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001 Verwaltungsrecht allgemein;Norm
AVG §33 Abs3;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Jabloner und die Hofräte Dr. Mizner und Dr. Bumberger als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Fichtner, über die Beschwerde des H in G, vertreten durch Dr. R, Rechtsanwalt in G, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates für die Steiermark vom 1. August 1995, Zl. UVS 30.13-86/95-6, betreffend Zurückweisung einer Berufung, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Land Steiermark Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Graz-Umgebung wurde über den Beschwerdeführer wegen einer Verwaltungsübertretung nach dem Steiermärkischen Naturschutzgesetz eine Geldstrafe von S 3.000,-- (5 Tage Ersatzfreiheitsstrafe) verhängt. Das Straferkenntnis wurde dem Beschwerdeführer zu Handen seines Rechtsanwaltes am Freitag, dem 19. Mai 1995, zugestellt. Der Beschwerdeführer erhob Berufung; der Schriftsatz langte bei der BH am 7. Juni 1995 ein. Auf dem Briefumschlag befinden sich der Abdruck der Freistempelmaschine des Beschwerdevertreter mit dem Datum 2.6.1995 und der Poststempel des Postamtes 8020 Graz mit dem Datum 6.6.1995.
Die belangte Behörde übermittelte eine Ablichtung des Briefumschlags dem Postamt 8020 Graz und ersuchte um Mitteilung des Zeitpunktes der Postaufgabe. Das Postamt teilte mit, die Sendung sei in einen Briefkasten eingeworfen worden, der nur an Werktagen (Montag bis Freitag) geleert werde. Da sie vermutlich erst nach der letzten Aushebung des Briefkastens am Freitag, dem 2. Juni 1995, eingeworfen worden und der darauffolgende Montag ein Feiertag gewesen sei, habe die Sendung erst am 6. Juni 1995 im Postamt 8020 Graz einlangen und weitergeleitet werden können.
Dieses Erhebungsergebnis hielt die belangte Behörde dem Beschwerdeführer vor. Dessen Vertreter erklärte dazu, er habe die Berufung am 2. Juni 1995 persönlich diktiert. Die Berufung sei dann von der Kanzlei am selben Tag zur Post gegeben worden, wie sich auch aus dem auf dem Kuvert befindlichen Poststempel ergebe. Das Poststück sei "von mir persönlich zur Post gegeben" worden, und zwar gegen 21.30 Uhr des betreffenden Tages. Das Datum der Postaufgabe ergebe sich ohnedies aus dem am Kuvert ersichtlichen Poststempel.
Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung als verspätet zurück. Begründend stellte sie zunächst fest, der Berufungsschriftsatz sei nach dem letzten regulären Ausheben am Freitag, dem 2. Juni 1995 in einen Briefkasten eingeworfen worden. Für den Beginn des Postlaufes sei maßgeblich, wann das Schriftstück von der Post in Bearbeitung genommen werde. Wenn es in einem Briefkasten eingelegt werde, müsse dies vor der auf dem Briefkasten vermerkten Aushebungszeit erfolgen. Nur dann gelte das Schriftstück als am gleichen Tag zur Post gegeben. Durch die Freistempelung werde der Postlauf nicht in Gang gesetzt. Dieser habe daher im Beschwerdefall erst am 6. Juni 1995 begonnen; die Berufung sei verspätet.
Die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde wiederholt das Vorbringen im Berufungsverfahren, wonach Dr. R am 2. Juni 1995 gegen 21.30 Uhr die Berufung "persönlich zur Post gegeben" habe. Die Berufung sei nicht eingeschrieben aufgegeben worden; es reiche "an und für sich der Poststempel bzw. der Datumsaufdruck der Freistempelmaschine" aus, um den Nachweis für die Rechtzeitigkeit der Postaufgabe zu bewirken. Es ergebe sich daher schon aus der Aktenlage, daß der Schriftsatz am 2. Juni 1995 zur Post gegeben worden sei, "und zwar direkt zur Abgabe der Berufung beim Hauptpostamt Graz und nicht durch Einwerfen dieser Berufung in einen Briefkasten". Die gegenteilige Annahme der belangten Behörde sei eine reine Vermutung. Der von der Freistempelmaschine des Vertreters angebrachte Datumsaufdruck markiere den Tag der Postaufgabe (beim Postamt 8010 Graz), der "zweite Poststempel" den Tag, an dem das Schriftstück beim Postamt 8020 Graz eingelangt sei. Im übrigen habe ein Rechtsmittel die Vermutung der Rechtzeitigkeit für sich. Als Verfahrensmangel werde gerügt, daß keine mündliche Berufungsverhandlung durchgeführt und der Beschwerdeführer und sein Rechtsanwalt nicht befragt worden seien, "wie die Postaufgabe erfolgt ist".
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Die Tage des Postlaufes sind in die Berufungsfrist nicht einzurechnen (§ 33 Abs. 2 AVG). Die Berufung des Beschwerdeführers wäre somit rechtzeitig (und der sie zurückweisende angefochtene Bescheid rechtswidrig), wenn sie am letzten Tag der Frist, dem 2. Juni 1995, mit der Wirkung des Beginns des Postlaufes zur Post gegeben worden wäre. Für den Beginn des Postlaufes ist maßgeblich, wann das Schriftstück von der Post in Behandlung genommen wird (vgl. z.B. das Erkenntnis vom 25. März 1994, Zl. 92/17/0298). Zur Feststellung dieses Zeitpunktes ist grundsätzlich der von der Post angebrachte Datumsstempel heranzuziehen (vgl. das Erkenntnis vom 27. Juni 1985, Zl. 85/16/0035). Der Einwurf in einen Briefkasten löst den Postlauf am selben Tag dann aus, wenn am Briefkasten der Vermerk angebracht ist, daß dieser noch am selben Tag ausgehoben werde (vgl. z.B. die Erkenntnisse vom 7. Mai 1982, Zlen. 81/04/0136, 0149, und vom 24. Juni 1993, Zlen. 93/15/0031, 0032). Durch den Einwurf in einem Briefkasten noch vor Ende des Tages, aber nach der letzten Aushebung wird die Übergabe an die Post nicht an diesem Tag bewirkt; auch dann nicht, wenn das Poststück mit einer Freistempelung mit diesem Datum versehen ist, weil durch diesen ein Zeichen der Gebührenentrichtung darstellenden Vorgang der Postlauf nicht in Gang gesetzt wird (vgl. das Erkenntnis vom 7. Mai 1982, Zlen. 81/04/0136, 0149).
Die belangte Behörde hatte somit aufgrund des auf dem Schriftstück angebrachten Poststempels vom 6. Juni 1995 und des vom Postamt mitgeteilten Sachverhaltes Grund zur Annahme, daß das Schriftstück (nach Einwurf in einen Briefkasten nach dessen letzter Aushebung am 2. Juni 1995) am 6. Juni 1995 von der Post in Behandlung genommen worden war und der Postlauf somit an diesem Tag begonnen hatte.
Dem Beschwerdeführer stand der Beweis frei, daß der Postlauf nicht an dem im Poststempel bezeichneten Tag, sondern bereits am 2. Juni 1995 begonnen hatte (vgl. z.B. das Erkenntnis vom 18. Dezember 1974, Zl. 1702/74). Diesen Beweis hat der Beschwerdeführer nicht angetreten. In seiner Stellungnahme, die er nach Vorhalt des oben zusammengefaßten Ermittlungsergebnisses abgab, berief sich der Beschwerdeführer wiederholt darauf, daß sich aus dem Poststempel "der Tag der Postaufgabe am 2. Juni 1995" ohnedies ergebe. Damit bezieht sich der Beschwerdeführer offenbar auf den im Wege der Freistempelung hergestellten Datumsaufdruck; denn der Poststempel weist das Datum 6.6.1995 aus. Dem Freistempelaufdruck kommt aber weder die Wirkung zu, den Postlauf in Gang zu setzen, noch - insbesondere angesichts der gegenteiligen amtlichen Beurkundung - ein Beweiswert in der Richtung, daß das Schriftstück an dem im Freistempelaufdruck bezeichneten Tag von der Post in Behandlung genommen worden wäre. Das weitere Vorbringen der Stellungnahme, das Schriftstück sei am 2. Juni 1995 gegen 21.30 Uhr "von unserer Kanzlei" bzw. "von mir persönlich" zur Post gegeben worden, war angesichts des mitgeteilten Erhebungsergebnisses (Einwurf in einen Briefkasten), dem keine konkrete gegenteilige Sachverhaltsbehauptung entgegengesetzt wird, nicht als dessen konkrete Bestreitung zu werten. Damit steht in Einklang, daß in der Stellungnahme keine Beweismittel genannt oder vorgelegt wurden.
Die Behauptung, das Schriftstück sei nicht in einen Briefkasten eingeworfen, sondern "direkt zur Abgabe der Berufung beim Hauptpostamt Graz zur Post gegeben" (gemeint offenbar: dem Schalterdienst übergeben) worden, wird erstmals in der Beschwerde aufgestellt; sie kann dieser im Hinblick auf das Neuerungsverbot (§ 41 VwGG) nicht zum Erfolg verhelfen.
Soweit die Beschwerde geltend macht, es hätten der Beschwerdeführer und sein Vertreter vernommen werden müssen, "wie die Postaufgabe erfolgt ist", ist ihr zu erwidern, daß dazu kein Anlaß bestand, weil der Beschwerdeführer keinen vom mitgeteilten Erhebungsergebnis abweichenden Sachverhalt konkret behauptet und auch keine Beweisanträge gestellt hatte.
Die belangte Behörde hat somit ihrer Verpflichtung, Erhebungen über die Rechtzeitigkeit oder Verspätung der Berufung anzustellen und deren Ergebnis dem Beschwerdeführer vorzuhalten, entsprochen; den ihm offenstehenden Beweis der Rechtzeitigkeit der Postaufgabe hat der Beschwerdeführer nicht angetreten.
Auch der Vorwurf, das Unterbleiben einer mündlichen Berufungsverhandlung bedeute einen Verfahrensmangel, besteht nicht zu Recht. Nach § 51e Abs. 1 erster Halbsatz VStG ist eine öffentliche mündliche Verhandlung anzuberaumen, wenn die Berufung nicht zurückzuweisen ist. Es besteht somit keine gesetzliche Anordnung, wonach Erhebungen zur Rechtzeitigkeit der Berufung im Rahmen einer mündlichen Berufungsverhandlung zu erfolgen hätten.
Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Schlagworte
Beweiswürdigung Wertung der BeweismittelEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1996:1995100206.X00Im RIS seit
11.07.2001Zuletzt aktualisiert am
13.12.2017