TE Vwgh Erkenntnis 1996/8/8 93/10/0220

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Veröffentlicht am 08.08.1996
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren;
82/05 Lebensmittelrecht;

Norm

LMG 1975 §26 Abs1 litd;
LMG 1975 §26 Abs1;
LMG 1975 §26 Abs2;
LMG 1975 §74 Abs1;
LMG 1975 §8 litf;
LMG 1975 §9 Abs1 litb;
LMG 1975 §9 Abs1;
VStG §44a Z1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Jabloner und die Hofräte Dr. Novak und Dr. Mizner als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Fichtner, über die Beschwerde des Dr. H in B, vertreten durch Dr. D, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates im Land Niederösterreich vom 28. September 1993, Zl. Senat-MD-92-170, betreffend Übertretung des Lebensmittelgesetzes 1975, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid der belangten Behörde wurde der Beschwerdeführer einer Übertretung der §§ 26 Abs. 1 und 2 in Verbindung mit 74 Abs. 1 des Lebensmittelgesetzes 1975 (LMG 1975) schuldig erkannt. Über den Beschwerdeführer wurde eine Geldstrafe verhängt.

Der Spruch des angefochtenen Bescheides lautet

folgendermaßen:

"Die Firma V Ges.m.b.H. (Standort B) hat

1.

am 16. April 1991 an K (Zentrallager) in E das kosmetische Mittel mit der Bezeichnung "X-Pflege-Shampoo", Inhalt 250 ml, mit den Angaben "klinisch getestet" und "der Säureschutzmantel wird dadurch stabilisiert" auf der Verpackung und

2.

am 30. Juli 1991 an die Z-Zentrale in N das kosmetische Mittel mit der Bezeichnung "X-Pflegeshampoo", Inhalt 250 ml, mit der Angabe "klinisch getestet" auf der Verpackung

geliefert, obwohl es verboten ist, irreführende Hinweise auf physiologische oder pharmakologische Wirkungen anzubringen.

Herr (Beschwerdeführer) hat es daher als handelsrechtlicher Geschäftsführer der Firma V Ges.m.b.H. und somit als das gemäß § 9 Abs. 1 VStG zur Vertretung nach außen berufene Organ zu verantworten, daß die genannte Firma zweimal ein kosmetisches Mittel in Verkehr gebracht hat, das falsch bezeichnet war."

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof, in der die Unzuständigkeit der belangten Behörde sowie Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden.

Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschriften erstattet, in der die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt wird.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Der Beschwerdeführer behauptet, daß die belangte Behörde zur Entscheidung unzuständig gewesen sei. Durch die Lieferung an das K-Zentrallager in E sei das angeblich strafbare Inverkehrsetzen in E verwirklicht worden.

Mit diesem Vorbringen ist der Beschwerdeführer nicht im Recht. Diesbezüglich genügt es, auf die Ausführungen zum Tatort in dem den Beschwerdeführer betreffenden Erkenntnis vom heutigen Tag, Zl. 93/10/0219, zu verweisen.

2. In der Beschwerde wird ferner vorgebracht, die belangte Behörde habe den Sachverhalt in einem wesentlichen Punkt aktenwidrig angenommen. Nach Auffassung der belangten Behörde enthalte die Angabe "klinisch getestet" auf dem in Verkehr gebrachten Produkt keine Einschränkung. Dies sei jedoch insofern aktenwidrig, als nach den im Akt erliegenden Untersuchungszeugnis die Verpackung des Produktes in einem ovalen Kreis zwischen der zweimal klein gedruckten Wortfolge "klinisch getestet" das Wort "hautneutral" enthalte. Daneben befinde sich in etwas größerer Schrift der Hinweis "alkalifrei" und darunter "pH 5 bis 6". Bei einer Reduktion der Angabe "klinisch getestet" auf die - tatsächlich vorliegende - "Hautneutralität" wäre die belangte Behörde zur Ansicht gelangt, daß der Hinweis nicht irreführend sei.

Auch diese Auffassung wurde vom Verwaltungsgerichtshof in dem bereits genannten Erkenntnis vom heutigen Tag nicht geteilt; auf die Entscheidungsgründe wird gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen.

3. Schließlich bringt der Beschwerdeführer unter Hinweis auf das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 16. März 1992, Zl. 91/10/0005, vor, der Hinweis "der Säureschutzmantel wird dadurch stabilisiert", könne nicht - wie die belangte Behörde behaupte - als irreführend gewertet werden. Nach allgemeinem Sprachgebrauch drücke "Stabilisierung" lediglich die Beibehaltung des derzeitigen Zustandes aus. Die belangte Behörde habe nicht dargelegt, welche "positiven Auswirkungen" die beteiligten Verkehrskreise aufgrund dieses Hinweises vermuteten, die das Produkt nicht habe.

In dem vom Beschwerdeführer zitierten Erkenntnis hat der Verwaltungsgerichtshof die Auffassung vertreten, daß der Hinweis auf einem sogenannten-Haar-Entferner "klinisch auf Hautverträglichkeit und Entfernung des Haares mitsamt Wurzel geprüft" einen nicht irreführenden - und daher zulässigen - Hinweis im Sinne des § 26 Abs. 2 LMG 1975 darstellt. Es wäre auch ein unauflösbarer Wertungswiderspruch, wollte man annehmen, ein nach § 26 Abs. 2 (zu ergänzen: in Verbindung mit § 9 Abs. 1 lit. a) LMG 1975 zulässiger Hinweis würde allein deswegen strafbar, weil er die Grundlage, auf die er sich stützt, nämlich ein Gutachten, offenlegt. Daß eine Bezugnahme auf die Verhütung, Linderung oder Heilung von Krankheiten oder Krankheitssymptomen bei kosmetischen Produkten gestattet sei, ist diesem Erkenntnis allerdings nicht zu entnehmen (vgl. dazu auch das Erkenntnis vom 26. September 1994, Zl. 92/10/0468). Ob eine Anpreisung eine verbotene "gesundheitsbezogene Angabe" im Sinne des § 9 LMG 1975 darstellt, ist ausgehend von der Verkehrsauffassung zu beurteilen, also von dem Eindruck, der sich beim flüchtigen Lesen für einen nicht unbeträchtlichen Teil der Kosumenten ergibt, wobei auf den Gesamteindruck der Mitteilung Bedacht zu nehmen ist. Dabei können auch "generalisierende" Bezeichnungen gesundheitsbezogen im Sinne des § 9 sein (vgl. z.B. das Erkenntnis vom 18. Oktober 1993, Zlen. 93/10/0143 bis 0151, und die dort zitierte Vorjudikatur). Die Frage der Irreführungseignung des Hinweises auf eine "Stabilisierung des Säureschutzmantels der Haut" war im erwähnten Erkenntnis vom 16. März 1992 nicht zu behandeln; diesem ist somit nichts zu entnehmen, was den im vorliegenden Zusammenhang vertretenen Standpunkt der Beschwerde stützen könnte.

Daß der Hinweis, bei Anwendung des kosmetischen Mittels werde der Säureschutzmantel der Haut "stabilisiert", irreführend ist, hat bereits die Behörde erster Instanz damit begründet, daß der Wasser-Lipid-Mantel der Haut bei der Applikation stark alkalischer oder saurer bzw. tensidhaltiger Produkte zwar gestört werden könne, die Wiederherstellung erfolge aber von innen heraus und bei der gesunden Haut relativ rasch. Kosmetische Mittel könnten diesen Schutzmantel durch geeignete pH-Einstellungen sowie durch entsprechende Zusammensetzung zwar schonen, d.h. nicht angreifen, eine Wirkung darüber hinaus sei jedoch nicht möglich. Diese Auffassung beruhte im wesentlichen auf der Stellungnahme der Bundesanstalt für Lebensmitteluntersuchung und -forschung vom 3. September 1991, was dem Beschwerdeführer seit der Vornahme der Akteneinsicht am 17. April 1992 bekannt sein mußte. Damit geht jedoch die Behauptung in der Beschwerde ins Leere, daß die Behörde zu dieser Feststellung nicht sachverständig sei. Die Auffassung der Behörde, daß der Hinweis, bei Anwendung des kosmetischen Mittels werde der Säureschutzmittel der Haut "stabilisiert", also gefestigt und somit positiv beeinflußt, irreführend ist, ist daher nicht rechtswidrig.

4. Aufgrund dieser Erwägungen erweist sich die vorliegende Beschwerde als unbegründet, weshalb sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen war.

5. Der Ausspruch über den Kostenersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl Nr. 416/1994.

Schlagworte

"Die als erwiesen angenommene Tat" Begriff Tatort

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1996:1993100220.X00

Im RIS seit

20.11.2000

Zuletzt aktualisiert am

17.08.2010
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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