Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Univ.-Prof. Dr. Bydlinski als Vorsitzenden sowie die Hofräte und die Hofrätin Mag. Wurzer, Mag. Dr. Wurdinger, Dr. Hofer-Zeni-Rennhofer und Dr. Parzmayr als weitere Richter in den verbundenen Rechtssachen der klagenden und widerbeklagten Parteien 1. C* (Klage zu AZ 7 Cg 12/18w, Widerklage zu AZ 4 Cg 12/18y), 2. N* und S* (Klage zu AZ 8 Cg 6/18w, Widerklage zu AZ 8 Cg 31/19y), 3. H* (Klage zu AZ 26 Cg 7/18z, Widerklage zu AZ 8 Cg 7/18t) und 4. F* (AZ 26 Cg 7/18x, Widerklage zu AZ 26 Cg 8/18x), alle vertreten durch die Niederhuber & Partner Rechtsanwälte GmbH, Wien, gegen die beklagte und widerklagende Partei Mag. A*, als Masseverwalter im Konkursverfahren über das Vermögen der K* KG (AZ 26 S 92/17z des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz), vertreten durch die Neger/Ulm Rechtsanwälte GmbH, Graz, und die Nebenintervenientin auf Seiten der beklagten Partei S* AG, *, vertreten durch die ScherbaumSeebacher Rechtsanwälte GmbH, Graz, wegen Beseitigung und Wiederherstellung (Klagen) und Feststellung (Widerklagen), über die außerordentliche Revision der klagenden Parteien gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Graz als Berufungsgericht vom 29. Oktober 2021, GZ 2 R 93/21w-73, mit dem das Urteil des Landesgerichts Leoben vom 3. November 2020, GZ 4 Cg 12/18y-66, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.
Begründung:
Rechtliche Beurteilung
[1] 1. Der behauptete Revisionsgrund der Nichtigkeit des Berufungsurteils wurde geprüft; er liegt nicht vor (§ 510 Abs 3 ZPO). Zwischen den von den Klägern und Widerbeklagten (im Folgenden nur mehr kurz: Kläger) mit ihren Leistungsklagen verfolgten Rechtsschutzzielen (Entfernung der Druckrohrleitung und Wiederherstellung der Grundstücke in den vorigen Zustand durch den Beklagten) und denen des Beklagten, der mit seinen Klagen keine Leistung, sondern die Feststellung des Bestehens der vertraglich vereinbarten (und verbücherten) Dienstbarkeit begehrt, besteht keine Identität (vgl 3 Ob 115/19m mwN). Das Berufungsgericht verneinte das in der Berufung als Nichtigkeitsgrund geltend gemachte angebliche Vorliegen des Prozesshindernisses der Streitanhängigkeit. Darin liegt eine den Obersten Gerichtshof bindende Entscheidung (RIS-Justiz RS0039226). Diese vom Berufungsgericht verneinte Nichtigkeit kann weder mit der Revision neuerlich aufgegriffen (vgl RS0043823; RS0042925 [T1]), noch die Nichtigkeit des Berufungsurteils selbst auf eine dem Berufungsgericht dazu behauptetermaßen unterlaufene unrichtige Beurteilung dieser Frage gestützt werden.
[2] 2. Die Zulässigkeit der außerordentlichen Revision kann auch – anders als die Revisionswerber meinen – nicht mit dem angeblichen Fehlen von höchstgerichtlicher Rechtsprechung zu wichtigen Gründen für die Auflösung von „Dienstbarkeiten mit wasserrechtlichem Bezug“ begründet werden.
[3] Der Oberste Gerichtshof hat zu Dienstbarkeiten (als besondere Dauerrechtsverhältnisse, die nicht auf dem Fortbestehen des gegenseitigen Vertrauens beruhen [vgl RS0011519]) bereits ausgesprochen, dass ihre Auflösung (wegen der stärkeren dinglichen Bindung) nur „äußerstes Notventil“ sein kann. Die für die Auflösung in Betracht kommenden (wichtigen) Gründe müssen also ein noch größeres Gewicht haben als jene, die für die Auflösung von Dauerschuldverhältnissen genügen (idS schon 1 Ob 684/87; RS0018813; zum Wasserbezugsrecht RS0011519; 1 Ob 210/15m). Auf die Rechtsprechung geht die Revision nicht ein.
[4] Ob ein derartig schwerwiegender, zur Auflösung berechtigender Grund vorliegt, hängt von den jeweiligen Umständen des Einzelfalls ab und begründet in der Regel keine erhebliche Rechtsfrage (RS0018813 [T2]; vgl auch RS0018842 [T4]; RS0042834; RS0111817).
[5] 3. Dass dem Berufungsgericht hier durch die Verneinung eines solchen Grundes eine auch im Einzelfall korrekturbedürftige klare Fehlbeurteilung unterlaufen sein sollte, können die Kläger – ausgehend vom festgestellten Sachverhalt – nicht aufzeigen.
[6] Die (von ihnen unterstellte) „fortgesetzte Konsenswidrigkeit“ haben beide Vorinstanzen gerade nicht angenommen. Vielmehr gingen sie – auf der Sachverhaltsebene für den Obersten Gerichtshof bindend – davon aus, dass die Druckleitung in Lage und Tiefe konsensmäßig mit nachträglich genehmigten geringfügigen Abweichungen errichtet, vor ihrer Inbetriebnahme eine Dichtheitsprüfung mit 1,5-fachen Betriebsdruck erfolgt war, die jeweilige Prüfung zwischen den Jahren 2010 bis 2019 als Prüfergebnis „dicht“ ergeben hatte, fachwidrige Dichtheitsprüfungen nicht hervorgekommen und die die Liegenschaft der Erstklägerin früher betreffenden Ausführungsmängel bereits saniert worden waren, sodass ein „allfälliger“ konsenswidriger Zustand noch vor „der (ersten) Aufkündigung“ beseitigt gewesen war.
[7] Die Kläger stehen auf dem Standpunkt, dass nach der (mittels Auflage im Bewillligungsbescheid vorgeschriebenen) Dichtheitsprüfung der Druckrohrleitung mit 1,5-fachem Betriebsdruck vor Inbetriebnahme auch die nachfolgenden Prüfungen mit einem solchen Druck hätten durchgeführt werden müssen. Sind (unter Beiziehung eines Sachverständigen) im Verfahren „fachwidrige“ (oder negative) Dichtheitsprüfungen nicht hervorgekommen, kann darin, dass die jeweiligen Prüfdrucke bei den der Prüfung vor Inbetriebnahme nachfolgenden Dichtheitsproben nicht festgestellt wurden, keine erhebliche Rechtsfrage liegen.
[8] Das Berufungsgericht hat ausgehend von den aufgetretenen Schäden für den vorliegenden Fall hervorgehoben, dass für eine Berechtigung der Kläger, die Dienstbarkeitsverträge aufzulösen, wesentlich sei, ob ihnen durch die Ausübung der eingeräumten Dienstbarkeit ein Schaden droht, der in der Person des Dienstbarkeitsberechtigten gelegen und ihnen als Eigentümer der dienenden Grundstücke unzumutbar wäre. Auf § 27 Abs 1 WRG hat sich das Berufungsgericht gar nicht bezogen. Die im Rechtsmittel behauptete „Junktimierung“ der Auflösungsgründe „mit de[n] Tatbestände[n] für das Erlöschen eines Wasserbenutzungsrechts nach § 27 WRG“ ist aus seiner Entscheidung nicht ableitbar. Seiner Begründung, dass die Trasse der Druckrohrleitung nicht in bewohntem Gebiet verläuft, sondern vielmehr in einer „almartigen Umgebung“, eine unmittelbare Beeinträchtigung der Lebensqualität der Kläger durch die Bauarbeiten im Zusammenhang mit bisherigen Sanierungsmaßnahmen aufgrund von Gebrechen nicht gegeben war, die Druckrohrleitung betriebssicher ist und zwar künftige Schäden (auch aufgrund vorhandener Schadensanfälligkeit) möglich seien (aber einem konsensmäßigen Betrieb nicht entgegenstünden), setzen die Revisionswerber nichts Stichhaltiges entgegen. Sie behaupten „permanente Reparaturarbeiten“ und eine damit einhergehende „Unzumutbarkeit des Eingriffs in ihr Eigentum“, ohne auch nur ansatzweise konkret darzustellen, welche Nachteile sie im Einzelnen zu erleiden oder zu befürchten hätten, und können so eine im Einzelfall korrekturbedürftige Entscheidung nicht darlegen, zumal sie bei der von ihnen vorgenommenen Gesamtabwägung auch zu Unrecht davon ausgehen, dass im Fehlen einer (von ihnen für geboten erachteten) Druckprüfung mit 1,5-fachem Betriebsdruck eine (tatsächlich nicht gegebene) „nicht unerhebliche“ „Vertragsbrüchigkeit“ und eine „endgültige Weigerung“, „sich vertragskonform zu verhalten“ lägen.
[9] 4. Ebensowenig fehlt Rechtsprechung zur Frage der Möglichkeit einer Konversion der außerordentlichen in eine (hier nicht vertraglich vorgesehene) ordentliche Kündigung bei Dienstbarkeitsverträgen. Schon zu 7 Ob 159/12a wurde klargestellt, dass der in der Regel für obligatorische Dauerschuldverhältnisse geltende Grundsatz der Auflösung durch ordentliche Kündigung umso weniger auf Dienstbarkeiten übertragen werden kann, als sich diese gerade durch ihre Dinglichkeit – und damit ihre erhöhte Bestandfestigkeit und Dauerhaftigkeit – von jenen unterscheiden. Mit von den Revisionswerbern ins Treffen geführten Beispielen zum „Konversionsprinzip“ aus verschiedenen (anderen) Teilgebieten des Zivilrechts (etwa im Versicherungsvertragsrecht) vermögen sie auch dazu keine erhebliche Rechtsfrage anzusprechen.
[10] 5. Einer weitergehenden Begründung bedarf es nicht (§ 510 Abs 3 ZPO).
Textnummer
E134110European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2022:0010OB00239.21K.0125.000Im RIS seit
16.03.2022Zuletzt aktualisiert am
16.03.2022