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L55008 Baumschutz Landschaftsschutz Naturschutz Vorarlberg;Norm
AVG §38;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Jabloner und die Hofräte Dr. Puck und Dr. Mizner als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Fichtner, über die Beschwerde 1. des PK in M, und 2. der EK, ebendort, beide vertreten durch Dr. R, Rechtsanwalt in F, gegen den Bescheid der Vorarlberger Landesregierung vom 2. April 1991, Zl. IVe-223/178, betreffend Entfernungs- und Wiederherstellungsauftrag nach dem Vorarlberger Landschaftsschutzgesetz,
Spruch
I. den Beschluß gefaßt:
Die Beschwerde der Zweitbeschwerdeführerin wird als gegenstandslos erklärt und das Verfahren hinsichtlich dieser Beschwerde eingestellt.
II. zu Recht erkannt:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Das Land Vorarlberg hat den Beschwerdeführern Aufwendungen in der Höhe von insgesamt S 10.620,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
1.1. Mit Bescheid vom 3. Dezember 1990 trug die Bezirkshauptmannschaft Feldkirch den Beschwerdeführern gemäß § 12 Abs. 2 des Landschaftsschutzgesetzes, Neukundmachungsverordnung der Vorarlberger Landesregierung LGBl. Nr. 1/1982 (im folgenden: Vlbg LSchG 1982), auf, den auf der Gp. 2138/1, KG X, im Uferschutzbereich des F-Baches errichteten Schuppen innerhalb eines Monates zu entfernen und den rechtmäßigen Zustand wieder herzustellen. Nach der Begründung dieses Bescheides habe der Vertreter der Raumplanungsstelle des Amtes der Vorarlberger Landesregierung anläßlich einer Begehung festgestellt, daß im genannten Bereich eine widmungswidrige Bauführung vorgenommen worden sei. Eine Ausnahmebewilligung nach § 4 Abs. 3 Vlbg LSchG 1982 liege für die Errichtung dieses Schuppens nicht vor. Das Gebäude liege in der roten Zone des Gefahrenzonenplanes der Gemeinde X und sei auf öffentlichem Wassergut errichtet worden.
Die Beschwerdeführer erhoben Berufung. Dem Bescheid sei weder zu entnehmen, wer das Vorhaben ausgeführt habe noch wer Grundeigentümer sei. Das Parteiengehör sei verletzt worden. Falls die Behörde mit dem "Schuppen" das Flugdach meine, so sei dieses jedenfalls nicht von der Zweitbeschwerdeführerin errichtet worden; diese könne keinesfalls Adressatin des Beseitigungsauftrages sein. Im Bescheid sei auch nicht angeführt, auf Grund welcher konkreter Erhebungsergebnisse die entscheidungswesentlichen Feststellungen getroffen worden seien.
1.2. Mit Bescheid vom 2. April 1991 wies die Vorarlberger Landesregierung diese Berufung ab und bestätigte den erstinstanzlichen Bescheid. Nach der Begründung dieses Bescheides ergebe sich der Sachverhalt im wesentlichen aus dem erstinstanzlichen Bescheid. Die in Rede stehende Grundparzelle sei öffentliches Wassergut, die daneben liegende Bauparzelle befinde sich im Eigentum des Erstbeschwerdeführers. Der Schuppen befinde sich auf der ersteren Grundparzelle und liege nach der Gefahrenzonenplanung in der roten Zone. Das Ausmaß des ohne Bewilligung errichteten Gebäudes (teilweise umschlossenes Flugdach) betrage 8 x 4 x 4 m und sei ohne Ausnahmebewilligung nach § 4 Abs. 3 Vlbg LSchG 1982 im Uferschutzbereich des Baches errichtet worden.
Entgegen dem Berufungsvorbringen sei aus dem erstinstanzlichen Bescheid sehr wohl zu entnehmen, daß das Vorhaben von den Beschwerdeführern ausgeführt worden sei, zumal ja an sie der bescheidmäßige Wiederherstellungsauftrag erteilt worden sei.
Die Verletzung des Parteiengehörs im Verfahren erster Instanz werde durch die mit der Berufung gegebene Möglichkeit zur Stellungnahme im Berufungsverfahren saniert, wenn dem Berufungswerber durch den erstinstanzlichen Bescheid das Ergebnis des Ermittlungsverfahrens zur Kenntnis gebracht worden sei. Die Behörde erster Instanz habe das Ergebnis ihres Ermittlungsverfahrens den Beschwerdeführern nicht zur Kenntnis gebracht. Allein dieser Mangel scheine dadurch saniert, daß die Beschwerdeführer Gelegenheit hatten, in der Berufung zu Wort zu kommen. Im Zuge des Berufungsverfahrens sei aber die belangte Behörde nicht verpflichtet, den Beschwerdeführern vor Erlassung des Berufungsbescheides Gelegenheit zu einer weiteren Äußerung zu geben, da sie ohne ergänzende Ermittlungen, die sie den Beschwerdeführern hätte zur Kenntnis bringen müssen, lediglich auf Grund des erstinstanzlichen Bescheides und der dagegen erhobenen Berufung ihre Entscheidung getroffen habe.
Von der Gemeinde X sei in ihrem Bescheid vom 22. Oktober 1990 festgestellt worden, daß die Beschwerdeführer im Besitze des in Rede stehenden Schuppens seien. Demzufolge seien sie als die Ausführenden der Errichtung des Schuppens zu betrachten und Adressaten des Wiederherstellungsauftrages.
1.3. Gegen diesen Bescheid wendet sich die vorliegende Beschwerde vor dem Verwaltungsgerichtshof, in der Rechtswidrigkeit des Inhaltes sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden. Die Beschwerdeführer erachten sich in ihrem Recht, den in Rede stehenden Schuppen nicht entfernen und dem Wiederherstellungsauftrag nicht entsprechen zu müssen, verletzt. Nach der Beschwerdebegründung sei es verfehlt, die Beschwerdeführer deswegen als Errichter des Schuppens anzusehen, weil sich der erstinstanzliche Wiederherstellungsauftrag an die Beschwerdeführer richte; es sei nämlich durchaus möglich, daß sich behördliche Aufträge gegen unrichtige Adressaten richteten. Auch dürfe aus dem Umstand, wer Besitzer eines Gegenstandes sei, nicht darauf geschlossen werden, wer das Vorhaben ausgeführt habe. Die Berufungsbehörde habe auf Grund des Bescheides der Gemeinde vom 22. Oktober 1990 festgestellt, daß die Beschwerdeführer Besitzer des Schuppens seien. Dieses Ermittlungsergebnis sei den Beschwerdeführern nicht zur Kenntnis gebracht worden. Insofern habe die belangte Behörde ihre Entscheidung - entgegen ihrer eigenen Auffassung - nicht lediglich auf Grund des erstinstanzlichen Bescheides und der dagegen erhobenen Berufung getroffen. Der von der belangten Behörde festgestellte Sachverhalt sei in der Frage, wer den Schuppen errichtet habe, ergänzungs- und begründungsbedürftig geblieben.
1.4. Im Zuge des Vorverfahrens vor dem Verwaltungsgerichtshof legte die belangte Behörde einen Bescheid vom 1. Juli 1991 vor, mit welchem sie den angefochtenen Bescheid gemäß § 68 Abs. 2 AVG hinsichtlich der Zweitbeschwerdeführerin aufgehoben hatte. Nach diesem Bescheid sei die Zweitbeschwerdeführerin weder "Errichterin" des Schuppens noch Grundeigentümerin der in Rede stehenden Grundparzelle.
1.5. Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und erstattete eine Gegenschrift.
2.0. Der Verwaltungsgerichtshof hat in dem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 1 lit. b und Z. 2 VwGG gebildeten Dreiersenat erwogen:
2.1. § 12 Vlbg LSchG 1982 lautet auszugsweise:
"(1) Die Behörde kann die Einstellung der Arbeiten verfügen, wenn
a)
Vorhaben, die nach den §§ 3 bis 6 oder nach einer auf Grund des § 8 erlassenen Verordnung verboten oder bewilligungspflichtig sind, ohne Bewilligung oder abweichend von der Bewilligung ausgeführt werden oder
b)
Vorhaben, für welche die Bewilligungspflicht nach § 3 Abs. 4 entfallen ist, abweichend von der Anzeige ausgeführt werden.
(2) Die Behörde hat demjenigen, der Vorhaben im Sinne des Abs. 1 ausführt, und, falls dieser nicht herangezogen werden kann, dem Grundeigentümer die Wiederherstellung des rechtmäßigen Zustandes mit Bescheid aufzutragen. Wenn die Wiederherstellung des rechtmäßigen Zustandes nicht möglich ist, hat die Behörde die möglichst wirksame Beseitigung der durch die Ausführung des Vorhabens nach Abs. 1 hervorgerufenen Verletzungen von Interessen des Landschaftsschutzes aufzutragen. Hiebei sind für die Ausführung der aufgetragenen Maßnahmen angemessene Fristen festzusetzen.
..."
2.2. Die Zweitbeschwerdeführerin wurde durch den gemäß § 68 Abs. 2 AVG erlassenen Behebungsbescheid im verwaltungsgerichtlichen Beschwerdeverfahren klaglos gestellt. Das Verfahren über ihre Beschwerde war daher gemäß § 33 Abs. 1 VwGG einzustellen.
2.3. Der Erstbeschwerdeführer bekämpft seine Heranziehung als Adressat des Entfernungs- und Wiederherstellungsauftrages. Diese beruhe nicht auf einem mängelfreien Verwaltungsverfahren. Damit ist er im Ergebnis im Recht.
2.3.1. Im angefochtenen Bescheid wird zugestanden, der erstinstanzliche Bescheid, in dem die Beschwerdeführer als "Errichter" des in Rede stehenden Schuppens qualifiziert worden seien, sei ohne Gewährung des Parteiengehörs erlassen worden. Diese Gelegenheit sei ihnen allerdings durch das Rechtsmittel der Berufung geboten worden; da die belangte Behörde ihre Entscheidung ohne ergänzende Ermittlungen auf dem Boden des erstinstanzlichen Bescheides und der Berufung getroffen habe, bedürfe es der Einräumung des Parteiengehörs vor Erlassung des Berufungsbescheides nicht.
Die belangte Behörde übersieht dabei, daß der erstinstanzliche Bescheid keine Feststellung darüber getroffen hat, von wem der Schuppen errichtet worden ist. Der im angefochtenen Berufungsbescheid enthaltene Begründungsversuch, dem erstinstanzlichen Bescheid sei "sehr wohl" die Auffassung der Behörde zu entnehmen, die Beschwerdeführer hätten das Vorhaben (die Errichtung) ausgeführt, "zumal ja an sie der bescheidmäßige Auftrag zur Wiederherstellung des rechtmäßigen Zustandes erteilt" worden sei, vermag eine begründete Feststellung des Vorliegens dieser wesentlichen Tatbestandsvoraussetzung für den Wiederherstellungsauftrag nicht zu ersetzen.
Die belangte Behörde läßt darüberhinaus völlig außer acht, daß die Beschwerdeführer in der Berufung - zu Recht - außer der Verletzung des Parteiengehörs ausdrücklich auch die Mangelhaftigkeit der getroffenen Feststellungen und der Begründung des erstinstanzlichen Bescheides geltend gemacht haben. Den Parteien wäre daher Gelegenheit zu geben gewesen, vom Ergebnis der ergänzenden Beweisaufnahmen Kenntnis und dazu Stellung zu nehmen (§ 45 Abs. 3 AVG), zumal der erstinstanzliche Bescheid eine Darstellung der Ermittlungsergebnisse, auf Grund deren die Durchführung des Vorhabens durch die Beschwerdeführer festgestellt wurde, vermissen läßt. Sollte die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid der Meinung gewesen sein, der Erstbeschwerdeführer habe in der Berufung seine Eigenschaft als Errichter des Schuppens zugestanden, so hätte sie dies in der Begründung des angefochtenen Bescheides feststellen müssen (die Ausführungen in der Gegenschrift vermögen dieses Versäumnis nicht gut zu machen).
2.3.2. Verfehlt ist die Begründung des angefochtenen Bescheides auch insoweit, als darauf abgestellt wird, die Gemeinde X habe mit Bescheid vom 22. Oktober 1990 festgestellt, daß die Beschwerdeführer im Besitze des Schuppens seien und daß sie demzufolge als Ausführende der Errichtung des Schuppens zu betrachten seien. Zum einen wäre es unzutreffend, wenn die belangte Behörde von einer Bindung an die "Feststellung" des erwähnten baubehördlichen Entfernungsauftrages ausgegangen wäre, weil es sich nicht um einen rechtskräftigen Abspruch, sondern um die bloße Beurteilung der zivilrechtlichen Vorfrage des Besitzes des Schuppens in der Bescheidbegründung handelte. Die belangte Behörde hätte daher diese von ihr selbst vorzunehmende Beurteilung entsprechend zu begründen gehabt. Zum anderen ist der daraus gezogene Schluß der belangten Behörde, "demzufolge" seien die Beschwerdeführer "als Ausführende der Errichtung des Schuppens zu betrachten" ohne eine nähere Begründung (insbesondere zur zeitlichen Abfolge der getroffenen behördlichen Feststellungen) nicht nachvollziehbar. Angesichts des Mangels einer solchen sachverhaltsbezogenen Begründung ist der Beschwerdevorwurf zutreffend, daß aus dem Besitz eines Objektes allein nicht geschlossen werden könne, wer dasselbe errichtet habe.
2.3.3. Aus diesen Erwägungen folgt, daß die belangte Behörde den angefochtenen Bescheid mit Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften belastet hat, bei deren Vermeidung sie zu einem anderen Bescheid hätte kommen können.
Der angefochtene Bescheid war infolgedessen gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG aufzuheben.
2.4. Die Kostenentscheidung gründet sich hinsichtlich des Erstbeschwerdeführers auf die §§ 47, 48 Abs. 1 Z. 1 und 2 sowie 53 Abs. 1 VwGG in Verbindung mit Art. I Z. 1 der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 416/1994, hinsichtlich der Zweitbeschwerdeführerin auf die §§ 47, 48 Abs. 1 Z. 1 und 2, 56 zweiter Satz sowie 53 Abs. 1 VwGG in Verbindung mit Art. I Z. 3 der zitierten Pauschalierungsverordnung. Ersatz des Schriftsatzaufwandes war nur im begehrten Umfang zuzusprechen; Art. III Abs. 2 der genannten Pauschalierungsverordnung kam nicht zur Anwendung, weil das Schriftsatzaufwandpauschale nach der im Zeitpunkt der Beschwerdeeinbringung geltenden Pauschalierungsverordnung BGBl. Nr. 104/1991 nicht ausgeschöpft wurde. Auch der Ersatz der Stempelgebühren konnte nur im begehrten Ausmaß von S 510,-- zugesprochen werden.
Schlagworte
Begründungspflicht und Verfahren vor dem VwGH Begründungsmangel als wesentlicher Verfahrensmangel Rechtskraft Umfang der Rechtskraftwirkung Allgemein Bindung der Behörde freie BeweiswürdigungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1996:1991100120.X00Im RIS seit
20.11.2000