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L82007 Bauordnung TirolNorm
BauO Tir 2011 §39 Abs7 litaBetreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Thoma und die Hofrätin Mag. Rehak sowie den Hofrat Mag. Haunold als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Kovacs, in der Revisionssache des Bürgermeisters der Gemeinde Galtür, vertreten durch Dr. Klaus Nuener, Rechtsanwalt in 6020 Innsbruck, Anichstraße 40, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Tirol vom 19. April 2018, LVwG-2016/42/1094-7, betreffend eine Angelegenheit nach der Tiroler Bauordnung (mitbeteiligte Parteien: 1. K GmbH in G, vertreten durch die Likar Rechtsanwälte GmbH in 8010 Graz, Pestalozzistraße 1/II/13, 2. M H B, 3. S K, 4. M R, 5. L J H, 6. T R H, 7. R N, 8. L G, 9. L T, 10. U K P, 11. L J P, 12. B V, 13. S E, 14. C G C F, 15. I M W N, 16. Dr. D G P, 17. R K, 18. G H, 19. T H, 20. M S G, 21. O C G, 22. T M J, 23. S K J, 24. M F M B, 25. A H J R und 26. S F, alle vertreten durch MMag. Dr. Erich Lackner, Rechtsanwalt in 6020 Innsbruck, Heiliggeiststraße 11; weitere Partei: Tiroler Landesregierung), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Die Gemeinde Galtür hat der erstmitbeteiligten Partei Aufwendungen in der Höhe von € 1.106,40 sowie den zweit- bis 26.-mitbeteiligten Parteien Aufwendungen in der Höhe von insgesamt € 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
1 Mit dem angefochtenen Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Tirol (LVwG) wurde der von den mitbeteiligten Parteien gegen den Bescheid des Bürgermeisters der Gemeinde Galtür (Revisionswerber) vom 29. März 2016 erhobenen Beschwerde Folge gegeben und der Bescheid behoben. Die ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof wurde für unzulässig erklärt.
2 Mit dem erwähnten Bescheid der revisionswerbenden Behörde vom 29. März 2016 war unter Spruchpunkt I. nach der Tiroler Bauordnung 2011 (TBO 2011) der Erstmitbeteiligten als Eigentümerin der baulichen Anlage auf Grundstück X, KG G., aufgetragen worden, die zur Herstellung des gesetzmäßigen Zustandes erforderlichen Maßnahmen, nämlich den Rückbau der im Erdgeschoß widerrechtlich errichteten Wohn- und Schlafräume und Wiederherstellung des Frühstücksraumes und somit die Herstellung des der Baubewilligung entsprechenden Zustandes, binnen einer Frist von acht Wochen ab Rechtskraft dieses Bescheides durchzuführen.
3 Unter Spruchpunkt II. des Bescheides vom 29. März 2016 war gemäß § 39 Abs. 6 lit. g TBO 2011 den mitbeteiligten Parteien als Benützer der baulichen Anlage auf Grundstück X, KG G., welchen die Zusage der Einräumung des Wohnungseigentums gemäß § 40 Abs. 2 WEG grundbücherlich eingeräumt worden sei, die weitere Benützung der ihnen zur Benützung weitergegebenen Wohnungen untersagt worden.
4 Das LVwG stellte dazu fest, die Erstmitbeteiligte sei grundbücherliche Alleineigentümerin des bebauten Grundstücks X. Den zweit- bis 26.-mitbeteiligten Parteien sei durch Anwartschaftsverträge die Einräumung von Wohnungseigentum gemäß § 40 Abs. 2 WEG zugesagt und die Wohnungen daraufhin auch übergeben worden (wobei jedem Anwärter auf Wohnungseigentum eine bestimmte Wohnung zugeordnet worden sei).
5 Das Bauvorhaben „S. R“ auf Grundstück X sei baulich gemäß den Baubewilligungen des Bürgermeisters der Gemeinde Galtür vom 21. Februar 2014 und vom 11. Jänner 2016 ausgeführt. Die im ursprünglichen Bauansuchen als Frühstücksraum und im Tekturplan als drei Frühstücksräume im Erdgeschoss eingezeichneten Räume seien ab Dezember 2015 als weitere Ferienwohnung genützt worden. Der genehmigte Verwendungszweck der genannten baulichen Anlage sei „Hotel“ (Gewerbe/Industrie). Die Fertigstellungsmeldung sei zum 8. Februar 2016 erfolgt.
6 Nach näherer Beschreibung der Räumlichkeiten der „S. R“ sowie den Ausführungen, wonach „S. R“ nunmehr aus insgesamt 18 Wohnungen bestehe, wobei die Wohnung Top 16 von der Betreiberfamilie T. selbst ganzjährig bewohnt werde, und es sich bei den übrigen Ferienwohnungen um sechs Drei-Doppel-Schlafzimmer Appartements und um elf Zwei-Doppel-Schlafzimmer Appartements handle, hielt das LVwG fest, dass für die im Erdgeschoss errichtete zusätzliche Ferienwohnung (unter anderem anstelle der Frühstücksräume 1 - 3) keine baulichen Maßnahmen erforderlich gewesen seien, weil insbesondere Nasszellen bereits im ursprünglichen Bauplan als auch im Tekturplan vorhanden gewesen und dementsprechend ausgeführt worden seien.
7 Diese Nutzungsänderung sei der revisionswerbenden Behörde seitens des Rechtsvertreters der Erstmitbeteiligten mit (im angefochtenen Erkenntnis wörtlich wiedergegebenem) Schreiben vom 18. Februar 2016 mitgeteilt worden. Auf diese Bauanzeige habe die revisionswerbende Behörde nicht weiter reagiert. Sie habe jedoch den beim LVwG in Beschwerde gezogenen Bescheid vom 29. März 2016 erlassen.
8 Gegenwärtig finde eine gewerbliche Nutzung der „S. R“ statt. Insgesamt würden ausnahmslos alle 17 Ferienwohnungen vermietet (wird näher beschrieben).
9 In seinen rechtlichen Erwägungen hielt das LVwG mit näherer Begründung fest, es teile die Rechtsansicht der revisionswerbenden Behörde, dass aufgrund der Nutzung der ursprünglich vorgesehenen Frühstücksräume als weitere Ferienwohnung eine Verwendungszweckänderung vorliege, die gemäß § 21 Abs. 1 lit. c TBO 2011 (in weiterer Folge § 28 Abs. 1 lit. c TBO 2018, LGBl. Nr. 28/2018) baubewilligungspflichtig sei.
10 Der in Spruchpunkt I. des Bescheides vom 29. März 2016 der Erstmitbeteiligten erteilte baupolizeiliche Auftrag nach § 39 Abs. 7 lit. a TBO 2011 sei jedoch verfehlt. Baupolizeiliche Aufträge nach § 39 Abs. 7 lit. a TBO 2011 setzten voraus, dass ein Bauvorhaben nach § 21 Abs. 3 TBO 2011 vorliege. Unter Bauvorhaben nach § 21 Abs. 3 TBO 2011 fielen verschiedene bauliche Maßnahmen (lit. a bis f leg. cit.), die weder einer Baubewilligung noch einer Bauanzeige bedürften. Die vorliegende Verwendungszweckänderung falle als baubewilligungspflichtige Maßnahme schon ex lege nicht darunter. Unabhängig davon wären auch nicht baubewilligungs- oder anzeigepflichtige Verwendungszweckänderungen begrifflich wohl nur schwer unter die Tatbestände des § 21 Abs. 3 lit. a bis f TBO 2011 subsumierbar. Spruchpunkt I. des Bescheides der revisionswerbenden Behörde sei schon deshalb zu beheben gewesen, weil er auf § 39 Abs. 7 lit. a TBO 2011 gestützt worden sei.
11 Im Übrigen liege zwischenzeitlich eine Baubewilligung für die Verwendungszweckänderung vor, die aufgrund des am 18. Februar 2016 eingebrachten, als Bauanzeige zu wertenden Schreibens des Rechtsvertreters der Erstmitbeteiligten „erreicht“ worden sei. Der Wille der Erstmitbeteiligten, nämlich die Anzeige der Verwendungszweckänderung aller drei in den Tekturplänen als Frühstücksräume bezeichneten Räume, sei eindeutig aus der Bauanzeige erkennbar.
12 Die revisionswerbende Behörde habe die angezeigte Verwendungszweckänderung nicht innerhalb von zwei Monaten als bewilligungspflichtig festgestellt oder etwa die Ausführung untersagt (Verweis auf § 23 Abs. 4 TBO 2011, in der Folge § 30 Abs. 4 TBO 2018). Ein baupolizeilicher Auftrag, wie er gegenständlich mit dem in Beschwerde gezogenen Bescheid ergangen sei, ersetze nicht einen nach § 23 Abs. 4 TBO 2011 erforderlichen normativen Abspruch. Über die Bewilligungspflicht der angezeigten Verwendungszweckänderung sei von der revisionswerbenden Behörde somit innerhalb der gesetzlich vorgesehenen Frist nicht in einer der Rechtskraft fähigen Weise abgesprochen worden.
13 Gemäß § 30 Abs. 6 lit. b TBO 2018 gelte die Erlaubnis zur Ausführung des Bauvorhabens als rechtskräftig erteilte Baubewilligung, wenn die Anzeige über die Bauvollendung nach dem 30. September 2015 erstattet und kein Antrag auf Feststellung der Bewilligungspflicht bis zum 30. September 2017 bei der Baubehörde eingebracht worden sei (Verweis auf § 30 Abs. 4 und 5 TBO 2018).
14 Gegenständlich sei die Bauvollendungsanzeige am 8. Februar 2016 und somit jedenfalls nach dem 30. September 2015 erfolgt. Ein Antrag auf Feststellung der Bewilligungspflicht finde sich im Bauakt der revisionswerbenden Behörde nicht. Eine Baubewilligung für die gegenständliche Verwendungszweckänderung liege daher mit der Erlaubnis zur Ausführung des Bauvorhabens, dem 18. April 2016, 24 Uhr (Ablauf der Zweimonatsfrist ab Einbringung der Bauanzeige am 18. Februar 2016) vor.
15 Hinsichtlich des Spruchpunktes II. des Bescheides der revisionswerbenden Behörde vom 29. März 2016 kam das LVwG mit näherer Begründung zum Ergebnis, dass gegenständlich keine Freizeitwohnsitze vorlägen und für eine Benützungsuntersagung nach der Tiroler Bauordnung kein Anlass bestehe, weshalb auch der genannte Spruchpunkt II. zu beheben gewesen sei.
16 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende Amtsrevision wegen Rechtswidrigkeit des Inhalts und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.
17 Nach Einleitung des Vorverfahrens durch den Verwaltungsgerichtshof erstatteten die Erstmitbeteiligte sowie die zweit- bis 26.-mitbeteiligten Parteien in zwei getrennten Schriftsätzen Revisionsbeantwortungen, in denen die Erstgenannte die kostenpflichtige Zurückweisung, in eventu Abweisung der Revision, die Letztgenannten die kostenpflichtige Zurückweisung der Revision beantragten.
18 Auch die Tiroler Landesregierung erstattete eine Revisionsbeantwortung.
19 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
20 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.
21 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
22 Nach § 34 Abs. 3 VwGG ist ein Beschluss nach Abs. 1 in jeder Lage des Verfahrens zu fassen.
23 In der Revision wird zu ihrer Zulässigkeit vorgebracht, das angefochtene Erkenntnis des LVwG weiche von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab. So bewirke nach dem hg. Erkenntnis vom 11. März 2016, Ra 2015/06/0043, eine Untersagung der Bauausführung im Sinne des § 23 Abs. 3 TBO 2011, wenn sie nicht in der gesetzlichen Frist erfolge, nicht, dass der Bauwerber einen baubehördlichen Konsens erreicht hätte. Nach dem hg. Erkenntnis vom 22. Februar 2012, 2011/06/0183, erwerbe ein Bauwerber, wenn er ein in Wahrheit baubewilligungspflichtiges Vorhaben zum Gegenstand einer Bauanzeige mache, durch das Verstreichen dieser Frist keinen behördlichen Konsens. Es werde zu § 23 TBO 2011 explizit ausgeführt, dass dem Schweigen der Behörde (Verstreichen der Frist von zwei Monaten) keine Bescheidqualität zukomme. Im Widerspruch dazu gehe das LVwG davon aus, dass eine Baubewilligung für die Verwendungszweckänderung mit Ablauf der Zweimonatsfrist ab Einbringung der Bauanzeige am 18. Februar 2016 vorliege.
24 Ferner habe die revisionswerbende Behörde mit dem bescheidmäßig erteilten Auftrag zur Herstellung des baurechtlichen Konsenses unmissverständlich zum Ausdruck gebracht, dass die Verwendungszweckänderung keine Zustimmung finde. Der Auftrag zur Herstellung des gesetzmäßigen Zustandes komme einer Untersagung gemäß § 23 Abs. 3 TBO 2011 gleich.
25 Darüber hinaus hätte das LVwG die Mitteilung der Erstmitbeteiligten vom 18. Februar 2016 wegen der offensichtlich beabsichtigten Mehrdeutigkeit der Formulierung nicht als Bauanzeige auslegen dürfen.
26 Schließlich sei im Zeitpunkt der Entscheidung des LVwG die TBO 2018 in Geltung. Nach § 30 Abs. 5 TBO 2018 bedürfe es für eine rechtskräftig erteilte Baubewilligung ex lege der Anzeige der Bauvollendung (§ 44 Abs. 3 TBO 2018). Das LVwG habe dazu keine Feststellung getroffen.
27 Dazu ist folgendes auszuführen:
28 Von der Amtsrevision wird in ihrer Zulässigkeitsbegründung die Beurteilung des LVwG im angefochtenen Erkenntnis, wonach die in Rede stehende, in der Nutzung der ursprünglich vorgesehenen Frühstücksräume als weitere Ferienwohnung bestehende Verwendungszweckänderung gemäß § 21 Abs. 1 lit. c TBO 2011 bzw. (in weiterer Folge) § 28 Abs. 1 lit. c TBO 2018 baubewilligungspflichtig sei, nicht in Zweifel gezogen.
29 Der Amtsrevisionswerber tritt darüber hinaus den Ausführungen des LVwG, wonach baupolizeiliche Aufträge nach § 39 Abs. 7 lit. a TBO 2011 das Vorliegen eines Bauvorhabens nach § 21 Abs. 3 TBO 2011 voraussetzten und die vorliegende Verwendungszweckänderung als baubewilligungspflichtige Maßnahme bereits ex lege nicht darunterfalle, nicht entgegen.
30 Da das angefochtene Erkenntnis somit hinsichtlich der Aufhebung des mit Spruchpunkt I. des Bescheides der revisionswerbenden Behörde vom 29. März 2016 erteilten Auftrags zur Herstellung des gesetzmäßigen Zustandes auf einer tragfähigen Alternativbegründung beruht, hinsichtlich derer Gründe im Sinn des § 28 Abs. 3 VwGG vom Revisionswerber nicht vorgebracht wurden (vgl. dazu etwa VwGH 19.6.2018, Ra 2018/06/0076, mwN), und die Zulässigkeitsbegründung der Revision ferner kein konkretes Vorbringen zu der mit dem angefochtenen Erkenntnis erfolgten Aufhebung des Spruchpunktes II. des Bescheides der revisionswerbenden Behörde vom 29. März 2016 (betreffend die Untersagung der Benützung von Wohnungen) enthält, erweist sich die Revision als unzulässig.
31 Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 und 3 VwGG wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-V zurückzuweisen.
32 Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG, insbesondere auf § 51 VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.
Wien, am 21. Februar 2022
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2022:RA2018060082.L00Im RIS seit
16.03.2022Zuletzt aktualisiert am
18.03.2022