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24/01 Strafgesetzbuch;Norm
KDV 1967 §31a Abs2;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Leukauf und die Hofräte Dr. Waldner, Dr. Bernard, Dr. Graf und Dr. Gall als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Simetzberger, über die Beschwerde des R in Z, vertreten durch Dr. G, Rechtsanwalt in H, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Niederösterreich vom 12. Jänner 1996, Zl. I/7-St-L-961, betreffend vorübergehende Entziehung der Lenkerberechtigung, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.890,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid wurde dem Beschwerdeführer gemäß § 74 Abs. 1 KFG 1967 die Lenkerberechtigung für Kraftfahrzeuge der Gruppe B vorübergehend für die Dauer von 9 Monaten (gerechnet ab der am 27. Oktober 1995 erfolgten Zustellung des Mandatsbescheides vom 23. Oktober 1995) entzogen.
In der Begründung ihres Bescheides führte die belangte Behörde aus, aus der Verkehrsunfallsanzeige des Gendarmeriepostens Z vom 22. September 1995 gehe hervor, daß der Beschwerdeführer am 29. August 1995 um 18.15 Uhr auf einer näher bezeichneten Straßenstelle in einer leichten Rechtskurve mit seinem Pkw auf die linke Fahrbahnhälfte geraten und mit einem anderen Pkw frontal zusammengestoßen sei. Dadurch sei der Lenker dieses Fahrzeuges tödlich, dessen Beifahrerin schwer verletzt worden. Aus Zeugenaussagen gehe hervor, daß der Beschwerdeführer "in Bezug auf die bestehenden Verkehrsverhältnisse bei weitem zu schnell unterwegs" gewesen sei. Außerdem habe er zwei Fußgängerinnen daduch gefährdet, daß er aus eigenem Verschulden auf die linke Fahrbahnseite geraten sei. Obwohl er erst seit 30. August 1994 eine Lenkerberechtigung besitze, habe er auch am 28. Juli 1995 im Bereich einer näher bezeichneten Kreuzung im Gemeindegebiet von Pulkau einen Verkehrsunfall mit Sachschaden verursacht. Auch bei diesem Verkehrsunfall sei er wegen überhöhter Geschwindigkeit auf die linke Fahrbahnseite geraten. Zusammenfassend werde festgehalten, daß der Beschwerdeführer auf Grund seiner mangelnden Fahrpraxis und der von ihm "dreimal eingehaltenen zu hohen Fahrgeschwindigkeit zweimal Verkehrsunfälle" verursacht und einmal Personen gefährdet habe. Damit stehe für die belangte Behörde fest, daß beim Beschwerdeführer eine Charaktereigenschaft vorliege, die bewirke, daß er mehrmals durch sein Verhalten besonders gefährliche Verhältnisse herbeigeführt und auch mit besonderer Rücksichtslosigkeit gegenüber anderen Verkehrsteilnehmern Fahrzeuge gelenkt habe. Eine Änderung dieser Charaktereigenschaft sei erst nach Ablauf der festgesetzten Zeit zu erwarten.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der der Beschwerdeführer Rechtswidrigkeit des Inhaltes des angefochtenen Bescheides und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend macht und die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides beantragt.
Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und beantragt in ihrer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 66 Abs. 1 KFG 1967 gilt als verkehrszuverlässig eine Person, wenn nicht auf Grund erwiesener bestimmter Tatsachen (Abs. 2) und ihrer Wertung (Abs. 3) angenommen werden muß, daß sie auf Grund ihrer Sinnesart beim Lenken von Kraftfahrzeugen der in Betracht kommenden Gruppe a) die Verkehrssicherheit insbesondere durch rücksichtsloses Verhalten im Straßenverkehr oder durch Trunkenheit oder einen durch Suchtgift beeinträchtigten Zustand gefährden wird, oder b) sich wegen der erleichternden Umstände, die beim Lenken von Kraftfahrzeugen gegeben sind, sonstiger schwerer strafbarer Handlungen schuldig machen wird.
Gemäß § 66 Abs. 2 lit. f KFG 1967 (in der Fassung der 17. KFG-Novelle BGBl. Nr. 654/1994) hat als bestimmte Tatsache im Sinne des Abs. 1 zu gelten, wenn jemand als Lenker eines Kraftfahrzeuges durch Übertretung der maßgebenden Verkehrsvorschriften ein Verhalten setzt, das an sich geeignet ist, besonders gefährliche Verhältnisse herbeizuführen, oder mit besonderer Rücksichtslosigkeit gegen die für das Lenken eines Kraftfahrzeuges maßgebenden Verkehrsvorschriften verstoßen hat; als Verhalten, das geeignet ist, besonders gefährliche Verhältnisse herbeizuführen, gelten insbesondere erhebliche Überschreitungen der jeweils zulässigen Höchstgeschwindigkeit vor Schulen, Kindergärten u.dgl., auf Schutzwegen, oder das Übertreten von Überholverboten bei besonders schlechten oder bei weitem nicht ausreichenden Sichtverhältnissen.
Die belangte Behörde hat erkennbar die Auffassung vertreten, es lägen bestimmte Tatsachen gemäß § 66 Abs. 2 lit. f KFG 1967 vor, es fehlen aber Sachverhaltsfeststellungen, die diese Auffassung rechtfertigen würden. Der Verkehrsunfall vom 29. August 1995, auf den sich die belangte Behörde in erster Linie stützt, hat sich auf einer Freilandstraße ereignet. Es fehlen Feststellungen darüber, welche Geschwindigkeit der Beschwerdeführer eingehalten hat und welche Geschwindigkeit den Umständen angemessen gewesen wäre, sodaß nicht erkennbar ist, ob schon das Ausmaß der überhöhten Geschwindigkeit in Verbindung mit den - gleichfalls nicht konkret festgestellten - näheren Umständen, insbesondere den Straßen -, Verkehrs- und Sichtverhältnissen und der Beschaffenheit des vom Beschwerdeführer gelenkten Pkw"s - geeignet war, besonders gefährliche Verhältnisse herbeizuführen, bzw. ob im Verhalten des Beschwerdeführers eine besondere Rücksichtslosigkeit gelegen ist. Daß der Beschwerdeführer - allenfalls auf Grund überhöhter Geschwindigkeit, allenfalls auch auf Grund verfehlter Reaktion - diesen Verkehrsunfall verschuldet hat, rechtfertigt noch nicht die Annahme, es liege darin eine bestimmte, die Annahme der Verkehrsunzuverlässigkeit rechtfertigende Tatsache gemäß § 66 Abs. 2 lit. f KFG 1967.
Gleiches gilt für den von der belangten Behörde genannten Verkehrsunfall vom 28. Juli 1995. Auch diesbezüglich fehlen konkrete Feststellungen über die vom Beschwerdeführer eingehaltene Geschwindigkeit und die näheren Umstände dieses Unfalles.
Inwieweit Fußgänger bei dem Vorfall vom 29. August 1995 gefährdet wurden, ist mangels konkreter Sachverhaltsfeststellungen über die örtlichen Gegebenheiten nicht erkennbar. Wenn die belangte Behörde davon spricht, der Beschwerdeführer habe auf Grund der von ihm "dreimal eingehaltenen zu hohen Fahrgeschwindigkeit" zweimal Verkehrsunfälle verursacht und einmal Personen gefährdet, hat sie offenbar das - in örtlicher und zeitlicher Hinsicht eine Einheit bildende - Verhalten des Beschwerdeführers vom 29. August 1995 nach den von ihr angenommenen Folgen in zwei Vorfälle, nämlich einen Verkehrsunfall mit Personen- und Sachschaden und eine Gefährdung, geteilt.
Für die von der belangten Behörde vertretene, dem angefochtenen Bescheid zugrundeliegende Auffassung, es lägen bestimmte Tatsachen gemäß § 66 Abs. 2 lit. f KFG 1967 vor, mangelt es nach dem Gesagten an entsprechenden Sachverhaltsfeststellungen. Soweit die belangte Behörde in der Gegenschrift ins Treffen führt, der Beschwerdeführer sei mittlerweile auf Grund des von ihm verschuldeten Verkehrsunfalles vom 29. August 1995 wegen der Vergehen nach den §§ 80 und 88 Abs. 1 und 4 (erster Fall) StGB rechtskräftig bestraft worden, ist ihr zu erwidern, daß aus dieser Bestrafung, die zudem erst nach Erlassung des angefochtenen Bescheides erfolgt ist, keine verläßlichen Schlüsse auf das Vorliegen einer bestimmten Tatsache nach § 66 Abs. 2 lit. f KFG 1967 möglich sind. Die von der belangten Behörde genannte Bestrafung bildet allerdings die Voraussetzung für die Anordnung einer Nachschulung gemäß § 64a Abs. 2 und 3 lit. b KFG 1967.
Der von der belangten Behörde hervorgehobene Umstand, daß der Beschwerdeführer innerhalb kurzer Zeit zwei Verkehrsunfälle durch Einhalten einer überhöhten Geschwindigkeit verschuldet habe, bildet gleichfalls keine bestimmte Tatsache im dargestellten Sinn, die die Annahme der Verkehrsunzuverlässigkeit rechtfertigen würde. Das Verhalten des Beschwerdeführers kann allerdings den Verdacht auf mangelnde Bereitschaft zur Verkehrsanpassung begründen und insoweit das Verlangen auf Vorlage eines Befundes einer verkehrspsychologischen Untersuchungsstelle rechtfertigen (§ 67 Abs. 2 letzter Satz KFG 1967 in Verbindung mit § 31a Abs. 2 KDV 1967).
Aus den dargelegten Gründen war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b KFG 1967 wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Schlagworte
Verhältnis zu anderen Normen MaterienEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1996:1996110056.X00Im RIS seit
12.06.2001