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E000 EU- Recht allgemeinNorm
COVID-19-MaßnahmenV BGBl II 96/2020 §1Rechtssatz
Der VfGH hat sich mit der Frage befasst, ob die durch das Betretungsverbot des § 1 der COVID-19-MaßnahmenV BGBl II 96/2020 bewirkte Eigentumsbeschränkung entschädigungslos vorgesehen werden konnte und unter Hinweis auf das umfangreiche Maßnahmen- und Rettungspaket, in das der Gesetzgeber das Betretungsverbot eingebettet hat, eine Verfassungswidrigkeit im Lichte des Grundrechts auf Eigentum gemäß Art. 5 StGG und Art. 1 1. ZP MRK letztlich verneint (vgl. VfGH 4. Juli 2020, G 202/2020 ). Zwar kann nach der Rechtsprechung des EGMR zu Art 1 1. ZP MRK - die nach Art. 52 Abs. 3 GRC auch für die Auslegung des Art. 17 GRC maßgeblich ist - auch bei der Beurteilung der Verhältnismäßigkeit von Eigentumsbeschränkungen zu berücksichtigen sein, ob eine Entschädigung vorgesehen ist; das Fehlen einer solchen Entschädigung bei einer Eigentumsbeschränkung führt aber nicht automatisch zu einem Verstoß gegen die Eigentumsgarantie, wenn dem Betroffenen nicht eine individuelle und exzessive Last auferlegt wird (vgl. EGMR Antunes Rodrigues, 26.4.2011, 18070/08; EuGH 10.7.2003, Booker Aquaculture Ltd ua., C-20/00; 27.1.2022, C-238/20, Satini-S). Selbst im Zusammenhang mit Enteignungsentschädigungen gesteht der EGMR den Staaten einen weiten rechtspolitischen Gestaltungsspielraum zu und hat ausgesprochen, dass nicht unter allen Umständen eine volle Entschädigung geleistet werden muss, wenn entsprechende öffentliche Interessen dies rechtfertigen (vgl. EGMR Kozacioglu, 19.2.2009, 2334/03). Dabei sind Entschädigungen nicht isoliert, sondern im Kontext aller staatlichen Maßnahmen zu beurteilen (vgl. EGMR JH ua, 24.11.2009, 49637/09). Auch Art. 17 GRC garantiert nicht eine volle Entschädigung für Eigentumsentziehungen. Vor dem Hintergrund des Maßnahmen- und Rettungspaketes - aufgrund dessen substanzielle finanzielle Ausgleichsleistungen vorgesehen waren und sind - und des Umstandes, dass die vorgesehenen Schutzmaßnahmen zur Eindämmung der COVID-19-Pandemie nicht einzelnen Personen individuelle und exzessive Lasten aufbürdeten, sondern eine große Zahl von Unternehmen und unselbständig Erwerbstätiger betraf, hegt der VwGH daher weiterhin und auch im Lichte des Vorbringens der Antragstellerin keine Bedenken, wenn nicht für alle Maßnahmen im Zuge der Bekämpfung der COVID-19-Pandemie, die Auswirkungen auf den Geschäftsbetrieb eines Unternehmens haben, eine Entschädigung nach § 32 EpidemieG 1950 vorgesehen wird (vgl. VwGH 24.2.2021, Ra 2021/03/0018).
Gerichtsentscheidung
EuGH 62000CJ0020 Booker Aquaculture und Hydro Seafood VORABSchlagworte
Gemeinschaftsrecht Auslegung des Mitgliedstaatenrechtes EURallg2 Individuelle Normen und Parteienrechte Rechtsanspruch Antragsrecht Anfechtungsrecht VwRallg9/2European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2022:RA2021090101.L06Im RIS seit
14.03.2022Zuletzt aktualisiert am
14.03.2022