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90/01 Straßenverkehrsordnung 1960Norm
B-VG Art89 Abs1, Art139 Abs1 Z1Leitsatz
Aufhebung von Bestimmungen einer Verordnung betreffend ein Überholverbot auf der Loferer Bundesstraße mangels ordnungsgemäßer Kundmachung; keine Aufstellung von Verkehrszeichen auf der "Gemeindestraße Blaiken" vor der Einmündung in die Bundesstraße sowie auf der BundesstraßeRechtssatz
Gesetzwidrigkeit der Zeichenfolge "c) Km 14,2 - 72 m bis Km 17,6 - 68 m" sowie der Wort- und Zeichenfolge "Fahrtrichtung St. Johann i. T. a) Km 15,4 - 30 m bis Km 15,8 + 25 m b) Km 16,4 + 37 m bis Km 16,8 + 18 m" in §3 Z4 der Verordnung der Bezirkshauptmannschaft Kufstein (BH) vom 14.11.2007, Z4c-4/106-2007, idF der Verordnung der Bezirkshauptmannschaft Kufstein vom 01.03.2018, ZKU-4a-4/145/1-2012 (Antrag des Landesverwaltungsgerichts Tirol - LVwG).
Zulässigkeit des Hauptantrags: Das angefochtene Überholverbot wurde ausweislich des vom LVwG vorgelegten Bildmaterials durch Aufstellung entsprechender Straßenverkehrszeichen kundgemacht, sodass es mit verbindlicher Wirkung für jedermann zustande gekommen ist. Im Verfahren hat sich nichts ergeben, was am Vorliegen der Voraussetzungen der Präjudizialität zweifeln ließe. Die angefochtene Zeichenfolge "c) Km 14,2 - 72 m bis Km 17,6 - 68 m" ist präjudiziell, weil dem Beschwerdeführer eine Übertretung des Überholverbotes auf diesem Streckenabschnitt zur Last gelegt wird. Diese Zeichenfolge bildet mit der Wort- und Zeichenfolge "Fahrtrichtung St. Johann i. T. a) Km 15,4 - 30 bis Km 15,8 + 25 m b) Km 16,4 + 37 m bis Km 16,8 + 18 m", mit welcher eine Ausnahme von dem Überholverbot für Zugmaschinen festgelegt wird, ein Regel-Ausnahme-Verhältnis, bei dem Regel und Ausnahme als eine Einheit anzusehen sind. Diese Bestimmungen stehen daher jedenfalls in einem so konkreten Regelungszusammenhang, dass es nicht von vornherein auszuschließen ist, dass im Fall des Zutreffens der Bedenken ihre Aufhebung erforderlich sein könnte.
Dass Straßenverkehrszeichen dort angebracht sind, wo der räumliche Geltungsbereich der Verordnung beginnt und endet, gilt auch für Einmündungen in einen Streckenabschnitt, auf dem eine Verkehrsbeschränkung gilt. Daher sieht der Gesetzgeber mit §51 Abs5 StVO 1960 die Möglichkeit vor, die Beschränkungen schon auf der einmündenden Straße durch die betreffenden Vorschriftszeichen mit einer Zusatztafel mit Pfeilen anzuzeigen. Demnach hat eine ordnungsgemäße Kundmachung der Verordnung iSd §44 Abs1 StVO 1960 am Beginn und am Ende des betroffenen Streckenabschnittes sowie bei jeder Einmündung in den betroffenen Streckenabschnitt zu erfolgen. Eine Kundmachung, die nicht an allen Örtlichkeiten dem Gesetz entspricht, ist mangelhaft. Eine auf diese Weise kundgemachte Verordnung ist zwar existent, jedoch bis zur Behebung des Mangels mit Gesetzwidrigkeit behaftet.
Wie sich aus dem Akteninhalt, insbesondere aus dem vorgelegten Bildmaterial, ergibt, wurde das angefochtene Überholverbot weder auf der "Gemeindestraße Blaiken" vor der Einmündung in die B178 Loferer Straße (§51 Abs5 StVO 1960), noch auf der B178 Loferer Straße im verfahrensgegenständlichen Streckenabschnitt selbst (im Sinne einer Wiederholung gemäß §51 Abs1 StVO 1960) kundgemacht. Die verordnungserlassende Behörde hat diesen Umstand in ihrer Äußerung bestätigt. Die Verordnung der BH ist daher, soweit damit in Fahrtrichtung St. Johann in Tirol von "Km 14,2 - 72 m bis Km 17,6 - 68 m" ein Überholverbot im Sinne des §52 lita Z4a und 4b StVO 1960 angeordnet wird, nicht ordnungsgemäß kundgemacht.
Gemäß Art139 Abs3 Z3 B-VG hat der VfGH nicht nur die präjudiziellen Teile einer Verordnung, sondern die ganze Verordnung aufzuheben, wenn er zur Auffassung gelangt, dass die ganze Verordnung gesetzwidrig kundgemacht. Der festgestellte Kundmachungsmangel betrifft ausschließlich den im Verfahren vor dem antragstellenden LVwG präjudiziellen Streckenabschnitt der Verordnung. Die mit der Wort- und Zeichenfolge "Fahrtrichtung St. Johann i. T. a) Km 15,4 - 30 m bis Km 15,8 + 25 m b) Km 16,4 + 37 m bis Km 16,8 + 18 m" normierte Ausnahme bildet mit dem angeordneten Überholverbot eine untrennbare Einheit und ist daher ebenfalls aufzuheben. Im Übrigen enthält die Verordnung der BH weitere Regelungen, die auf andere Weise, wie etwa durch anders gestaltete Verkehrszeichen an anderen, näher bezeichneten Orten kundzumachen sind. Eine Aufhebung der ganzen Verordnung gemäß Art139 Abs3 Z3 B-VG kommt daher im vorliegenden Verfahren nicht in Betracht.
Entscheidungstexte
Schlagworte
Straßenpolizei, Verordnung Kundmachung, Straßenverkehrszeichen, Überholen, Verkehrsbeschränkungen, VfGH / Gerichtsantrag, VfGH / VerwerfungsumfangEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:2022:V308.2021Zuletzt aktualisiert am
17.03.2022