TE OGH 2022/1/25 8Ob1/22p

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Veröffentlicht am 25.01.2022
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Hon.-Prof. Dr. Kuras als Vorsitzenden, die Hofrätinnen Dr. Tarmann-Prentner und Mag. Korn, den Hofrat Dr. Stefula und die Hofrätin Mag. Wessely-Kristöfel als weitere Richter in der Pflegschaftssache der minderjährigen V*, geboren * 2009, wohnhaft bei der Mutter Mag. M*, diese vertreten durch MMag. Dr. Thomas Trixner, Rechtsanwalt in St. Pölten, Vater Dr. S*, vertreten durch Mag. Thomas Kaumberger, Rechtsanwalt in Pressbaum, wegen Kontaktrecht, über den außerordentlichen Revisionsrekurs des Vaters gegen den Beschluss des Landesgerichts Korneuburg als Rekursgericht vom 18. November 2021, GZ 20 R 332/21w-290, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der außerordentliche Revisionsrekurs wird mangels der Voraussetzungen des § 62 Abs 1 AußStrG zurückgewiesen.

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

[1]       1. Es entspricht ständiger Rechtsprechung, dass die Unterbindung des Kontakts des Kindes zu dem getrennt lebenden Elternteil nur in Ausnahmefällen aus besonders schwerwiegenden Gründen zulässig ist. Nur bei massiver Gefährdung des Kindeswohls hat in einem – selbst unverschuldeten – Konfliktfall der Kontaktrechtsanspruch eines Elternteils gegenüber dem Kindeswohl zurückzutreten (RIS-Justiz RS0047955; RS0048068 ua).

[2]       2. Nach den vom Rekursgericht übernommenen Feststellungen des Erstgerichts möchte die nunmehr Zwölfjährige weder begleiteten noch unbegleiteten Kontakt zu ihrem Vater haben und behält sich vor, zu einem späteren Zeitpunkt ihren Willen zu überdenken. Sie äußerte ihren autonomen Willen zunehmend differenzierter über mehr als vier Jahre hinweg verschiedenen Personen gegenüber mit einer klaren Zielorientierung und zunehmender Intensität. Im Sinne ihrer Bedürfnisse nach Ruhe und Sicherheit, einem Aufwachsen jenseits von Hochkonfliktfähigkeit, von ihr kontrollierbaren Lebensumständen und Selbstwirksamkeit ist davon auszugehen, dass erzwungene Kontakte zu ihrem Vater ihr Wohl nachhaltig beschädigen. Eine Aussetzung des Kontaktrechts wird daher dem Wohl des Kindes am besten gerecht. Würden weitere Kontakte der Minderjährigen zu ihrem Vater, insbesondere in der sensiblen Phase der Identitätssuche in der Pubertät, erzwungen werden, so würde dies ihre seelische Entwicklung gefährden und beeinträchtigen.

[3]            Ausgehend von diesem Sachverhalt ist nicht zu beanstanden, dass die Vorinstanzen die Kontakte des Kindes zum Vater (vorläufig) vollständig ausgesetzt haben.

[4]            3. Daran ändert auch der Hinweis des Vaters nichts, dass das Kind die (begleiteten) Kontakte bis 23. 8. 2016 „zumindest partiell auch positiv erlebt“ haben dürfte. Bereits das Rekursgericht hat hervorgehoben, dass nach den Ausführungen der Gerichtssachverständigen dadurch keine tragfähige Beziehung der Minderjährigen zu ihrem Vater begründet wurde. Aus der vom Vater ins Treffen geführten „internalisierten“ Entfremdung bei der Minderjährigen lässt sich jedenfalls nicht ableiten, dass ein erzwungener Kontakt dem Kindeswohl – entgegen den Feststellungen – doch besser gerecht würde, als keine Kontakte.

[5]       4. Einer weiteren Begründung bedarf dieser Beschluss nicht (§ 71 Abs 3 AußStrG).

Textnummer

E134142

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2022:0080OB00001.22P.0125.000

Im RIS seit

18.03.2022

Zuletzt aktualisiert am

18.03.2022
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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