretung nach § 366 Abs. 1 Z. 4 GewO 1973 verwirklicht worden sei.
In Verkennung der Rechtslage erhob die belangte Behörde in der Begründung des angefochtenen Bescheides gegen den Beschwerdeführer den Vorwurf, nicht ausreichende Maßnahmen zur Erlangung der Genehmigung unternommen zu haben. Sie bezog sich somit auf die Durchführung eines Administrativverfahrens, in Ansehung dessen den Beschwerdeführer nach § 370 GewO 1973 keine Verantwortung trifft, ohne sich jedoch mit der Verschuldensfrage, abgestellt auf das nach § 366 Abs. 1 Z. 4 verwaltungsstrafrechtlich relevante Verhalten des Beschwerdeführers, auseinanderzusetzen und solcherart im Sinne des § 19 VStG 1950 etwa sachverhaltsbezogen die Schuldform (Vorsatz, Fahrlässigkeit) und den Grad des betreffenden Verschuldens darzutun. Sollte die belangte Behörde davon ausgegangen sein, in den angefochtenen Bescheid sei aus der Begründung des Erstbescheides die dort vertretene Ansicht der Erstbehörde übernommen worden, als Schuldform sei zumindest bedingter Vorsatz gegeben, so ist festzuhalten, daß auch im Erstbescheid eine sachverhaltsbezogene Auseinandersetzung mit der Verschuldensfrage fehlt.
Aus den dargelegten Gründen war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 1 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 243/1985.
Wien, am 15. September 1987
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1987:1986040036.X00Im RIS seit
18.03.2022Zuletzt aktualisiert am
18.03.2022