TE Vwgh Erkenntnis 1996/8/8 96/10/0031

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Veröffentlicht am 08.08.1996
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §71 Abs1 Z1;
AVG §72 Abs3;
VwGG §41 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Jabloner und die Hofräte Dr. Mizner und Dr. Bumberger als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Fichtner, über die Beschwerde der I in F, vertreten durch Mag. A, Rechtsanwalt in F, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Vorarlberg vom 4. Jänner 1996, Zl. 1-1116/95/K 1, betreffend Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (weitere Partei: Vorarlberger Landesregierung), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Land Vorarlberg Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Straferkenntnis vom 27. September 1995 verhängte die Bezirkshauptmannschaft Feldkirch über die Beschwerdeführerin wegen Übertretung des Vorarlberger Sittenpolizeigesetzes eine Geldstrafe in Höhe von S 10.000,-- (Ersatzfreiheitsstrafe: 4 Wochen) und eine Primärfreiheitsstrafe von 14 Tagen.

Die Beschwerdeführerin berief.

Die belangte Behörde beraumte für 5. Dezember 1995 eine mündliche Verhandlung an, zu der die Beschwerdeführerin im Wege ihres Rechtsvertreters geladen wurde.

An der Verhandlung nahm der Rechtsvertreter der Beschwerdeführerin, nicht aber diese selbst, teil.

Mit Schriftsatz vom 19. Dezember 1995 stellte die Beschwerdeführerin den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der mündlichen Verhandlung mit der Begründung, ihrem Rechtsvertreter sei die Ladung zur mündlichen Verhandlung vom 5. Dezember 1995 am 21. November 1995 zugestellt worden. Mit Schreiben vom 21. November 1995 habe der Rechtsvertreter der Beschwerdeführerin mitgeteilt, daß die belangte Behörde die Berufungsverhandlung auf den 5. Dezember 1995 anberaumt habe. Das Schreiben vom 21. November 1995 habe jedoch die Beschwerdeführerin nie erhalten. Sie habe daher ohne ihr Verschulden keine Kenntnis vom Verhandlungstermin gehabt. Als Beleg legte die Beschwerdeführerin ein Schreiben ihres Rechtsvertreters vom 21. Dezember 1995 vor, das eine Verständigung der Beschwerdeführerin von der mündlichen Verhandlung vor der belangten Behörde zum Inhalt hat.

Mit Bescheid vom 4. Jänner 1996 gab die belangte Behörde den Wiedereinsetzungsantrag gemäß § 71 Abs. 1 und 4 AVG in Verbindung mit § 24 VStG nicht statt.

In der Begründung wird ausgeführt, die Beschwerdeführerin sei mit Ladungsbescheid der belangten Behörde vom 17. November 1995 zur mündlichen Verhandlung zu Handen ihres Rechtsvertreters ordnungsgemäß geladen worden. Der Rechtsvertreter sei zu diesem Verhandlungstermin erschienen. Nach dem Ergebnis der Berufungsverhandlung sei ein persönliches Erscheinen der Beschwerdeführerin nicht notwendig gewesen. Ob nun eine Verständigung der Beschwerdeführerin von seiten ihres Rechtsvertreters tatsächlich erfolgt sei oder nicht, könne nach Auffassung der belangten Behörde dahingestellt bleiben. Die Beschwerdeführerin habe - rechtlich gesehen - den Termin der mündlichen Berufungsverhandlung infolge Anwesenheit ihres Rechtsvertreters nicht versäumt.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der Rechtswidrigkeit des Inhalts und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und in der Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Nach § 71 Abs. 1 Z. 1 AVG ist gegen die Versäumung einer Frist oder einer mündlichen Verhandlung auf Antrag der Partei, die durch die Versäumung einen Rechtsnachteil erleidet, die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn die Partei glaubhaft macht, daß sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis verhindert war, die Frist einzuhalten oder zur Verhandlung zu erscheinen und sie kein Verschulden oder nur ein minderer Grad des Versehens trifft.

§ 71 AVG gilt gemäß § 24 VStG auch im Verwaltungsstrafverfahren.

Es kann dahingestellt bleiben, ob im Beschwerdefall überhaupt von der Versäumung einer mündlichen Verhandlung die Rede sein kann. Die Beschwerde erweist sich nämlich jedenfalls aus folgendem Grund als unbegründet:

§ 71 Abs. 1 Z. 1 AVG verlangt, daß die Partei glaubhaft macht, daß sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis verhindert war, zur Verhandlung zu erscheinen und sie kein Verschulden oder nur ein minderer Grad des Versehens trifft.

Der Wiedereinsetzungswerber hat daher bereits im Wiedereinsetzungsantrag das Vorliegen der Voraussetzungen für die Wiedereinsetzung durch taugliche Bescheinigungsmittel glaubhaft zu machen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 7. August 1992, Zl. 92/14/0058, u.a.).

Zu den Voraussetzungen für die Wiedereinsetzung gehört, daß die Partei kein Verschulden oder nur ein minderer Grad des Verschuldens trifft. Auch das Vorliegen dieser Wiedereinsetzungsvoraussetzung ist vom Wiedereinsetzungswerber glaubhaft zu machen. Dies hat die Beschwerdeführerin nicht getan. Sie hat als Wiedereinsetzungsgrund geltend gemacht, sie sei von der mündlichen Verhandlung nicht verständigt worden. Die Verständigung oblag ihrem Rechtsvertreter, an den die Ladung zur mündlichen Verhandlung zuzustellen war und auch zugestellt wurde. Der Umstand, daß die Beschwerdeführerin keine Verständigung von der mündlichen Verhandlung erhielt, könnte nur dann einen Wiedereinsetzungsgrund bilden, wenn er nicht auf einen einen minderen Grad des Versehens übersteigenden Fehler des Rechtsvertreters zurückging, da das Verhalten des Rechtsvertreters der Beschwerdeführerin zuzurechnen ist (vgl. die bei Hauer-Leukauf, Handbuch des Österreichischen Verwaltungsverfahrens5, 676, angeführte Rechtsprechung). Angaben, die eine Beurteilung der Frage zuließen, ob ein relevantes Verschuldes des Rechtsvertreters der Beschwerdeführerin an deren mangelnder Verständigung von der mündlichen Verhandlung auszuschließen ist, finden sich aber im Wiedereinsetzungsantrag nicht einmal ansatzweise. Dort ist lediglich davon die Rede, der Rechtsvertreter der Beschwerdeführerin habe mit Schreiben vom 21. November 1995 der Beschwerdeführerin den Verhandlungstermin mitgeteilt. Dieses Schreiben habe die Beschwerdeführerin aber nicht erhalten. Es fehlt jeglicher Hinweis darauf, ob, wann und wie dieses Schreiben der Beschwerdeführerin zuzustellen versucht wurde. Das dem Wiedereinsetzungantrag beigelegte Schreiben belegt lediglich, daß es ein mit 21. November 1995 datiertes, an die Beschwerdeführerin adressiertes Schreiben betreffend die mündliche Verhandlung gibt; es belegt aber nicht, ob, wann und wie dieses Schreiben zuzustellen versucht wurde. Ohne Angabe dieser Umstände ist aber eine Entscheidung daürber, ob dem Rechtsvertreter der Beschwerdeführerin ein über einen minderen Grad des Versehens hinausgehendes Fehlverhalten anzulasten ist, nicht möglich. Da die Beschwerdeführerin ihrer Verpflichtung, die Voraussetzungen für die Wiedereinsetzung glaubhaft zu machen, nicht nachgekommen ist, hat die belangte Behörde im Ergebnis zu Recht dem Antrag auf Wiedereinstzung nicht stattgegeben.

Die Beschwerdeführerin erachtet den angefochtenen Bescheid auch deswegen als inhaltlich rechtswidrig, weil die belangte Behörde bereits vor Erlassung des angefochtenen Bescheides mit Bescheid vom 15. Dezember 1995 über die Berufung gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Feldkirch entschieden und damit gegen § 72 Abs. 3 AVG verstoßen habe.

Nach § 72 Abs. 3 AVG ist dann, wenn eine Partei Wiedereinsetzung gegen die Versäumung der mündlichen Verhandlung beantragt und gegen den Bescheid Berufung eingelegt hat, auf die Erledigung der Berufung erst einzugehen, wenn der Antrag auf Wiedereinsetzung abgewiesen worden ist. Ob im Beschwerdefall eine Verletzung des § 72 Abs. 3 AVG vorliegt, braucht nicht untersucht zu werden, da sich diese Bestimmung auf das Zustandekommen des Berufungsbescheides bezieht und ihre allfällige Verletzung nur zu einer Rechtswidrigkeit des Berufungsbescheides, nicht aber jener des Wiedereinsetzungsbescheides führen könnte.

Die Beschwerdeführerin bemängelt weiters, die Entscheidung über die Berufung gegen das erstinstanzliche Straferkenntnis sei mit 15. Dezember 1995 datiert, der Berufungsbescheid aber tatsächlich erst am 19. Dezember 1995 mündlich verkündet worden.

Mit diesem Vorbringen verkennt die Beschwerdeführerin, daß Gegenstand der Beschwerde nicht der Berufungsbescheid, sondern der Bescheid über die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ist.

Aus den dargestellten Erwägungen erweist sich die Beschwerde als unbegründet, weshalb sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen war.

Der Ausspruch über den Kostenersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung

BGBl. Nr. 416/1994.

Schlagworte

Beschwerdepunkt Beschwerdebegehren Entscheidungsrahmen und Überprüfungsrahmen des VwGH Allgemein

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1996:1996100031.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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