TE Vfgh Beschluss 1994/9/27 B441/92

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Veröffentlicht am 27.09.1994
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Index

10 Verfassungsrecht
10/07 Verfassungsgerichtshof, Verwaltungsgerichtshof

Norm

Krnt Pilzverordnung §4
Krnt Pilzverordnung §6 Abs2
Krnt Pilzverordnung 1992 §5
VfGG §86
VfGG §88

Leitsatz

Einstellung des Beschwerdeverfahrens infolge Klaglosstellung nach Änderung der Rechtslage; Bedeutungslosigkeit des bekämpften, eine Ausnahme von Verboten nach der Krnt Pilzverordnung verweigernden Bescheides infolge Außerkraftsetzung dieser Verordnung durch die Krnt Pilzverordnung 1992; kein Kostenzuspruch

Spruch

Das Beschwerdeverfahren wird eingestellt.

Prozeßkosten werden nicht zugesprochen.

Begründung

Begründung:

I. 1. Die von der Kärntner Landesregierung aufgrund von Bestimmungen des Kärntner Naturschutzgesetzes 1986, LGBl. 54, erlassene Pilzverordnung, LGBl. 28/1989, (im folgenden auch: PilzV 1989) ist (worauf noch näher einzugehen sein wird) während der Anhängigkeit dieses Beschwerdeverfahrens außer Kraft getreten. Ihr unter der Rubrik "Erwerbsmäßige Nutzung nicht geschützter Pilze" stehender §4 hatte folgenden Wortlaut:

"(1) Das erwerbsmäßige Sammeln von wildwachsenden Eierschwämmen (Cantharellus cibarius) und Steinpilzen (Boletus edulis) wird auf die geraden Kalendertage der Monate Juli und August eines jeden Jahres von 7 Uhr bis 18 Uhr beschränkt. Als erwerbsmäßig gilt jedes über den persönlichen Gebrauch hinausgehende, zu Erwerbszwecken betriebene Sammeln.

(2) Das Feilbieten von und das Handeln mit den in Absatz 1 genannten Pilzen in frischem Zustand wird auf die Monate Juli und August eines jeden Jahres beschränkt."

Nach §6 Abs2 der Verordnung konnten von der Landesregierung für wissenschaftliche Zwecke, Lehrzwecke oder für Maßnahmen, deren Durchführung im öffentlichen Interesse liegt, Ausnahmebewilligungen von den Bestimmungen der Verordnung erteilt werden.

2. Die Beschwerdeführer stellten zu V18/91 unter Berufung auf Art139 Abs1 letzter Satz B-VG an den Verfassungsgerichtshof den Antrag, §4 der PilzV 1989 zur Gänze, hilfsweise einzelne Teile dieses Paragraphen, als gesetzwidrig aufzuheben. Der Erstbeschwerdeführer begründete als Erstantragsteller seine Legitimation damit, daß er die in seiner Landwirtschaft vorkommenden Eierschwämme und Steinpilze sammle und an seine Ehefrau, die Zweitbeschwerdeführerin und damalige Zweitantragstellerin, verkaufe. Die Zweitantragstellerin betreibe eine Sammelstelle für Pilz- und Schwämmesucher und verkaufe die Pilze ua. regelmäßig an ein bestimmtes Unternehmen.

Der Verfassungsgerichtshof wies diesen Individualantrag mit Beschluß vom 13. März 1991 unter Bezugnahme auf seine Vorjudikatur wegen fehlender Antragsberechtigung zurück, weil Rechtsschutz gegen rechtswidrige generelle Normen nur insoweit zu gewähren sei, als ein anderer zumutbarer Weg hiefür nicht zur Verfügung steht. Den Einschreitern sei zumutbar, im Verfahren über einen Antrag auf Erteilung einer Ausnahmebewilligung nach §6 Abs2 einen Bescheid zu erwirken, der unter anderem auf den - als gesetzwidrig bezeichneten - §4 der PilzV 1989 zu gründen sei, und in einer Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof die Einleitung eines Verordnungsprüfungsverfahrens anzuregen. Daß eine negative Administrativentscheidung zu erwarten sei, ändere daran nichts, weil es bloß darauf ankomme, daß der im Ausnahmebewilligungsverfahren anzuwendende §4 der PilzV 1989 angegriffen werden kann.

3. Die Einschreiter beschritten den vom Verfassungsgerichtshof gewiesenen Weg und beantragten am 5. Juni 1991 bei der Kärntner Landesregierung die Erteilung einer Ausnahmebewilligung. Die Landesregierung wies ihren Antrag mit Bescheid vom 24. Feber 1992 ab, dessen Spruch wie folgt lautet:

"Herrn F und Frau R K wird unter Bezugnahme auf §§6 Abs2 und 4 Abs2 der Pilzschutzverordnung, LGBl. Nr. 28/1989, in Verbindung mit §22 Abs2 des Kärntner Naturschutzgesetzes, LGBl. Nr. 54/1986, i.d.F.d.G. LGBl. Nr. 4/1988, die Ausnahmebewilligung zum erwerbsmäßigen Sammeln von wildwachsenden Eierschwämmen und Steinpilzen im September eines jeden Jahres sowie an den ungeraden Kalendertagen der Monate Juli und August, weiters die seitens Frau R K beantragte Ausnahmebewilligung zum Feilbieten und Handeln mit Eierschwämmen und Steinpilzen im frischen Zustand im September eines jeden Jahres versagt."

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, am 8. April 1992 beim Verfassungsgerichtshof eingelangte Beschwerde nach Art144 B-VG, in welcher die beiden Beschwerdeführer die Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte sowie Rechtsverletzungen infolge Anwendung einer gesetzwidrigen Verordnung und eines verfassungswidrigen Gesetzes behaupten; sie kritisieren insbesondere §4 der PilzV 1989 als gesetzwidrig und regen die amtswegige Einleitung eines Prüfungsverfahrens an.

4. Während der Anhängigkeit des Beschwerdeverfahrens erließ die Kärntner Landesregierung - gleichfalls aufgrund von Bestimmungen des Kärntner Naturschutzgesetzes 1986 - eine neue Pilzverordnung, die am 28. Juli 1992 (unter Nr. 79/1992) im Landesgesetzblatt kundgemacht wurde. Diese Verordnung (im folgenden auch: PilzV 1992) trat gemäß ihrem §9 mit 29. Juli 1992 in Kraft und setzte unter einem die PilzV 1989 außer Kraft.

Die PilzV 1992 führt in ihrer die teilweise geschützten Pilze aufzählenden Anlage 2 (ua.) den Eierschwamm und den Steinpilz an und bestimmt in ihrem "Nutzung teilweise geschützter Pilze" überschriebenen §5 folgendes:

"(1) Oberirdische Teile teilweise geschützter Pilze dürfen nur in einer Gesamtmenge von höchstens täglich zwei Kilogramm pro Person in der Zeit vom 15. Juni bis 30. September eines jeden Jahres von ihrem Standort entfernt werden.

(2) Die Überschreitung der in Abs1 festgelegten Menge ist nur mit vorheriger Bewilligung der Landesregierung zulässig. Die Bewilligung ist zu beschränken (zeitlich oder räumlich), oder zu versagen, wenn der Bestand gefährdet oder dies aus Gründen der Erhaltung eines ausgeglichenen Naturhaushaltes erforderlich ist.

(3) Die Bewilligung gilt - sofern sie nicht ausdrücklich zeitlich befristet wird - vom 15. Juni bis 30. September des Kalenderjahres.

(4) Die Erteilung von Bewilligungen nach dieser Verordnung ist schriftlich zu beantragen. In einem Antrag sind die Pilzarten und das Sammelgebiet anzugeben."

II. 1. Der Verfassungsgerichtshof

ist der Ansicht, daß die beschwerdeführenden Parteien seit dem Außerkrafttreten der PilzV 1989 durch den angefochtenen Bescheid nicht mehr beschwert sind.

Der bekämpfte Bescheid verweigerte die Ausnahme von Verboten, welche durch die PilzV 1989 festgelegt waren. Eine solche Verweigerung einer Ausnahme wird dann bedeutungslos, wenn das allgemeine Verbot infolge Aufhebung jener Verordnung, die es begründete, nicht mehr besteht. Daß ein Bescheid des eben erwähnten Inhaltes für seine Adressaten überhaupt keine Rechtswirkungen mehr entfaltet, wird am unterstellten Fall seiner ausdrücklichen Aufhebung deutlich; dieser angenommene Fall zeigt nämlich, daß die Rechtsposition der beschwerdeführenden Parteien völlig unverändert bliebe, denn sie unterliegen den während der Geltung der PilzV 1989 bestandenen Verboten nicht mehr und sind weiterhin jenen (inhaltlich von der früheren Rechtslage völlig abweichenden) Einschränkungen unterworfen, welche die PilzV 1992 mit ihrem Inkrafttreten herbeigeführt hat.

Wie der Gerichtshof schon ausgesprochen hat, liegt eine Klaglosstellung im Sinne des §86 VerfGG (vor der Novelle BGBl. 311/1976: §86a) auch dann vor, wenn die Behörde durch eine neue Entscheidung den angefochtenen Bescheid vollständig unwirksam macht, denn es wird dadurch der bestmögliche Erfolg der Beschwerde vorweggenommen (so schon VfSlg. 3288/1957). Das gleiche muß aber auch dann gelten, wenn dieses Ergebnis nicht durch eine behördliche Entscheidung, sondern durch eine Änderung der generellen Rechtslage herbeigeführt wird. In diesem Zusammenhang sei noch darauf hingewiesen, daß mit dem Außerkrafttreten der PilzV 1989 auch jenes Ergebnis eingetreten ist, das die Beschwerdeführer ursprünglich mit ihrem Individualantrag und später - mittelbar - im Wege der Bekämpfung des angefochtenen Bescheides anstrebten. Das Verfahren über die vorliegende Beschwerde war sohin einzustellen.

2. Verfahrenskosten waren nicht zuzusprechen, weil eine Klaglosstellung im Sinne des §88 VerfGG nicht vorliegt (zB VfSlg. 12036/1989 mit weiteren Judikaturhinweisen).

III. Dieser Beschluß wurde gemäß §15 Abs3 Z3 VerfGG ohne vorangegangene Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung gefaßt.

Schlagworte

VfGH / Klaglosstellung, VfGH / Kosten

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1994:B441.1992

Dokumentnummer

JFT_10059073_92B00441_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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