TE Vwgh Erkenntnis 2022/3/3 Ra 2020/15/0013

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Veröffentlicht am 03.03.2022
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Index

32/01 Finanzverfahren allgemeines Abgabenrecht
36 Wirtschaftstreuhänder
40/01 Verwaltungsverfahren

Norm

BAO §101 Abs1
BAO §199
BAO §83
BAO §83 Abs1
BAO §97 Abs1 lita
WTBG 2017 §77 Abs11
ZustG §9

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zorn, die Senatspräsidentin Dr. Büsser, die Hofräte Mag. Novak und Dr. Sutter sowie die Hofrätin Dr.in Lachmayer als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Engenhart, über die Revision des Finanzamts Salzburg-Stadt (nunmehr: Finanzamt Österreich - Dienststelle Salzburg-Stadt) in 5026 Salzburg, Aignerstraße 10, gegen den Beschluss des Bundesfinanzgerichts vom 21. Oktober 2019, Zl. RV/6100165/2019, betreffend Zurückweisung eines Vorlageantrages in einer Angelegenheit des Steuerrechts (mitbeteiligte Partei: S D, vertreten durch die Quintax gerlich-fischer-kopp steuerberatungsgmbh in 5020 Salzburg, Ignaz-Rieder-Kai 13a) zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Beschluss wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Begründung

1        Erben des am 15. November 2009 verstorbenen AN, der einen Gewerbebetrieb führte, waren seine Ehefrau SD und die fünf Kinder A, M, S, D und N. Der Gewerbebetrieb wurde nach dem Ableben des AN weitergeführt. Die Einantwortung der Verlassenschaft erfolgte mit Beschluss des zuständigen Bezirksgerichts vom 1. April 2015; aufgrund des Erbteilungsübereinkommens wurde der Gewerbebetrieb von der erblasserischen Witwe (als Einzelunternehmerin) fortgeführt.

2        Im Zuge einer abgabenbehördlichen Prüfung betreffend Umsatzsteuer für den Zeitraum 2009 bis 2015 gelangte der Prüfer zur Auffassung, dass die Umsätze aus dem nach dem Ableben des AN fortgesetzten Betrieb bis zum Juni 2015 der Erbengemeinschaft zuzurechnen seien. Im Bericht vom 11. Dezember 2017 über das Ergebnis der Prüfung werden SD, A, M, S, D und N sowie die I GmbH (Steuerberatungsgesellschaft) als Vertreterin genannt. Auch die Niederschrift über die Schlussbesprechung vom 28. November 2017 weist die I GmbH als Vertreterin aus. Als Teilnehmer an der Schlussbesprechung sind u.a. die erblasserische Witwe und drei erblasserische Kinder (A, M, S) sowie Mag. PZ („Steuerlicher Vertreter“) und auch Mag. MF („Steuerberater“) angeführt.

3        Den Prüfungsfeststellungen folgend erließ das Finanzamt Umsatzsteuerbescheide für die Jahre 2009 bis 2015 mit Ausfertigungsdatum 12. Dezember 2017. Diese Bescheide sind an die sechs namentlich genannten Erben gerichtet. Gegen diese Bescheide erhob die Q GmbH im Namen der Erben Beschwerde, welche mit Beschwerdevorentscheidung vom 9. Mai 2018 abgewiesen wurde.

4        Mit Eingabe vom 11. September 2018 brachte die Q GmbH im Namen der Erben den Antrag auf Aufhebung der Beschwerdevorentscheidung nach § 299 BAO ein. Sie berief sich gemäß § 88 Abs. 9 WTBG auf eine erteilte Vollmacht.

5        Mit dem an die sechs namentlich genannten Erben gerichteten und zu Handen der I GmbH zugestellten Bescheid vom 30. Oktober 2018 wies das Finanzamt den Antrag ab.

6        Dagegen erhob die Q GmbH im Namen der Erben mit Eingabe vom 12. November 2018 Beschwerde. Mit Beschwerdevorentscheidung vom 29. November 2018, welche ebenfalls an die sechs namentlich genannten Erben gerichtet ist und zu Handen der I-GmbH zugestellt wurde, wies das Finanzamt die Beschwerde ab.

7        Mit Eingabe vom 11. Dezember 2018 stellte die Q GmbH im Namen der Erben den Antrag auf Vorlage der Beschwerde an das Bundesfinanzgericht.

8        Mit dem angefochtenen Beschluss, in dem eine Revision für nicht zulässig erklärt wurde, wies das Bundesfinanzgericht den Vorlageantrag der Witwe SD als unzulässig zurück. Zur Begründung führte es aus, es existiere eine Vollmachtsurkunde des Erblassers AN vom 27. Juni 2007, mit welcher der I GmbH ausdrücklich „über den Tod des Vollmachtgebers hinaus“ Vertretungsbefugnis und Zustellvollmacht erteilt worden sei. Weiters gebe es eine Vollmachtsurkunde der erblasserischen Witwe SD vom 3. Dezember 2009, mit welcher der I GmbH Vertretungsbefugnis samt Zustellvollmacht erteilt worden sei. Schließlich gebe es eine Vollmachtsurkunde der Witwe SD vom 19. Oktober 2017, mit welcher der Q GmbH Vertretungsbefugnis samt Zustellvollmacht eingeräumt worden sei; diese Urkunde enthalte die Formulierung, dass mit ihr etwa noch beim Finanzamt erliegende Vollmachten außer Kraft gesetzt würden. Die Q GmbH habe dem Bundesfinanzgericht mitgeteilt, die vorgelegten Vollmachten würden sowohl für die I GmbH wie auch für die Q GmbH gelten.

9        Über Anfrage des Bundesfinanzgerichts betreffend die Vollmachtverhältnisse habe das Finanzamt mit Mail vom 6. Juni 2019 mitgeteilt, eine schriftliche Vollmacht existiere nur von der Erbin SD, „für die anderen Steuernummern“ sei die Vollmacht mündlich erteilt worden bzw. seien die Bescheide angenommen worden.

10       Gemäß § 19 Abs. 2 BAO gingen mit der Beendigung von Personenvereinigungen ohne eigene Rechtspersönlichkeit die sich aus den Abgabenvorschriften ergebenden Rechte und Pflichten auf die zuletzt beteiligten Gesellschafter über. Gemäß § 81 Abs. 6 BAO bleibe eine bei Beendigung der Personenvereinigung bestehende Vertretungsbefugnis - sofern nicht andere Rechtsvorschriften entgegenstünden - insoweit und solange aufrecht, als nicht von den zuletzt beteiligt gewesenen Gesellschaftern oder der vertretungsbefugten Person Widerspruch erhoben werde.

11       Mit Beschluss des Bezirksgerichts vom 4. Dezember 2009 sei die erblasserische Witwe SD als Verlassenschaftskuratorin eingesetzt worden. Die Enthebung als Verlassenschaftskuratorin sei mit dem Einantwortungsbeschluss vom 1. April 2015 erfolgt.

12       Nach Ansicht des Finanzamts komme für den Zeitraum zwischen dem Todestag des Erblassers und der Einantwortung umsatzsteuerlich der Gemeinschaft der Erben Unternehmereigenschaft zu. Die Zustellung der Umsatzsteuerbescheide (und Beschwerdevorentscheidungen) sei an SD, A, M, S, D und N als Erben nach AN zu Handen der I-GmbH erfolgt. Die von der Witwe SD an die Q GmbH erteilt Vollmacht vom 19. Oktober 2017, die „ausschließlich deren eigene Steuerangelegenheiten“ betreffe, habe ihrem Wortlaut nach „alle noch etwa beim Finanzamt erliegende“ Vollmachten - konkret also die von SD der I GmbH erteilte Vollmacht vom 3. Dezember 2009 - außer Kraft gesetzt. Die Vollmachtserteilung des Erblassers AN (Urkunde vom 27. Juni 2007) habe gemäß § 173 Abs. 1 AußStrG mit der Bestellung der erblasserischen Witwe zur Verlassenschaftskuratorin geendet.

13       Eine aufrechte Vollmacht, die durch einen befugten Vertreter des aus den Erben SD, A, M, S, D und N gebildeten „steuerlichen Unternehmensgebildes“ erteilt worden wäre, habe nicht nachgewiesen werden können. Eine mündliche Vollmacht habe nur das Finanzamt behauptet, die „Bf“ habe eine solche nicht behauptet.

14       Das Bundesfinanzgericht gehe daher davon aus, dass im Zeitpunkt des Ergehens der Beschwerdevorentscheidung vom 29. November 2018 nur eine Bevollmächtigung der Q GmbH durch die erblasserische Witwe SD bestanden habe. Die Zustellung der Beschwerdevorentscheidung sei aber an die I GmbH erfolgt.

15       Die I GmbH sei aber nicht Zustellungsbevollmächtigte des steuerlichen Unternehmers SD, A, M, S, D und N als Erben nach AN gewesen.

16       Mangels Zustellung an SD, A, M, S, D und N als Erben nach AN zu Handen einer vertretungsbefugten Person iSd § 81 BAO habe die als Beschwerdevorentscheidung (vom 29. November 2018) intendierte Erledigung keine Rechtswirkungen entfalten können. Ein Vorlageantrag setze unabdingbar eine Beschwerdevorentscheidung voraus. Deshalb sei der durch die Q GmbH im Namen und Auftrag der Witwe SD eingebrachte Vorlageantrag gemäß § 260 Abs. 1 iVm § 264 Abs. 4 BAO als unzulässig zurückzuweisen.

17       Gegen diesen Beschluss wendet sich die außerordentliche Revision des Finanzamts, in der die Zulässigkeit der Revision u.a. mit der fehlerhaften Beurteilung des Vollmachtsverhältnisses begründet wird.

18       Eine Revisionsbeantwortung wurde trotz Aufforderung hierzu nicht erstattet.

19       Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

20       Die Revision des Finanzamts ist zulässig und begründet.

21       Gemäß § 97 Abs. 1 BAO werden Erledigungen dadurch wirksam, dass sie demjenigen bekanntgegeben werden, für den sie ihrem Inhalt nach bestimmt sind. Die Bekanntgabe erfolgt bei schriftlichen Erledigungen - abgesehen von hier nicht relevanten Ausnahmen - durch Zustellung.

22       § 199 BAO normiert den „einheitlichen Abgabenbescheid“ und lautet:

„Sind zur Entrichtung einer Abgabe mehrere Personen als Gesamtschuldner verpflichtet, so kann gegen sie ein einheitlicher Abgabenbescheid erlassen werden, und zwar auch dann, wenn nach dem zwischen ihnen bestehenden Rechtsverhältnis die Abgabe nicht von allen Gesamtschuldnern zu tragen ist.“

23       Ist eine schriftliche Ausfertigung an mehrere Personen gerichtet, die dieselbe abgabenrechtliche Leistung schulden oder die gemeinsam zu einer Abgabe heranzuziehen sind, und haben diese der Abgabenbehörde keinen gemeinsamen Zustellungsbevollmächtigten bekanntgegeben, so gilt gemäß § 101 Abs. 1 BAO mit der Zustellung einer einzigen Ausfertigung an eine dieser Personen die Zustellung an alle als vollzogen, wenn auf diese Rechtsfolge in der Ausfertigung hingewiesen wird.

24       Wird ein einheitlicher Abgabenbescheid nicht allen im Bescheid angesprochenen Gesamtschuldnern (etwa im Wege der Zustellfiktion nach § 101 Abs. 1 BAO) bekannt gegeben, so berührt dies die Wirksamkeit des Bescheides gegenüber den anderen Gesamtschuldnern nicht (vgl. VwGH 21.2.2005, 2004/17/0057, vgl. auch Ritz/Koran, BAO7, § 199 Rz 1b; Ellinger/Sutter/Urtz, BAO, § 199 Anm. 5).

25       Beruft sich ein Berufsberechtigter iSd Wirtschaftstreuhandberufsgesetzes 2017 (WTBG 2017) im beruflichen Verkehr auf die ihm erteilte Bevollmächtigung, so ersetzt diese Berufung den urkundlichen Nachweis (§ 77 Abs. 11 WTGB 2017). Berufsrechtliche Vorschriften, wonach die Berufung auf eine erteilte Bevollmächtigung deren urkundlichen Nachweis ersetzt, gelten auch im Anwendungsbereich der BAO (vgl. VwGH 28.10.2014, 2012/13/0102). Eine allgemeine Vertretungsbefugnis schließt eine Zustellungsbevollmächtigung mit ein. Dies gilt auch, wenn sich ein Vertreter auf die ihm erteilte Vollmacht beruft (vgl. VwGH 7.12.2021, Ra 2021/13/0094).

26       Wie im angefochtenen Beschluss angeführt, ist das Finanzamt davon ausgegangen, dass die zwischen Todestag des Erblassers und Einantwortung erzielten Umsätze der Erbengemeinschaft zuzurechnen sind. Die abgabenbehördliche Prüfung hat nach erfolgter Einantwortung (Einantwortungsbeschluss vom 1. April 2015) stattgefunden. Das Finanzamt hat sodann mit Umsatzsteuerbescheiden vom 12. Dezember 2017 den sechs Erben als natürliche Personen Umsatzsteuer vorgeschrieben.

27       Diese Umsatzsteuerbescheide vom 12. Dezember 2017 betreffend die Jahre 2009 bis 2015 sind einheitliche Abgabenbescheide iSd § 199 BAO, die an Gesamtschuldner erlassen wurden, die iSd § 6 Abs. 2 BAO gemeinsam zur Umsatzsteuer herangezogen werden können (vgl. Ellinger/Sutter/Urtz, BAO, § 6 Anm. 12 f; Ritz/Koran, BAO7, § 6 Rz 4; sowie zu einheitlichen Abgabenbescheiden etwa VwGH 1.10.2008, 2006/13/0123). Gleiches gilt für die Beschwerdevorentscheidung vom 9. Mai 2018.

28       Wie die beiden vorgenannten Bescheide sind auch der Bescheid vom 30. Oktober 2018, mit welchem der Antrag auf Aufhebung der Beschwerdevorentscheidung vom 11. September 2018 abgewiesen wurde, sowie die Beschwerdevorentscheidung vom 29. November 2018 an die erblasserische Witwe SD und die fünf Kinder A, M, S, D und N gerichtet. Für diese Bescheide gelten die Regelungen des § 199 BAO sinngemäß.

29       Solcherart sind der Abweisungsbescheid vom 30. Oktober 2018 wie auch die Beschwerdevorentscheidung vom 29. November 2018 an die jeweiligen Erben als natürliche Personen gerichtet. Diese - nach der erfolgten Einantwortung ergangenen - Bescheide sind entgegen der Ansicht des Bundesfinanzgerichts somit nicht an eine Personenvereinigung iSd § 81 Abs. 1 BAO gerichtet.

30       Bescheide werden gemäß § 97 BAO wirksam, indem sie demjenigen bekannt gegeben werden, für den sie bestimmt sind. Die Beschwerdevorentscheidung vom 29. November 2018 ist - wie auch der Erstbescheid - den einzelnen Erben gegenüber nur wirksam geworden, soweit er ihnen zugestellt worden ist bzw. gegebenenfalls aufgrund der Zustellfiktion des § 101 Abs. 1 BAO als zugestellt gilt.

31       Da der angefochtene Beschluss allerdings lediglich den Vorlageantrag der erblasserischen Witwe zurückweist, ist aus der Sicht des Revisionsfalls nur zu prüfen, ob die wirksame Zustellung in Bezug auf die Witwe erfolgt ist.

32       Die Zustellung der Beschwerdevorentscheidung an die I GmbH hat das Bundesfinanzgericht im angefochtenen Beschluss in Bezug auf die Witwe deshalb nicht als wirksam beurteilt, weil die Vollmachtsurkunde vom 19. Oktober 2017 die Formulierung enthält, dass noch beim Finanzamt erliegende Urkunden außer Kraft gesetzt würden.

33       In diesem Zusammenhang ist allerdings Folgendes von Bedeutung:

34       Bei SD, A, M, S, D und N (als Erben nach AN) wurde für den Zeitraum 2009 bis 2015 eine Außenprüfung betreffend Umsatzsteuer durchgeführt. Im Bericht über das Ergebnis der Außenprüfung vom 11. Dezember 2017 ist als Vertreter die I GmbH angeführt. Aus der Niederschrift über die am 28. November 2017 abgehaltene Schlussbesprechung ist ersichtlich, dass an dieser u.a. die erblasserische Witwe SD und die zu diesem Zeitpunkt bereits volljährigen Kinder A, M und S teilgenommen haben. Als Vertreter der betroffenen Personen ist auch in dieser Niederschrift die I GmbH ausgewiesen. Insgesamt haben an der Schlussbesprechung elf Personen teilgenommen. Die in den vorgelegten Akten enthaltene Kopie der Niederschrift weist die Unterschriften von elf Personen auf. Überdies ergibt sich aus dem Revisionsschriftsatz, dass der in der Niederschrift unter den Teilnehmern an der Schlussbesprechung als „Steuerlicher Vertreter“ genannte Mag. PZ als Geschäftsführer der I GmbH anwesend war und der als „Steuerberater“ bezeichnete Mag. MF als Geschäftsführer der Q GmbH.

35       In Bezug auf die Einkünfte hat das Finanzamt eine Zurechnung der ab dem Todestag des AN erwirtschafteten Einkünfte an die erblasserische Witwe SD vorgenommen. Der Bericht vom 30. November 2017 über das Ergebnis der Außenprüfung bei SD weist die I GmbH als Vertreterin auf. In der Niederschrift über die bei SD vorgenommene Schlussbesprechung vom 28. November 2017 ist ebenfalls die I GmbH als Vertreterin ausgewiesen.

36       In den zeitlich nach der Erstellung der Vollmachtsurkunde vom 19. Oktober 2017 für die Q GmbH abgehaltenen Schlussbesprechungen, bei denen u.a. die Witwe SD anwesend war, ist sohin die I GmbH als Vertreterin aufgetreten. Das Finanzamt hat dem Bundesfinanzgericht auf dessen Anfrage mitgeteilt, dass eine Vollmacht schriftlich nur für SD vorliege und „für die anderen Steuernummern mündliche erteilt“ worden seien (siehe zur mündlich erteilten Vollmacht auch VwGH 12.10.2021, Ra 2020/15/0117).

37       Ist aber die Witwe SD in den Schlussbesprechungen vom 28. November 2017 betreffend Einkommensteuer bzw. Umsatzsteuer mit der I GmbH als ihrer steuerlichen Vertreterin aufgetreten und hat sie damit offenkundig dem Finanzamt zu erkennen gegeben, dass sie von der I GmbH vertreten ist, durfte das Bundesfinanzgericht nicht bloß deshalb vom Fehlen eines Vollmachtsverhältnisses ausgehen, weil SD ca. einen Monat früher der Q GmbH Vollmacht erteilt hatte. Gemäß § 9 Abs. 4 ZustellG gilt, wenn eine Partei mehrere Zustellungsbevollmächtigte hat, die Zustellung als bewirkt, sobald sie an einen dieser Zustellungsbevollmächtigten vorgenommen worden ist.

38       Angesichts des Auftretens der SD mit der I GmbH als ihrer steuerlichen Vertreterin in den Schlussbesprechungen hätte das BFG selbst dann nicht ohne weiteres von einem durch das Ausstellen der Vollmachtsurkunde vom 19. Oktober 2017 vorgenommenen Widerruf der Vollmacht gegenüber der I GmbH ausgehen dürfen, wenn es zutreffen sollte, dass diese Vollmachtsurkunde dem Finanzamt vorgelegt worden ist. Bei Zweifeln über das Bestehen des Vollmachtsverhältnisses hätte das Bundesfinanzgericht SD vielmehr zu ihrem Auftreten vor dem Finanzamt (am 28. November 2017) mit der I GmbH als ihrer steuerlichen Vertreterin befragen müssen. Dass der I GmbH gegenüber eine Erklärung betreffend den Entzug der Vollmacht abgegeben worden wäre oder dass dem Finanzamt eine dementsprechende Erklärung zugegangen wäre, wurde im Übrigen nicht festgestellt.

39       Das Bundesfinanzgericht hat aber darüber hinaus schon dadurch die Rechtslage verkannt, dass es als vom Finanzamt angesprochenen Adressaten der Beschwerdevorentscheidung vom 29. November 2018 (wie auch des Erstbescheides) nicht die Erben als natürliche Personen, sondern die Erbengemeinschaft als „steuerliches Unternehmensgebilde“ angesehen und deshalb vom Unterbleiben der Zustellung der Beschwerdevorentscheidung ausgegangen ist, weil es von eben diesem „Unternehmensgebilde“ keine Zustellvollmacht für die I GmbH gegeben habe.

40       Es erübrigt sich daher ein Eingehen auf das weitere Zulässigkeitsvorbringen des Finanzamts, wonach die mit BGBl. I Nr. 62/2018 eingeführte Regelung des § 281a BAO dahingehend zu interpretieren sei, dass das Bundesfinanzgericht einen Vorlageantrag nicht mit der Begründung zurückweisen dürfe, dass eine Beschwerdevorentscheidung nicht zugestellt worden sei.

41       Der angefochtene Beschluss war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Wien, am 3. März 2022

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2022:RA2020150013.L00

Im RIS seit

17.03.2022

Zuletzt aktualisiert am

22.04.2022
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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