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10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)Norm
BAO §192Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zorn sowie die Hofräte Mag. Novak und Dr. Sutter als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Engenhart, über die Revision des Finanzamts Österreich, Dienststelle Klagenfurt St. Veit Wolfsberg in 9020 Klagenfurt, Siriusstraße 11, gegen das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichts vom 20. Dezember 2019, Zl. RV/4100333/2018, betreffend Aufhebung des Feststellungsbescheides Gruppenmitglied 2016 gemäß § 9 Abs. 10 KStG 1988 iVm § 295a BAO (mitbeteiligte Parteien: 1. G GmbH in G und 2. T GmbH in V, beide vertreten durch die Lohr + Co. GmbH Wirtschaftsprüfungs- und Steuerberatungsgesellschaft, Kärntner Ring 5-7, 1010 Wien), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Mit Gruppenfeststellungsbescheid vom 28. September 2016 stellte das Finanzamt das Bestehen einer Unternehmensgruppe gemäß § 9 KStG 1988 bestehend aus der G GmbH als Gruppenträgerin und der M GmbH sowie der T GmbH als Gruppenmitglieder ab der Veranlagung für das Jahr 2016 fest.
2 Zu diesem Zeitpunkt hielt die G GmbH (Großmutter) 100% der Anteile an der M GmbH (Mutter), die wiederum 100% der Anteile an der T GmbH (Tochter) hielt.
3 Mit Einbringungsvertrag vom 18. Dezember 2017 brachte die M GmbH ihre Anteile an der T GmbH in die G GmbH ein (Umgründungsstichtag 30. September 2017). Am selben Tag wurde auch ein Anteilsabtretungsvertrag abgeschlossen, mit dem die G GmbH ihre Anteile an der M GmbH an eine gruppenfremde Privatstiftung übertrug.
4 Aufgrund des Verkaufs der Anteile an der M GmbH erachtete das Finanzamt die dreijährige Mindestfrist des § 9 Abs. 10 KStG 1988 als nicht erfüllt. Mit Bescheid vom 28. Februar 2018 nahm es deshalb gestützt auf § 295a BAO eine Änderung des „Gruppenfeststellungsbescheides 2016“ vor, wobei es nunmehr aussprach, dass die Gruppe rückwirkend ab der Veranlagung 2016 beendet sei. Zugleich sprach es aus, dass sowohl die Gruppenträgerin als auch die Gruppenmitglieder ab dem Veranlagungsjahr 2016 gesondert zu veranlagen seien.
5 Am 28. Februar 2018 erließ das Finanzamt zudem Bescheide, mit denen es den „Feststellungsbescheid Gruppenmitglied 2016“ der M GmbH (vom 6. November 2017) und den „Feststellungsbescheid Gruppenmitglied 2016“ der T GmbH (vom 29. Jänner 2018) aufhob. Begründend führte es aus, die M GmbH bzw. T GmbH seien gemäß § 9 Abs. 10 KStG 1988 aus der Gruppe ausgeschieden. Es seien daher jene steuerlichen Verhältnisse herzustellen, die sich ohne Gruppenzugehörigkeit ergeben hätten. Für das Jahr 2016 seien Körperschaftssteuerbescheide im Wege der Individualbesteuerung zu erlassen.
6 Die G, M und T GmbH erhoben gegen den „Gruppenfeststellungsbescheid 2016“ Beschwerde und beantragten diesen dahingehend abzuändern, dass die steuerliche Gruppe zwischen der G GmbH als Gruppenträgerin und der T GmbH als Gruppenmitglied ab dem Veranlagungsjahr 2016 bestehen bleibe und nur die M GmbH aus der Gruppe ausscheide. Der Aufhebungsbescheid, mit welchem der „Feststellungsbescheid Gruppenmitglied 2016“ der T GmbH aufgehoben worden sei, sei aufzuheben.
7 Das Finanzamt erließ eine abweisende Beschwerdevorentscheidung, woraufhin die Vorlage der Beschwerden an das Bundesfinanzgericht beantragt wurde.
8 Das Bundesfinanzgericht gab der Beschwerde gegen den „Gruppenfeststellungsbescheid 2016“ statt und änderte den Bescheid ab, indem es nunmehr feststellte, „dass seit dem Wirtschaftsjahr 2016 die Unternehmensgruppe zwischen der [G GmbH] als Gruppenträgerin und der [T GmbH] als Gruppenmitglied weiterhin besteht. Es wird festgestellt, dass die [M GmbH] mit Wirksamkeit ab dem Wirtschaftsjahr 2016 aus dieser Unternehmensgruppe ausscheidet“.
9 Mit dem hier angefochtenen Erkenntnis gab das Bundesfinanzgericht auch der Beschwerde gegen den Bescheid, mit dem der die T GmbH betreffende „Feststellungsbescheid Gruppenmitglied 2016“ aufgehoben wurde, Folge und hob den besagten Aufhebungsbescheid auf.
10 In beiden Erkenntnissen führte das Bundesfinanzgericht begründend aus, durch die per 30. September 2017 erfolgte Einbringung der Anteile an der T GmbH in die G GmbH sei die Voraussetzung der Gruppenzugehörigkeit der T GmbH ex lege gleichgeblieben. § 9 Abs. 5 KStG 1988 ordne an, dass zwischen den Beteiligungsverhältnissen, die durch die Einbringung neu geschaffen worden seien, und den Beteiligungsverhältnissen, die vor der Einbringung geherrscht hätten, kein relevanter Unterschied bestehe, weil es sich bei dieser Einbringung lediglich um eine gruppeninterne Vermögensverschiebung handle. Für die Aufrechterhaltung der Gruppe sei eine Umgründung und die damit einhergehende Vermögensübertragung innerhalb der Gruppe von der Tochter auf die Großmutter daher unschädlich.
11 Sinn der einschlägigen gesetzlichen Bestimmungen (§ 9 Abs. 4, Abs. 5, Abs. 9 und Abs. 10 KStG 1988) sei, die Unternehmensgruppe nicht zu beenden, wenn nach dem Ausscheiden eines Gruppenmitgliedes noch zumindest ein anderes Gruppenmitglied verbleibe, das mit dem Gruppenträger die Gruppe fortführe. Die T GmbH sei daher auch nach der Abtretung der Anteile an der M GmbH durch die G GmbH zu Gunsten einer gruppenfremden Privatstiftung in einer Gruppe mit der G GmbH verblieben, weil zum Zeitpunkt der gruppenfremden Abtretung (am 18 Dezember 2017) eine finanzielle Verbindung zwischen der G GmbH und der T GmbH bestanden habe.
12 Eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof erklärte das Bundesfinanzgericht sowohl im Erkenntnis betreffend den „Gruppenfeststellungsbescheid 2016“ als auch im den „Feststellungsbescheid Gruppenmitglied 2016“ der T GmbH betreffenden Erkenntnis für zulässig.
13 Die gegenständliche Amtsrevision richtet sich ausschließlich gegen jenes Erkenntnis, mit dem die Aufhebung des „Feststellungsbescheides Gruppenmitglied 2016“ der T GmbH aufgehoben worden ist.
14 Die mitbeteiligten Parteien haben eine Revisionsbeantwortung erstattet, in der keine Kosten angesprochen werden.
15 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
16 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen. Ein solcher Beschluss ist gemäß § 34 Abs. 3 VwGG in jeder Lage des Verfahrens zu fassen.
17 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen
18 Die Revision bringt zu ihrer Zulässigkeit vor, es fehle Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Frage, welche Wirkungen das rückwirkende Ausscheiden eines Gruppenmitglieds auf andere Gruppenmitglieder habe, deren finanzielle Verbindung zumindest für einen Teil des Rückwirkungszeitraums durch das ausscheidende Gruppenmitglied hergestellt worden sei. Nach § 9 Abs. 10 KStG 1988 bewirke das rückwirkende Ausscheiden eines Gruppenmitglieds, dass jene steuerlichen Verhältnisse herzustellen seien, die sich ohne Gruppenzugehörigkeit ergeben hätten. Daraus Folge für den Revisionsfall, dass das Ausscheiden der M GmbH aus der Unternehmensgruppe dazu führe, dass für den Zeitraum vor der Einbringung der Anteile an der T GmbH in die Gruppenträgerin (G GmbH) keine (mittelbare) finanzielle Verbindung zur T GmbH mehr bestehe, die T GmbH daher ebenfalls rückwirkend aus der Unternehmensgruppe ausscheide und die Unternehmensgruppe daher rückwirkend beendet werde bzw. nie bestanden habe.
19 Gemäß § 9 Abs. 8 KStG 1988 hat das für die Erhebung der Körperschaftsteuer des Gruppenträgers zuständige Finanzamt das Vorliegen der Voraussetzungen für das Bestehen der Unternehmensgruppe gegenüber allen den Antrag unterfertigten Körperschaften bescheidmäßig festzustellen. Gemäß § 9 Abs. 9 vierter Teilstrich KStG 1988 ist der Feststellungsbescheid in allen Fällen der Änderung gegenüber dem Gruppenträger und allen Gruppenmitgliedern der Unternehmensgruppe abzuändern.
20 Der Gruppenfeststellungsbescheid stellt den Grundlagenbescheid für die folgenden Körperschaftsteuerverfahren dar (vgl. Achatz/Postl in Quantschnigg/Achatz/Haidenthaler/Trenkwalder/Tumpel (Hrsg.) Gruppenbesteuerung, § 9 Abs. 8 KStG, Rz 42 und 45). Daraus ergibt sich, dass der Gruppenfeststellungsbescheid insbesondere auch für das Bestehen der Gruppe an sich und die Frage, welche Gesellschaften in welchem Zeitraum Gruppenmitglieder sind, gemäß § 192 BAO Bindungswirkung entfaltet. Bei einer Abänderung des Gruppenfeststellungsbescheids sind gemäß § 295 BAO die Feststellungsbescheide der einzelnen Gruppenmitglieder entsprechend abzuändern oder aufzuheben. Gemäß § 93a BAO sind die für Bescheide geltenden Bestimmungen grundsätzlich sinngemäß auf Erkenntnisse und Beschlüsse des Verwaltungsgerichts anzuwenden.
21 Das Zulässigkeitsvorbringen des Finanzamtes betrifft nur die Frage, ob der T GmbH für das Jahr 2016 die Eigenschaft als Gruppenmitglied zukam, nicht etwa das im „Feststellungsbescheid Gruppenmitglied 2016“ ausgewiesene Einkommen. Diese Frage (Bestehen einer Gruppe und Gruppenzugehörigkeit) hat das Bundesfinanzgericht in jenem Erkenntnis bejahend beantwortet, das den „Gruppenfeststellungsbescheid 2016“ (Grundlagenbescheid) betraf. Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die Revision des Finanzamtes nicht. Mit dem hier angefochtenen Erkenntnis, das den „Feststellungsbescheid Gruppenmitglied 2016“ der T GmbH (abgeleiteter Bescheid) betraf, wurde den Feststellungen im den „Gruppenfeststellungsbescheid 2016“ betreffenden Erkenntnis Rechnung getragen.
22 Mit Einwendungen gegen die Rechtmäßigkeit eines dem abgeleiteten Bescheid zugrunde liegenden Grundlagenbescheides kann eine allfällige Rechtswidrigkeit auch des abgeleiteten Bescheides nicht begründet werden (vgl. Ritz, BAO6, § 252 Tz 3). Dies gilt im gegenständlichen Fall in Bezug auf das Erkenntnis des Verwaltungsgerichts ebenso.
23 Die Zulässigkeit der Revision setzt neben einer grundsätzlichen Rechtsfrage im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG voraus, dass die Revision von der Lösung der geltend gemachten Rechtsfrage abhängt, d.h. die Beantwortung der Rechtsfrage für den Erfolg der Revision entscheidend ist (vgl. VwGH 20.10.2021, Ra 2020/15/0108). Das ist nach dem Gesagten nicht der Fall, weshalb die Revision zurückzuweisen war.
Wien, am 3. Februar 2022
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2022:RO2020150014.J00Im RIS seit
14.03.2022Zuletzt aktualisiert am
22.03.2022