TE Vwgh Beschluss 1996/8/8 96/14/0096

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Veröffentlicht am 08.08.1996
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof;

Norm

VwGG §46 Abs1;

Beachte

Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden): 96/14/0097

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Weiss sowie die Hofräte Dr. Karger, Dr. Graf, Mag. Heinzl und Dr. Zorn als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Hajicek, über den Antrag der R GmbH (richtig wohl: R HandelsgmbH) in F, vertreten durch Dr. T, Rechtsanwalt in I, auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Behebung von Mängeln der Beschwerde in dem mit Beschluß vom 30. April 1996, 96/14/0025, 0026, abgeschlossenen Verfahren, den Beschluß gefaßt:

Spruch

Dem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wird stattgegeben.

Begründung

Mit Beschluß vom 30. April 1996, 96/14/0025, 0026, stellte der Gerichtshof das Verfahren betreffend die von der Antragstellerin erhobene Beschwerde gegen zwei Bescheide der Finanzlandesdirektion für Tirol (in der Folge: Bescheide) ein, weil die Antragstellerin dem an sie ergangenen Auftrag zur Verbesserung der Beschwerde insoweit nicht nachgekommen war, als sie innerhalb der gesetzten Frist zwar die zurückgestellten Beschwerdeausfertigungen samt Beilagen, jedoch nur ein als weitere Ausfertigung bezeichnetes Schriftstück, in dem der Text der Urschrift auf Seite 5 nicht vollständig wiedergegeben ist, vorlegte.

In dem fristgerecht zur Post gegebenen Antrag wird unter Vorlage einer Beschwerdeausfertigung die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Behebung von Mängeln begehrt.

Aus den Ausführungen der Antragstellerin ergibt sich folgender, vom Gerichtshof als bescheingt angesehener Sachverhalt:

Nach Zustellung der hg Verfügung betreffend die Behebung von Mängeln habe ihr Rechtsanwalt die in der Kanzlei seit Jahren klaglos tätige BK angewiesen, von der zurückgestellten Urschrift der Beschwerde eine Ablichtung herzustellen und diese zusammen mit dem bereits diktierten "Antrag auf Verbesserung" dem Gerichtshof zu übersenden. Beim Kopieren der zurückgestellten Urschrift sei BK nicht aufgefallen, daß eine Zeile auf Seite 5 nicht vollständig vom Kopiergerät abgelichtet worden sei. Auch ihrem Rechtsanwalt sei dies bei Durchsicht der geforderten weiteren Beschwerdeausfertigung nicht aufgefallen, obwohl er die Seiten durchgeblättert und überprüft habe, ob nicht etwa eine Seite irrtümlich ausgelassen oder verkehrt kopiert worden sei oder auch Seiten vertauscht worden seien. Ihr Rechtsanwalt habe dabei jede Seite links oben und rechts unten miteinander verglichen. Es sei ihm jedoch nicht aufgefallen, daß eine Zeile nicht vollständig vom Kopiergerät wiedergegeben worden sei.

Ihr Rechtsanwalt sei somit der ihm zumutbaren Sorgfalt nachgekommen, weil er Textanfang und Textende der kopierten Seiten mit der Urschrift verglichen habe, zumal mit dem Nichtablichten einer Zeile nicht gerechnet werden und eine solche Auslassung auch nicht auffallen müßte.

Nach § 46 Abs 1 VwGG ist einer Partei auf Antrag die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis .... eine Frist versäumt und dadurch einen Rechtsnachteil erleidet. Daß der Partei ein Verschulden an der Versäumung zur Last liegt, hindert die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht, wenn es sich nur um einen minderen Grad des Versehens handelt.

Wie der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung ausgeführt hat (vgl beispielsweise den hg Beschluß vom 18. Jänner 1994, 93/14/0199, mwA), stellt ein einem Rechtsanwalt widerfahrenes Ereignis einen Wiedereinsetzungsgrund für die Partei nur dann dar, wenn dieses Ereignis für den Rechtsanwalt selbst unvorhergesehen oder unabwendbar war und es sich hiebei höchstens um einen minderen Grad des Versehens handelt. Ein Verschulden des Rechtsanwaltes, das über den minderen Grad des Versehens hinausgeht, schließt die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand aus. Der Begriff des minderen Grades des Versehens ist als leichte Fahrlässigkeit iSd § 1332 ABGB zu verstehen.

Es mag dahingestellt bleiben, ob ein Rechtsanwalt verpflichtet ist, die von einer Kanzleikraft hergestellten Ablichtungen von Schriftstücken im einzelnen auf ihre Vollständigkeit zu überprüfen. Der dem Rechtsanwalt der Antragstellerin unterlaufene Verstoß gegen eine solche allfällige Verpflichtung stellt jedoch nur einen minderen Grad des Versehens dar.

Dem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand war daher stattzugeben.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1996:1996140096.X00

Im RIS seit

03.04.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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