TE Lvwg Erkenntnis 2021/12/1 LVwG 30.19-1362/2021

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Veröffentlicht am 01.12.2021
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Entscheidungsdatum

01.12.2021

Index

82/02 Gesundheitsrecht allgemein
82/03 Ärzte Sonstiges Sanitätspersonal

Norm

EpidemieG 1950 §15
EpidemieG 1950 §40 Abs1 litc
2. COVID-19-NotmaßnahmenV BGBl II Nr. 598/2020 idF BGBl II Nr. 17/2021 §12
2. COVID-19-NotmaßnahmenV BGBl II Nr. 598/2020 idF BGBl II Nr. 17/2021 §15 Abs3
2. COVID-19-NotmaßnahmenV BGBl II Nr. 598/2020 idF BGBl II Nr. 17/2021 §16 Abs2
ÄrzteG 1998 §55

Text

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Landesverwaltungsgericht Steiermark hat durch die Richterin Mag. Schermann über die Beschwerde des Herrn DI A B, geb. am ****, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Bruck-Mürzzuschlag vom 01.04.2021, GZ: BHBM/621210001966/2021,

z u R e c h t e r k a n n t:

I.   Gemäß § 50 Abs 1 iVm § 28 Abs 1 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (im Folgenden VwGVG) wird die Beschwerde dem Grunde nach

a b g e w i e s e n,

hinsichtlich der Strafe insoweit

F o l g e g e g e b e n,

als die Ersatzfreiheitsstrafe mit 1 Tag und 12 Stunden festgesetzt wird.

II.  Gemäß § 25a Abs 4 Verwaltungsgerichtshofgesetz (im Folgenden VwGG) ist eine Revision wegen Verletzung in Rechten nicht zulässig.

III.  Der belangten Behörde steht die Möglichkeit einer ordentlichen Revision beim Verwaltungsgerichtshof nicht offen.

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

Mit dem bekämpften Straferkenntnis wird Herrn DI A B zur Last gelegt, am 19.01.2021, um 16:38 Uhr, in B, Kplatz, Hplatz, B – Kplatz, an einer Veranstaltung (Versammlung) teilgenommen zu haben und keine den Mund- und Nasenbereich abdeckende und eng anliegende mechanische Schutzvorrichtung getragen zu haben, obwohl beim Betreten von Orten zum Zwecke der Teilnahme an Veranstaltungen gemäß § 12 Abs 1 Z 2 der 2. COVID-19-Notmaßnahmenverordnung gegenüber Personen, die nicht im gemeinsamen Haushalt leben, eine den Mund- und Nasenbereich abdeckende und eng anliegende mechanische Schutzvorrichtung zu tragen sei. Er habe dadurch die Rechtsvorschriften der §§ 40 und 15 Abs 1 Z 2 und Abs 2 Z 2 Epidemiegesetz iVm § 12 Abs 1 Z 2 und Abs 2 2. COVID-19-Notmaßnahmenverordnung, BGBl. II 479/2020, zuletzt geändert durch BGBl. II 598/2020, verletzt. Über ihn wurde gemäß § 40 Epidemiegesetz eine Geldstrafe in der Höhe von € 120,00, für den Fall der Uneinbringlichkeit 2 Tage und 7 Stunden Ersatzfreiheitsstrafe, verhängt.

In der Begründung wurde Bezug genommen auf die Anzeige der Polizeiinspektion Kberg vom 21.01.2021, den vom Beschuldigten gegen die Strafverfügung erhobenen Einspruch, dem ein Attest von Dr. C D, ausgestellt am 05.01.2021, angeschlossen war. Der Beschuldigte habe sich damit gerechtfertigt, dass er „maskenbefreit sei“ und am 04.01.2021 zur Untersuchung in der Ordination der Frau Dr. C D in L gewesen sei. Aufgrund seiner Beschwerden sei ihm am 05.01.2021 von Dr. C D das Attest zur Schutzmaskenbefreiung ausgestellt worden. Ein entsprechender Befund sei vom Beschuldigten aus datenschutzrechtlichen Gründen nicht vorgelegt worden. Die Ärztekammer Steiermark habe mit Schreiben vom 15.02.2021 mitgeteilt, dass die Ordination von Dr. C D in L mit 22.01.2021 gemeldet worden sei und sie somit nicht befugt gewesen sei, ein solches Attest, datiert mit 05.01.2021, auszustellen. Aus diesem Grund werde dem Attest keine Glaubwürdigkeit geschenkt. Strafbemessend wurde die Unbescholtenheit des Beschwerdeführers als mildernd gewertet und ausgeführt, dass keine erschwerenden Umstände vorlägen. Die Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse wurden nach Maßgabe dessen Angaben berücksichtigt. Die Geldstrafe bewege sich im untersten Bereich des Strafrahmens und erscheine dem Unrechtsgehalt der Tat angemessen.

DI A B hat rechtzeitig Beschwerde gegen diese Entscheidung erhoben und ausgeführt, dass das Attest von Frau Dr. C D von ihr gemäß § 55 Ärztegesetz, somit nach einer gewissenhaften Untersuchung ausgestellt worden sei. Die Tatsache, dass ihre Ordination erst am 22.01.2021 bei der Ärztekammer angemeldet worden sei, sei dabei völlig irrelevant. Es sei gemäß dieser Bestimmung absolut nicht von Bedeutung, ob ein Arzt eine Ordination bei der Standesvertretung angemeldet habe, um ein Gutachten auszustellen. Spitalsärzte, von welchen nicht jeder eine Ordination habe, seien dazu ebenso berechtigt, wie auch bereits emeritierte Kollegen. Die Stellungnahme der Steiermärkischen Ärztekammer vom 15.02.2021 ginge diesbezüglich komplett am Gesetz vorbei. Dieses Attest sei somit gültig und im Rahmen des Strafverfahrens auch zu berücksichtigen. Es wurde die ersatzlose Behebung des Straferkenntnisses beantragt. Angeschlossen an die Beschwerde war das Attest von Dr. med. C D, datiert mit 05.01.2021, sowie das Schreiben der Ärztekammer Steiermark vom 15.02.2021.

Am 22.11.2021 wurde eine öffentlich mündliche Verhandlung durchgeführt, ein Vertreter der belangten Behörde hat teilgenommen und der Beschwerdeführer wurde befragt. Der Vorlage des vom Landesverwaltungsgerichtes beauftragten Befundes, der dem Attest von Dr. C D vom 05.01.2021 zu Grunde liege, wurde nicht entsprochen. Von nachstehenden Feststellungen ist auszugehen:

Am 19.01.2021 um 16:38 Uhr hat der Beschwerdeführer in B an der Veranstaltung (Versammlung) „B spaziert“ teilgenommen. Er hat dabei keine den Mund- und Nasenbereich abdeckende und eng anliegende mechanische Schutzvorrichtung getragen. Kräften der Bundespolizei gegenüber, welche die Veranstaltung überwachten, gab Herr A B an, dass er eine Maskenbefreiung habe, aber diese nicht bei sich führe.

Mit dem Einspruch gegen die Strafverfügung der belangten Behörde vom 01.02.2021, wegen des Nichttragens den Mund- und Nasenbereich abdeckenden Schutzvorrichtung und sohin Übertretung der COVID-19-Notmaßnahmenverordnung, legte Herr A B ein Attest von Dr. med. C D, vom 05.01.2021, ausgestellt in Gdorf, mit folgendem Inhalt, vor:

„Das Tragen einer das Gesicht teils oder ganz bedeckenden Vorrichtung, egal welchen Materials, würde die physische und psychische Verfassung von A B, geb. am ***, schädigen.

Da ich als behandelnde Ärztin ausschließlich dem Patientenwohl verpflichtet bin, ist Herrn A B das Tragen einer oben genannten Vorrichtung nicht möglich und nicht zumutbar, da anderenfalls seine Gesundheit gefährdet werde.“.

Herr A B beantragte die Einstellung des Strafverfahrens.

Die Ärztekammer Steiermark hat über Anfrage der belangten Behörde, ob das vorgelegte Attest von Dr. C D Gültigkeit habe, mit Schreiben vom 15.02.2021 wie folgt mitgeteilt:

„Attest von Frau Dr. C D

Sehr geehrte Frau .. !

Zu Ihrer Anfrage zum vorgelegten Attest von Frau Dr. C D vom 05.01.2021 können wir Ihnen Folgendes mitteilen:

Für die Erstellung eines ärztlichen Attestes bedarf es gemäß § 55 Ärztegesetz einer gewissenhaften ärztlichen Untersuchung. Um derartige Untersuchungen im niedergelassenen Bereich durchführen zu können, ist eine ärztliche Ordination erforderlich. Seitens Frau Dr. C D wurde die Eröffnung einer Ordination in L per 22.01.2021 gemeldet und wird sie seit diesem Zeitpunkt als niedergelassene Ärztin in der Ärzteliste geführt. Am 05.01.2021 davor war sie dementsprechend noch nicht befugt, solch ein Attest als niedergelassene Ärztin auszustellen.“.

Der Beschwerdeführer gab bei seiner Einvernahme vor der belangten Behörde am 23.03.2021 an, dass er am 04.01.2021 bei Dr. C D in L in der Ordination gewesen sei und diese eine Untersuchung durchgeführt habe. Nachdem er Beschwerden gehabt habe, habe sie ihm das gegenständliche Attest am 05.01.2021 ausgestellt. Einen entsprechenden Befund lege er aus datenschutzrechtlichen Gründen nicht vor, sowie „aufgrund der damaligen Verordnung“. Bezahlen habe er für die Untersuchung bzw. das Attest nichts müssen.

Der Beschwerdeführer hat Frau Dr. C D auf einer Kundgebung im vergangenen Jahr kennengelernt und schätzt an ihr, dass sie sich „wirklich Zeit nimmt“, was bei „unserem Hausarzt“ nicht so der Fall sei. Den aufgetragenen Befund bzw. die Unterlagen, die dem Attest Dr. C D zu Grunde liegen, legte er nicht vor, „da es sich dabei um meine Gesundheitsdaten handelt, die ich nicht hergebe.“.

Der Beschwerdeführer zeigte in der Verhandlung eine kleine Blase bzw. „eitrige Grube“, auf der unteren Lippe die er durch das Tragen der Maske ca. eine Woche zuvor, bei Arbeiten in einem Hausmüllschredder – der Beschwerdeführer ist beruflich unter anderem mit Servicearbeiten an Hausmüllschreddern in Kooperation mit einer dänischen Firma tätigt – verursacht worden sei. Das Problem mit der Entstehung von eitrigen Blasen, durch das „längere Tragen der Maske, die dann feucht wird“, besteht schon seit ca. 15 Jahren.

Frau Dr. C D war am 04.01.2021 und 05.01.2021 zur selbstständigen Berufsausübung berechtigt. Im öffentlichen Teil der Ärzteliste der Österreichischen Ärztekammer ist bei Frau Dr. C D der Vermerk eingetragen „Untersagung gemäß § 138 Ärztegesetz 1998“. Mit Bescheid des Disziplinarrates der Österreichischen Ärztekammer, Disziplinarkommission für Steiermark vom 15.02.2021, wurde gemäß § 138 Abs 1 Ärztegesetz gegen Frau Dr. C D ab sofort die einstweilige Maßnahme der Untersagung der Ausübung des ärztlichen Berufes bis zum rechtskräftigen Abschluss des Disziplinarverfahrens verhängt. Die von Dr. C D gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde wurde mit Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Steiermark vom 12.07.2021, GZ: LVwG 49.30-1146/2021-27, abgewiesen.

Beweiswürdigung:

Unstrittig ist, dass der Beschwerdeführer an der Veranstaltung „B spaziert“ tatzeitlich und tatörtlich teilgenommen hat und keine den Mund- und Nasenbereich abdeckende eng anliegende mechanische Schutzvorrichtung getragen hat. Das vom Beschwerdeführer vorgelegte Attest betreffend die Maskenbefreiung von Dr. C D, das Schreiben der Ärztekammer vom 15.02.2021 und die Mitteilung der Ärztekammer vom 03.11.2021 sind im Akt aufliegend und ebenso unbestritten. Die Aussage des Beschwerdeführers, er gebe die dem Attest Dr. C D zu Grunde liegenden Befunde/Unterlagen nicht heraus, aus datenschutzrechtlichen Gründen - im Verfahren vor der belangten Behörde - decken sich im Wesentlichen mit dessen Angaben in der Gerichtsverhandlung. Die Untersagung der Ausübung der ärztlichen Tätigkeit von Dr. C D wurden dem Beschwerdeführer zur Kenntnis gebracht, ebenso die Entscheidung des Landesverwaltungsgerichtes Steiermark vom 12.07.2021.

Maßgebende Rechtsvorschriften:

§ 40 Abs 1 und Abs 2 EpiG:

„(1) Wer durch Handlungen oder Unterlassungen

a) den in den Bestimmungen der §§ 5, 8, 12, 13, 21 und 44 Abs. 2 enthaltenen Geboten und Verboten oder

b) den auf Grund der in den §§ 7, 9, 10, 11, 12, 13, 14, 15, 17, 19, 20, 21, 22, 23 und 24 angeführten Bestimmungen erlassenen behördlichen Geboten oder Verboten oder

c) den Geboten oder Verboten, die in den auf Grund dieses Bundesgesetzes erlassenen Verordnungen enthalten sind, zuwiderhandelt oder

d) in Verletzung seiner Fürsorgepflichten nicht dafür Sorge trägt, daß die seiner Fürsorge und Obhut unterstellte Person sich einer auf Grund des § 5 Abs. 1 angeordneten ärztlichen Untersuchung sowie Entnahme von Untersuchungsmaterial unterzieht,

macht sich, sofern die Tat nicht mit gerichtlicher Strafe bedroht ist, einer Verwaltungsübertretung schuldig und ist mit Geldstrafe bis zu 1 450 Euro, im Nichteinbringungsfall mit Freiheitsstrafe bis zu vier Wochen zu bestrafen.

(2) Wer einen Veranstaltungsort gemäß § 15 entgegen den festgelegten Voraussetzungen oder Auflagen betritt, begeht eine Verwaltungsübertretung und ist mit einer Geldstrafe von bis zu 500 Euro, im Nichteinbringungsfall mit Freiheitsstrafe von bis zu einer Woche, zu bestrafen.“

§ 15 EpiG:

„Die Bezirksverwaltungsbehörde hat Veranstaltungen, die ein Zusammenströmen größerer Menschenmengen mit sich bringen, zu untersagen, sofern und solange dies im Hinblick auf Art und Umfang des Auftretens einer meldepflichtigen Erkrankung zum Schutz vor deren Weiterverbreitung unbedingt erforderlich ist.“

§ 12 2. COVID-19-Notmaßnahmenverordnung, BGBl. II Nr. 598/2020 idF BGBl II
Nr. 17/2021:

„(1) Das Verlassen des eigenen privaten Wohnbereichs und der Aufenthalt außerhalb des eigenen privaten Wohnbereichs zum Zweck der Teilnahme an Veranstaltungen ist nur für folgende Veranstaltungen zulässig:

         1.       unaufschiebbare berufliche Zusammenkünfte, wenn diese zur Aufrechterhaltung der beruflichen Tätigkeiten erforderlich sind und nicht in digitaler Form abgehalten werden können,

         2.       Versammlungen nach dem Versammlungsgesetz 1953, BGBl. Nr. 98/1953,

         3.       Veranstaltungen im Spitzensport gemäß § 13,

         4.       unaufschiebbare Zusammenkünfte von Organen politischer Parteien, sofern eine Abhaltung in digitaler Form nicht möglich ist,

         5.       unaufschiebbare Zusammenkünfte von statutarisch notwendigen Organen juristischer Personen, sofern eine Abhaltung in digitaler Form nicht möglich ist,

         6.       unaufschiebbare Zusammenkünfte gemäß dem Arbeitsverfassungsgesetz, BGBl. Nr. 22/1974, sofern eine Abhaltung in digitaler Form nicht möglich ist,

         7.       Begräbnisse mit höchstens 50 Personen, (Anm. 1)

         8.       Proben und künstlerische Darbietungen ohne Publikum, die zu beruflichen Zwecken erfolgen,

         9.       Zusammenkünfte zu unbedingt erforderlichen beruflichen Aus- und Fortbildungszwecken, zur Erfüllung von erforderlichen Integrationsmaßnahmen nach dem Integrationsgesetz, BGBl. I Nr. 68/2017, und zu beruflichen Abschlussprüfungen, sofern eine Abhaltung in digitaler Form nicht möglich ist.

(2) Beim Betreten von Orten zum Zweck der Teilnahme an Veranstaltungen gemäß Abs. 1 Z 1, 2 und 4 bis 9 ist gegenüber Personen, die nicht im gemeinsamen Haushalt leben, ein Abstand von mindestens einem Meter einzuhalten. Zusätzlich ist bei Veranstaltungen gemäß Abs. 1 Z 1, 2, 4 bis 7 und 9 ist eine den Mund- und Nasenbereich abdeckende und eng anliegende mechanische Schutzvorrichtung zu tragen.

(3) Für Zusammenkünfte zu Aus- und Fortbildungszwecken sowie für Zusammenkünfte gemäß Abs. 1 Z 1 im Kundenbereich von Betriebsstätten gilt § 5 Abs. 6 Z 6 nicht.

(4) Bei Proben und künstlerischen Darbietungen gemäß Abs. 1 Z 8 gelten § 6 und § 9 Abs. 3 letzter Satz sinngemäß. Basierend auf einer Risikoanalyse ist ein dem Stand der Wissenschaft entsprechendes COVID-19-Präventionskonzept zur Minimierung des Infektionsrisikos auszuarbeiten und umzusetzen. Zudem ist ein COVID-19-Beauftragter zu bestellen. Das COVID-19-Präventionskonzept hat insbesondere zu enthalten:

         1.       spezifische Hygienevorgaben,

         2.       Regelungen zum Verhalten bei Auftreten einer SARS-CoV-2-Infektion,

         3.       Regelungen betreffend die Nutzung sanitärer Einrichtungen,

         4.       Regelungen zur Steuerung des Teilnehmeraufkommens,

         5.       Vorgaben zur Schulung der Teilnehmer in Bezug auf Hygienemaßnahmen.

Das COVID-19-Präventionskonzept kann auch ein datenschutzkonformes System zur Nachvollziehbarkeit von Kontakten, wie beispielsweise ein System zur Erfassung von Anwesenheiten auf freiwilliger Basis der Teilnehmer von Proben oder künstlerischen Darbietungen, beinhalten.

(5) Kann bei Zusammenkünften gemäß Abs. 1 Z 9 auf Grund der Eigenart der Aus- oder Fortbildung oder der Integrationsmaßnahme

         1.       der Mindestabstand von einem Meter zwischen Personen und/oder

         2.       von Personen das Tragen einer den Mund- und Nasenbereich abdeckenden und eng anliegenden mechanischen Schutzvorrichtung nicht eingehalten werden,

ist durch sonstige geeignete Schutzmaßnahmen das Infektionsrisiko zu minimieren.“

§ 15 Abs 3 2. COVID-19-Notmaßnahmenverordnung, BGBl. II Nr. 598/2020 idF BGBl II Nr. 17/2021:

„Die Pflicht zum Tragen einer den Mund- und Nasenbereich abdeckenden und eng anliegenden mechanischen Schutzvorrichtung und die Pflicht zum Tragen einer Atemschutzmaske der Schutzklasse FFP2 (FFP2-Maske), einer Corona SARS-CoV-2 Pandemie Atemschutzmaske (CPA) oder jeweils einer äquivalenten bzw. einem höheren Standard entsprechenden Maske gelten nicht

         1.       für Kinder bis zum vollendeten sechsten Lebensjahr,

         2.       für Personen, denen dies aus gesundheitlichen Gründen nicht zugemutet werden kann. Diesfalls darf auch eine nicht eng anliegende, aber den Mund- und Nasenbereich vollständig abdeckende mechanische Schutzvorrichtung getragen werden. Eine vollständige Abdeckung liegt vor, wenn die nicht eng anliegende Schutzvorrichtung bis zu den Ohren und deutlich unter das Kinn reicht. Sofern den Personen auch dies aus gesundheitlichen Gründen nicht zugemutet werden kann, gilt die Pflicht zum Tragen einer den Mund- und Nasenbereich abdeckenden mechanischen Schutzvorrichtung nicht,

         3.       während der Konsumation von Speisen und Getränken, und

         4.       für gehörlose und schwer hörbehinderte Personen sowie deren Kommunikationspartner während der Kommunikation.“

§ 16 Abs 2 2. COVID-19-Notmaßnahmenverordnung, BGBl. II Nr. 598/2020 idF BGBl II Nr. 17/2021:

„Der Ausnahmegrund des § 15 Abs. 3, wonach aus gesundheitlichen Gründen das Tragen einer den Mund- und Nasenbereich abdeckenden mechanischen Schutzvorrichtung nicht zugemutet werden kann, ist durch eine von einem in Österreich zur selbstständigen Berufsausübung berechtigten Arzt ausgestellte Bestätigung nachzuweisen.“

Rechtliche Erwägungen:

Der Beschwerdeführer hat am 19.01.2021 an einer Veranstaltung (Versammlung) teilgenommen. Gemäß § 12 Abs 1 Z 2 der 2. COVID-19-Notmaßnahmenverordnung war er unter anderem verpflichtet, eine den Mund- und Nasenbereich abdeckende und eng anliegende mechanische Schutzvorrichtung zu tragen. § 15 Abs 3 leg. cit. regelt eine Ausnahme von der Tragepflicht von Masken, wenn dies aus gesundheitlichen Gründen nicht zugemutet werden kann. Dies ist durch eine von einem in Österreich zur selbstständigen Berufsausübung berechtigten Arzt ausgestellte Bestätigung nachzuweisen. Frau Dr. C D war zum Zeitpunkt der Ausstellung des vorgelegten Attestes eine zur selbstständigen Berufsausübung berechtigte Ärztin und daher zur Ausstellung eines Maskenbefreiungsattestes berechtigt. Für die Anwendung der Ausnahmebestimmung von der Tragepflicht von Mund- Nasenschutz ist aber eine ernsthafte und fachlich fundierte Begründung im Hinblick auf die konkreten gesundheitlichen Beschwerden des Betroffenen, insbesondere auch im Hinblick auf den Zweck der Befreiung geboten. Dies ergibt sich aus § 55 Ärztegesetz 1998, wonach ärztliche Zeugnisse eine „gewissenhafte ärztliche Untersuchung“ sowie eine „genaue Erhebung der im Zeugnis zu bestätigenden Tatsachen“ normiert ist. Diese Regelung gilt auch für ärztliche Gutachten, Bestätigungen oder Bescheinigungen (vgl. Eigner mit AI/Kierein/Kopetzki, Ärztegesetz 3. Auflage, § 55 FN 2).

Die vom Gesetz geforderte gewissenhafte ärztliche Untersuchung soll Gefälligkeitsgutachten verhindern. Ein solches liegt zweifelslos bei fehlender medizinischer Indikation oder der ungeprüften Entsprechung des vom Patienten geäußerten Wunsches vor. Es bedarf einer nachvollziehbaren Darstellung im ärztlichen Attest, auf welcher Grundlage die Diagnose erstellt wurde und wie sich die gesundheitlichen Beschwerden im konkreten Fall auswirken – etwa in welchem Ausmaß konkret das Tragen einer Maske unzumutbar ist.

Um die Schlüssigkeit des Gutachtens nachvollziehen zu können, muss der Verfasser darin klar anführen, auf welche Tatsachen er seine Stellungnahme gründet.

Das vom Beschwerdeführer vorgelegte „ärztliche Attest Dris. C D“ enthält keinerlei individualisierte Angaben zum Gesundheitszustand des Beschwerdeführers, wie etwa eine Krankheitsdiagnose, eine Umschreibung von Symptomen oder eine Medikation.

Der Beschwerdeführer wurde von der belangten Behörde und auch vom Verwaltungsgericht eingeladen, jene Befunde und Unterlagen, die dem ärztlichen Attest Dris. C D zu Grunde liegen, vorzulegen, um so dem Gericht die Möglichkeit zu geben, das Attest auf Schlüssigkeit nachvollziehen zu können. Derartige Daten wurden jedoch vom Beschwerdeführer nicht vorgelegt. Das „Maskenbefreiungsattest“ entspricht nicht den Erfordernissen des § 55 Ärztegesetz und ist daher nicht geeignet, als Bescheinigung im Sinne des § 16 2. COVID-19-NotMV zu gelten. Der Beschwerdeführer hat folglich der gesetzlichen Verpflichtung durch eine von einem in Österreich zur selbstständigen Berufsausübung berechtigten Arzt ausgestellte Bestätigung nachzuweisen nicht entsprochen, ihm sei das Tragen eines Mund-Nasenschutzes nicht zumutbar.

Bei dem angelasteten Delikt handelt es sich um ein Ungehorsamsdelikt im Sinne des § 5 Abs 1 VStG, weil zum Tatbild dieser Verwaltungsübertretung der Eintritt eines Schadens oder einer Gefahr nicht gehört. Im Sinne des zweiten Satzes des § 5 Abs 1 VStG hat der Täter glaubhaft zu machen, dass ihm die Einhaltung der Verwaltungsvorschrift ohne sein Verschulden unmöglich gewesen ist. Der Beschwerdeführer muss daher zu seiner verwaltungsstrafrechtlichen Entlastung glaubhaft machen, dass ihn an der Verletzung der Verwaltungsvorschrift kein Verschulden traf. Dem Beschwerdeführer ist es nicht gelungen, Umstände geltend zu machen, die zu einer Exkulpierung führen würden. Er hat es vielmehr im Rahmen der, auch einen Beschwerdeführer treffenden Mitwirkungspflicht, unterlassen, jene Unterlagen und/oder Dokumente, die den von ihm vorgelegten Attest vom 05.01.2021 zu Grunde lagen, dem Gericht vorzulegen und hat somit selbst zu verantworten, dass das Attest als nicht dem Gesetz entsprechend gewertet werden muss.

Strafbemessung:

§ 19 Abs 1 und Abs 2 VStG:

„(1) Grundlage für die Bemessung der Strafe sind die Bedeutung des strafrechtlich geschützten Rechtsgutes und die Intensität seiner Beeinträchtigung durch die Tat.

(2) Im ordentlichen Verfahren (§§ 40 bis 46) sind überdies die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen. Auf das Ausmaß des Verschuldens ist besonders Bedacht zu nehmen. Unter Berücksichtigung der Eigenart des Verwaltungsstrafrechtes sind die §§ 32 bis 35 des Strafgesetzbuches sinngemäß anzuwenden. Die Einkommens- und Vermögensverhältnisse und allfällige Sorgepflichten des Beschuldigten sind bei der Bemessung von Geldstrafen zu berücksichtigen.“

§ 16 VStG:

„(1) Wird eine Geldstrafe verhängt, so ist zugleich für den Fall ihrer Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe festzusetzen.

(2) Die Ersatzfreiheitsstrafe darf das Höchstmaß der für die Verwaltungsübertretung angedrohten Freiheitsstrafe und, wenn keine Freiheitsstrafe angedroht und nicht anderes bestimmt ist, zwei Wochen nicht übersteigen. Eine Ersatzfreiheitsstrafe von mehr als sechs Wochen ist nicht zulässig. Sie ist ohne Bedachtnahme auf § 12 nach den Regeln der Strafbemessung festzusetzen.“

Die belangte Behörde wertete zu Recht, die verwaltungsstrafrechtliche Unbescholtenheit als mildernd und führte aus, dass keine erschwerenden Umstände vorliegen. Die von der belangten Behörde berücksichtigte Einkommenssituation und Sorgepflichten decken sich mit den Angaben des Beschwerdeführers in der Gerichtsverhandlung, hinsichtlich der Vermögensverhältnisse ist zu berücksichtigen, dass der Beschwerdeführer ein Einfamilienhaus besitzt und monatliche Kreditbelastungen von ca. € 1.000,00 zu tragen hat. Die Missachtung von Maßnahmen zur Pandemiebekämpfung sind keinesfalls ein geringer Sorgfaltsverstoß, den die Pflicht zum Tragen einer Schutzvorrichtung im Mund- und Nasenbereich dient dem Schutz der Gesundheit und des Lebens der Bevölkerung. Unter Bedachtnahme auf diese Strafzumessungskriterien und unter Berücksichtigung von general- und spezialpräventiven Aspekten, die bei der Strafbemessung nicht zu vernachlässigen sind, ist die von der belangten Behörde gemäß § 40 EpiG verhängte Geldstrafe in der Höhe von € 120,00 keinesfalls als zu hoch festgesetzt zu betrachten. Die Ersatzfreiheitsstrafe war jedoch auf das im Spruch ersichtliche Ausmaß herabzusetzen, da diese gemäß § 40 Abs 2 VStG mit „bis zu einer Woche“ gesetzlich geregelt ist, sodass die verhängte Ersatzfreiheitsstrafe zu hoch festgesetzt wurde.

Da der Beschwerdeführer mit seiner Beschwerde zumindest teilweise (hinsichtlich der Ersatzfreiheitsstrafe) erfolgt hatte, fallen für die Durchführung des Gerichtsverfahrens keinerlei Verfahrenskosten an.

Revision:

Gemäß Artikel 133 Abs 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Hat das Erkenntnis nur eine geringe Geldstrafe zum Gegenstand, kann durch Bundesgesetz vorgesehen werden, dass die Revision unzulässig ist.

Gemäß § 25a Abs 4 VwGG ist eine Revision wegen Verletzung in Rechten (Art. 133 Abs 6 Z 1 B-VG) nicht zulässig, wenn in einer Verwaltungsstrafsache oder in einer Finanzstrafsache eine Geldstrafe von bis zu € 750,00 und keine Freiheitsstrafe verhängt werden durfte und im Erkenntnis eine Geldstrafe von bis zu € 400,00 verhängt wurde.

Nachdem die Voraussetzungen des § 25a Abs 4 VwGG hier vorliegen, kann der Beschwerdeführer gegen diese Entscheidung des Landesverwaltungsgerichtes Steiermark keine Revision erheben.

Der belangten Behörde steht eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nicht offen, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Schlagworte

COVID-19, Corona, Maskenbefreiung, Veranstaltung, Mund-Nasen-Schutz, FFP2-Maske, ärztliche Bestätigung, Maskenbefreiungsattest, Gefälligkeitsattest, Gefälligkeitsgutachten, Krankheitsdiagnose, Symptome, Medikation

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LVWGST:2021:LVwG.30.19.1362.2021

Zuletzt aktualisiert am

14.03.2022
Quelle: Landesverwaltungsgericht Steiermark LVwg Steiermark, http://www.lvwg-stmk.gv.at
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