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10/07 VerwaltungsgerichtshofNorm
AVG §13 Abs1Beachte
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Thoma und die Hofrätinnen Mag. Rehak und Mag. Bayer als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Kovacs, in der Revisionssache des 1. F B und der 2. E B, beide in G, beide vertreten durch Dr. Johannes Schuster und Mag. Florian Plöckinger, Rechtsanwälte in 1020 Wien, Praterstern 2/1.DG, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Burgenland vom 16. Oktober 2019, Zl. E HG1/10/2017.056/2019, betreffend Zurückweisung eines Bauansuchens (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Gemeinderat der Marktgemeinde Großpetersdorf; weitere Partei: Burgenländische Landesregierung), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Die Revisionswerber sind je zur Hälfte Eigentümer des als „BM - Bauland-gemischtes Baugebiet“ gewidmeten Grundstückes Nr. X, EZ Y, KG G.
2 Am 5. März 2015 beantragte der Erstrevisionswerber die Erteilung einer Baubewilligung für die Errichtung einer Garage mit zwei Stellplätzen.
3 Der Bürgermeister der Marktgemeinde Großpetersdorf (Bürgermeister) versagte mit Bescheid vom 5. November 2015 die Erteilung der Baubewilligung für das beantragte Vorhaben gemäß dem (Einreich-)Plan Nr. Z (Spruchpunkt I.) und erteilte dem Erstrevisionswerber die Baubewilligung gemäß dem Plan Beilage A zum Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 9. September 2015 (Spruchpunkt II.).
4 Am 5. August 2016 reichten beide Revisionswerber neuerlich ein Bauansuchen betreffend die Errichtung einer Garage auf ihrem Grundstück ein.
5 Dieses Bauansuchen wurde vom Bürgermeister mit Bescheid vom 14. Dezember 2016 wegen entschiedener Sache zurückgewiesen, weil im Vergleich zum Bauansuchen vom 5. März 2015 nur geringfügige Änderungen vorlägen.
6 Der Gemeinderat der Marktgemeinde Großpetersdorf (Gemeinderat) wies die dagegen erhobene Berufung der Revisionswerber vom 5. Jänner 2017 mit Bescheid vom 27. März 2017 ab.
7 Dagegen erhoben die Revisionswerber am 25. April 2017 Beschwerde an das Landesverwaltungsgericht Burgenland (Landesverwaltungsgericht), das dieser im ersten Verfahrensgang mit Erkenntnis vom 8. August 2017 stattgab, den angefochtenen Bescheid aufhob und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an den Gemeinderat als belangte Behörde zurückverwies.
8 Infolge der vom Gemeinderat dagegen eingebrachten außerordentliche Revision hob der Verwaltungsgerichtshof mit hg. Erkenntnis vom 4. Juli 2019, Ra 2017/06/0210, die angefochtene Entscheidung wegen Rechtswidrigkeit ihres Inhalts auf.
9 Im nunmehr zweiten Verfahrensgang teilten die Revisionswerber mit Schriftsatz vom 2. Oktober 2017 mit, das Bauansuchen vom 5. August 2016 aufrechtzuerhalten und konkretisierten dazu im Schriftsatz vom 7. Dezember 2017, dass das Bauansuchen vom 5. März 2015 als zurückgezogen zu werten sei und sich die Behörde nur noch mit dem Bauansuchen vom 5. August 2016 auseinandersetzen müsse.
10 Mit dem gegenständlich in Revision gezogenen Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts wurde die Beschwerde der Revisionswerber vom 25. April 2017 gegen den Bescheid des Gemeinderats vom 27. März 2017 nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung als unbegründet abgewiesen. Unter einem sprach das Landesverwaltungsgericht aus, dass die Erhebung einer ordentlichen Revision unzulässig sei.
11 Begründend führte das Landesverwaltungsgericht - soweit hier relevant - aus, die Behörde könne von sich aus das Verfahren nicht noch einmal aufnehmen und eine neue Entscheidung in derselben Sache treffen. Die Zurückziehung des Bauansuchens vom 5. März 2015 habe nicht automatisch zur Folge, dass der Bescheid wegfalle und rechtlich nicht mehr existiere. Dieser könne aber aufgrund einer dagegen erhobenen Berufung abgeändert bzw. aufgehoben werden.
12 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Auf Beschlüsse der Verwaltungsgerichte ist Art. 133 Abs. 4 B-VG sinngemäß anzuwenden (Art. 133 Abs. 9 B-VG).
13 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.
14 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision gesondert vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
15 Die Revisionswerber bringen in ihrer Zulässigkeitsbegründung vor, gemäß § 13 Abs. 7 AVG könnten Anbringen in jeder Lage des Verfahrens zurückgezogen werden. Es bedürfe somit keines Beschlusses, der die Prozessbeendigung ausspreche bzw. komme diesem bloß deklarative Wirkung zu. Wie im Erkenntnis des VwGH vom 25.7.2013, 2013/07/0099 richtig angeführt sei und der ständigen Rechtsprechung folgend, ziehe die „Zurückziehung eines Antrages daher - wenn sie dem Vorbild des § 237 ZPO vergleichbare Rechtswirkungen haben solle - keinen weiteren, über die formlose Einstellung des Verfahrens hinausgehenden Akt der Behörde nach sich“. Die Ausführungen des Landesverwaltungsgerichts in seiner Entscheidung vom 16. Oktober 2019 wichen somit insoweit von der ständigen Rechtsprechung ab, als der Bescheid vom 5. November 2015 durch die Zurückziehung wegfalle und rechtlich nicht mehr existent sei.
16 Mit diesem Vorbringen wird keine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG aufgezeigt:
17 Gemäß § 13 Abs. 7 AVG können Anbringen in jeder Lage des Verfahrens zurückgezogen werden. Darunter sind gemäß § 13 Abs. 1 AVG alle Arten von Verfahrenshandlungen zu verstehen, mit denen Beteiligte an eine Behörde herantreten können. Die Zurückziehung ist so lange zulässig, als der Antrag noch unerledigt ist. Dies bedeutet für Fälle, in denen der Antrag auf Einleitung eines mit Bescheid abzuschließenden Verfahrens gerichtet ist, dass eine Antragszurückziehung bis zur Bescheiderlassung, im Fall einer Berufung bis zum Berufungsbescheid, möglich ist (vgl. VwGH 25.6.2021, Ro 2019/05/0018, mwN).
18 Die Zurückziehung des ursprünglichen verfahrenseinleitenden Antrages während des anhängigen Beschwerdeverfahrens bewirkt, wie der Verwaltungsgerichtshof bereits vielfach ausgesprochen hat, den Wegfall der Zuständigkeit der Behörde zur Erlassung des Bescheides und damit nachträglich die Rechtswidrigkeit des Bescheides. Das Verwaltungsgericht hat in einem solchen Fall den erstinstanzlichen Bescheid ersatzlos zu beheben; tut es dies nicht, belastet es seine Entscheidung mit Rechtswidrigkeit (vgl. etwa 26.2.2020, Ra 2019/05/0065; 25.6.2021, Ro 2019/05/0018, jeweils mwN).
19 Damit stehen auch die von den Revisionswerbern zitierten hg. Erkenntnisse im Einklang.
20 Mit hg. Erkenntnis vom 21. Oktober 2005, 2002/12/0294, sprach der Verwaltungsgerichthof aus, dass der Antragsteller und Beschwerdeführer im dortigen Fall gemäß § 1 Abs. 1 DVG i.V.m. § 13 Abs. 7 AVG seinen Antrag jederzeit bis zur Erlassung eines Bescheides zurückziehen dürfe.
21 Ebenso hielt der Verwaltungsgerichtshof in dem von den Revisionswerbern angeführten hg. Erkenntnis vom 25. Juli 2013, 2013/07/0099, fest, dass die Zurückziehung eines Antrages keinen weiteren, über die formlose Einstellung des Verfahrens hinausgehenden Akt der Behörde nach sich ziehe. Dies sei aber nur dann der Fall, wenn die Behörde, die in der Sache zu entscheiden habe, über den verfahrensauslösenden Antrag noch keinen Bescheid erlassen habe. Sei ein Bescheid erlassen worden, wäre er also einer der Verfahrensparteien gegenüber rechtswirksam zugestellt worden, träten aber bereits Bescheidwirkungen ein, die nur durch die rechtzeitige Erhebung eines Rechtsmittels wieder beseitigt werden könnten.
22 Auch im hg. Erkenntnis vom 29. März 2001, 2000/20/0473, wird ausgeführt, dass Anträge in jeder Lage des Verfahrens bis zur Erlassung des Bescheides, im Fall einer Berufung auch bis zur Erlassung des Berufungsbescheides zurückgezogen werden könnten. Durch die Zurückziehung des verfahrenseinleitenden Antrages werde der Bescheid der Behörde erster Instanz nicht beseitigt.
23 Der Verwaltungsgerichtshof ging somit in keinem von der Revision für die Zulässigkeit ins Treffen geführten Erkenntnis von einem Wegfall eines bereits erlassenen Bescheides durch Zurückziehung aus. Entgegen dem Revisionsvorbringen bewirkte die Zurückziehung des verfahrenseinleitenden Antrages im vorliegenden Fall daher nicht den Wegfall des Bescheides. Die Revision zeigt angesichts der oben dargestellten Judikatur nicht auf, inwiefern das Landesverwaltungsgericht von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs abgewichen wäre.
24 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG zurückzuweisen.
Wien, am 24. Februar 2022
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2022:RA2020060051.L00Im RIS seit
18.03.2022Zuletzt aktualisiert am
28.03.2022