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001 Verwaltungsrecht allgemein;Norm
StGB §33 Z1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Jabloner und die Hofräte Dr. Mizner und Dr. Bumberger als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Fichtner, über die Beschwerde des F in Z, vertreten durch Dr. P, Rechtsanwalt in I, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Tirol vom 17. August 1995, Zl. 1374/13, betreffend Übertretung des Forstgesetzes 1975, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.500,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Zur Vorgeschichte wird auf die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom 25. Jänner 1993, Zlen. 91/10/0063, 0064 und vom 30. Jänner 1995, Zl. 94/10/0035, verwiesen. Mit dem letztgenannten Erkenntnis wies der Verwaltungsgerichtshof die Beschwerde gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Tirol vom 27. April 1993, mit welchem über den Beschwerdeführer wegen Übertretung des § 174 Abs. 1 lit. a Z. 15 des Forstgesetzes 1975 eine Primärfreiheitsstrafe von 10 Tagen verhängt worden war, ab, soweit die Beschwerde sich gegen den Schuldspruch richtete. Hingegen wurde der Ausspruch über die Strafhöhe wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Mit Bescheid vom 17. August 1995 verhängte die belangte Behörde über den Beschwerdeführer eine Geldstrafe in Höhe von S 12.000,-- (Ersatzfreiheitsstrafe 5 Tage).
In der Begründung wird im wesentlichen ausgeführt, aus dem seitens der Bezirkshauptmannschaft A übermittelten Vorstrafenverzeichnis ergebe sich, daß gegen den Beschwerdeführer eine Reihe von Verwaltungsstrafverfahren wegen des Verdachtes der Übertretung des § 174 Abs. 1 lit. a Z. 15 des Forstgesetzes 1975 eingeleitet worden sei, die aber zum Großteil gemäß § 45 Abs. 1 Z. 3 VStG eingestellt worden seien. Mit Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates vom 23. November 1994 sei wegen der Verwaltungsübertretung des § 174 Abs. 1 Z. 13 des Forstgesetzes 1975 eine über den Beschwerdeführer verhängte Primärfreiheitsstrafe in eine Geldstrafe in der Höhe von S 20.000,-- umgewandelt worden. Dabei handle es sich jedenfalls um eine rechtskräftige Bestrafung wegen einer Tat, die im Hinblick auf das im Forstgesetz 1975 vorgegebene Schutzziel auf die gleiche schädliche Neigung zurückzuführen sei und somit als Erschwerungsgrund im Sinne des § 19 Abs. 2 VStG gewertet werden könne. Hinsichtlich des dem Beschwerdeführer zur Last gelegten Vorwurfes, er habe am 12. Juni 1990, am 21. Juni 1990 und am 7. Juni 1990 auf den Schonungsflächen im Bereich der "N-Alpe" gegen die Bestimmung des § 37 Abs. 3 des Forstgesetzes 1975 verstoßen, handle es sich um ein fortgesetztes Delikt, welches durch den Umstand, daß die Verwaltungsübertretung durch längere Zeit hindurch mehrmals gesetzt worden sei, als erschwerend zu werten sei. Auf Grund des Umstandes, daß gegen den Beschwerdeführer bereits eine Vielzahl von Verwaltungsstrafverfahren wegen des Verdachtes der Übertretung des § 174 Abs. 1 lit. a Z. 13 des Forstgesetzes 1975 eingeleitet worden sei, und dieser keine Vorkehrungen gegen die beanstandeten Weidungen unternommen habe, sei davon auszugehen, daß ihm das Unrecht seiner Tat sehr wohl bewußt gewesen und deshalb bedingter Vorsatz zu unterstellen sei. In Ansehung der aufgezeigten Erschwerungsgründe sowie unter Bedachtnahme auf die geringen Einkommensverhältnisse des Beschwerdeführers erscheine die Verhängung einer Geldstrafe von S 12.000,-- schuld- und tatangemessen.
Gegen diesen Bescheid richet sich die vorliegende Beschwerde, in der Rechtswidrigkeit des Inhalts geltend gemacht wird.
Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und in der Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Der Beschwerdeführer bestreitet, daß ihm Vorsatz vorzuwerfen sei.
Der Verwaltungsgerichtshof hat im Vorerkenntnis vom 25. Jänner 1993, Zlen. 91/10/0063, 0064, ausgesprochen, daß es sich bei den dem Beschwerdeführer zur Last gelegten Beweidungen von Schonungsflächen am 7., 12. und 21. Juni 1990 um ein fortgesetztes Begehungsdelikt handelt. Damit wurde implizit auch eine Aussage über die Schuldform getroffen, da fahrlässige Begehungen für die Annahme eines fortgesetzten Deliktes ausscheiden (vgl. Hauer-Leukauf, Handbuch des Österreichischen Verwaltungsverfahrens5, 866). Die belangte Behörde war im fortgesetzten Verfahren daher gemäß § 63 Abs. 1 VwGG an die im Vorerkenntnis zum Ausdruck kommende Auffassung des Verwaltungsgerichtshofes gebunden, daß der Beschwerdeführer vorsätzlich gehandelt hat. Die Bindung der Behörde erstreckt sich nämlich auf die im Vorerkenntnis ausdrücklich niedergelegte Rechtsauffassung und auf solche Fragen, die eine notwendige Voraussetzung für den Inhalt des aufhebenden Erkenntisses darstellen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 14. März 1995, Zl. 94/20/0743, und die dort angeführte Vorjudikatur).
Der Beschwerdeführer bringt vor, da der inkriminierte Zeitraum zwischen 7. Juni 1990 und 21. Juni 1990 liege, könne noch keineswegs von einem Erschwerungsgrund der Fortsetzung der strafbaren Handlung durch längere Zeit gesprochen werden, zumal es sich hiebei nur um Beobachtungen der Wildbach- und Lawinenverbauung sowie der Bezirksforstinspektion B handle, die Hintergründe jedoch auf seiten des Beschwerdeführers nicht festgestellt worden seien.
Nach § 19 Abs. 2 dritter Satz VStG sind bei der Strafbemessung im ordentlichen Verfahren unter Berücksichtigung der Eigenart des Verwaltungsstrafrechtes die §§ 32 bis 35 des Strafgesetzbuches sinngemäß anzuwenden.
Nach § 33 Z. 1 StGB ist es ein Erschwerungsgrund insbesondere, wenn der Täter mehrere strafbare Handlungen derselben oder verschiedener Art begangen oder die strafbare Handlung durch längere Zeit fortgesetz hat.
§ 33 Z. 1 StGB enthält drei Varianten von Erschwerungsgründen, nämlich die Wiederholung von strafbaren Handlungen derselben Art, das Zusammentreffen von strafbaren Handlungen verschiedener Art und die Fortsetzung einer strafbaren Handlung durch längere Zeit. Die belangte Behörde hat als erschwerend den Umstand angenommen, daß die Verwaltungsübertretung durch längere Zeit hindurch mehrmals gesetzt wurde. Aus dieser Formulierung geht nicht hervor, welche der drei Varianten die belangte Behörde als gegeben angenommen hat.
Die beiden ersten Varianten des § 33 Z. 1 erfassen alle Fälle echter (gleichartiger oder ungleichartiger) Konkurrenz;
bei Fällen von Scheinkonkurrenz kommen diese beiden Alternativen hingegen grundsätzlich nicht zur Anwendung (vgl. Leukauf-Steininger, Kommentar zum Strafgesetzbuch3, 293, Rz 3;
Kunst in Wiener Kommentar zum Strafgesetzbuch, § 33, Rz 2). Das fortgesetzte Delikt ist eine Form der sogenannten unechten (scheinbaren) Realkonkurrenz (vgl. Hauer-Leukauf, Handbuch des Österreichischen Verwaltungsverfahrens5, 866; Walter-Mayer, Grundriß des Österreichischen Verwaltungsverfahrens6, Rz 822). Der Erschwerungsgrund des § 33 Z. 1 erste Alternative StGB (mehrere strafbare Handlungen derselben Art) kommt daher in bezug auf die das fortgesetzte Begehungsdelikt bildenden einzelnen Tathandlungen nicht in Betracht.
Im Beschwerdefall scheidet aber auch der Erschwerungsgrund des § 33 Z. 1 dritter Alternative (Fortsetzung der strafbaren Handlung durch längere Zeit) aus. Der dem Beschwerdeführer vorgeworfene Tatzeitraum erstreckt sich vom 7. bis zum 21. Juni 1990. Als Untergrenze für die "längere Zeit" im Sinne des § 33 Z. 1 StGB ist ein Vierteljahr anzusehen (vgl. Kunst in Wiener Kommentar zum Strafgesetzbuch, § 33, Rz 4;
Leukauf-Steininger, Kommentar zum Strafgesetzbuch3, 294, Rz 5a).
Ob den von der belangten Behörde als erschwerend angenommenen Umständen (mehrmalige Tathandlungen in einem Zeitraum zwischen 7. und 21. Juni 1990) allenfalls im Rahmen des § 19 Abs. 1 VStG für die Strafbemessung Bedeutung zukommt, kann nicht beurteilt werden, da die belangte Behörde diesbezüglich keine Sachverhaltsfeststellungen getroffen hat.
Schließlich bringt der Beschwerdeführer vor, seine Bestrafung mit Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates Tirol vom 23. November 1994 hätte nicht als Erschwerungsgrund herangezogen werden dürfen.
Der Erschwerungsgrund der einschlägigen Vorstrafe besteht dann, wenn diese zum Zeitpunkt der Begehung der neuen Straftat bereits rechtskräftig war (vgl. die bei Hauer-Leukauf, Handbuch des Österreichischen Verwaltungsverfahrens5, 851, angeführte Rechtsprechung).
Die dem Beschwerdeführer mit dem angefochtenen Bescheid zur Last gelegte Verwaltungsübertretung wurde im Zeitraum vom 7. bis zum 21. Juni 1990 begangen. Die mit Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates Tirol vom 23. November 1994 verhängte Strafe bezog sich, wie sich aus den Verwaltungsstrafakten ergibt, auf eine am 8. Juli 1992 begangene Verwaltungsübertretung. Die Bestrafung wegen dieser Verwaltungsübertretung konnte daher zum Zeitpunkt der dem Beschwerdeführer im angefochtenen Bescheid zur Last gelegten Verwaltungsübertretung noch gar nicht rechtskräftig sein. Sie durfte daher zur Strafbemessung nicht herangezogen werden.
Aus den dargestellten Erwägungen erweist sich der angefochtene Bescheid als inhaltlich rechtswidrig, weshalb er gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben war.
Der Ausspruch über den Kostenersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung
Schlagworte
Erschwerende und mildernde Umstände DiversesEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1996:1996100069.X00Im RIS seit
11.07.2001