Index
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);Norm
ADV §10 Abs2;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Leukauf und die Hofräte Dr. Waldner, Dr. Bernard, Dr. Graf und Dr. Gall als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Simetzberger, über die Beschwerde des K in O, vertreten durch Dr. H, Rechtsanwalt in L, gegen den Bescheid des Militärkommandos Oberösterreich vom 10. Mai 1994, Zl. O/65/13/05/90, betreffend Feststellung der Eignung zum Wehrdienst, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.890,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen; das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Der am 25. Mai 1965 geborene Beschwerdeführer wurde bei seiner ersten Stellung am 26. April 1983 für tauglich befunden. Auf Antrag des Beschwerdeführers wurde in der Folge eine neuerliche Stellungsuntersuchung angeordnet. Als deren Ergebnis wurde der Beschwerdeführer mit dem angefochtenen Bescheid gemäß § 23 Abs. 2 Wehrgesetz 1990 (WG) neuerlich für tauglich erklärt.
In seiner Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof macht der Beschwerdeführer Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit der belangten Behörde, Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften und Rechtswidrigkeit des Inhaltes des angefochtenen Bescheides geltend; er beantragt dessen kostenpflichtige Aufhebung. Die belangte Behörde hat den Verwaltungsakt vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde begehrt. Der Beschwerdeführer hat darauf mit einem Schriftsatz repliziert.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
1. Die behauptete Unzuständigkeit der belangten Behörde erblickt der Beschwerdeführer darin, daß die Stellungskommission bei Fassung und Verkündung des Beschlusses über seine Tauglichkeit nicht ordentlich zusammengesetzt gewesen sei. Die ihr angehörende Ärztin sei erst nach Verkündung des Beschlusses beigezogen worden.
Dieses Vorbringen ist verfehlt. Zuständige Behörden für die Feststellung der Eignung der Wehrpflichtigen zum Wehrdienst sind nicht die Stellungskommissionen, sondern die Militärkommanden. Sie sind gemäß § 19 Abs. 1 WG für die Ergänzung, die nach § 18 WG unter anderem die Stellung der Wehrpflichtigen umfaßt, zuständig. Hiebei haben sie sich zur Feststellung der Eignung der Wehrpflichtigen zum Wehrdienst der Stellungskommissionen zu bedienen (§ 21 Abs. 1 WG). Die Stellungskommissionen sind somit lediglich Hilfseinrichtungen für das jeweilige Militärkommando. Bei diesem verbleibt unabhängig davon, ob bei ihm eine Stellungszentrale und Stellungskommission eingerichtet sind oder nicht, die behördliche Zuständigkeit für die Feststellung der Eignung Wehrpflichtiger zum Wehrdienst (so auch Ermacora/Kopf/Neisser, Das österreichische Wehrrecht2, I. Teil, 155, Anm. 4). Das Vorbringen, daß die Ärztin erst nach Verkündung des Beschlusses der Stellungskommission beigezogen worden sei, ist daher nicht geeignet, die Unzuständigkeit der belangten Behörde zu begründen. Inwieweit darin eine relevante Verletzung von Verfahrensvorschriften gelegen sein kann, braucht im Hinblick auf die folgenden Ausführungen nicht geprüft zu werden.
2. Gemäß § 15 Abs. 1 i.V.m. § 23 Abs. 2 WG sind Personen für "Tauglich" zu erklären, die die notwendige körperliche und geistige Eignung für eine im Bundesheer in Betracht kommende Verwendung besitzen. Hiebei kommt es nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. seine Erkenntnisse vom 28. November 1989, Zl. 89/11/0105, vom 2. Juli 1991, Zl. 91/11/0022, und vom 19. April 1994, Zl. 93/11/0272) nicht darauf an, daß der Wehrpflichtige zumindest die Eignung für irgendeine systemerhaltende Funktion im Bundesheer besitzt. Entscheidend ist vielmehr, daß er einer militärischen Ausbildung im engeren Sinn unterzogen werden kann, was dann der Fall ist, wenn er trotz allfälliger gesundheitlicher Einschränkungen in der Lage ist, eine Waffe zu bedienen und die für eine militärische Ausbildung mit der Waffe erforderliche Kraftanstrengung und Beweglichkeit zu entwickeln.
Der Beschwerdeführer hat der Sache nach geltend gemacht, diese Eignung nicht mehr zu besitzen, und dazu der belangten Behörde mehrere Befunde/Gutachten vorgelegt. In einem orthopädischen Befund vom 26. August 1993 mit der Diagnose "Recidivierende Cervicalgien, Lumbalgien. Zust.n. Klumpfüße mit derzeitiger Sichelfußkomponente, Instabilität oberes Sprunggelenk" kommt der Facharzt zu folgender Empfehlung: "Auf Grund der Fuß-Situation benötigt er (der Beschwerdeführer) immer spezielle orthopädische Schuhe für belastende Tätigkeiten. Dann benötigt er eine Kreuzbandage die regelmäßig zu tragen ist. ... Er ist vom Heben und Tragen, von Feuchtigkeit etc. fernzuhalten und im Sinne einer sportlichen wie bei Grundausbildungen etc. nicht tauglich". Ein weiterer orthopädischer Befund dieses Facharztes vom 6. April 1994 mit der Diagnose "Klumpfüße beidseits. Funktionelle Instabilität der oberen Sprunggelenke und der unteren Sprunggelenke" endet mit der "Therapie-Empfehlung: Er ist für längeres Gehen und Stehen nicht geeignet. Muß ständig orthopädisches Schuhwerk tragen. Das Maximum ist eine sitzende Tätigkeit". In einem "HNO-fachärztlichen-Befund" vom 23. August 1993 heißt es, die vom Beschwerdeführer angegebenen Beschwerden (behinderte Nasenatmung, Reizhusten, Notwendigkeit der Öffnung des Mundes zum Atmen bei geringster Anstrengung) seien sicher durch die Septumdeviation und die Hyperplastische Rhinopathie bedingt. Eine Besserung dieser Beschwerden durch Septumoperation und Mucotomie sei sehr wahrscheinlich. In einem Befund/Gutachten eines Facharztes für Interne Medizin vom 27. April 1994 mit den Diagnosen "Hyperreagibles Bronchialsyndrom mit rezidivierenden zentralen Bronchitiden, Nasenseptumdeviation, funktionelle Stenocardie, Discopathie der unteren HWS mit pseudoradiculärer Symtomatik" wird dem Beschwerdeführer abschließend empfohlen, insbesondere Nässe- und Kälteexposition, das Heben schwerer Lasten, lange Märsche und Überanstrengungen als Auslöser für eine Verschlechterung seines Leidenszustandes zu vermeiden.
Der angefochtene Bescheid enthält zur Frage der Eignung des Beschwerdeführers zum Wehrdienst keine wie immer geartete Begründung. In den von der belangten Behörde vorgelegten Unterlagen findet sich dazu lediglich auf sämtlichen vom Beschwerdeführer beigebrachten Befunden der Vermerk "Anläßlich der Stellungsuntersuchung bei der Befundung berücksichtigt" sowie der Vermerk "Das Parteiengehör wurde eingeräumt, der Einwand wurde überprüft, die vorgebrachten Argumente führten zu keiner Untauglichkeit". Wie und mit welchem Ergebnis diese "Berücksichtigung" konkret erfolgte, von welchen Annahmen die ärztliche Sachverständige der Stellungskommission ihrerseits ausging und auf Grund welcher Erwägungen sie trotz der beim Beschwerdeführer gegebenen gesundheitlichen Einschränkungen zur Bejahung seiner Eignung zum Wehrdienst gelangte, ist aus den vorgelegten Unterlagen nicht ersichtlich. Ebensowenig kann ihnen nachvollziehbar entnommen werden, aus welchen Erwägungen trotz der im Vordergrund stehenden orthopädischen und HNO-Problematik des Beschwerdeführers eine Untersuchung durch Fachärzte dieser Sparte offenbar für nicht erforderlich erachtet wurde (vgl. in diesem Zusammenhang § 23 Abs. 2 zweiter Satz WG). Diese Mängel setzen den Verwaltungsgerichtshof außerstande, die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides zu überprüfen. Er ist daher, ohne daß auf das weitere Beschwerdevorbringen eingegangen werden muß, gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Das Mehrbegehren betreffend den weiteren Schriftsatz war abzuweisen, weil Schriftsatzaufwand nur für die Beschwerde gebührt und im übrigen dieser Schriftsatz zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung nicht erforderlich war.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1996:1994110180.X00Im RIS seit
20.11.2000