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10/07 VerwaltungsgerichtshofNorm
AVG §37Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Enzenhofer und die Hofrätin Mag. Dr. Zehetner sowie den Hofrat Dr. Terlitza als Richterin und Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Kovacs, über die Revision des Bundesministers für Finanzen gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Oberösterreich vom 12. März 2020, LVwG-413400/2/ER/HUE, betreffend Einziehung nach dem Glücksspielgesetz (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Landespolizeidirektion Oberösterreich; mitbeteiligte Partei: F Kft. in S), zu Recht erkannt:
Spruch
Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Begründung
1 Mit einem an die U sro gerichteten Bescheid vom 8. März 2019 sprach die belangte Behörde die Einziehung gemäß § 54 Abs. 1 und 2 Glücksspielgesetz - GSpG von sechs näher bezeichneten Glücksspielgeräten aus, die mit Bescheid vom 12. Juni 2017 behördlich beschlagnahmt worden seien.
2 Mit dem angefochtenen Erkenntnis gab das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich (LVwG) - ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung - der dagegen erhobenen Beschwerde der mitbeteiligten Partei statt und hob den angefochtenen Bescheid auf (Spruchpunkt I.). Weiters sprach es aus, dass eine Revision nicht zulässig sei (Spruchpunkt II.).
3 Begründend führte das LVwG im Wesentlichen (u.a.) aus, es sei bereits aus der Aktenlage ersichtlich, dass der angefochtene Bescheid aufzuheben sei. Eine mündliche Verhandlung entfalle daher gemäß § 44 Abs. 2 VwGVG.
4 Die mitbeteiligte Partei habe in ihrer Beschwerde mitgeteilt, dass die gegenständlichen Geräte mit Kaufvertrag vom 23. August 2017 in ihr Eigentum übergangen seien. Sie sei (daher) seit diesem Zeitpunkt Eigentümerin der Geräte gewesen.
5 Das Ermittlungsverfahren habe ergeben, dass die gegenständlichen Geräte (bei der Kontrolle) nicht hätten hochgefahren werden können. Mangels Internetverbindung hätten keine Probespiele durchgeführt werden können. Es habe nicht festgestellt werden können, ob mit den Geräten verbotene Ausspielungen angeboten bzw. durchgeführt worden seien bzw. gegen die Bestimmungen des GSpG verstoßen worden sei. Die Voraussetzungen für die Einziehung lägen daher bei allen Geräten nicht vor, weswegen der Beschwerde stattzugeben gewesen sei.
6 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision des Bundesministers für Finanzen. Mit Schreiben vom 10. Juli 2020 übermittelte das LVwG dem Verwaltungsgerichtshof den Ausdruck eines E-Mails vom 9. Juli 2020, in welchem der Rechtsvertreter der mitbeteiligten Partei dem LVwG in Bezug auf das Beschwerdeverfahren die Auflösung des Vollmachtsverhältnisses mitteilte. Weder die belangte Behörde noch die mitbeteiligte Partei erstatteten eine Revisionsbeantwortung.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
7 Die Amtsrevision bringt zu ihrer Zulässigkeit zunächst vor, das LVwG habe keine amtswegige Prüfung der Beschwerdelegitimation der mitbeteiligten Partei durchgeführt. Bereits mit diesem Vorbringen erweist sich die Revision als zulässig. Sie ist auch begründet.
8 Wie in der Revision zutreffend ausgeführt wird, ist es nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes im amtswegigen Verwaltungsverfahren nicht Sache einer Partei, die Voraussetzungen ihrer Parteistellung unter Beweis zu stellen. Vielmehr ist der Behörde - und auch dem Verwaltungsgericht - die Obliegenheit auferlegt, von Amts wegen in die Prüfung der Frage einzutreten, ob ein sich am Verfahren beteiligendes Rechtssubjekt Parteistellung genießt oder nicht (vgl. VwGH 31.3.2021, Ra 2020/17/0094, mwN).
9 Gemäß § 54 Abs. 2 zweiter Satz GSpG ist der Einziehungsbescheid all jenen der Behörde bekannten Personen zuzustellen, die ein Recht auf die von der Einziehung bedrohten Gegenstände haben oder ein solches geltend machen. Der Einziehungsbescheid kann von diesen Personen mit Beschwerde angefochten werden (vgl. wieder VwGH 31.3.2021, Ra 2020/17/0094, mwN). Das Eigentumsrecht stellt ein derartiges Recht im Sinne des § 54 Abs. 2 zweiter Satz GSpG dar (vgl. VwGH 27.11.2018, Ra 2017/17/0832).
10 Im Revisionsfall hat die mitbeteiligte Partei erstmals im Beschwerdeverfahren ihr Eigentumsrecht an den verfahrensgegenständlichen beschlagnahmten Gegenständen behauptet. Schon im Hinblick darauf hätte sich das LVwG nicht mit dem Vorbringen der mitbeteiligten Partei zur Frage ihrer Parteistellung begnügen dürfen. Vielmehr hätte es zu dieser Frage eine mündliche Verhandlung durchzuführen und auf der Grundlage geeigneter amtswegiger Ermittlungen in freier Beweiswürdigung nachvollziehbare Feststellungen zu treffen gehabt (vgl. neuerlich VwGH 31.3.2021, Ra 2020/17/0094, mwN.)
11 Indem das Verwaltungsgericht sich im Revisionsfall allein auf die Angaben der mitbeteiligten Partei stützte und sowohl die Durchführung einer mündlichen Verhandlung als auch die für eine abschließende Beurteilung erforderlichen Feststellungen unterließ, hat es die dargelegte Rechtslage verkannt und schon damit das angefochtene Erkenntnis mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit belastet.
12 Das angefochtene Erkenntnis war bereits aus diesem Grunde gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.
13 Sollten im fortzusetzenden Verfahren die Ermittlungen des LVwG ergeben, dass der mitbeteiligten Partei tatsächlich ein Recht iSd § 54 Abs. 2 zweiter Satz GSpG an den von der Einziehung betroffenen Glücksspielgeräten zusteht, dann wird sich das LVwG neuerlich mit der Frage, ob mit diesen Geräten gegen eine oder mehrere Bestimmungen des § 52 Abs. 1 GSpG verstoßen wurde, zu beschäftigen haben. Wie der Verwaltungsgerichtshof wiederholt ausgesprochen hat, hängt die Einziehung gemäß § 54 Abs. 1 GSpG von der Verwirklichung eines objektiven Tatbildes nach § 52 Abs. 1 GSpG ab; das Verwaltungsgericht trifft daher im Einziehungsverfahren nach dem GSpG die Verpflichtung, nach Durchführung eines amtswegigen Ermittlungsverfahrens dazu nähere Feststellungen zu treffen. Dazu können auch im Einziehungsverfahren nicht nur Dokumentationen von Probespielen, sondern auch - insbesondere wenn solche wie im Revisionsfall fehlen - Zeugenaussagen oder andere Beweismittel, die sich allenfalls bereits aus dem behördlichen Verwaltungsakt ergeben, herangezogen werden (vgl. VwGH 21.4.2020, Ra 2019/17/0071, mwN).
Wien, am 21. Februar 2022
Schlagworte
Besondere RechtsgebieteEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2022:RA2020170069.L00Im RIS seit
18.03.2022Zuletzt aktualisiert am
22.03.2022