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Polizeirecht - AsylGNorm
AsylG 1968 §3Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Simon und die Hofräte Dr. Draxler, Dr. Hoffmann, Dr. Herberth und Dr. Kremla als Richter, im Beisein der Schriftführerin Magistratskommissär Dr. Wrulich, über die Beschwerde des RR in B, vertreten durch Dr. Ernst Manhardt, Rechtsanwalt in Baden, Waltersdorferstraße 15, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 17. Februar 1986, Zl. 150.405/7-11/6/85, betreffend Wiederaufnahme des Verfahrens und Aufenthaltsverbot, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 2.760,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer, ein tschechoslowakischer Staatsangehöriger, ist am 5. März 1980 unter Verwendung eines gefälschten Passes, der auf einen falschen Namen lautete, illegal in das Bundesgebiet eingereist. Am 22. April 1980 begehrte er bei der Bezirkshauptmannschaft Baden die Feststellung, daß er Flüchtling im Sinne der Genfer Konvention sei. Zur Begründung seines Antrages führte er im wesentlichen aus, er habe immer schon in den Westen ausreisen wollen. Es hielten sich zehn Verwandte von ihm, die im Jahre 1968 aus seinem Heimatland geflüchtet seien, ebenfalls im Westen auf. Nach Abschluß der Grundschule im Jahre 1962 habe er fünf Jahre lang eine Offiziersschule mit Matura absolviert, die einer Fachschule für Maschinenschlosser etwa gleichwertig sei. In der Folge hätte er bis 1969 als Leutnant bei einem Raketenbataillon für Bodenraketen gedient. Später habe er als Autobus- und Lkw-Kraftfahrer gearbeitet und von 1974 bis 1980 ein privates Taxiunternehmen betrieben. In seinem Heimatland sei er wegen versuchter Republikflucht gerichtlich verurteilt worden. überdies habe man ihn im Jahre 1978 einmal verhört, weil er die "Stimme Amerikas" im Autoradio eines Taxis gehört hätte. Er sei deswegen aber nicht bestraft worden, er hätte auch weiterhin seine Taxikonzession behalten und als selbständiger Taxiunternehmer arbeiten können. Aus diesen Gründen hätte er beschlossen, in Österreich um politisches Asyl anzusuchen. Konkreten politischen Verfolgungen sei er in seinem Heimatland nicht ausgesetzt gewesen. Er sei nicht Mitglied der Kommunistischen Partei gewesen. In seinen Vorstrafen führte der Beschwerdeführer aus, vom Bezirksgericht B im Jahre 1976 wegen versuchter Republikflucht zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren, welche unter Setzung einer Bewährungsfrist von drei Jahren bedingt nachgesehen worden sei, verurteilt worden zu sein.
Mit Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich vom 25. Juni 1980 wurde festgestellt, daß der Beschwerdeführer Flüchtling im Sinne der Genfer Konvention und gemäß § 7 Abs. 1 des Asylgesetzes zum Aufenthalt im Bundesgebiet berechtigt sei. Dieser Bescheid blieb unangefochten und ist in Rechtskraft erwachsen. Mit einer Note der Tschechoslowakischen Sozialistischen Republik vom 5. Oktober 1982 wurde die vorläufige Verhaftung des Beschwerdeführers begehrt, weil er von den zuständigen Behörden seines Heimatlandes wegen Verdachtes eines im Jahre 1975 erfolgten Raubmordes an einem ägyptischen Staatsangehörigen, den er gemeinsam mit vier weiteren tschechoslowakischen Staatsangehörigen verübt hätte, verfolgt würde. Mit Beschluß des Oberlandesgerichtes Wien vom 29. Mai 1984 wurde die von der Tschechoslowakischen Sozialistischen Republik begehrte Auslieferung des Beschwerdeführers zur Strafverfolgung wegen der im Haftbefehl des Stadtgerichtes in P vom 21. September 1982 beschriebenen Straftat mit dem Vorbehalt für zulässig erklärt, daß eine Todesstrafe über den Beschwerdeführer nicht ausgesprochen werden dürfe. In der Begründung dieses Beschlusses wurde unter anderem auch auf Grund des Ermittlungsverfahrens festgestellt, daß der Beschwerdeführer vor seiner Ausreise nach Österreich in der Tschechoslowakei bereits zweimal wegen Vermögensdelikten bestraft worden sei.
Auf Grund dieser Umstände verfügte die Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich mit Bescheid vom 17. September 1984 die amtswegige Wiederaufnahme des mit Bescheid vom 25. Juni 1980 rechtskräftig abgeschlossenen Feststellungsverfahrens und entschied, daß beim Beschwerdeführer die Voraussetzungen des Art. 1, Abschnitt A unter Bedachtnahme auf Abschnitt F lit. b der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 55/1955, in der Fassung des Protokolls vom 31. Jänner 1967, BGBl. Nr. 78/1974, nicht zutreffen. Begründend führte die Behörde in ihrer Entscheidung aus, der Bescheid vom 25. Juni 1980 habe sich im wesentlichen auf die Behauptung des Beschwerdeführers gestützt, daß er als tschechoslowakischer Staatsangehöriger in seiner Heimat Nachteile politischer Art erlitten hätte. Wie nunmehr das Oberlandesgericht Wien mit Beschluß vom 29. Mai 1984 festgestellt habe, sei der Beschwerdeführer in seinem Heimatland vor seiner Ausreise nach Österreich wegen zweier Vermögensdelikte verurteilt worden. Überdies bestehe gegen ihn der dringende Verdacht, im Jahre 1975 unter Teilnahme mehrerer Beschuldigter einen Staatsangehörigen der Vereinigten Arabischen Republik in seinem Heimatland ermordet zu haben. Seine Behauptung, in seinem Heimatland aus politischen Gründen Nachteile erlitten zu haben, erweise sich daher als unrichtig. Im Jahre 1980 hätte er sich die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft erschlichen. Auf Grund obiger Feststellungen sei daher im Zuge einer Wiederaufnahme des Verfahrens die im Spruch des Bescheides erfolgte Nichtzuerkennung der Flüchtlingseigenschaft gerechtfertigt.
Gegen diesen Bescheid hat der Beschwerdeführer Berufung erhoben.
Mit dem nun vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid wurde der Berufung nicht Folge gegeben und der Spruch des angefochtenen Bescheides mit der Maßgabe abgeändert, daß er wie folgt zu lauten hat:
"Das mit rechtskräftigem Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich,…… vom 25. 6. 1980, rechtskräftig abgeschlossene Verfahren wird gemäß § 69 Abs. 3 in Verbindung mit Abs. 1 lit. a AVG 1950 von Amts wegen wiederaufgenommen. Es wird festgestellt, daß die Bestimmungen der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl: Nr. 55/1955, in der Fassung des Protokolls vom 31. 1. 1967, BGBl. Nr. 78/1974, gemäß Kapitel 1, Art. 1, lit. F. b. leg. cit. auf Sie nicht anwendbar sind."
Zur Begründung dieses Bescheides wird ausgeführt, es sei bei Einsichtnahme in die Akten des Kreisgerichtes Wiener Neustadt auf Grund der dort einliegenden Originalausfertigungen der tschechoslowakischen Urteile festgestellt worden, daß unmittelbar vor seiner Flucht in das Bundesgebiet die Berufung des Beschwerdeführers gegen den im Urteil des Distriktgerichtes für P vom 10. Oktober 1979 ergangenen Schuldspruch mit Urteil des Stadtgerichtes P abgewiesen worden sei. Wie aus einer Mitteilung der tschechoslowakischen Behörden an die österreichische Botschaft in Prag vom 27. Februar 1984 hervorgehe, sei am 11. Februar 1980 der Strafvollzug wegen dieser Freiheitsstrafe angeordnet worden. Überdies habe dem Beschwerdeführer der Widerruf der im Urteil des Bezirksgerichtes B vom 20. Juli 1977 ausgesprochenen bedingten Strafnachsicht gedroht, so daß der Beschwerdeführer insgesamt zu erwarten hätte, eine Freiheitsstrafe von zwei Jahren und acht Monaten zu verbüßen. Der Beschwerdeführer habe nach seiner Einreise in das Bundesgebiet bei der niederschriftlichen Einvernahme zum Asylantrag am 28. April 1980 zur Frage seiner Vorstrafen lediglich eine angebliche Vorstrafe wegen versuchter Republikflucht aus dem Jahre 1976 erwähnt. Der auf Grund der Vorlage von amtlichen Ausfertigungen der betreffenden Urteile als erwiesen anzunehmende Umstand, daß der Beschwerdeführer unmittelbar vor seiner Flucht von tschechoslowakischen Gerichten wegen nichtpolitischer Straftaten, wie Betrug und Diebstahl, zu Freiheitsstrafen verurteilt worden sei, sei von ihm im Zuge der niederschriftlichen Einvernahme im Flüchtlingslager Traiskirchen verschwiegen worden; dies sei im Sinne des § 69 Abs. 1 lit. a AVG 1950 zu qualifizieren. Bei Kenntnis des wahren Sachverhaltes wäre die Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich zu dem Schluß gekommen, daß der Beschwerdeführer aus seinem Heimatland geflüchtet sei, um sich einem drohenden Strafvollzug zu entziehen, und hätte keineswegs festgestellt, daß er sich aus wohlbegründeter Furcht vor Verfolgungen, insbesondere wegen seiner politischen Gesinnung, außerhalb seines Heimatlandes befinde. Es sei somit schon allein auf Grund des Umstandes, daß der Beschwerdeführer sich die mit Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich vom 25. Juni 1980 erfolgte aufrechte Erledigung seines Asylantrages erschlichen habe, die Wiederaufnahme des gegenständlichen Verfahrens gemäß § 69 Abs. 3 letzter Satz in Verbindung mit Abs. 1 lit. a gerechtfertigt. Auf Grund des weiteren, durch amtliche tschechoslowakische Urkunden bewiesenen Umstandes, daß der Beschwerdeführer in seiner Heimat mehrfach wegen strafbarer Handlungen nach dem "gemeinen Recht" verurteilt worden sei und daß der drohende Strafvollzug die offensichtliche Ursache für seine Flucht aus seiner Heimat gewesen sei, sei die weitere Feststellung gerechtfertigt gewesen, der Beschwerdeführer sei nicht Flüchtling im Sinne der Genfer Konvention. Der Beschwerdeführer werde nämlich dringend verdächtigt, in Gesellschaft mit drei weiteren tschechoslowakischen Staatsangehörigen einen Raubmord begangen zu haben (siehe auch Beschluß des Oberlandesgerichtes Wien vom 29. Mai 1984). Gemäß Kapitel 1 Artikel 1 Abschnitt F lit. b der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 55/1955 in der geltenden Fassung, sei jedoch die Genfer Konvention auf jene Personen nicht anzuwenden, hinsichtlich derer ernsthafte Gründe für den Verdacht bestehen, daß sie, bevor sie als Flüchtlinge in das Gastland zugelassen worden seien, ein schweres nichtpolitisches Verbrechen begangen haben. Die belangte Behörde sei überzeugt, daß die von den tschechoslowakischen Behörden vorgelegten Unterlagen geeignet seien, ernsthafte Gründe für den Verdacht darzustellen, der Beschwerdeführer könnte die ihm im tschechoslowakischen Auslieferungsbegehren zur Last gelegten Taten tatsächlich begangen haben. Es sei unglaubwürdig, daß das Auslieferungsbegehren auf Grund unterschobener Unterlagen von den tschechoslowakischen Behörden nur gestellt worden sei, um seiner zum Zweck politischer Verfolgung habhaft zu werden. Die Verantwortung, der Beschwerdeführer hätte als ehemaliger Offizier einer Bodenraketeneinheit Kenntnis geheimzuhaltender militärischer Einrichtungen in seinem Heimatland gehabt, sei nicht geeignet, eine gegen den Beschwerdeführer gerichtete politisch motivierte Verfolgung glaubhaft erscheinen zu lassen. Dagegen spreche insbesondere, daß der Beschwerdeführer in der erwähnten Raketeneinheit lediglich bis zum Jahre 1969 eine - relativ unbedeutende - Position innegehabt habe, daß seine damals erworbenen Kenntnisse auf Grund des seither erfolgten Zeitablaufes als überholt zu gelten hätten und daß die tschechoslowakischen Behörden ihm, wenn er tatsächlich ein Geheimnisträger gewesen wäre, keineswegs die Bewilligung gegeben hätten, als Taxifahrer zu arbeiten, weil ein solcher Beruf wegen der mit seiner Ausübung verbundenen häufigen Kontakten mit fremden Personen für einen Geheimnisträger ungeeignet sei. Weitere plausible Gründe für eine politische Motivation des von den tschechoslowakischen Behörden gestellten Auslieferungsbegehrens seien vom Beschwerdeführer nicht vorgebracht worden. Zu dem vom Beschwerdeführer in rechtlicher Hinsicht erhobenen Einwand, es sei in der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge keinerlei Bestimmung enthalten, die eine Aberkennung der Flüchtlingseigenschaft nach einer Wiederaufnahme des Verfahrens rechtfertigen würde, sei zu erwidern, daß im Zuge des Asylverfahrens bei der Anwendung der Genfer Konvention in verfahrensrechtlicher Hinsicht das Allgemeine Verwaltungsverfahrensgesetz 1950, insbesondere § 69, Geltung hätten, wonach die Erschleichung einer Entscheidung durch ein falsches Zeugnis (worunter auch das bewußte Verschweigen wesentlicher Umstände falle) im Zuge einer amtswegigen Wiederaufnahme des Verfahrens releviert werden könne. In rechtlicher Hinsicht sei bei Beurteilung des vorliegenden Sachverhaltes davon auszugehen, daß aus den oben angeführten Erwägungen eine Wiederaufnahme des Verwaltungsverfahrens gemäß § 69 Abs. 3 in Verbindung mit Abs. 1 lit. a AVG zulässig gewesen sei und daß die in Betracht zu ziehenden, bereits erfolgten Verurteilungen des Beschwerdeführers wegen krimineller Handlungen, welche durch amtliche tschechoslowakische Urkunden bewiesen worden seien, im Zusammenhang mit seiner offensichtlich wegen des bevorstehenden Strafvollzuges unter Verwendung eines gefälschten Passes erfolgten Flucht in das Bundesgebiet die Feststellung rechtfertigen, daß der Beschwerdeführer nicht Flüchtling im Sinne der Genfer Konvention sei; auf Grund des neu hervorgekommenen gegen ihn "erhobenen" Verdachtes der Teilnahme an einem Mord, welcher durch zahlreiche Zeugenaussagen erhärtet werde, sei sohin gemäß Kapitel 1, Artikel1 Abschnitt F lit. b der Konvention dieses Vertragswerk auf ihn nicht anzuwenden. Der vom Beschwerdeführer vorgebrachten angeblichen Unterlassung der Anhörung des Hochkommissars für Flüchtlingswesen im Zuge des wiederaufgenommenen Verfahrens erster Instanz sei zu erwidern, daß der Hochkommissar vom Sachverhalt vor Erlassung des angefochtenen Bescheides ausführlich informiert und gehört worden sei. Dies ergebe sich schlüssig aus dem Vorliegen einer Stellungnahme vom 9. Mai 1985. Ein diesbezüglicher Mangel sei somit im Zuge des Berufungsverfahrens jedenfalls saniert worden.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde. Der Beschwerdeführer erachtet sich nach dem Beschwerdevorbringen in seinem Recht auf Nichtanwendung des § 69 AVG 1950 verletzt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 69 Abs. 1 lit. a AVG 1950 ist dem Antrag einer Partei auf Wiederaufnahme eines durch Bescheid abgeschlossenen Verfahrens stattzugeben, wenn ein Rechtsmittel gegen den Bescheid nicht oder nicht mehr zulässig ist und der Bescheid durch Fälschung einer Urkunde, falsches Zeugnis oder eine andere strafbare Handlung herbeigeführt oder sonst wie erschlichen worden ist. Unter der Voraussetzung des Abs. 1 kann die Wiederaufnahme des Verfahrens auch von Amts wegen verfügt werden. Nach Ablauf von drei Jahren nach Erlassung des Bescheides kann die Wiederaufnahme auch von Amts wegen nur mehr aus den Gründen des Abs. 1 lit. a stattfinden.
Der Beschwerdeführer bestreitet nicht, daß das Allgemeine Verwaltungsverfahrensgesetz 1950 von den Behörden des Verwaltungsverfahrens im Asylverfahren anzuwenden war, doch dürfe dies nur insoweit erfolgen, als nicht materiell-rechtliche Bestimmungen in anderen Gesetzen oder Übereinkünften jenen entgegenstünden oder sie außer Wirksamkeit setzten. Wenn im Punkt C des Artikels 1 des Kapitels 1 der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, aufgezählt werde, unter welchen Bedingungen eine Person des Abschnittes A ihre Flüchtlingseigenschaft verlieren könne, so sei dies eine Bestimmung, die als Spezialnorm und gegenüber dem Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetz 1950 als dem nachfolgende Gesetz diesem auf jeden Fall derogiere, insoweit die Textstellen etwas anderes vorschrieben. Aus dem Umkehrschluß ergebe sich, daß die Bestimmungen über die Wiederaufnahme nach § 69 AVG 1950 nur dann angewendet werden könnten, wenn Umstände vorlägen, welche auch nach den erwähnten Bestimmungen der Konvention den Ausspruch über den Verlust der Flüchtlingseigenschaft nach der Konvention mit sich brächten. § 69 Abs. 2 und 3 AVG 1950 verletzten das B-VG im Gleichheitsgrundsatz, weil die Behörde auch drei Jahre nach Rechtskraft eines Bescheides die Aufhebung neu verfügen könne, nicht aber die Partei. Es werde daher eine Anfechtung dieser Gesetzesbestimmungen beim Verfassungsgerichtshof angeregt.
Beim Verwaltungsgerichtshof sind hinsichtlich der dargelegten unterschiedlichen Befristungen keine verfassungsrechtlichen Bedenken aufgetreten. Entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers wird unter Artikel 1, Abschnitt C der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 55/1955, nur bestimmt, daß dieses Abkommen auf eine Person, die die in diesem Abschnitt angeführten Fälle erfüllt, nicht mehr angewendet werden wird. Daraus ergibt sich nur, daß eine solche Person des in der Konvention festgelegten Rechtsschutzes bereits verlustig wird, ohne daß es einer Wiederaufnahme des Verfahrens bedarf; das gleiche gilt auch zufolge § 3 Asylgesetz 1968, BGBl. Nr. 126, für den Abschnitt F lit. a und c; es genügt bereits eine bloße Feststellung. Keinesfalls ergibt sich daraus, daß im gesamten Asylverfahren § 69 AVG 1950 nicht angewendet werden dürfe. Der vom Beschwerdeführer angestellte Umkehrschluß ist nicht berechtigt, abgesehen davon, daß im vorliegenden Fall Abschnitt F lit. b conv. cit. von der belangten Behörde herangezogen wurde. Darnach sind die Bestimmungen dieses Abkommens auf Personen nicht anwendbar, hinsichtlich derer ersthafte Gründe für den Verdacht bestehen, daß sie, bevor sie als Flüchtling in das Gastland zugelassen wurden, ein schweres, nicht politisches Verbrechen begangen haben.
Der Beschwerdeführer bestreitet in der Beschwerde nicht, trotz Aufforderung bei seiner Vernehmung zu seinem Antrag im Jahre 1980 seine gerichtlichen Bestrafungen wegen Betruges und Diebstahles verschwiegen zu haben; er vertritt allerdings die Ansicht, dies könne nicht unter §69 Abs. 1 lit. a AVG 1950 subsumiert werden. Das Tatbild des Erschleichens setze voraus, es müsse der Bescheid in einer Art zustande gekommen sein, daß die Partei vor der Behörde objektiv unrichtige Angaben von wesentlicher Bedeutung mit Irreführungsabsicht gemacht habe und diese unrichtigen Angaben dann dem Bescheid zu Grunde gelegt worden seien, wobei das Verschweigen wesentlicher Umstände unrichtigen Angaben gleichzusetzen sei (vgl. Verwaltungsgerichtshoferkenntnis vom 1. März 1972, Zl. 1995/71). Dieser Wiederaufnahmegrund ist, wie die belangte Behörde zutreffend erkannt hat, im vorliegenden Fall gegeben. Die Wiederaufnahme des vom Beschwerdeführer beantragten Asylverfahrens erfolgte daher zu Recht.
Der Beschwerdeführer bestreitet auch, daß im Sinne der Konvention ernsthafte Gründe für den Verdacht bestünden, er hätte vor Betreten des Gastlandes ein schweres nicht politisches Verbrechen begangen. Er hat aber nicht dargelegt, warum jene Gründe nicht gegeben seien. Der Verwaltungsgerichtshof ist auf Grund des von der belangten Behörde, insbesondere durch die Einsicht in die Gerichtsakten festgestellten Sachverhaltes ebenfalls der Ansicht, daß zufolge der nicht bestrittenen Verurteilung wegen Betruges und Diebstahles ernsthafte Gründe des Verdachtes im Sinne des Artikel 1 Abschnitt F lit. b der mehrfach erwähnten Konvention vorliegen, ganz abgesehen von den im Beschluß des Oberlandesgerichtes Wien vom 29. Mai 1984 dargelegten Verdächtigungen. Die von der belangten Behörde getroffene Feststellung ist daher nicht rechtswidrig.
Der Beschwerdeführer erblickt schließlich einen Verfahrensfehler darin, daß ihm die Stellungnahme des Hochkommissärs für das Flüchtlingswesen vom 9. Mai 1985 nicht zur Kenntnis gebracht und auch nicht auf diese Stellungnahme im angefochtenen Bescheid eingegangen worden sei, obwohl darin zum Ausdruck komme, daß zufolge von in den Akten enthaltenen "Unklarheiten" die seinerzeitige Feststellung der Flüchtlingseigenschaft des Beschwerdeführers nicht zu Unrecht erfolgt sei. Die belangte Behörde hätte in Richtung der "Unklarheiten" das Ermittlungsverfahren ergänzen müssen.
Gemäß § 9 Abs. 1 Asylgesetz 1968, BGBl. Nr. 126, ist dem Büro des Hochkommissärs der Vereinten Nationen für Flüchtlinge von der Einleitung eines Feststellungsverfahrens nach den §§ 2, 3 oder 4 unverzüglich Mitteilung zu machen. Nach Abs. 2 des § 9 steht dem Hochkommissär der Vereinten Nationen für die Flüchtlinge oder einem von ihm namhaft gemachten Vertreter das Recht zu, während der Dauer des Feststellungsverfahrens jederzeit mit dem Asylwerber persönlich oder schriftlich in Verbindung zu treten. Nach § 9 Abs. 3 leg. cit. kommt Parteistellung in einem Feststellungsverfahren nach den §§ 2, 3 oder 4 dem Hochkommissär der Vereinten Nationen für Flüchtlinge nicht zu, doch ist er vor der Erlassung des Feststellungsbescheides anzuhören.
Abgesehen davon, daß aus diesen Bestimmungen nicht hervorgeht, dem Hochkommissär stünde in einem von Amts wegen durchzuführenden Wiederaufnahmeverfahren ein Anhörungsrecht zu, hätte die belangte Behörde angesichts der zuvor aufgezeigten Rechtslage weder durch die Wahrung des Parteiengehörs noch durch weitere Ermittlungen darüber, was unter "Unklarheiten" zu verstehen sei, zu einem anderen Bescheid kommen können;
Da die Beschwerde sich sohin als unbegründet erweist, war sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
Von der beantragten Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG abgesehen werden.
Da bereits in der Sache selbst eine Entscheidung getroffen worden ist, erübrigte es sich über den Antrag, der Beschwerde aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, gesondert zu entscheiden.
Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 und 48 Abs. 2 VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers vom 30. Mai 1985, BGBl. Nr. 243.
Wien, am 24. September 1986
Schlagworte
ParteiengehörEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1986:1986010110.X00Im RIS seit
16.03.2022Zuletzt aktualisiert am
16.03.2022