Index
L37158 Anliegerbeitrag Aufschließungsbeitrag Interessentenbeitrag VorarlbergNorm
AVG §8Beachte
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Thoma und die Hofrätin Mag. Rehak sowie den Hofrat Mag. Haunold als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Kovacs, in den Revisionssachen 1. des Dr. C G und 2. der Dipl. Päd. I G, beide in D, beide vertreten durch Dr. Christoph Ganahl, Rechtsanwalt in 6850 Dornbirn, Schwefel 93/7, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Vorarlberg vom 25. November 2021, LVwG-318-37/2021-R19, betreffend Einwendungen gegen ein Bauvorhaben (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bürgermeisterin der Stadt Dornbirn; mitbeteiligte Partei: F J S in D; weitere Partei: Vorarlberger Landesregierung), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
2 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.
3 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
4 Mit dem angefochtenen Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Vorarlberg (im Folgenden: Verwaltungsgericht) wurde der Beschwerde der revisionswerbenden Parteien gegen den Bescheid der Bürgermeisterin der Stadt D. vom 17. Februar 2021, mit welchem dem Mitbeteiligten unter anderem eine Ausnahme von den vorgeschriebenen Abstandsflächen und Abständen (auch) gegenüber dem Grundstück der revisionswerbenden Parteien sowie die Baubewilligung für die Errichtung einer Wohnung auf dem bestehenden Flachdach eines Gebäudes auf einem näher bezeichneten Grundstück erteilt worden waren, keine Folge gegeben und der angefochtene Bescheid unter Bezugnahme auf die geänderten Planunterlagen bestätigt. Gleichzeitig wurde ausgesprochen, dass gegen dieses Erkenntnis eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof unzulässig sei.
5 Begründend hielt das Verwaltungsgericht im Wesentlichen fest, dass bereits das bestehende Gebäude „die Abstände zu den Nachbargrundstücken“ nicht einhalte, weshalb zu prüfen gewesen sei, ob für das gegenständliche Bauvorhaben die Voraussetzungen für die Erteilung einer Abstandsnachsicht gemäß § 7 Abs. 1 lit. c Baugesetz - BauG vorlägen. Die geplante Freitreppe sei als untergeordneter Bauteil anzusehen, der im Sinn des § 5 Abs. 3 BauG bei der Berechnung des Schattenpunktes nicht zu berücksichtigen sei, weshalb die Schattenpunkte durch die geplante Änderung des bestehenden Gebäudes nicht tiefer in das Nachbargrundstück der revisionswerbenden Parteien hineinragten. Der Abstand des bestehenden Gebäudes zur Liegenschaft der revisionswerbenden Parteien betrage 3,45 m und halte damit die Mindestabstände gemäß § 6 BauG ein. Für die als untergeordneter Bauteil im Sinn des § 5 Abs. 5 lit. c BauG anzusehende Freitreppe genüge gemäß § 6 Abs. 2 lit. b BauG ein Mindestabstand von 2 m, welcher im gegenständlichen Fall eingehalten werde. Eine Abstandsnachsicht nach § 7 Abs. 1 lit. f BauG hätte im gegenständlichen Fall mangels wesentlicher Änderung der Verwendung des bestehenden Gebäudes nicht erteilt werden müssen, die revisionswerbenden Parteien seien dadurch allerdings nicht in ihren subjektiv-öffentlichen Rechten verletzt. Zum Vorbringen der revisionswerbenden Parteien, wonach die Erschließung der gegenständlichen Wohneinheit über die Außentreppe erfolgen werde, welche somit die Anforderungen an eine Haupttreppe zu erfüllen habe, verwies das Verwaltungsgericht zum einen darauf, dass es sich dabei nicht um ein subjektiv-öffentliches Nachbarrecht handle, und hielt zum anderen fest, dass es sich beim Baubewilligungsverfahren um ein Projektgenehmigungsverfahren handle, in welchem die Verwaltungssache durch den Antrag des Bewilligungswerbers bestimmt werde.
6 In der Zulässigkeitsbegründung der vorliegenden Revision bringen die revisionswerbenden Parteien zunächst vor, § 7 Abs. 1 lit. c BauG normiere, dass die bisherigen Abstände nicht unterschritten werden dürften. Die seitens des Verwaltungsgerichtes vertretene Rechtsansicht, wonach bereits das Einhalten der Mindestabstände für eine Abstandsnachsicht nach § 7 Abs. 1 lit. c BauG ausreichen solle, finde im Gesetzeswortlaut keine Deckung. Dazu liege noch keine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes vor.
7 Weiters weiche das angefochtene Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, da es außer Acht lasse, dass das beabsichtigte Bauvorhaben in Bezug auf die Außentreppe offenkundig von den tatsächlichen Gegebenheiten abweiche. Wenn das Verwaltungsgericht die Ausmaße einer Haupttreppe vorgesehen hätte, hätte es sich dabei nicht mehr um einen untergeordneten Bauteil gehandelt und hätte in weiterer Folge die erforderliche Abstandsnachsicht nicht erteilt werden können, weshalb es sehr wohl ein Nachbarrecht darstelle, wie die Außentreppe auszugestalten ist. Auch zu dieser Frage fehle es an Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes.
8 Zudem widerspreche das angefochtene Erkenntnis der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch insofern, als die von der Baubehörde zusätzlich herangezogene Abstandsnachsicht nach § 7 Abs. 1 lit. f BauG keine taugliche Grundlage für die erforderliche Abstandsnachsicht für das gesamte Gebäude bilde, da in diesem Fall auch die Voraussetzungen einer anderen litera des § 7 Abs. 1 BauG erfüllt sein müsse, was im vorliegenden Fall, da § 7 Abs. 1 lit. c BauG nicht in Frage kommen könne, nicht der Fall sei.
Mit diesem Vorbringen wird keine Rechtsfrage dargetan, der grundsätzliche Bedeutung im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG zukäme.
9 Zunächst ist festzuhalten, dass dann, wenn die Rechtslage nach den in Betracht kommenden Normen klar und eindeutig ist, eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht vorliegt, und zwar selbst dann nicht, wenn zu einer der anzuwendenden Normen noch keine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ergangen ist (vgl. etwa VwGH 1.8.2019, Ra 2019/06/0130 und 0131, mwN).
10 Dies ist hier der Fall: § 7 Abs. 1 lit. c BauG regelt jene Fälle, in denen die Behörde unter anderem bei Änderungen eines rechtmäßig bestehenden Bauwerkes Ausnahmen von den Vorschriften des § 5 Abs. 1 bis 6 sowie des § 6 Abs. 1 bis 3 BauG zulassen kann. Werden die in § 6 Abs. 1 bis 3 BauG normierten Mindestabstände jedoch eingehalten, ist eine entsprechende Ausnahmebewilligung naturgemäß nicht erforderlich; die in § 7 Abs. 1 lit. c BauG enthaltene Regelung bezieht sich somit nur auf jene Fälle, in denen (unter anderem) der Mindestabstand nicht eingehalten wird (vgl. auch Germann/Fleisch, Das Vorarlberger Baugesetz4, S 79 letzter Absatz); dieser ohnehin bereits unterschrittene Mindestabstand soll durch die baulichen Änderungen nicht noch weiter verringert werden. Im Revisionsfall werden die Mindestabstände den insoweit unbestrittenen Feststellungen im angefochtenen Erkenntnis zufolge sowohl durch das 3,45 m von der Grundgrenze zu den revisionswerbenden Parteien entfernte Gebäude (vgl. § 6 Abs. 1 lit. a BauG) als auch durch die 2 m von dieser Grundgrenze entfernte Freitreppe (vgl. § 6 Abs. 2 lit. b BauG) eingehalten. Mangels Unterschreitung der Mindestabstände zur Grundgrenze zu den revisionswerbenden Parteien ist daher insofern keine Ausnahmebewilligung erforderlich. Die von den revisionswerbenden Parteien offenbar vertretene Rechtsansicht, wonach allenfalls bestehende, größere Abstände im Fall der Änderung eines bestehenden Gebäudes nicht bis auf die gesetzlich vorgesehenen Mindestabstände verringert werden dürften, findet im Gesetzeswortlaut somit keine Deckung.
11 Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes wird den an die gesetzmäßige Ausführung der Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gestellten Anforderungen nicht entsprochen, wenn die revisionswerbende Partei bloß allgemein behauptet, das Verwaltungsgericht sei von höchstgerichtlicher Rechtsprechung abgewichen, ohne konkret bezogen auf den Sachverhalt unter Angabe zumindest einer nach Datum und Geschäftszahl bezeichneten Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes darzutun, von welcher hg. Rechtsprechung ihrer Ansicht nach das Verwaltungsgericht in welchen Punkten abgewichen sein soll (vgl. etwa VwGH 2.5.2019, Ra 2019/05/0059, mwN). Mit der in der Zulässigkeitsbegründung enthaltenen bloßen Behauptung, das angefochtene Erkenntnis weiche von der - nicht näher bezeichneten - Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, wird die Begründung für die Zulässigkeit der Revision somit nicht gesetzmäßig ausgeführt.
12 Im Übrigen ist durch die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bereits ausreichend klargestellt, dass es sich beim Baubewilligungsverfahren um ein Projektgenehmigungsverfahren handelt, in dem das in den Einreichplänen und sonstigen Unterlagen dargestellte Projekt zu beurteilen ist, wobei der in den Einreichplänen und den Baubeschreibungen zum Ausdruck gebrachte Bauwille des Bauwerbers entscheidend ist. Eine Beeinträchtigung der Nachbarrechte ist daher nur anhand des in den Einreichplänen dargestellten Projektes zu beurteilen, und es kommt in diesem Verfahren nicht darauf an, welcher tatsächliche Zustand besteht oder ob die Bauausführung tatsächlich anders erfolgt, als im beantragten Projekt angegeben ist (vgl. VwGH 26.4.2017, Ro 2014/05/0051 und 0058, mwN). Es kommt daher im Baubewilligungsverfahren auch nicht darauf an, ob die Absicht zu vermuten ist, dass das Projekt anders errichtet oder verwendet werden soll als eingereicht. Im Fall einer nicht bewilligten Ausführung oder Verwendung des Projektes wäre gegebenenfalls mit baupolizeilichen Aufträgen und Strafen vorzugehen. Im Baubewilligungsverfahren kann, angesichts der alleinigen Maßgeblichkeit der Einreichunterlagen, eine eventuell illegale Ausführung oder zukünftige Verwendung jedoch keine Rolle spielen (vgl. VwGH 27.2.2015, 2012/06/0049). Ein subjektiv-öffentliches Recht auf Abänderung des Projektes steht den Nachbarn demnach nicht zu.
13 Das weitere Vorbringen in der Zulässigkeitsbegründung, wonach § 7 Abs. 1 lit. f BauG keine taugliche Grundlage für die erforderliche Abstandsnachsicht für das gesamte Gebäude bilde, ist für das rechtliche Schicksal der vorliegenden Revision nicht entscheidend, weil das Verwaltungsgericht davon ausgegangen ist, dass eine Abstandsnachsicht nach § 7 Abs. 1 lit. f BauG nicht erforderlich sei, da es zu keiner wesentlichen Änderung der Verwendung des bestehenden Gebäudes komme. Die revisionswerbenden Parteien treten diesen Ausführungen des Verwaltungsgerichtes in ihrer Zulässigkeitsbegründung nicht entgegen.
Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG zurückzuweisen.
Wien, am 21. Februar 2022
Schlagworte
Baurecht Nachbar Nachbarrecht Nachbar Anrainer Grundnachbar subjektiv-öffentliche Rechte, Abstandsvorschriften BauRallg5/1/1 Nachbarrecht Nachbar Anrainer Grundnachbar subjektiv-öffentliche Rechte, Vorschriften, die keine subjektiv-öffentliche Rechte begründen BauRallg5/1/9European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2022:RA2022060013.L00Im RIS seit
16.03.2022Zuletzt aktualisiert am
18.03.2022