TE Vwgh Beschluss 2022/2/24 Ra 2020/10/0129

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Veröffentlicht am 24.02.2022
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Index

L92104 Behindertenhilfe Rehabilitation Oberösterreich
001 Verwaltungsrecht allgemein
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)
10/07 Verwaltungsgerichtshof

Norm

B-VG Art133 Abs4
ChancengleichheitG OÖ BeitragsV 2018 §2 Abs2 Z4
ChancengleichheitG OÖ 2008 §20 Abs2 Z1
ChancengleichheitG OÖ 2008 §42
VwGG §34 Abs1
VwRallg

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Rigler sowie die Hofräte Dr. Lukasser und Dr. Hofbauer als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Derfler, über die Revision der S Z in A, vertreten durch Mag. Josef Koller, Rechtsanwalt in 4320 Perg, Herrenstraße 9, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Oberösterreich vom 11. Dezember 2019, Zl. LVwG-350645/7/GS/CJ, betreffend Kostenersatz nach dem Oberösterreichischen Chancengleichheitsgesetz (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bezirkshauptmannschaft Eferding), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die Revisionswerberin hat dem Land Oberösterreich Aufwendungen in der Höhe von € 553,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1        Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Eferding vom 22. November 2018 wurde die Revisionswerberin verpflichtet, für die ihr zuerkannten Hauptleistungen Wohnen in einem Wohnheim nach § 12 Oberösterreichisches Chancengleichheitsgesetz (Oö. ChG) und Fähigkeitsorientierte Aktivität nach § 11 Oö. ChG für den Zeitraum vom 1. Jänner 2015 bis zum 30. Oktober 2018 einen Kostenersatz gemäß § 40 Abs. 1 Oö. ChG in der Höhe von € 10.528 zu bezahlen.

2        Mit dem angefochtenen Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Oberösterreich vom 11. Dezember 2019 wurde der dagegen von der Revisionswerberin erhobenen Beschwerde dahin Folge gegeben, dass für die Hauptleistungen Wohnen und Fähigkeitsorientierte Aktivität für den Zeitraum vom 1. Jänner 2015 bis zum 31. August 2018 kein Kostenersatz und für den Zeitraum vom 1. September 2018 bis zum 30. November 2018 ein Kostenersatz in der Höhe von € 672 zu leisten sei. Weiters wurde ausgesprochen, dass die Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.

3        Gegen dieses Erkenntnis erhob die Revisionswerberin zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, der mit Beschluss vom 8. Juni 2020, E 431/2020-7 deren Behandlung ablehnte und sie gemäß Art. 144 Abs. 3 B-VG dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abtrat.

4        Die vorliegende, innerhalb der Frist des § 26 Abs. 4 VwGG erhobene außerordentliche Revision erweist sich als unzulässig:

5        Gemäß § 28 Abs. 1 Z 4 VwGG hat die Revision (u.a.) die Bezeichnung der Rechte, in denen der Revisionswerber verletzt zu sein behauptet (Revisionspunkte), zu enthalten.

6        Durch die vom Revisionswerber vorgenommene Bezeichnung der Revisionspunkte wird der Prozessgegenstand des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens festgelegt und der Rahmen abgesteckt, an den der Verwaltungsgerichtshof bei Prüfung des angefochtenen Erkenntnisses oder des angefochtenen Beschlusses gemäß § 41 VwGG gebunden ist. Danach hat der Verwaltungsgerichtshof nicht zu prüfen, ob irgendein subjektives Recht des Revisionswerbers verletzt wurde, sondern nur zu prüfen, ob jenes verletzt wurde, dessen Verletzung dieser behauptet. Der in § 28 Abs. 1 Z 4 VwGG geforderten Angabe der Revisionspunkte kommt für den Prozessgegenstand des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens insoweit entscheidende Bedeutung zu, als der Revisionswerber jenes subjektive Recht herauszuheben hat, dessen behauptete Verletzung die Legitimation zur Revisionserhebung erst begründet. Wird der Revisionspunkt unmissverständlich ausgeführt, so ist er einer Auslegung aus dem Gesamtzusammenhang der Revision nicht zugänglich (vgl. aus der ständigen Rechtsprechung etwa VwGH 1.3.2021, Ra 2021/10/0016-0017; 24.8.2020, Ro 2020/10/0008-0009; 18.6.2020, Ra 2020/10/0067; 21.11.2019, Ra 2019/10/0167-0171; 4.10.2019, Ra 2019/10/0111).

7        Die Revisionswerberin bringt dazu vor, sie erachte sich durch das angefochtene Erkenntnis in ihrem Recht verletzt, nicht „entgegen der geltenden Rechtslage, insbesondere entgegen den Bestimmungen des Oö. ChG (darin insbesondere die §§ 20 und 42), der Oö. ChG-Beitragsverordnung (darin insbesondere der § 2 Abs. 2), des Oö. BMSG und der Oö. BMSV sowie des Oö. SOHAG für die ihr nach dem Oö. ChG gewährte Hauptleistung Wohnen in Form von Wohnen in einer vollbetreuten Wohneinrichtung einen Kostenbeitrag [...] für den Zeitraum 01.09.2018 bis 30.11.2018 zahlen zu müssen“.

8        Mit dem angefochtenen Erkenntnis wurde der Revisionswerberin allerdings kein Kostenbeitrag nach dem von der Revisionswerberin genannten § 20 Oö. ChG auferlegt, sondern diese gemäß § 40 Abs. 1 Z 2 Oö. ChG nachträglich zum Kostenersatz verpflichtet. Eine Verletzung in dem von der Revisionswerberin allein geltend gemachten Recht kommt daher nicht in Betracht.

9        Die Revision erweist sich zudem auch aus folgenden Gründen als unzulässig:

10       Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

11       Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen. Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

12       Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes muss sich die Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung, die nach Ansicht des Revisionswerbers die Zulässigkeit der Revision begründet, aus der gesonderten Darstellung der Zulässigkeitsgründe ergeben. Der Verwaltungsgerichtshof überprüft die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision iSd Art. 133 Abs. 4 B-VG sohin (nur) im Rahmen der dafür in der Revision gesondert vorgebrachten Gründe. Eine wesentliche Rechtsfrage gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG liegt nur dann vor, wenn die Beurteilung der Entscheidung des Verwaltungsgerichtes von der Lösung dieser Rechtsfrage „abhängt“. Dies ist dann der Fall, wenn das rechtliche Schicksal der Revision von der behaupteten Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung abhängt. In der Revision muss daher gemäß § 28 Abs. 3 VwGG konkret dargetan werden, warum das rechtliche Schicksal der Revision von der behaupteten Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung abhängt (vgl. VwGH 30.3.2020, Ra 2019/10/0180-0182, 0187; 25.3.2020, Ra 2020/10/0015; 27.2.2020, Ra 2019/10/0121).

13       Soweit in der Zulässigkeitsbegründung der vorliegenden Revision eine unvertretbare Fehlbeurteilung zum Vorliegen eines Härtefalles gemäß § 20 Abs. 1 Oö. ChG geltend gemacht wird, wird dem zuletzt genannten Erfordernis nicht entsprochen, wurde mit dem angefochtenen Erkenntnis doch - wie bereits ausgeführt - kein Kostenbeitrag nach § 20 Abs. 1 Oö. ChG auferlegt, sondern die Revisionswerberin zum Kostenersatz nach § 40 Abs. 1 Z 2 Oö. ChG verpflichtet.

14       Soweit in der Zulässigkeitsbegründung vorgebracht wird, es fehle Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur „Hinzurechnung von Unterhaltsleistungen zum Einkommen der hauptleistungsempfangenden Person in Vollbetreuung“ nach der Oö. ChG-Beitragsverordnung, ist darauf hinzuweisen, dass § 2 Abs. 2 Z 4 Oö. ChG-Beitragsverordnung (anders als die Vorgängerbestimmung, vgl. dazu VwGH 26.4.2017, Ro 2015/10/0052) unmissverständlich lediglich Unterhaltsleistungen, die der Mensch mit Beeinträchtigungen für seine Kinder erhält, vom Einkommensbegriff ausnimmt, nicht jedoch - wie die Revisionswerberin aus den §§ 39 ff Oö. ChG abzuleiten versucht - Unterhaltsleistungen an diesen selbst, sofern dieser volljährig ist. Eine derartige Sichtweise verbietet sich schon deshalb, weil es für eine Übertragung der von der Revisionswerberin aus der (eingeschränkten) Kostenersatzpflicht von Eltern volljähriger Personen gemäß § 42 Oö. ChG abgeleiteten Privilegierung auf die Frage des Einkommensbegriffs nach § 20 Abs. 2 Z 1 Oö. ChG iVm § 2 Abs. 2 Z 4 Oö. ChG-Beitragsverordnung bereits an einer planwidrigen Lücke fehlt. Ist die Rechtslage nach den in Betracht kommenden Normen aber klar und eindeutig, dann liegt keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG vor, und zwar selbst dann, wenn zu einer der anzuwendenden Normen noch keine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ergangen ist (vgl. VwGH 21.5.2021, Ra 2021/10/0061; 5.11.2020, Ra 2020/10/0105; 12.10.2020, Ra 2020/10/0131).

15       Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren zurückzuweisen.

16       Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff (insbesondere § 51) VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.

Wien, am 24. Februar 2022

Schlagworte

Auslegung Anwendung der Auslegungsmethoden Analogie Schließung von Gesetzeslücken VwRallg3/2/3

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2022:RA2020100129.L00

Im RIS seit

17.03.2022

Zuletzt aktualisiert am

10.05.2022
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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