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001 Verwaltungsrecht allgemein;Norm
HauptwohnsitzG 1994 Art8 Z1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Leukauf und die Hofräte Dr. Waldner, Dr. Bernard, Dr. Graf und Dr. Gall als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Simetzberger, über die Beschwerde des R in F (Italien), vertreten durch Dr. W, Rechtsanwalt in B, gegen den Bescheid des Militärkommandos Vorarlberg vom 12. März 1994, Zl. W/66/01/02/24, betreffend Einberufung zum Grundwehrdienst, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.890,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem angefochtenen Bescheid wurde der Beschwerdeführer gemäß § 35 Wehrgesetz 1990 zur Ableistung des Grundwehrdienstes ab 4. Juli 1994 einberufen.
In seiner Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof macht der Beschwerdeführer Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften sowie Rechtswidrigkeit des Inhaltes des angefochtenen Bescheides geltend; er beantragt dessen kostenpflichtige Aufhebung. Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde begehrt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Der Beschwerdeführer bringt vor, er besitze die italienische und die österreichische Staatsbürgerschaft und habe seinen ordentlichen Wohnsitz in Italien, wo er auch aufgewachsen sei und studiert habe. In Österreich halte er sich gegenwärtig lediglich zu Ausbildungszwecken auf. Als Doppelstaatsbürger sei er gemäß Art. 6 des Übereinkommens über die Verminderung der Fälle mehrfacher Staatsangehörigkeit und über die Militärdienstpflicht in Fällen mehrfacher Staatsangehörigkeit, BGBl. Nr. 471/1975, zur Leistung des Militärdienstes jenem Staat gegenüber verpflichtet, in dessen Hoheitsgebiet er seinen ordentlichen Wohnsitz habe. In dieser Frage habe die belangte Behörde weder Ermittlungen angestellt noch Feststellungen getroffen. Damit sei der angefochtene Bescheid mit wesentlichen Verfahrensmängeln behaftet.
Gemäß Art. 5 Abs. 1 des vorhin genannten Staatsvertrages braucht, wer die Staatsangehörigkeit von zwei oder mehreren Vertragsparteien besitzt, seine Militärdienstpflicht nur gegenüber einer dieser Vertragsparteien zu erfüllen. Nach Art. 6 Abs. 1 dieses Staatsvertrages ist der Betreffende gegenüber derjenigen Vertragspartei zur Leistung des Militärdienstes verpflichtet, in deren Hoheitsgebiet er seinen ordentlichen Wohnsitz hat.
Auf dem Boden dieser Rechtslage ist im Beschwerdefall entscheidend, ob der Beschwerdeführer seinen ordentlichen Wohnsitz in Österreich (wovon offenbar die belangte Behörde ausgegangen ist) oder - was der Beschwerdeführer behauptet - in Italien hat. (Bemerkt sei, daß der Begriff "ordentlicher Wohnsitz" im besagten Staatsvertrag nicht durch den Begriff "Hauptwohnsitz" ersetzt wurde, da dies durch Art. VIII Z. 1 des Hauptwohnsitzgesetzes, BGBl. Nr. 505/1994, nur für Bundesgesetze vorgesehen ist.) Der angefochtene Bescheid enthält keine wie immer geartete Begründung, obwohl laut Beschwerde der belangten Behörde der gegenteilige Standpunkt des Beschwerdeführers in der Wohnsitzfrage bekannt war. Damit ist - abgesehen von dem in der Beschwerde zu Recht gerügten Fehlen des Parteiengehörs zu den wesentlichen Sachverhaltselementen - offengeblieben, aus welchen Feststellungen die belangte Behörde den Schluß gezogen hat, der Beschwerdeführer habe seinen ordentlichen Wohnsitz in Österreich (und nicht in Italien), und aus welchen Erwägungen sie zu den betreffenden Feststellungen gelangt ist. Dieser Mangel des angefochtenen Bescheides kann durch die Ausführungen in der Gegenschrift nicht saniert werden. Nach § 41 Abs. 1 VwGG hat der Verwaltungsgerichtshof den angefochtenen Bescheid auf Grund des von der belangten Behörde angenommenen Sachverhaltes zu prüfen. Es ist daher nicht Aufgabe des Verwaltungsgerichtshofes, anstelle der belangten Behörde erstmals den zwischen den Parteien strittigen maßgebenden Sachverhalt zu klären. Der angefochtene Bescheid ist mit Verfahrensmängeln behaftet, bei deren Vermeidung die belangte Behörde zu dem Ergebnis hätte kommen können, daß ein Einberufungsbefehl nicht zulässig ist.
Aus diesem Grund war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1996:1994110164.X00Im RIS seit
11.07.2001