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10/07 Verwaltungsgerichtshof;Norm
VwGG §46 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Riedinger und Dr. Beck als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Schwarzgruber, über den Antrag des L in W, vertreten durch Dr. F, Rechtsanwalt in W, auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Frist zur Erhebung einer Beschwerde gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien vom 27. Juni 1995, Zl. UVS-04/A/18/00309/95, betreffend Übertretung arbeitnehmerschutzrechtlicher Vorschriften, den Beschluß gefaßt:
Spruch
Dem Antrag wird stattgegeben.
Begründung
Mit dem angefochtenen Bescheid wurde der Beschwerdeführer wegen dreier Verwaltungsübertretungen nach § 30 iVm § 5 des Bundesgesetzes über die Beschäftigung von Kindern und Jugendlichen (KJBG) zu Geldstrafen von je S 1.000,-- verurteilt. Dieser Bescheid wurde den Vertretern des Beschwerdeführers am 10. Juli 1995 zugestellt. Letzter Tag der sechswöchigen Frist zur Erhebung einer Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof (§ 26 Abs. 1 VwGG) war daher der 21. August 1995.
Gleichzeitig mit seiner am 4. September 1995 zur Post gegebenen Beschwerde stellte der Beschwerdeführer gemäß § 46 VwGG den Antrag, ihm die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Frist zur Einbringung der Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof zu bewilligen. Er begründete diesen Antrag damit, daß die Bescheidbeschwerde am 21. August 1995 vollständig ausgeführt und von einem Rchtsanwalt seiner ausgewiesenen Vertreterin unterfertigt in einer Unterschriftenmappe auf den dafür vorgesehenen Schreibtisch gelegt worden sei, damit sie - wie es in der Anwaltskanzlei seiner Vertreterin seit Jahrzehnten Praxis sei - von dem dafür zuständigen Mitarbeiter in ein Kuvert gesteckt, frankiert und zur Post getragen werde. Sobald die jeweilige Unterschriftenmappe leer sei, werde sie auf das Regal neben dem Schreibtisch geschlichtet und bei Bedarf für neue zu unterschreibende Schriftstücke entnommen. Die Mappe sei mit der unterfertigten Beschwerde irrtümlich von dem sonst sehr zuverlässigen und pflichtbewußten Mitarbeiter auf das Regal gelegt und erst am nächsten Tag dem 22. August 1995 entdeckt worden. Durch diesen Irrtum sei die Beschwerde nicht am 21. August 1995 zur Post getragen und die Frist versäumt worden. Der hiefür verantwortliche Mitarbeiter sei seit mehr als 14 Jahren in der Kanzlei beschäftigt, es sei ihm noch nie ein derartiger Fehler unterlaufen, weshalb ein solcher Irrtum auch keineswegs vorauszusehen gewesen sei oder aber auch nur irgend ein Anlaß bestanden habe, eine derartige Möglichkeit einer Fristversäumnis zu befürchten.
Dieses Vorbringen ist durch eine eidesstättige Erklärung des genannten Angestellten hinlänglich bescheinigt.
Gemäß § 46 Abs. 1 VwGG ist einer Partei auf Antrag die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis eine Frist versäumt und dadurch einen Rechtsnachteil erleidet. Daß der Partei ein Verschulden an der Versäumung zur Last liegt, hindert die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht, wenn es sich nur um einen minderen Grad des Versehen handelt.
Ein Verschulden des Parteienvertreters ist dem Verschulden der Partei gleichzuhalten. Ein Versehen eines Angestellten eines Rechtsanwaltes ist dem Rechtsanwalt als Verschulden anzurechnen, wenn der Rechtsanwalt die gebotene und ihm zumutbare Kontrolle gegenüber dem Angestellten unterlassen hat. Lediglich rein technische Vorgänge beim Abfertigen von Schriftstücken kann der Rechtsanwalt ohne nähere Beaufsichtigung einer verläßlichen Kanzleikraft überlassen (vgl. den hg. Beschluß vom 29. September 1993, Zl. 93/03/0206 mwN).
Auf dem Boden dieser Rechtslage geht der Verwaltungsgerichtshof davon aus, daß im vorliegenden Fall die Voraussetzungen für die Bewilligung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Beschwerdefrist vorliegen, weshalb dem Antrag stattzugeben war.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1996:1995020408.X00Im RIS seit
20.11.2000