TE Lvwg Beschluss 2021/12/20 LVwG-M-60/001-2021

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 20.12.2021
beobachten
merken

Entscheidungsdatum

20.12.2021

Norm

B-VG Art130 Abs1 Z2
AVG 1991 §13 Abs3
VwGVG 2014 §9

Text

Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich fasst durch Dr. Flendrovsky als Einzelrichter über die Maßnahmenbeschwerde des A in ***, vertreten durch B, Rechtsanwalt in ***, ***, betreffend Kontrolle eines Geflügelmarktes, den

BESCHLUSS:

1.  Die Beschwerde wird gemäß § 17, § 28 Abs. 1 erster Halbsatz und § 31 Abs. 1 VwGVG iVm § 13 Abs. 3 AVG als mangelhaft zurückgewiesen.

2.  Gegen diesen Beschluss ist eine Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 und 9 B-VG iVm § 25a Abs. 1 VwGG nicht zulässig.

Begründung:

I.       Sachverhalt und Verfahrensgang

1. Der Beschwerdeführer verfasste am 26. Oktober 2021 ein Schreiben mit der Anrede „Sehr geehrter Herr Postenkommandant“, in dem er sich über das Verhalten „Ihrer Beamten“ (gemeint des angesprochenen Postenkommandanten) bei einer Kontrolle am Kleintiermarkt *** am 10. Oktober 2021 beschwerte. Die Beamten hätten, ohne über die nötigen Sachkenntnisse zu verfügen und ohne die notwendigen Papiere kontrolliert zu haben, sein Unternehmen der Tierquälerei beschuldigt. Außerdem seien sie, ohne ihn zu fragen, auf seinen LKW gestiegen und hätten gegen die Transporthygiene-Geflügelhygieneverordnung verstoßen, weil sie weder Schutzkleidung noch Überschuhe getragen hätten.

Abschließend enthielt das Schreiben die Erklärung (Schreibfehler nicht korrigiert):

„Das ist meine Aussage die hiermit zu Protokoll gebe.

Ich werde nicht am Posten erscheinen.“

2.       Die Bezirkshauptmannschaft deutete das Schreiben als Maßnahmenbeschwerde und leitete es am 29. Oktober 2021 an das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich weiter, wo es am 2. November 2021 einlangte.

3.       Das Landesverwaltungsgericht forderte den Beschwerdeführer (mit näheren Erläuterungen) am 19. November 2021 auf, zu erklären, ob er mit dem Schreiben tatsächlich eine solche Beschwerde habe erheben wollen. Sollte dies der Fall sein, sei der Akt bzw. die Akte unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt zu bezeichnen, die für rechtswidrig erachtet werden (§ 9 Abs. 1 Z 1 VwGVG). Außerdem sei das Organ zu bezeichnen, welches diese Akte (Maßnahmen) gesetzt hat (§ 9 Abs. 4 VwGVG). Schließlich sei ein Begehren zu stellen (§ 9 Abs. 1 Z 4 VwGVG).

Für die Verbesserung wurde eine Frist von zwei Wochen gesetzt und darauf hingewiesen, dass bei nicht fristgerechter Verbesserung die Beschwerde zurückgewiesen werde. Alternativ sei auch eine Erklärung des Beschwerdeführers möglich, dass die Beschwerde nach § 89 Abs. 1 SPG an die Landespolizeidirektion Niederösterreich weitergeleitet werden solle.

4.       Mit E-mail vom 7. Dezember 2021 erklärte der (nunmehr anwaltlich vertretene) Beschwerdeführer, er sei bei Zustellung des Verbesserungsauftrages urlaubsbedingt im Ausland abwesend gewesen. Er wolle das Verfahren weiterbetreiben und ersuche um Fristerstreckung bis 22. Dezember 2021.

5.       Mit Schreiben vom 9. Dezember 2021 erstreckte das Landesverwaltungsgericht mit näherer Begründung die Frist auf 17 Tage ab Zustellung des Verbesserungsauftrages, wobei darauf hingewiesen wurde, dass diese laut dem im Gerichtsakt einliegenden Zustellnachweis durch Hinterlegung erfolgt sei, wobei der erste Tag der Abholfrist der 26. November 2021 gewesen sei. Eine nach § 17 Abs. 3 ZustG maßgebliche längere Ortsabwesenheit sei vom Beschwerdeführer zu belegen.

6.       Bis zum heutigen Tag langte keine Verbesserung bzw. Stellungnahme des Beschwerdeführers ein.

7.       Dieser Sachverhalt bzw. Verfahrensgang ergibt sich aus dem Gerichtsakt.

Die behauptete Ortsabwesenheit zur Zeit der Hinterlegung des Verbesserungsauftrages nimmt das Landesverwaltungsgericht nicht als erwiesen an. Zwar besteht hinsichtlich der vom Beschwerdeführer behaupteten vorübergehenden Ortsabwesenheit keine Beweispflicht, sondern lediglich eine mit dem Grundsatz der Amtswegigkeit des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens (§ 17 VwGVG iVm § 37 und § 39 Abs. 2 AVG) korrespondierende Verpflichtung des Beschwerdeführers zur Mitwirkung bei der Ermittlung des maßgebenden Sachverhaltes. Durch die bloße Behauptung der Ortsabwesenheit im Zeitpunkt der erfolgten Hinterlegung ohne nähere Konkretisierung dieser Behauptung in sachverhaltsmäßiger Hinsicht hat der Beschwerdeführer dieser Mitwirkungspflicht aber nicht entsprochen (vgl. zum Verwaltungsverfahren VwGH 19.04.2001, 99/06/0049, mwN).

II.      Rechtsvorschriften

1.       Gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 2 des Bundes-Verfassungsgesetzes (B-VG), BGBl. 1/1930 idF BGBl. I 51/2012, erkennen die Verwaltungsgerichte über Beschwerden gegen die Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt wegen Rechtswidrigkeit. Gemäß Art. 132 Abs. 2 B-VG kann gegen die Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt wegen Rechtswidrigkeit Beschwerde erheben, wer durch sie in seinen Rechten verletzt zu sein behauptet.

2.       Die maßgeblichen Bestimmungen des Verwaltungsgerichtsverfahrens-gesetzes (VwGVG), BGBl. I 33/2013 idF BGBl. I 109/2021, lauten:

„[…]

Inhalt der Beschwerde

§ 9. (1) Die Beschwerde hat zu enthalten:

1. die Bezeichnung […] der angefochtenen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt,

2. die Bezeichnung der belangten Behörde,

[…]

4. das Begehren […]

[…]

(4) Bei Beschwerden gegen die Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt gemäß Art.  30 Abs. 1 Z 2 B-VG tritt an die Stelle der Bezeichnung der belangten Behörde, soweit dies zumutbar ist, eine Angabe darüber, welches Organ die Maßnahme gesetzt hat.

[…]

Anzuwendendes Recht

§ 17. Soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, sind auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung – BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes – AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 – DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

[…]

Verhandlung

§ 24. (1) Das Verwaltungsgericht hat auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen.

(2) Die Verhandlung kann entfallen, wenn

1. […] die Beschwerde zurückzuweisen ist […]

[…]

Erkenntnisse

§ 28. (1) Sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.

[…]

Beschlüsse

§ 31. (1) Soweit nicht ein Erkenntnis zu fällen ist, erfolgen die Entscheidungen und Anordnungen durch Beschluss.

[…]

Kosten im Verfahren über Beschwerden wegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt

§ 35. (1) Die im Verfahren über Beschwerden wegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt (Art. 130 Abs. 1 Z 2 B-VG) obsiegende Partei hat Anspruch auf Ersatz ihrer Aufwendungen durch die unterlegene Partei.

(7) Aufwandersatz ist auf Antrag der Partei zu leisten. […]

[…]“

3.       Die maßgeblichen Bestimmungen des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991 (AVG), BGBl. 51 idF BGBl. I 58/2018, lauten:

„[…]

Anbringen

§ 13. […]

(3) Mängel schriftlicher Anbringen ermächtigen die Behörde nicht zur Zurückweisung. Die Behörde hat vielmehr von Amts wegen unverzüglich deren Behebung zu veranlassen und kann dem Einschreiter die Behebung des Mangels innerhalb einer angemessenen Frist mit der Wirkung auftragen, dass das Anbringen nach fruchtlosem Ablauf dieser Frist zurückgewiesen wird. Wird der Mangel rechtzeitig behoben, so gilt das Anbringen als ursprünglich richtig eingebracht.

[…]

Allgemeine Grundsätze

§ 37. Zweck des Ermittlungsverfahrens ist, den für die Erledigung einer Verwaltungssache maßgebenden Sachverhalt festzustellen und den Parteien Gelegenheit zur Geltendmachung ihrer Rechte und rechtlichen Interessen zu geben. Nach einer Antragsänderung (§ 13 Abs. 8) hat die Behörde das Ermittlungsverfahren insoweit zu ergänzen, als dies im Hinblick auf seinen Zweck notwendig ist.

[…]

§ 39. (1) Für die Durchführung des Ermittlungsverfahrens sind die Verwaltungsvorschriften maßgebend.

(2) Soweit die Verwaltungsvorschriften hierüber keine Anordnungen enthalten, hat die Behörde von Amts wegen vorzugehen und unter Beobachtung der in diesem Teil enthaltenen Vorschriften den Gang des Ermittlungsverfahrens zu bestimmen. […]

[…]“

4.       § 17 des Zustellgesetzes (ZustG), BGBl. 200/1982 idF BGBl. I 5/2008, lautet auszugsweise:

„Hinterlegung

§ 17. (1) Kann das Dokument an der Abgabestelle nicht zugestellt werden und hat der Zusteller Grund zur Annahme, daß sich der Empfänger oder ein Vertreter im Sinne des § 13 Abs. 3 regelmäßig an der Abgabestelle aufhält, so ist das Dokument im Falle der Zustellung durch den Zustelldienst bei seiner zuständigen Geschäftsstelle […] zu hinterlegen.

[…]

(3) Das hinterlegte Dokument ist mindestens zwei Wochen zur Abholung bereitzuhalten. Der Lauf dieser Frist beginnt mit dem Tag, an dem das Dokument erstmals zur Abholung bereitgehalten wird. Hinterlegte Dokumente gelten mit dem ersten Tag dieser Frist als zugestellt. Sie gelten nicht als zugestellt, wenn sich ergibt, daß der Empfänger oder dessen Vertreter im Sinne des § 13 Abs. 3 wegen Abwesenheit von der Abgabestelle nicht rechtzeitig vom Zustellvorgang Kenntnis erlangen konnte, doch wird die Zustellung an dem der Rückkehr an die Abgabestelle folgenden Tag innerhalb der Abholfrist wirksam, an dem das hinterlegte Dokument behoben werden könnte.

[…]“

III.     Rechtliche Beurteilung

1.       Aus dem von der Bezirkshauptmannschaft Tulln vorgelegten, von dieser als Beschwerde nach Art. 130 Abs. 1 Z 2 iVm Art. 132 Abs. 2 B-VG gedeuteten Schreiben ergab sich nicht eindeutig der Wille des Beschwerdeführers, eine Maßnahmenbeschwerde zu erheben.

Abgesehen davon enthielt das Schreiben keine Bezeichnung konkreter Befehls- oder Zwangsakte, gegen die sich eine allfällige Beschwerde richten sollte, und kein (auf solche Akte bezogenes) Begehren. Darüber hinaus war dem Schreiben kein Organ zu entnehmen, welches vom Beschwerdeführer allenfalls bekämpfte Akte gesetzt haben soll. Das Schreiben entsprach somit nicht § 9 Abs. 1 Z 1 und 4 sowie § 9 Abs. 4 VwGVG.

Der Beschwerdeführer war daher insoweit gemäß § 17 VwGVG iVm § 13 Abs. 3 AVG zur Verbesserung aufzufordern.

2.       Das Landesverwaltungsgericht deutet die Erklärung des Beschwerdeführers vom 7. Dezember 2021, das Verfahren „weiterbetreiben“ zu wollen, derart, dass der Beschwerdeführer eine Maßnahmenbeschwerde erheben wollte.

3.       Im Übrigen ist der Beschwerdeführer dem erteilten Verbesserungsauftrag jedoch nicht nachgekommen.

Hiezu ist festzuhalten, dass, ausgehend von dem auf dem Rückschein vermerkten 26. November 2021 als erstem Tag der Abholfrist, der Auftrag gemäß § 17 Abs. 3 dritter Satz ZustG an diesem Tag als zugstellt galt. Der letzte Tag der (am 07.12.2021 auf 17 Tage erstreckten) Verbesserungsfrist wäre somit der 13. Dezember 2021 gewesen.

Die Beschwerde ist daher nach § 17 VwGVG iVm § 13 Abs. 3 AVG mit Beschluss zurückzuweisen (vgl. dazu etwa VwGH 29.08.2017, Ra 2016/17/0197).

4.       Eine mündliche Verhandlung wurde von keiner Partei beantragt und konnte gemäß § 24 Abs. 2 Z 1 VwGVG entfallen.

5.       Aufwandersatz wurde von der Bezirkshauptmannschaft Tulln nicht begehrt, weshalb darüber nicht abzusprechen ist (vgl. § 35 Abs. 7 VwGVG).

IV.      Zur Unzulässigkeit der Revision

Die Revision ist nicht zulässig, weil im gegenständlichen Verfahren keine Rechtsfrage zu lösen war, der im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukommt. Insbesondere weicht die Entscheidung weder von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab noch fehlt eine solche Rechtsprechung noch wird die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes uneinheitlich beantwortet.

Die Lösung der Rechtsfrage ergibt sich vielmehr aus dem klaren Wortlaut des § 9 Abs. 1 Z 1 und 4, des § 9 Abs. 4 und des § 17 VwGVG sowie des § 13 Abs. 3 AVG (vgl. zum Fehlen einer Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung bei eindeutigem Wortlaut der anzuwendenden Bestimmungen etwa VwGH 23.05.2017, Ra 2017/05/0086) sowie aus der zitierten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes.

Schlagworte

Maßnahmenbeschwerde; Verfahrensrecht; Mangel; Verbesserungsauftrag; Frist;

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LVWGNI:2021:LVwG.M.60.001.2021

Zuletzt aktualisiert am

14.03.2022
Quelle: Landesverwaltungsgericht Niederösterreich LVwg Niederösterreic, http://www.lvwg.noe.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten