Entscheidungsdatum
04.11.2021Index
40/01 VerwaltungsverfahrenNorm
VStG 1991 §54bText
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Verwaltungsgericht Wien hat durch seine Richterin Mag. Föger-Leibrecht über die Beschwerde des Herrn A. B. gegen den Bescheid der Landespolizeidirektion Wien, Polizeikommissariat C., vom 30.08.2021, Zl. VStV/.../2020, mit welchem das Ansuchen vom 25.05.2021 um Teilzahlung abgewiesen wurde, zu Recht e r k a n n t:
I. Gemäß § 50 VwGVG wird der Beschwerde keine Folge gegeben und der angefochtene Bescheid bestätigt.
II. Gemäß § 25a VwGG ist gegen diese Erkenntnis eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
Sachverhalt und Verfahrensgang:
Mit Straferkenntnis vom 08.03.2021 wurde der Beschwerdeführer wegen zweier Übertretungen des KFG und einer Übertretung der StVO schuldig erkannt und wurden über ihn deswegen drei Geldstrafen oder Ersatzfreiheitsstrafen im Fall der Uneinbringlichkeit, verhängt.
Mit Schreiben vom 25.05.2021 hat der Beschuldigte um Gewährung von Ratenzahlungen ersucht.
Mit dem angefochtenen Bescheid der Landespolizeidirektion Wien wurde das Ansuchen des nunmehrigen Beschwerdeführers vom 25.05.2021 um Teilzahlung abgewiesen. Begründend führte die belangte Behörde dazu im Wesentlichen aus, dass der Antragsteller über kein das Existenzminimum übersteigendes Einkommen sowie über keinerlei pfändbares Vermögen verfüge. Es sei daher von Zahlungsunfähigkeit bzw. von der Uneinbringlichkeit der Geldstrafe auszugehen.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die verfahrensgegenständliche Beschwerde, in der der Beschwerdeführer neuerlich mitteilt, er habe durch Corona alles verloren, sei derzeit arbeitslos und erhalte vom AMS monatlich EUR 900,--.
Seitens des Verwaltungsgerichtes Wien wurde am 04.11.2021 eine Abfrage via AMS-Behördenportal durchgeführt, welche ergab, dass der Beschwerdeführer bis 30.09.2021 Notstandshilfe in der Höhe von EUR 37,22 täglich erhielt. Seit 01.10.2021 bis voraussichtlich 01.09.2022 erhält der Beschwerdeführer Notstandshilfe in der Höhe von EUR 34,40 täglich. Dieser Betrag enthält den Familienzuschlag für zwei Personen.
Der maßgebliche Sachverhalt ist aus der Aktenlage feststellbar und nicht weiter strittig.
Dazu wurde erwogen:
Gemäß § 54b Abs. 1 VStG sind rechtskräftig verhängte Geldstrafen oder sonstige in Geld bemessene Unrechtsfolgen binnen zwei Wochen nach Eintritt der Rechtskraft zu bezahlen. Erfolgt binnen dieser Frist keine Zahlung, kann sie unter Setzung einer angemessenen Frist von höchstens zwei Wochen eingemahnt werden. Nach Ablauf dieser Frist ist die Unrechtsfolge zu vollstrecken. Ist mit Grund anzunehmen, dass der Bestrafte zur Zahlung nicht bereit ist oder die Unrechtsfolge uneinbringlich ist, hat keine Mahnung zu erfolgen und ist sofort zu vollstrecken oder nach Abs. 2 vorzugehen.
Entsprechend § 54b Abs. 2 VStG ist, soweit eine Geldstrafe uneinbringlich ist oder dies mit Grund anzunehmen ist, die dem ausstehenden Betrag entsprechende Ersatzfreiheitsstrafe zu vollziehen. Der Vollzug der Ersatzfreiheitsstrafe hat zu unterbleiben, soweit die ausstehende Geldstrafe erlegt wird. Darauf ist in der Aufforderung zum Strafantritt hinzuweisen.
Gemäß § 54b Abs. 3 VStG hat die Behörde einem Bestraften, dem aus wirtschaftlichen Gründen die unverzügliche Zahlung nicht zuzumuten ist, auf Antrag einen angemessenen Aufschub oder Teilzahlung zu bewilligen. Die Entrichtung der Geldstrafe in Teilbeträgen darf nur mit der Maßgabe gestattet werden, dass alle noch aushaftenden Teilbeträge sofort fällig werden, wenn der Bestrafte mit mindestens zwei Ratenzahlungen in Verzug ist.
Die wirtschaftlichen und familiären Verhältnisse eines Bestraften können triftige Gründe für die Bewilligung der Entrichtung einer Geldstrafe in Teilbeträgen dann sein, wenn anzunehmen ist, dass durch die Bewilligung von Ratenzahlungen vorübergehend die finanziellen Schwierigkeiten des Bestraften vermindert oder vermieden werden. Nicht im Sinne des Gesetzes liegt es allerdings, Ratenbewilligungen allein deshalb zu gewähren, damit ohne jede Möglichkeit einer einzigen Ratenzahlung die Ersatzfreiheitsstrafe nicht vollzogen werde und allenfalls Vollstreckungsverjährung eintreten solle (VwGH 22.3.1991, 90/18/0265).
Sind die Voraussetzungen des § 54b Abs. 2 VStG gegeben, so ist für eine Anwendung des Abs. 3 dieser Gesetzesstelle kein Raum. Im Fall der Uneinbringlichkeit der Geldstrafe bzw. für den Fall, dass die Uneinbringlichkeit mit Grund anzunehmen ist, ist einem Antrag auf Zahlungsaufschub nicht stattzugeben (Hinweis E vom 26. Jänner 1995, 94/16/0303, mwN). Dies gilt auch hinsichtlich eines Antrages auf Zahlungserleichterungen in Form von Ratenzahlungen (VwGH E 19.05.2014, 2013/09/0126 mit Hinweis auf E 15.12.2011, 2011/09/0160, mwN). Dem Antrag auf Teilzahlung einer Geldstrafe ist nicht stattzugeben, wenn die Annahme besteht, dass die verhängte Geldstrafe uneinbringlich ist (VwGH 23.12.1983, Zahl 82/02/0124 und 82/02/0132, VwGH 7.6.1990, Zahl 90/18/0036, VwGH 23.1.1991, Zahl 90/02/0211 und 90/02/0212). Es kommt nämlich nicht auf die Zahlungsbereitschaft, sondern auf die tatsächliche Einbringlichkeit an, d.h., neben der Zahlungswilligkeit ist selbstverständlich auch die Zahlungsfähigkeit zur Einhaltung einer Ratenvereinbarung erforderlich.
Eine Geldstrafe ist uneinbringlich, wenn der Bestrafte außerstande ist, die Geldstrafe zu bezahlen, also durch ihre Begleichung der notwendige Unterhalt des Bestraften oder derjenigen Personen, zu deren Unterhalt ihn das Gesetz verpflichtet, gefährdet würde. Hierbei ist ein strenger Maßstab anzulegen, wobei als Orientierungshilfe jeweils der unpfändbare Freibetrag herangezogen werden kann. Liegt das Einkommen unter diesem und verfügt der Bestrafte über kein Vermögen, so steht dieser Umstand der Zwangsvollstreckung der Geldstrafe entgegen (vgl. Wessely in Raschauer/Wessely, VStG² § 54b Rz 7).
In § 291a Abs. 1 und 2 der Exekutionsordnung (EO), RGBl. Nr. 79/1896, wird der unpfändbare Freibetrag folgendermaßen definiert:
„§ 291a. (1) Beschränkt pfändbare Forderungen, bei denen der sich nach § 291 ergebende Betrag (Berechnungsgrundlage) bei monatlicher Leistung den Ausgleichszulagenrichtsatz für alleinstehende Personen (§ 293 Abs. 1 lit. a ASVG) nicht übersteigt, haben dem Verpflichteten zur Gänze zu verbleiben (allgemeiner Grundbetrag).
(2) Der Betrag nach Abs. 1 erhöht sich
1. um ein Sechstel, wenn der Verpflichtete keine Leistungen nach § 290b erhält (erhöhter allgemeiner Grundbetrag),
2. um 20% für jede Person, der der Verpflichtete gesetzlichen Unterhalt gewährt (Unterhaltsgrundbetrag); höchstens jedoch für fünf Personen. (…)“
Gemäß § 293 Abs. 1 lit. bb des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes (ASVG) in der Fassung BGBl. II Nr. 576/2020 beträgt der Ausgleichszulagenrichtsatz im Jahr 2021 für eine alleinstehende Person EUR 1.000,48. Da der Beschwerdeführer Notstandshilfe bezieht und somit keinen 13. oder 14. Monatsbezug im Sinne des § 290b EO erhält, erhöht sich dieser Betrag gemäß § 291a Abs. 2 Z 1 EO um ein Sechstel (allgemeiner Grundbetrag). Laut AMS-Datenbank erhält der Beschwerdeführer einen Familienzuschlag für zwei Personen, sodass sich der Betrag nochmal um 20% für jede Person erhöht. Für den Beschwerdeführer ergibt sich somit ein unpfändbarer Betrag von monatlich rund EUR 1.567,43.
Im gegenständlichen Fall bezieht der Beschwerdeführer derzeit Notstandshilfe in Höhe von EUR 34,40, täglich. Sein monatliches Einkommen beträgt sohin zwischen EUR 1.032,00 und EUR 1.066,40. Dieses monatliche Einkommen des Beschwerdeführers unterschreitet somit den für den Beschwerdeführer einschlägigen unpfändbaren Freibetrag gemäß § 291a Abs. 2 Z 1 und Z 2 EO iVm. § 290b EO in der Höhe von rund € 1.567,43.
Es ist nicht von Relevanz, dass der Beschwerdeführer freiwillig bereit wäre, von seinem geringen Einkommen Teile zur Abstattung seiner Strafe aufzuwenden. Entscheidend ist nämlich, dass die tatsächliche Zahlung der von ihm beantragten Raten nicht exekutierbar wäre, weil der unpfändbare Freibetrag unterschritten wird und sein Einkommen daher gemäß § 291a EO nicht pfändbar ist (vgl. VfGH 30.11.1979, 8679/1979 mwN, VwGH 5.6.2020, Ro 2019/04/0228). Alleine das Interesse des Beschwerdeführers daran, dass eine Ersatzfreiheitsstrafe nicht vollzogen wird, genügt für die Gewährung von Zahlungserleichterungen nicht (vgl. VwGH 22.3.1991, 90/18/0265).
Im Lichte dieser Rechtsprechung ist die gegenständliche Geldforderung aufgrund der Unterschreitung des unpfändbaren Freibetrages als uneinbringlich zu qualifizieren. Im gegenständlichen Fall kommt somit § 54b Abs. 2 VStG zur Anwendung. Die Anwendbarkeit des § 54b Abs. 2 VStG schließt allerdings die Bewilligung einer Teilzahlung aufgrund einer Unzumutbarkeit aus wirtschaftlichen Gründen gemäß § 54b Abs. 3 VStG aus.
Da sich die gegenständliche Beschwerde nur gegen einen verfahrensrechtlichen Bescheid richtete und überdies von keiner Partei die Durchführung einer mündlichen Verhandlung beantragt wurde, konnte im Hinblick auf § 44 Abs. 3 Z 4 VwGVG von der Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung abgesehen werden (VwGH 22.2.2013, 2011/02/0232).
Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Schlagworte
Geldstrafe; Uneinbringlichkeit; Vollzug; unverzügliche Zahlung; wirtschaftliche und familiäre Verhältnisse; Vollstreckungsverjährung; Ratenzahlung; Zahlungsaufschub; Ausgleichszulagenrichtsatz; Notstandshilfe; ErsatzfreiheitsstrafeEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:LVWGWI:2021:VGW.031.017.15325.2021Zuletzt aktualisiert am
14.03.2022