Index
40/01 Verwaltungsverfahren;Norm
AVG §59 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Stoll und Dr. Holeschofsky als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Schwarzgruber, über die Beschwerde des Dr. V in W, vertreten durch Dr. W, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates im Land Niederösterreich, Außenstelle Mistelbach, vom 29. August 1995, Zl. Senat-MI-94-460, betreffend Übertretungen der Straßenverkehrsordnung 1960 sowie des Kraftfahrgesetzes 1967,
Spruch
I. zu Recht erkannt:
Der angefochtene Bescheid wird hinsichtlich des Spruchpunktes 3. (Übertretung nach § 102 Abs. 1 in Verbindung mit § 27 Abs. 2 KFG 1967) wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben;
II. den Beschluß gefaßt:
Im übrigen, sohin hinsichtlich der Spruchpunkte 1. (Übertretung nach § 23 Abs. 2 StVO 1960) und 2. (Übertretung nach § 102 Abs. 5 lit. b KFG 1967) wird die Behandlung der Beschwerde abgelehnt.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.860,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Mit Strafverfügung der Bezirkshauptmannschaft Mistelbach vom 28. Oktober 1992 wurde der Beschwerdeführer einer Übertretung nach § 23 Abs. 2 StVO (Spruchpunkt 1.), einer Übertretung nach § 102 Abs. 5 lit. b KFG (Spruchpunkt 2.) sowie einer Übertretung nach § 102 Abs. 1 in Verbindung mit § 27 Abs. 2 KFG (Spruchpunkt 3.) für schuldig befunden und hiefür bestraft.
Der dagegen vom Beschwerdeführer rechtzeitig erhobene Einspruch richtete sich lediglich gegen die Spruchpunkte 1. und 2., nicht jedoch gegen den Spruchpunkt 3.
Mit Straferkenntnis derselben Behörde vom 1. März 1994 wurde der Beschwerdeführer neuerlich wegen derselben drei Verwaltungsübertretungen für schuldig befunden und hiefür bestraft, wobei Geldstrafen in derselben Höhe wie in der Strafverfügung verhängt und gemäß § 64 Abs. 2 VStG ein Kostenbeitrag für das Verfahren erster Instanz in Ansehung sämtlicher drei Spruchpunkte vorgeschrieben wurde.
Der dagegen vom Beschwerdeführer erhobenen Berufung gab die belangte Behörde mit Bescheid vom 29. August 1995 keine Folge und schrieb dem Beschwerdeführer gemäß § 64 Abs. 2 VStG weitere 20 % der verhängten Strafen in Ansehung sämtlicher
drei Spruchpunkte als Kostenersatz vor.
Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, welcher die Behandlung derselben mit Beschluß vom 27. Februar 1996, Zl. B 3279/95, ablehnte, und sie gemäß Art. 144 Abs. 3 B-VG dem Verwaltungsgerichtshof abtrat. Dieser hat erwogen:
I.
Übertretung nach § 102 Abs. 1 in Verbindung mit § 27 Abs. 2
KFG:
Der Beschwerdeführer bringt dazu (sinngemäß) vor, da er die zitierte Strafverfügung in dieser Hinsicht nicht bekämpft habe, sei es unzulässig gewesen, ihn mit dem erwähnten Straferkenntnis und in der Folge mit dem angefochtenen Bescheid neuerlich zu bestrafen und ihm auch in dieser Hinsicht Kosten des erstinstanzlichen sowie des Berufungsverfahrens aufzuerlegen. Er ist damit im Recht:
Wohl hält die belangte Behörde in der Gegenschrift dem Vorbringen des Beschwerdeführers entgegen, daß ein gegen eine Strafverfügung erhobener Einspruch nur dann eine "teilweise" Rechtswirkung entfalten könne, wenn er sich ausdrücklich nur gegen das Strafausmaß richte, in allen anderen Fällen trete die Strafverfügung durch die rechtzeitige Einbringung eines Einspruches "zur Gänze" außer Kraft (wobei die belangte Behörde offenbar § 49 Abs. 2 VStG im Auge hat), doch vermag der Verwaltungsgerichtshof dem - bezogen auf den Beschwerdefall - nicht beizupflichten. Bei den drei in der Strafverfügung enthaltenen Spruchpunkten handelt es sich um jeweils getrennte Absprüche, die auch getrennt bekämpfbar sind und keine (untrennbare) Einheit bilden. Es kann daher kein Unterschied etwa gegenüber einem Fall gesehen werden, wo mehrere Verwaltungsübertretungen nicht Gegenstand einer Strafverfügung, sondern etwa mehrerer Strafverfügungen (also nicht in einem "Papier") sind. Es war daher rechtlich unzulässig, den Beschwerdeführer neuerlich wegen der in Rede stehenden Verwaltungsübertretung (im Instanzenzug) zu bestrafen und ihm Kosten des Strafverfahrens aufzuerlegen.
Der angefochtene Bescheid war daher in diesem Umfang gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
II.
Übertretungen nach § 23 StVO und § 102 Abs. 5 lit. b KFG:
Gemäß § 33a VwGG kann der Verwaltungsgerichtshof die Behandlung einer Beschwerde gegen einen Bescheid des unabhängigen Verwaltungsssenates in einer Verwaltungsstrafsache durch Beschluß ablehnen, wenn weder eine primäre Freiheitsstrafe noch eine S 10.000,-- übersteigende Geldstrafe verhängt wurde und die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil der unabhängige Verwaltungssenat von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Die Voraussetzungen für eine Ablehnung der vorliegenden Beschwerde nach dieser Gesetzesstelle in diesem Umfang sind erfüllt. Es wurde jeweils weder eine primäre Freiheitsstrafe noch eine S 10.000,-- übersteigende Geldstrafe verhängt. Die Fällung einer Sachentscheidung über die Beschwerde hängt auch von keiner Rechtsfrage ab, der grundsätzliche Bedeutung zukommt.
III.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Das Mehrbegehren betreffend Ersatz von Stempelgebühren war abzuweisen, zumal im Falle der Abtretung einer Beschwerde gemäß Art. 144 Abs. 3 B-VG dem im verwaltungsgerichtlichen Verfahren obsiegenden Beschwerdeführer kein Ersatz von Stempelgebühren gebührt, die er im vorangegangenen Verfahren vor dem Verfassungsgerichtshof entrichten mußte (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 17. November 1995, Zl. 95/02/0222).
Schlagworte
Rechtskraft Umfang der Rechtskraftwirkung Allgemein Bindung der Behörde Trennbarkeit gesonderter AbspruchEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1996:1996020165.X00Im RIS seit
20.11.2000