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10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)Norm
B-VG Art133 Abs4Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Schick sowie die Hofrätinnen Dr. Pollak und MMag. Ginthör als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Vitecek, über die Revision der E W in V, vertreten durch Mag. Daniela Aigner, Rechtsanwältin in 4655 Vorchdorf, Schloßplatz 15, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Oberösterreich vom 19. Oktober 2020, Zl. LVwG-651456/34/KH, betreffend Entziehung der Lenkberechtigung und Anordnung begleitender Maßnahmen (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bezirkshauptmannschaft Gmunden), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Die Revisionswerberin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von € 553,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
1 Mit (über Vorstellung gegen einen Mandatsbescheid vom 25. September 2018 ergangenem) Bescheid der belangten Behörde vom 19. April 2019 wurde der Revisionswerberin gemäß § 26 Abs. 2 Z 1 in Verbindung mit § 24 Abs. 1 Z 1 FSG die Lenkberechtigung für näher bezeichnete Klassen für die Dauer von sechs Monaten, gerechnet ab Rechtskraft dieses Bescheides („abzüglich der bereits konsumierten Entzugszeit von 27.09.2018 bis 25.10.2018), entzogen. Unter einem wurden der Revisionswerberin Anordnungen im Sinn von § 24 Abs. 3 FSG (Absolvierung einer Nachschulung sowie Beibringung einer verkehrspsychologischen Stellungnahme und eines amtsärztlichen Gutachtens) erteilt.
2 Aufgrund einer Anzeige der tschechischen Polizeibehörde für den Territorialbereich N sowie infolge einer durch die belangte Behörde eingeholten Stellungnahme der tschechischen Behörde sei davon auszugehen, dass die Revisionswerberin am 5. August 2018 in Tschechien einen Tatbestand verwirklicht habe, der nach Maßgabe der österreichischen Rechtsvorschriften als Übertretung von § 99 Abs. 1 lit. b StVO 1960 zu qualifizieren sei. Somit liege eine Verkehrsunzuverlässigkeit der Revisionswerberin im Sinn von § 7 Abs. 1 Z 1 FSG vor und ihre Lenkberechtigung sei gemäß § 26 Abs. 2 Z 1 FSG für die Mindestentziehungsdauer von sechs Monaten zu entziehen.
3 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung die dagegen gerichtete Beschwerde der Revisionswerberin als unbegründet ab. Die Revision nach Art. 133 Abs. 4 B-VG erklärte das Verwaltungsgericht für nicht zulässig.
4 Das Verwaltungsgericht legte seiner Entscheidung u.a. zu Grunde, dass die Revisionswerberin mit Strafbescheid einer tschechischen Behörde (Stadtamt L) vom 30. Oktober 2018 bestraft worden sei, weil sie sich am 5. August 2018, nachdem sie als Lenkerin eines Fahrzeuges in Tschechien von der Polizei angehalten worden und (mittels Speichelvortest) ein positives Testergebnis auf Suchtmittel vorgelegen sei, geweigert habe, an einer ärztlichen Untersuchung mit Abnahme biologischen Materials teilzunehmen. Der Bescheid vom 30. Oktober 2018 sei von der Revisionswerberin am 8. November 2018 persönlich übernommen und von dieser nicht bekämpft worden. Im Hinblick darauf sei davon auszugehen, dass die Revisionswerberin der Aufforderung, sich einer ärztlichen Untersuchung mit Blutabnahme zu unterziehen, nicht entsprochen habe und aus diesem Grund rechtskräftig bestraft worden sei. Somit liege bei Subsumption dieses Sachverhalts unter österreichische Rechtsvorschriften ein Verstoß gegen § 99 Abs. 1 lit. b StVO 1960 vor, weshalb die Lenkberechtigung der Revisionswerberin gemäß § 26 Abs. 2 Z 1 FSG zwingend für die Dauer von sechs Monaten zu entziehen sei.
5 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision, die zur Begründung ihrer Zulässigkeit im Wesentlichen geltend macht, das Verwaltungsgericht habe es verabsäumt, zu prüfen, ob zum Entscheidungszeitpunkt noch eine Verkehrsunzuverlässigkeit der Revisionswerberin bestanden habe. Es fehlten zudem Feststellungen dazu, ob im vorliegenden Fall die Vorgaben der Speichelvortestgeräteverordnung 2017 eingehalten worden seien. Die in Tschechien eingeschrittenen Organe verfügten, wie die Revisionswerberin bereits in ihrer Vorstellung gegen den Mandatsbescheid vom 25. September 2018 vorgebracht habe, weder über die erforderliche Schulung noch über den diesbezüglichen urkundlichen Nachweis. Im Übrigen sei die Verkündung des angefochtenen Erkenntnisses im Anschluss an die mündliche Verhandlung zu Unrecht unterblieben. Zudem liege ein Verstoß gegen § 48 VwGVG vor.
6 Die belangte Behörde erstattete eine Revisionsbeantwortung und beantragte Kostenersatz.
Die Voraussetzungen nach Art. 133 Abs. 4 B-VG liegen nicht vor:
7 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Auf Beschlüsse der Verwaltungsgerichte ist Art. 133 Abs. 4 B-VG sinngemäß anzuwenden (Art. 133 Abs. 9 B-VG).
8 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.
9 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof ausschließlich im Rahmen der dafür in der Revision gesondert vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen (VwGH 27.4.2020, Ra 2019/11/0045, mwN).
10 Wenn die Revision eine Prüfung der Verkehrsunzuverlässigkeit der Revisionswerberin im Entscheidungszeitpunkt des Verwaltungsgerichts vermisst, ist darauf hinzuweisen, dass § 26 Abs. 2 Z 1 FSG für die Entziehung der Lenkberechtigung eine gesetzliche Mindestdauer von sechs Monaten vorsieht und insofern keine fallspezifische Wertung durch das Verwaltungsgericht vorzunehmen war. In diesem Zusammenhang legt die Revision daher eine Abweichung von der hg. Rechtsprechung nicht dar (vgl. VwGH 11.5.2016, Ra 2016/11/0062).
11 Dem angefochtenen Erkenntnis liegt die Auffassung zugrunde, dass wegen des in Rede stehenden Vorfalls eine rechtskräftige Bestrafung der Revisionswerberin durch eine ausländische Behörde vorliege (Strafbescheid vom 30. Oktober 2018). Dem tritt die Zulässigkeitsbegründung nicht entgegen. Vor diesem Hintergrund gelingt es der Revision auch nicht, die Relevanz der ins Treffen geführten Verfahrensmängel darzulegen.
12 Im Hinblick auf die betreffende rechtskräftige Bestrafung hatte das Verwaltungsgericht davon auszugehen, dass die Revisionswerberin die ihr in der rechtskräftigen Entscheidung angelastete Tathandlung begangen habe. In Anbetracht dessen werden in der Zulässigkeitsbegründung hinsichtlich der Auffassung des Verwaltungsgerichts, es sei gegenständlich im Lichte von § 7 Abs. 2 FSG eine Übertretung des § 99 Abs. 1 lit. b StVO zugrunde zu legen gewesen (dazu etwa VwGH 25.2.2020, Ro 2019/11/0006) und es habe aufgrund des positiven Ergebnisses eines Speichelvortests jedenfalls ein Verdacht im Sinn von § 5 Abs. 9 StVO 1960 bestanden (vgl. dazu VwGH 24.10.2016, Ra 2016/02/0133), keine Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung aufgeworfen. Dass der in Rede stehende Speichelvortest nicht ordnungsgemäß durchgeführt worden wäre oder tatsächlich keine Anhaltspunkte im Sinn von § 5 Abs. 9 StVO 1960 bestanden hätten, wurde auch nicht substantiiert vorgebracht.
13 Abgesehen davon wird das Gerät, das nach den Feststellungen des Verwaltungsgerichts gegenständlich zum Einsatz gelangte, nunmehr in § 1 Z 2 der Speichelvortestgeräteverordnung 2017 in der Fassung BGBl. II Nr. 53/2019 angeführt. Weshalb das mit einem solchen Gerät im Jahr 2018 erzielte positive Testergebnis nicht geeignet gewesen sein sollte, einen Verdacht im Sinn von § 5 Abs. 9 StVO 1960 zu begründen, legt die Revision nicht dar. Im Übrigen handelt es sich bei dem Vorbringen, die bei der Amtshandlung in Tschechien eingeschrittenen Polizisten seien für die Vornahme des Speicheltests nicht geschult gewesen und hätten über keine diesbezüglichen Urkunden verfügt, um eine im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof unzulässige Neuerung. In der Vorstellung, auf die sich die Revisionswerberin in der Zulässigkeitsbegründung (ebenso wie dies in der Beschwerde der Fall war) bezieht, wurde nämlich - insoweit abweichend von den Ausführungen in der Revision - konkret behauptet, die tschechischen Beamten seien zur Überprüfung des Speichels durch eine österreichische Behörde weder nachweislich ermächtigt noch geschult worden. Dass es im vorliegenden Kontext auf eine Ermächtigung bzw. Schulung durch eine österreichische Behörde rechtlich nicht ankommt, liegt auf der Hand. Dazu hatte das Verwaltungsgericht daher auch keine Ermittlungen durchzuführen.
14 In der Revision wird auch nicht dargelegt, dass das Verwaltungsgericht den ihm gemäß § 29 Abs. 2 VwGVG eingeräumten (weiten) Spielraum fallbezogen überschritten hätte (vgl. VwGH 30.4.2021, Ra 2021/21/0071). Das Verwaltungsgericht war auch nicht daran gehindert, in der vorliegenden Konstellation weitere amtswegige Ermittlungsschritte, die es für die Entscheidungsfindung für erforderlich erachtete, zu setzen (siehe § 39 Abs. 4 und 5 AVG in Verbindung mit § 17 VwGVG).
15 Ein Verstoß gegen § 48 VwGVG liegt schon deshalb nicht vor, weil es sich gegenständlich um kein Verwaltungsstrafverfahren handelte. Betreffend den geltend gemachten Verstoß gegen den Unmittelbarkeitsgrundsatz (vgl. § 25 Abs. 7 VwGVG) mangelt es der Revision - wie schon erwähnt - an einer nachvollziehbaren Relevanzdarstellung (zum Erfordernis der Relevanzdarstellung auch in diesem Zusammenhang VwGH 22.2.2017, Ra 2017/10/0014; 24.3.2021, Ra 2021/01/0075 bis 0078). Das gilt ebenso für die ins Treffen geführten Ermittlungs- und Feststellungsmängel sowie die Aktenwidrigkeit, die bezüglich der verwaltungsgerichtlichen Wiedergabe der Übersetzung einer Belehrung behauptet wird, die von der Revisionswerberin anlässlich der Amtshandlung in Tschechien unterzeichnet worden sei.
16 Da somit eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung nicht aufgezeigt wird, war die Revision gemäß § 34 Abs. 1 und 3 VwGG zurückzuweisen.
17 Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.
Wien, am 23. Februar 2022
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2022:RA2021110020.L00Im RIS seit
18.03.2022Zuletzt aktualisiert am
21.03.2022