Entscheidungsdatum
07.07.2020Norm
KFG 1967 §102 Abs1aText
TEILERKENNTNIS
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich erkennt durch Dr. Flendrovsky als Einzelrichter über die Beschwerde des A in ***, vertreten durch B, Rechtsanwalt in ***, ***, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Tulln vom 10. Oktober 2018, ZI. ***, betreffend Bestrafung nach dem Kraftfahrgesetz 1967, hinsichtlich des Spruchpunkts 6. dieses Straferkenntnisses, nach Durchführung einer öffentlich mündlichen Verhandlung am 3. Jänner 2019 zu Recht:
1. Gemäß § 50 Abs. 1 VwGVG wird die Beschwerde gegen Spruchpunkt 6. des angefochtenen Straferkenntnisses mit der Maßgabe als unbegründet abgewiesen, dass die verletzte Verwaltungsvorschrift iSd § 44a Z 2 VStG § 102a Abs. 4 letzter Satz KFG 1967 (anstatt § 102 Abs. 1a KFG 1967) ist.
2. Gemäß § 52 Abs. 1 und 2 VwGVG hat der Beschwerdeführer einen Beitrag zu den Kosten des Beschwerdeverfahrens in der Höhe von € 10,– zu leisten.
3. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG
iVm § 25a VwGG zulässig.
Zahlungshinweis:
Der zu zahlende Gesamtbetrag (Strafe und Kosten) beträgt daher € 70,– und ist gemäß § 52 Abs. 6 VwGVG iVm § 54b Abs. 1 VStG binnen zwei Wochen einzuzahlen.
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang und Sachverhalt:
1. Zur Vorgeschichte wird auf das Teilerkenntnis und das Vorabentscheidungsersuchen des Landesverwaltungsgerichts Niederösterreich, beide vom 4. Februar 2019, Zl. LVwG-S-2546/001-2018, sowie auf den Berichtigungsbeschluss vom 1. März 2019, Zl. LVwG-S-2546/003-2018, verwiesen.
1.1. Mit dem Teilerkenntnis wurde nach Durchführung einer öffentlichen münd-lichen Verhandlung in Anwesenheit des Beschwerdeführers und seines Rechts-vertreters, jedoch in Abwesenheit der belangten Behörde, am 3. Jänner 2019 das angefochtene Straferkenntnis bereits hinsichtlich seiner Spruchpunkte 1.-5. ersatzlos behoben und das Verfahren insoweit gemäß § 45 Abs. 1 Z 1 VStG eingestellt.
1.2. Offen ist somit noch die (am 27. November 2018 vorgelegte) Beschwerde gegen Spruchpunkt 6. des angefochtenen Straferkenntnisses. Dieser Spruchpunkt betraf den Vorwurf, der Beschwerdeführer habe am 27. März 2018 auf Verlangen der Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes oder der Straßenaufsicht diesen keine Bestätigungen über lenkfreie Tage im Zeitraum von 28. Februar 2018, 16:39 Uhr, bis 5. März 2018, 07:20 Uhr, sowie im Zeitraum von 5. März 2018, 11:49 Uhr, bis 6. März 2018, 05:35 Uhr, ausgefolgt. Die belangte Behörde erachtete dadurch
§ 134 Abs. 1 KFG 1967 iVm § 102 Abs. 1a KFG 1967 als verletzt und verhängte gemäß § 134 Abs. 1 leg.cit. eine Geldstrafe von € 50,– (Ersatzfreiheitsstrafe
10 Stunden).
1.3. Hinsichtlich dieses Spruchpunktes wird in der Beschwerde vorgebracht, dass sowohl der 5. März als auch der 6. März 2018 auf der Fahrerkarte aufscheinen würden, sodass der Tatvorwurf hinsichtlich dieses Zeitraums nicht zutreffe. Der darüber hinaus ergangene Vorwurf, der Beschwerdeführer habe für die lenkfreien Tage vom 28. Februar 2018 bis 5. März 2018 keine Bestätigungen mitgeführt, werde als gerechtfertigt zugestanden. Die Bedeutung des strafrechtlich geschützten Rechtsgutes und die Intensität seiner Beeinträchtigung durch diese Tat sowie das Verschulden des Beschwerdeführers seien hierbei jedoch als äußerst gering einzuschätzen, sodass von einer Fortführung des Strafverfahrens abgesehen und die Einstellung des Strafverfahrens verfügt werden möge. Der Beschwerdeführer legte ein Schreiben seines Arbeitgebers über seine Ruhzeiten sowie einen Lohnzettel für März 2018 vor.
1.4. Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich richtete im Anschluss an die mündliche Verhandlung zu diesem Spruchpunkt das angeführte (mit dem Beschluss vom 1. März 2019 berichtigte) Vorabentscheidungsersuchen mit folgenden Fragen an den Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH):
„I. Ist die Verordnung (EU) Nr. 165/2014, insbesondere deren Art. 34 Abs. 3 letzter Satz sowie deren Art. 36 Abs. 2, so auszulegen, dass sie einer nationalen Regelung entgegensteht, die verlangt, dass Lenker von Kraftfahrzeugen, die mit einem digitalen Fahrtenschreiber iSd Art. 2 Abs. 2 lit. h der Verordnung (EU) Nr. 165/2014 ausgerüstet sind, im Falle des Fehlens einzelner Arbeitstage auf der Fahrerkarte (Art. 2 Abs. 2 lit. f leg.cit.), für welche auch keine Schaublätter mitgeführt werden, für diese Tage entsprechende Bestätigungen des Arbeitgebers, die den Mindestanforderungen des von der Kommission gemäß Art. 11 Abs. 3 der Richtlinie 2006/22/EG erstellten Formblattes entsprechen müssen, mitzuführen und bei Kontrollen auszuhändigen haben?
II. Für den Fall, dass Frage I. verneint wird:
Ist das von der Kommission mit ihrem Beschluss 2009/959/EU festgelegte Formblatt gänzlich oder teilweise ungültig?“
2. Der EuGH hat nunmehr mit dem Urteil vom 7. Mai 2020 in der Rechtssache C-96/19 die im Vorabentscheidungsersuchen gestellten Fragen folgendermaßen beantwortet:
„1. Art. 34 Abs. 3 Unterabs. 2 der Verordnung (EU) Nr. 165/2014 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4. Februar 2014 über Fahrtenschreiber im Straßenverkehr, zur Aufhebung der Verordnung (EWG) Nr. 3821/85 des Rates über das Kontrollgerät im Straßenverkehr und zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 561/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates zur Harmonisierung bestimmter Sozialvorschriften im Straßenverkehr ist dahin auszulegen, dass eine nationale Regelung, die den Lenker eines mit einem digitalen Fahrtenschreiber ausgerüsteten Kraftfahrzeugs bei Fehlen der automatischen und manuellen Aufzeichnungen in diesem Fahrtenschreiber zur Vorlage einer von seinem Arbeitgeber nach dem Formblatt im Anhang des Beschlusses 2009/959/EU der Kommission vom 14. Dezember 2009 zur Änderung der Entscheidung 2007/230/EG über ein Formblatt betreffend die Sozialvorschriften für Tätigkeiten im Kraftverkehr ausgestellten Tätigkeitsbescheinigung als subsidiären Nachweis seiner Tätigkeiten verpflichtet, nicht in den Geltungsbereich des in dieser Bestimmung festgelegten Verbots fällt.
2. Die Prüfung der zweiten Vorlagefrage hat keinen Umstand hervorgebracht, der die Gültigkeit des Formblatts im Anhang des Beschlusses 2009/959 beeinträchtigen könnte.“
3. Auf Grund der Ergebnisse der mündlichen Verhandlung steht folgender Sachverhalt unbestritten fest:
3.1. Der Beschwerdeführer hat am 27. März 2018 den LKW mit dem Kennzeichen *** gelenkt. Dieser LKW war zu diesem Zeitpunkt mit einem digitalen Fahrtenschreiber ausgestattet. Bei einer Lenker- und Fahrzeugkontrolle wurde der Beschwerdeführer um 15:35 Uhr durch dein Organ der Landespolizeidirektion Niederösterreich, auf der Bundesstraße *** bei km *** angehalten und seine im Kontrollgerät befindliche Fahrerkarte ausgelesen. Dabei zeigte sich, dass der Beschwerdeführer den digitalen Fahrtenschreiber im Zeitraum vom 27. Februar bis 27. März 2018 (und darüber hinaus) nicht ordnungsgemäß bedient hat. Er konnte dem Kontrollorgan keine Bestätigung über lenkfreie Tage im Zeitraum von 28. Februar 2018, 16:39 Uhr, bis 5. März 2018, 07:20 Uhr, sowie im Zeitraum von 5. März 2018, 11:49 Uhr, bis 6. März 2018, 05:35 Uhr, ausfolgen. Seine Fahrerkarte wies für diese Zeiträume keinerlei Eintragungen auf. In die genannten Zeiträume fielen jedenfalls lenkfreie Zeiten.
3.2. Der Beschwerdeführer verfügt über ein monatliches Bruttoeinkommen von € 1.850,–. bzw. ein Nettoeinkommen von € 1.520,–. Er hat Sorgepflichten gegenüber seinem unmündigen minderjährigen Kind und ist auch gegenüber seiner früheren Ehefrau unterhaltspflichtig. Beide Unterhaltspflichten zusammen belaufen sich auf monatlich € 500,–. An Miete fallen monatlich € 360,– an, weiters hat der Beschwerdeführer monatlich Kreditraten in der Höhe von € 300,– zu bedienen. Diesen Kredit musste er in Folge seiner Scheidung aufnehmen, um die Wohnungseinrichtung zu finanzieren.
II. Rechtsvorschriften
1. Die maßgeblichen Bestimmungen des Verwaltungsgerichtsverfahrens-gesetzes (VwGVG), BGBl. I 33/2013 idF BGBl. I 57/2018, lauten:
„[…]
2. Hauptstück
Verfahren
[…]
4. Abschnitt
Erkenntnisse und Beschlüsse
[…]
Entscheidungspflicht
§ 34. (1) Soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist, ist das Verwaltungsgericht verpflichtet, über verfahrenseinleitende Anträge von Parteien und Beschwerden ohne unnötigen Aufschub, spätestens aber sechs Monate nach deren Einlangen zu entscheiden. Im Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG beginnt die Entscheidungsfrist mit der Vorlage der Beschwerde […].
(2) In die Frist werden nicht eingerechnet:
[…]
2. die Zeit eines Verfahrens […] vor dem Gerichtshof der Europäischen Union.
[…]
3. Hauptstück
Besondere Bestimmungen
[…]
2. Abschnitt
Verfahren in Verwaltungsstrafsachen
[…]
Anzuwendendes Recht
§ 38. Soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, sind auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG in Verwaltungsstrafsachen die Bestimmungen des Verwaltungsstrafgesetzes 1991 – VStG, BGBl. Nr. 52/1991, mit Ausnahme des 5. Abschnittes des II. Teiles, und des Finanzstrafgesetzes – FinStrG, BGBl. Nr. 129/1958, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.
[…]
Verjährung
§ 43. (1) Sind seit dem Einlangen einer rechtzeitig eingebrachten und zulässigen Beschwerde des Beschuldigten gegen ein Straferkenntnis bei der Behörde 15 Monate vergangen, tritt es von Gesetzes wegen außer Kraft; das Verfahren ist einzustellen.
(2) In die Frist gemäß Abs. 1 werden die Zeiten gemäß § 34 Abs. 2 […] nicht eingerechnet.
Verhandlung
§ 44. (1) Das Verwaltungsgericht hat eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen.
[…]
Schluss der Verhandlung
§ 47. (1) Das Verfahren ist möglichst in einer Verhandlung abzuschließen. […]
(2) Wenn die Rechtssache reif zur Entscheidung ist, dann ist die Beweisaufnahme zu schließen.
(3) Nach Schluss der Beweisaufnahme ist den Parteien Gelegenheit zu ihren Schlussausführungen zu geben. Dem Beschuldigten steht das Recht zu, sich als letzter zu äußern.
(4) Hierauf ist die Verhandlung zu schließen. […] Der Spruch des Erkenntnisses und seine wesentliche Begründung sind nach Möglichkeit sofort zu beschließen und zu verkünden.
[…]
Erkenntnisse
§ 50. (1) Sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG in der Sache selbst zu entscheiden.
[…]
Kosten
§ 52. (1) In jedem Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes, mit dem ein Straferkenntnis bestätigt wird, ist auszusprechen, dass der Bestrafte einen Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens zu leisten hat.
(2) Dieser Beitrag ist für das Beschwerdeverfahren mit 20% der verhängten Strafe, mindestens jedoch mit zehn Euro zu bemessen; bei Freiheitsstrafen ist zur Berechnung der Kosten ein Tag Freiheitsstrafe gleich 100 Euro anzurechnen. Der Kostenbeitrag fließt der Gebietskörperschaft zu, die den Aufwand des Verwaltungsgerichtes zu tragen hat.
[…]“
2. Die maßgeblichen Bestimmungen des Verwaltungsstrafgesetzes 1991 (VStG),
BGBl. 52 idF BGBl. I 58/2018, lauten auszugsweise:
„[…]
Schuld
§ 5. (1) Wenn eine Verwaltungsvorschrift über das Verschulden nicht anderes bestimmt, genügt zur Strafbarkeit fahrlässiges Verhalten. Fahrlässigkeit ist bei Zuwiderhandeln gegen ein Verbot oder bei Nichtbefolgung eines Gebotes dann ohne weiteres anzunehmen, wenn zum Tatbestand einer Verwaltungsübertretung der Eintritt eines Schadens oder einer Gefahr nicht gehört und der Täter nicht glaubhaft macht, daß ihn an der Verletzung der Verwaltungsvorschrift kein Verschulden trifft.
[…]
Strafbemessung
§ 19. (1) Grundlage für die Bemessung der Strafe sind die Bedeutung des strafrechtlich geschützten Rechtsgutes und die Intensität seiner Beeinträchtigung durch die Tat.
(2) Im ordentlichen Verfahren (§§ 40 bis 46) sind überdies die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen. Auf das Ausmaß des Verschuldens ist besonders Bedacht zu nehmen. Unter Berücksichtigung der Eigenart des Verwaltungsstrafrechtes sind die §§ 32 bis 35 des Strafgesetzbuches sinngemäß anzuwenden. Die Einkommens- und Vermögensverhältnisse und allfällige Sorgepflichten des Beschuldigten sind bei der Bemessung von Geldstrafen zu berücksichtigen.
[…]
§ 44a. Der Spruch hat, wenn er nicht auf Einstellung lautet, zu enthalten:
1. die als erwiesen angenommene Tat;
2. die Verwaltungsvorschrift, die durch die Tat verletzt worden ist;
3. die verhängte Strafe und die angewendete Gesetzesbestimmung;
4. den etwaigen Ausspruch über privatrechtliche Ansprüche;
5. im Fall eines Straferkenntnisses die Entscheidung über die Kosten.
§ 45. (1) Die Behörde hat von der Einleitung oder Fortführung eines Strafverfahrens abzusehen und die Einstellung zu verfügen, wenn
[…]
4. die Bedeutung des strafrechtlich geschützten Rechtsgutes und die Intensität seiner Beeinträchtigung durch die Tat und das Verschulden des Beschuldigten gering sind;
[…]
Anstatt die Einstellung zu verfügen, kann die Behörde dem Beschuldigten im Fall der Z 4 unter Hinweis auf die Rechtswidrigkeit seines Verhaltens mit Bescheid eine Ermahnung erteilen, wenn dies geboten erscheint, um ihn von der Begehung strafbarer Handlungen gleicher Art abzuhalten.
[…]
Kosten des Strafverfahrens
§ 64. (1) In jedem Straferkenntnis ist auszusprechen, daß der Bestrafte einen Beitrag
zu den Kosten des Strafverfahrens zu leisten hat.
(2) Dieser Beitrag ist für das Verfahren erster Instanz mit 10% der verhängten Strafe, mindestens jedoch mit 10 Euro zu bemessen; bei Freiheitsstrafen ist zur Berechnung der Kosten ein Tag Freiheitsstrafe gleich 100 Euro anzurechnen. Der Kostenbeitrag fließt der Gebietskörperschaft zu, die den Aufwand der Behörde zu tragen hat.
[…]“
3. § 34 des Strafgesetzbuches (StGB), BGBl. 60/1974 idF BGBl. I 19/2001, lautet auszugsweise:
„Besondere Milderungsgründe
§ 34. (1) Ein Milderungsgrund ist es insbesondere, wenn der Täter
[…]
2. bisher einen ordentlichen Lebenswandel geführt hat und die Tat mit seinem sonstigen Verhalten in auffallendem Widerspruch steht;
[…]
18.die Tat schon vor längerer Zeit begangen und sich seither wohlverhalten hat;
[…]
(2) Ein Milderungsgrund ist es auch, wenn das gegen den Täter geführte Verfahren aus einem nicht von ihm oder seinem Verteidiger zu vertretenden Grund unverhältnismäßig lange gedauert hat.“
4. Die maßgeblichen Bestimmungen des Kraftfahrgesetztes 1967 (KFG 1967), BGBl. 267/1967 idF BGBl. I 9/2017, lauten:
[…]
§ 102. Pflichten des Kraftfahrzeuglenkers
[…]
(1a) Lenker von Lastkraftwagen und Sattelzugfahrzeugen mit einem Eigengewicht von mehr als 3 500 kg oder von Omnibussen haben dafür zu sorgen, dass der Wegstreckenmesser und der Fahrtschreiber auf Fahrten in Betrieb sind und dass im Fahrtschreiber ein geeignetes, ordnungsgemäß ausgefülltes Schaublatt eingelegt ist. Es darf pro Person und pro Einsatzzeit im Sinne des § 16 Arbeitszeitgesetz, BGBl. Nr. 461/1969, nur ein Schaublatt im Fahrtschreiber eingelegt sein, in das der Name des Lenkers einzutragen ist. Die Schaublätter, handschriftlichen Aufzeichnungen und die in der Verordnung (EU) Nr. 165/2014 vorgesehenen Ausdrucke aus einem digitalen Kontrollgerät des laufenden Tages und der vorausgehenden 28 Tage sowie die Fahrerkarte sind mitzuführen. Fehlen auf der Fahrerkarte einzelne Arbeitstage oder werden für einzelne Arbeitstage keine Schaublätter mitgeführt, so sind für diese Tage entsprechende Bestätigungen des Arbeitgebers, die den Mindestanforderungen des von der Kommission gemäß Artikel 11 Abs. 3 der Richtlinie 2006/22/EG erstellten Formblattes entsprechen müssen, mitzuführen. Die Lenker haben auf Verlangen der Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes oder der Straßenaufsicht diesen das Schaublatt des Fahrtschreibers oder des Kontrollgerätes gemäß der Verordnung (EU) Nr. 165/2014 sowie die mitgeführten Schaublätter, handschriftlichen Aufzeichnungen, die in der Verordnung (EU) Nr. 165/2014 vorgesehenen Ausdrucke aus dem digitalen Kontrollgerät für Zeiträume, in denen ein Fahrzeug mit digitalem Kontrollgerät gelenkt worden ist, und die Fahrerkarte sowie allfällige Bestätigungen über lenkfreie Tage auszuhändigen. Hierüber ist dem Lenker eine Bestätigung auszustellen. Ist das Fahrzeug mit einem digitalen Kontrollgerät ausgerüstet, so gelten die Bestimmungen des § 102a.
[…]
Fahrerkarte
§ 102a. […]
(4) Lenker von Kraftfahrzeugen, die mit einem digitalen Kontrollgerät im Sinne der Verordnung (EU) Nr. 165/2014 ausgerüstet sind, haben sich bei der Bedienung des Kontrollgerätes an die Bedienungsanleitung des Kontrollgerätes zu halten. Sie haben dafür zu sorgen, dass das Kontrollgerät auf Fahrten in Betrieb ist und dass ihre Fahrerkarte im Kontrollgerät verwendet wird. Die Lenker haben auf Verlangen der Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes oder der Straßenaufsicht die in der Verordnung (EU) Nr. 165/2014 vorgesehenen Ausdrucke, die Fahrerkarte und die mitgeführten Schaublätter des laufenden Tages und der vorausgehenden 28 Tage, falls sie in dieser Zeit ein Fahrzeug gelenkt haben, das mit einem analogen Kontrollgerät ausgerüstet ist, auszuhändigen. Hierüber ist dem Lenker eine Bestätigung auszustellen. Fehlen auf der Fahrerkarte einzelne Arbeitstage und werden dafür auch keine Schaublätter mitgeführt, so sind für diese Tage entsprechende Bestätigungen des Arbeitgebers, die den Mindestanforderungen des von der Kommission gemäß Artikel 11 Abs. 3 der Richtlinie 2006/22/EG erstellten Formblattes entsprechen müssen, mitzuführen und bei Kontrollen auszuhändigen.
[…]
§ 134. Strafbestimmungen
(1) Wer diesem Bundesgesetz, den auf Grund dieses Bundesgesetzes erlassenen
Verordnungen, Bescheiden oder sonstigen Anordnungen, den Artikeln 5 bis 9 und 10 Abs. 4 und 5 der Verordnung (EG) Nr. 561/2006, der Verordnung (EU) Nr. 165/2014 oder den Artikeln 5 bis 8 und 10 des Europäischen Übereinkommens über die Arbeit des im internationalen Straßenverkehr beschäftigten Fahrpersonals (AETR), BGBl. Nr. 518/1975 in der Fassung BGBl. Nr. 203/1993, zuwiderhandelt, begeht eine Verwaltungsübertretung und ist mit einer Geldstrafe bis zu 5 000 Euro, im Falle ihrer Uneinbringlichkeit mit Freiheitsstrafe bis zu sechs Wochen zu bestrafen. […].
[…]“
5. Die maßgeblichen Bestimmungen der Verordnung (EU) Nr. 165/2014 über Fahrtenschreiber im Straßenverkehr, zur Aufhebung der Verordnung (EWG) Nr. 3821/85 über das Kontrollgerät im Straßenverkehr und zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 561/2006 zur Harmonisierung bestimmter Sozialvorschriften im Straßenverkehr, ABl. L 60/2014, lauten (ohne Fußnoten):
[…]
KAPITEL I GRUNDSÄTZE, GELTUNGSBEREICH UND ANFORDERUNGEN
Artikel 1
Gegenstand und Grundsätze
(1) Diese Verordnung enthält die Pflichten und Vorschriften betreffend die Bauart, den Einbau, die Benutzung, die Prüfung und die Kontrolle von Fahrtenschreibern im Straßenverkehr, um die Einhaltung der Verordnung (EG) Nr. 561/2006, der Richtlinie 2002/15/EG des Europäischen Parlaments und des Rates und der Richtlinie 92/6/EWG des Rates zu überprüfen.
Fahrtenschreiber müssen hinsichtlich Bauart, Einbau, Benutzung und Prüfung den Vorschriften dieser Verordnung entsprechen.
(2) Diese Verordnung enthält die Bedingungen und Vorschriften, nach denen die Informationen und nicht personenbezogenen Daten, die von den Fahrtenschreibern aufgezeichnet, verarbeitet oder gespeichert wurden, für andere Zwecke verwendet werden können als die Überprüfung der Einhaltung der in Absatz 1 genannten Rechtsakte.
Artikel 2
Begriffsbestimmungen
(1) Im Sinne dieser Verordnung gelten die Begriffsbestimmungen des Artikels 4 der Verordnung (EG) Nr. 561/2006.
(2) Zusätzlich zu den in Absatz 1 genannten Begriffsbestimmungen gelten im Sinne dieser Verordnung folgende Begriffsbestimmungen:
a) „Fahrtenschreiber“ oder „Kontrollgerät“ ist das für den Einbau in Kraftfahrzeuge bestimmte Gerät zum vollautomatischen oder halbautomatischen Anzeigen, Aufzeichnen, Ausdrucken, Speichern und Ausgeben von Angaben über die Fahrten des Fahrzeugs, einschließlich seiner Fahrgeschwindigkeit, gemäß Artikel 4 Absatz 3 sowie von Angaben über bestimmte Tätigkeitszeiten der Fahrer;
[…]
d) „Fahrtenschreiberkarte“ ist eine zur Verwendung mit dem Fahrtenschreiber bestimmte Chipkarte, die die Feststellung der Rolle des Karteninhabers durch den Fahrtenschreiber und die Übertragung und Speicherung von Daten ermöglicht;
e) „Schaublatt“ ist ein für die dauerhafte Aufzeichnung von Daten bestimmtes Blatt, das in den analogen Fahrtenschreiber eingelegt wird und auf dem die Schreibeinrichtung des analogen Fahrtenschreibers die zu registrierenden Angaben fortlaufend aufzeichnet;
f) „Fahrerkarte“ ist eine Fahrtenschreiberkarte, die einem bestimmten Fahrer von den Behörden eines Mitgliedstaats ausgestellt wird, den Fahrer ausweist und die Speicherung von Tätigkeitsdaten des Fahrers ermöglicht;
g) „analoger Fahrtenschreiber“ ist ein Fahrtenschreiber, bei dem ein Schaublatt in Einklang mit dieser Verordnung verwendet wird;
h) „digitaler Fahrtenschreiber“ ist ein Fahrtenschreiber, bei dem eine Fahrtenschreiberkarte in Einklang mit dieser Verordnung verwendet wird;
[…]
KAPITEL VI
BENUTZUNGSVORSCHRIFTEN
Artikel 32
Ordnungsgemäße Benutzung der Fahrtenschreiber
(1) Das Verkehrsunternehmen und die Fahrer sorgen für das einwandfreie Funktionieren und die ordnungsgemäße Benutzung des digitalen Fahrtenschreibers sowie der Fahrerkarte. […]
[…]
Artikel 34
Benutzung von Fahrerkarten und Schaublättern
(1) Die Fahrer benutzen für jeden Tag, an dem sie lenken, ab dem Zeitpunkt, an dem sie das Fahrzeug übernehmen, Schaublätter oder Fahrerkarten. Das Schaublatt oder die Fahrerkarte wird nicht vor dem Ende der täglichen Arbeitszeit entnommen, es sei denn, eine Entnahme ist anderweitig zulässig. Schaublätter oder Fahrerkarten dürfen nicht über den Zeitraum, für den sie bestimmt sind, hinaus verwendet werden.
[…]
(3) Wenn der Fahrer sich nicht im Fahrzeug aufhält und daher nicht in der Lage ist, den in das Fahrzeug eingebauten Fahrtenschreiber zu betätigen, werden die in Absatz 5 Buchstabe b Ziffern ii, iii und iv genannten Zeiträume,
[…]
b) wenn das Fahrzeug mit einem digitalen Fahrtenschreiber ausgerüstet ist, mittels der manuellen Eingabevorrichtung des Fahrtenschreibers auf der Fahrerkarte eingetragen.
Die Mitgliedstaaten dürfen von den Fahrern nicht die Vorlage von Formularen verlangen, mit denen die Tätigkeit der Fahrer, während sie sich nicht im Fahrzeug aufhalten, bescheinigt wird.
[…]
(5) Die Fahrer
[…]
b) betätigen die Schaltvorrichtung des Kontrollgeräts so, dass folgende Zeiten getrennt und unterscheidbar aufgezeichnet werden:
i) unter dem Zeichen ***: die Lenkzeiten,
ii) unter dem Zeichen ***: „andere Arbeiten“, das sind alle anderen Tätigkeiten als die Lenktätigkeit im Sinne von Artikel 3 Buchstabe a der Richtlinie 2002/15/EG sowie jegliche Arbeit für denselben oder einen anderen Arbeitgeber, sei es innerhalb oder außerhalb des Verkehrssektors,
iii) unter dem Zeichen ***: „Bereitschaftszeit“ im Sinne von Artikel 3 Buchstabe b der Richtlinie 2002/15/EG,
iv) unter dem Zeichen ***: Arbeitsunterbrechungen oder Ruhezeiten.
[…]
6. Art. 4 der Verordnung (EG) Nr. 561/2006 zur Harmonisierung bestimmter Sozialvorschriften im Straßenverkehr und zur Änderung der Verordnungen (EWG) Nr. 3821/85 und (EG) Nr. 2135/98 sowie zur Aufhebung der Verordnung (EWG) Nr. 3820/85, ABl. L 102/2006, lautet auszugsweise:
„Artikel 4
Im Sinne dieser Verordnung bezeichnet der Ausdruck
a) „Beförderung im Straßenverkehr“ jede ganz oder teilweise auf einer öffentlichen Straße durchgeführte Fahrt eines zur Personen- oder Güterbeförderung verwendeten leeren oder beladenen Fahrzeugs;
b) „Fahrzeug“ ein Kraftfahrzeug, eine Zugmaschine, einen Anhänger oder Sattelanhänger oder eine Kombination dieser Fahrzeuge gemäß den nachstehenden Definitionen:
– „Kraftfahrzeug“: jedes auf der Straße verkehrende Fahrzeug mit Eigenantrieb, das normalerweise zur Personen- oder Güterbeförderung verwendet wird, mit Ausnahme von dauerhaft auf Schienen verkehrenden Fahrzeugen;
[…]
c) „Fahrer“ jede Person, die das Fahrzeug, sei es auch nur kurze Zeit, selbst lenkt oder sich in einem Fahrzeug befindet, um es — als Bestandteil seiner Pflichten — gegebenenfalls lenken zu können;
d) „Fahrtunterbrechung“ jeden Zeitraum, in dem der Fahrer keine Fahrtätigkeit ausüben und keine anderen Arbeiten ausführen darf und der ausschließlich zur Erholung genutzt wird;
e) „andere Arbeiten“ alle in Artikel 3 Buchstabe a der Richtlinie 2002/15/EG als „Arbeitszeit“ definierten Tätigkeiten mit Ausnahme der Fahrtätigkeit sowie jegliche Arbeit für denselben oder einen anderen Arbeitgeber, sei es inner- oder außerhalb des Verkehrssektors;
f) „Ruhepause“ jeden ununterbrochenen Zeitraum, in dem ein Fahrer frei über seine Zeit verfügen kann;
g) „tägliche Ruhezeit“ den täglichen Zeitraum, in dem ein Fahrer frei über seine Zeit verfügen kann und der eine „regelmäßige tägliche Ruhezeit“ und eine „reduzierte tägliche Ruhezeit“ umfasst;
– „regelmäßige tägliche Ruhezeit“ eine Ruhepause von mindestens 11 Stunden. Diese regelmäßige tägliche Ruhezeit kann auch in zwei Teilen genommen werden, wobei der erste Teil einen ununterbrochenen Zeitraum von mindestens 3 Stunden und der zweite Teil einen ununterbrochenen Zeitraum von mindestens 9 Stunden umfassen muss;
– „reduzierte tägliche Ruhezeit“ eine Ruhepause von mindestens 9 Stunden, aber weniger als 11 Stunden;
h) „wöchentliche Ruhezeit“ den wöchentlichen Zeitraum, in dem ein Fahrer frei über seine Zeit verfügen kann und der eine „regelmäßige wöchentliche Ruhezeit“ und eine „reduzierte wöchentliche Ruhezeit“ umfasst;
– „regelmäßige wöchentliche Ruhezeit“ eine Ruhepause von mindestens 45 Stunden;
– „reduzierte wöchentliche Ruhezeit“ eine Ruhepause von weniger als 45 Stunden, die vorbehaltlich der Bedingungen des Artikels 8 Absatz 6 auf eine Mindestzeit von 24 aufeinander folgenden Stunden reduziert werden kann
[…]“
III. Rechtliche Beurteilung
1. Gemäß § 43 Abs. 2 iVm § 34 Abs. 2 Z 2 VwGVG ist die Zeit des Verfahrens vor dem EuGH in die Verjährungsfrist nach § 43 Abs. 1 VwGVG (15 Monate) nicht einzurechnen. Diese Frist hat mit der Vorlage der Beschwerde am 27. November 2018 zu laufen begonnen. Sie ist im Hinblick darauf, dass das Verfahren vor dem EuGH von 4. Februar 2019 bis 7. Mai 2020 gedauert hat, noch offen.
2. Der Beschwerdeführer hat auf die mündliche Verkündung der Entscheidung am Schluss der mündlichen Verhandlung verzichtet. Daher kann die Entscheidung ohne Verkündung schriftlich ausgefertigt werden.
3. Der Beschwerdeführer bestreitet in der Beschwerde die Begehung der ihm mit Spruchpunkt 6. des angefochtenen Straferkenntnisses angelasteten Tat nur teilweise. Er vertritt die Auffassung, dass ihm das Fehlen der Bestätigung mit den Mindestinhalten des auf Grundlage des Art. 11 Abs. 3 der Richtlinie 2006/22/EG, ABl. L 102/2006 von der Kommission erstellten Formblattes für den zwischen 5. und 6. März 2018 liegenden Zeitraum nicht angelastet werden könne, weil diese beiden Tage „auf der Fahrerkarte aufscheinen“. Im Übrigen wird die Begehung der Tat zugestanden.
4. Dazu ist zunächst festzuhalten, dass § 102 Abs. 1a KFG 1967, dessen Übertretung dem Beschwerdeführer in Spruchpunkt 6. des angefochtenen Straferkenntnisses angelastet wird, auf den Beschwerdeführer nicht anzuwenden war, weil dieser im angelasteten Tatzeitpunkt ein mit einem digitalen Kontrollgerät ausgestatteten Fahrzeug gelenkt hat. Für solche Fahrzeuge verweist der letzte Satz des § 102 Abs. 1a KFG 1967 auf § 102a leg.cit.
5. Wenn auf der Fahrerkarte einzelne Arbeitstage fehlen und dafür auch keine Schaublätter mitgeführt werden, so sind für diese Tage nach dem letzten Satz des § 102a Abs. 4 KFG 1967 vom Lenker eines mit einem digitalen Kontrollgerät im Sinne der Verordnung (EU) Nr. 165/2014 ausgerüsteten Kraftfahrzeuges entsprechende Bestätigungen des Arbeitgebers, die den Mindestanforderungen des von der Kommission gemäß Art. 11 Abs. 3 der Richtlinie 2006/22/EG erstellten Formblattes entsprechen müssen, mitzuführen und bei Kontrollen auszuhändigen.
5.1. Auf Grund des Urteils des EuGH vom 7. Mai 2020 steht fest, dass gegen § 102a Abs. 4 KFG 1967 weder im Hinblick auf die Verordnung (EU) Nr. 165/2014 (insbesondere deren Art. 34 Abs. 3) noch auf den – von der Kommission auf Grundlage ua. des Art. 11 Abs. 3 der Richtlinie 2006/22/EG erlassenen – Beschluss 2009/959/EU unionsrechtliche Bedenken bestehen.
5.2. Der Beschwerdeführer hat § 102a Abs. 4 KFG 1967 jedenfalls hinsichtlich des Zeitraumes von 1. bis 4. März 2018 (ganztägig) verletzt, weil auf seiner Fahrerkarte diese Tage gänzlich ohne Eintragung sind.
5.3. Fraglich ist, ob darüber hinaus auch das Nichtaushändigen von Bestätigungen für die Zeiträume 28. Februar 2018, 16:39 bis 24:00 Uhr, 5. März 2018, 0:00 bis 7:20 Uhr und 5. März 2018, 11:49 Uhr, bis 6. März 2018, 05:35 Uhr, das Tatbild des § 102a Abs. 4 letzter Satz KFG 1967 erfüllt, weil für den 28. Februar sowie für den 5. und 6. März 2018 jeweils für die außerhalb der angeführten Zeiträume liegenden Zeiten Eintragungen auf der Fahrerkarte vorhanden sind.
5.4. Art. 34 Abs. 1 erster Satz der Verordnung (EU) Nr. 165/2014 bestimmt, dass die Fahrerkarte vom Fahrer für jeden Tag, an dem er lenkt, ab dem Zeitpunkt, an dem er das Fahrzeug übernimmt, zu verwenden ist. Darüber hinaus hat er gemäß Art. 34 Abs. 3 lit. b leg.cit., wenn er sich nicht im Fahrzeug aufhält und daher nicht in der Lage ist, den in das Fahrzeug eingebauten Fahrtenschreiber zu betätigen, die in Abs. 5 angeführten Zeiten mittels der manuellen Eingabevorrichtung des Fahrtenschreibers auf der Fahrerkarte einzutragen. Unter die in Abs. 5 angeführten Zeiten fallen auch Ruhezeiten (lit. b, sublit. iv), also insbesondere lenkfreie Tage. Darin zeigt sich, dass Art. 34 der Verordnung (EU) Nr. 165/2014 auf eine lückenlose Dokumentation der gesamten von einem Fahrer verbrachten Zeit abzielt. In diesem Sinn hat auch der EuGH im Urteil vom 7. Mai 2020 (Rz 33 ff) den Begriff „Tätigkeiten“ in Art. 34 Abs. 3 letzter Unterabsatz weit ausgelegt.
5.5. Weiters erfüllt nach Ansicht des EuGH im Urteil vom 7. Mai 2020 die von § 102a Abs. 4 letzter Satz KFG 1967 geforderte Bestätigung die Funktion eines – nicht unter das Verbot in Art. 34 Abs. 3 letzter Unterabsatz der Verordnung (EU) Nr. 165/2014 fallenden – subsidiären Nachweismittels für Aufzeichnungen, die normalerweise in dem digitalen Fahrtenschreiber (und in weiterer Folge auf der Fahrerkarte), mit dem dieses Fahrzeug ausgerüstet ist, aufscheinen müssten (vgl. insbesondere Rz 26 und 36 f).
5.6. Schließlich hat der EuGH in diesem Urteil (Rz 27 f) festgehalten,
„[...] dass mit der Verordnung Nr. 561/2006, wie sich insbesondere aus ihrem Art. 1 ergibt, die Wettbewerbsbedingungen im Straßenverkehrsgewerbe angeglichen sowie die Arbeitsbedingungen in diesem Gewerbe und die Straßenverkehrssicherheit verbessert werden sollen und dass diese Ziele u. a. in der Pflicht zum Ausdruck kommen, Fahrzeuge im Straßentransport grundsätzlich mit einem zugelassenen Fahrtenschreiber auszustatten, mit dem die Einhaltung der Lenk- und Ruhezeiten der Fahrer kontrolliert werden kann (Urteil vom 7. Februar 2019, NK, C-231/18, EU:C:2019:103, Rn. 18 und die dort angeführte Rechtsprechung).
Zu diesem Zweck enthält die Verordnung Nr. 165/2014 eine Reihe von Bestimmungen über die Verwendung von Fahrtenschreibern in Fahrzeugen, auf die die Verordnung Nr. 561/2006 Anwendung findet.“
5.7. All das führt zu dem Ergebnis, dass der Begriff „einzelne Arbeitstage“ in § 102a Abs. 4 letzter Satz KFG 1967 unionsrechtskonform weit auszulegen ist, und zwar im Sinne von Zeiträumen, die gemäß Art. 34 Abs. 3 iVm Abs. 5 lit. b sublit. ii – iv vom Fahrer auf der Fahrerkarte nachzutragen wären. Eine engere Auslegung würde die Funktion der Bestätigung als „subsidiäres Nachweismittel“ zur Fahrerkarte beeinträchtigen, könnte doch dann insbesondere die Einhaltung der in Art. 4 lit. f bis h der Verordnung (EG) Nr. 561/2006 genannten (und in weiterer Folge in der Verordnung näher geregelten) Ruhepausen und -zeiten nicht kontrolliert werden.
5.8. Somit fallen nach Ansicht des Landesverwaltungsgerichtes Niederösterreich auch die nicht einen ganzen Tag umfassenden, auf der Fahrerkarte des Beschwerdeführers fehlenden Zeiträume am 28. Februar sowie am 5. und 6. März 2018 unter den Begriff des „einzelnen Arbeitstages“. Damit erfüllen sämtliche dem Beschwerdeführer im Spruchpunkt 6. angelastete Zeiträume den objektiven Tatbestand der Verwaltungsübertretung nach § 134 Abs. 1 iVm § 102a Abs. 4 letzter Satz KFG 1967.
6. In der Beschwerde und in der Verhandlung wurde nichts vorgebracht, was zu Zweifeln an der zumindest fahrlässigen Nichtbefolgung des Gebotes des § 102a Abs. 4 letzter Satz KFG 1967, führen würde. Da dieses Gebot den Eintritt eines Schadens oder einer Gefahr nicht voraussetzt (also ein sogenanntes Ungehorsamsdelikt darstellt), ist daher nach § 5 Abs. 1 zweiter Satz VStG davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer die Tat fahrlässig begangen hat. Er ist somit strafbar und nach § 134 Abs. 1 KFG 1967 zu bestrafen.
7. Eine Einstellung nach § 45 Abs. 1 Z 4 VStG oder der Ausspruch einer Ermahnung nach dem letzten Satz des § 45 Abs. 1 VStG kommen schon deshalb nicht in Betracht, weil nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes dessen Voraussetzungen kumulativ vorliegen müssen (zB VwGH 10.11.2015, Ra 2015/02/0167, mwN).
Die Bedeutung des durch § 102a Abs. 4 letzter Satz KFG 1967 geschützten Rechtsgutes kann nicht als gering angesehen werden (vgl. etwa VwGH 18.12.2019, Ra 2019/02/0180, mwN). Dies zeigt sich einerseits in der Strafdrohung des § 134 Abs. 1 KFG 1967, die einen Strafrahmen bis zu € 5.000,– vorsieht (vgl. wiederum das vorzitierte Erkenntnis des VwGH vom 10.11.2015, wo schon ein Strafrahmen bis zu € 726,– als Indiz gegen eine geringe Bedeutung des strafrechtlich geschützten Rechtsguts gewertet wurde) und andererseits in der großen Bedeutung der Einhaltung ausreichender Ruhezeiten durch Fahrer iSv Art. 4 der Verordnung (EG) Nr. 561/2006, die diese Verordnung insgesamt zum Ausdruck bringt, und die auf Grund ihrer Relevanz für die Verkehrssicherheit außerdem als evident angesehen werden kann. Wie oben (insbesondere unter 5.5.) dargelegt wurde, regelt § 102a Abs. 4 letzter Satz KFG 1967 ein der Sicherung der Einhaltung der Ruhezeiten dienendes subsidiäres Nachweismittel zur Eintragung auf der Fahrerkarte durch das digitale Kontrollgerät. Ihm kommt daher eine vergleichbare Bedeutung zu, insbesondere dann wenn – wie im vorliegenden Fall – nicht auf Grund anderer Beweismittel feststeht, dass sämtliche Ruhezeiten eingehalten wurden.
Damit fehlt es schon an der ersten Voraussetzung des § 45 Abs. 1 Z 4 VStG. Im Übrigen sind auch keine Anhaltspunkte für das in der Beschwerde nur pauschal behauptete geringe Verschulden des Beschwerdeführers zu erkennen.
8. Die belangte Behörde hat in Spruchpunkt 6. des angefochtenen Straferkenntnisses lediglich eine Geldstrafe in der Höhe von € 50,– bzw. eine Ersatzfreiheitstrafe in der Höhe von 10 Stunden verhängt. Damit hat sie den Strafrahmen des § 134 Abs. 1 KFG 1967 bloß zu 1 % ausgeschöpft (hinsichtlich der Ersatzfreiheitsstrafe noch geringfügig niedriger). Bei der Strafbemessung mildernd wertete sie die verwaltungsstrafrechtliche Unbescholtenheit des Beschwerdeführers (§ 19 Abs. 2 VStG iVm § 34 Z 2 StGB), als erschwerend keinen Umstand.
Auch wenn mittlerweile seit Begehung der Tat gut 2¼ Jahre verstrichen sind, reicht dies nach der ständigen Rechtsprechung nicht zur Verwirklichung des Milderungsgrundes nach § 34 Abs. 1 Z 18 StGB aus (vgl. VwGH 24.10.2019, Ra 2019/02/0190, mwN, wonach selbst ein Zeitraum von vier Jahren nicht ausreicht). Auch kann die Verfahrensdauer von knapp 2¼ Jahren (gerechnet ab der Strafverfügung vom 16.04.2018, durch die der Beschwerdeführer erstmals in offizieller Weise Kenntnis von dem gegen ihn erhobenen Tatvorwurf erlangte) nicht als unverhältnismäßig lange iSd § 34 Abs. 2 StGB qualifiziert werden. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist die Verhältnismäßigkeit der Verfahrensdauer an Hand der besonderen Umstände des Einzelfalles, insbesondere der Schwierigkeit des Falles, des Verhaltens der Partei und der staatlichen Behörden im betreffenden Verfahren und der Bedeutung der Sache für die Partei zu beurteilen (VwGH 24.09.2010, 2009/02/0329, mwN). In Anbetracht dessen, dass einerseits für die rechtliche Beurteilung des vorliegenden Falles die Einholung einer Vorabentscheidung des EuGH erforderlich war, also komplexe unionsrechtliche Rechtsfragen zu lösen waren, andererseits aber, wie vor allem die verhängte Geldstrafe von nur € 50,– zeigt, die Bedeutung der Sache für den Beschwerdeführer nicht sonderlich hoch zu bewerten ist, ist eine unverhältnismäßig lange Verfahrensdauer nicht zu erkennen, auch wenn der Beschwerdeführer kein Verhalten gesetzt hat, das eine Verlängerung der Verfahrensdauer bewirkt hätte.
Somit verbleibt auch im Beschwerdeverfahren lediglich der Milderungsgrund der verwaltungsstrafrechtlichen Unbescholtenheit. Dieser kann aber ebenso wie die festgestellten Einkommensverhältnisse des Beschwerdeführers jedenfalls nicht dazu führen, dass die im Verhältnis zum Strafrahmen äußerst niedrig bemessene Geldstrafe als überhöht angesehen werden könnte.
Der Beitrag zu den Kosten des Verwaltungsstrafverfahrens wurde von der belangten Behörde richtig gemäß § 64 Abs. 1 und 2 VStG mit dem Mindestbetrag von € 10,– vorgeschrieben.
9. Die Beschwerde ist daher als unbegründet abzuweisen. Freilich ist entsprech-end den Ausführungen unter Pkt. 4. die verletzte Verwaltungsvorschrift iSd § 44a Z 2 VStG im Spruch des angefochtenen Straferkenntnisses richtigzustellen. Darauf hat der Beschwerdeführer nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichts-hofes ein subjektives Recht (VwGH 23.01.2001, 99/02/0057, mwN).
10. Gemäß § 52 Abs. 1 und 2 VwGVG ist dem Beschwerdeführer ein Beitrag zu den Kosten des Beschwerdeverfahrens in der Höhe von € 10,– vorzuschreiben.
Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist § 52
Abs. 8 VwGVG, der einen Entfall des Kostenersatzes bei zumindest teilweiser Stattgabe der Beschwerde vorsieht, nur dann anzuwenden, wenn vom Verwaltungsgericht eine Änderung des Straferkenntnisses „zugunsten“ des Bestraften vorgenommen worden ist, also entweder die Strafe herabgesetzt (in eine mildere umgewandelt) oder ganz nachgesehen oder wenigstens der von der belangten Strafbehörde angenommene strafbare Tatbestand eingeschränkt worden ist (VwGH 28.11.2019, Ra 2019/02/0171, mwN).
In der bloßen Richtigstellung der verletzten Verwaltungsvorschrift ist eine solche teilweise Stattgabe nicht zu erblicken.
IV. Zur Zulässigkeit der Revision
Die Revision ist zulässig, da Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Auslegung des Begriffes „einzelne Arbeitstage“ in § 102a Abs. 4 letzter Satz KFG 1967 fehlt und sich diese auch nicht unmittelbar aus dem Gesetzeswortlaut ergibt. Somit wäre auch ein anderes Auslegungsergebnis vorstellbar als das vom Landesverwaltungsgericht Niederösterreich erzielte. Darin liegt eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG.
Das Landesverwaltungsgericht übersieht nicht, dass sich der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 1. Februar 2018, Ra 2017/02/0222, mit § 102a Abs. 4
(dort mit dem vierten Satz) KFG 1967 auseinandergesetzt hat. Dort hat er allerdings lediglich ausgeführt, dass es für die Begehung des (insoweit vergleichbaren) Delikts auf die in der Tatumschreibung angeführten Zeiträume nicht ankommt, weil die Tatzeit mit der Kontrollzeit gleichzusetzen ist.
Unter Zugrundelegung dieser Rechtsprechung würde die vom Beschwerdeführer begehrte Streichung von Zeiträumen, für die Bestätigungen nach § 102a Abs. 4 letzter Satz KFG 1967 mitgeführt und ausgehändigt werden müssen, aus der Tatbeschreibung (§ 44a Z 1 VStG) zwar nichts an der Strafbarkeit seines Verhaltens ändern, wohl aber läge darin eine quantitative Reduktion des Tatvorwurfs, die Auswirkungen auf die Intensität der Beeinträchtigung des geschützten Rechtsgutes iSd § 19 Abs. 1 VStG und damit auf die Strafbemessung haben könnte. In weiterer Folge würde eine solche Streichung auch zur Anwendung des § 52 Abs. 8 VwGVG im Beschwerdeverfahren führen (vgl. die oben unter III.10. zitierte Rechtsprechung).
Somit hat die Lösung dieser Rechtsfrage auch Auswirkungen auf das Verfahrensergebnis.
Schlagworte
Verkehrsrecht; Kraftfahrrecht; Verwaltungsstrafe; Fahrerkarte; Eintragung; Arbeitstage;Anmerkung
Urteil des EuGH vom 7.5.2020, Rechtssache C-96/19European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:LVWGNI:2020:LVwG.S.2546.005.2018Zuletzt aktualisiert am
17.03.2022