TE Vwgh Erkenntnis 2022/2/3 Ra 2020/17/0116

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Veröffentlicht am 03.02.2022
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Index

E1E
10/07 Verwaltungsgerichtshof
34 Monopole
40/01 Verwaltungsverfahren
59/04 EU - EWR

Norm

GSpG 1989 §52 Abs2
VwGG §34 Abs1
VwGG §42 Abs2
VwGG §42 Abs3
VwGVG 2014 §44
12010E056 AEUV Art56
62020CJ0231 M.T. VORAB

Beachte


Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden):
Ra 2020/17/0117

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Enzenhofer und die Hofrätin Mag. Dr. Zehetner sowie den Hofrat Dr. Terlitza als Richterin und Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Kovacs, über die Revision 1. des M D in U und 2. des A J in W, beide vertreten durch Dr. Patrick Ruth und MMag. Daniel Pinzger, Rechtsanwälte in 6020 Innsbruck, Kapuzinergasse 8/4, gegen das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes Wien vom 6. Juli 2020, 1. VGW-002/060/14644/2019/E-2 und 2. VGW-002/060/14645/2019/E-2, betreffend Übertretungen des Glücksspielgesetzes (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Landespolizeidirektion Wien),

Spruch

I. zu Recht erkannt:

Das angefochtene Erkenntnis wird

1. im Umfang der Bestätigung der Bestrafung des Erstrevisionswerbers (Spruchpunkt I.) und der Vorschreibung der Kosten des Beschwerdeverfahrens (Spruchpunkt II.) und

2. hinsichtlich seines Ausspruchs über die dem Zweitrevisionswerber vorgeschriebenen Kosten des Beschwerdeverfahrens (Spruchpunkt IV.)

wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat der erstrevisionswerbenden Partei Aufwendungen in der Höhe von insgesamt EUR 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

II. den Beschluss gefasst:

Im Übrigen wird die Revision zurückgewiesen.

Begründung

1        Mit Straferkenntnis der belangten Behörde vom 24. April 2017 wurde der Erstrevisionswerber als handelsrechtlicher Geschäftsführer der U sro der dreifachen Übertretung des § 52 Abs. 1 Z 1 vierter Fall Glücksspielgesetz - GSpG iVm § 9 Abs. 1 VStG schuldig erkannt. Es wurden über ihn drei Geldstrafen in der Höhe von jeweils EUR 30.000,-- (samt Ersatzfreiheitsstrafen) verhängt. Die U sro wurde gemäß § 9 Abs. 7 VStG zur Haftung verpflichtet.

2        Mit einem weiteren Straferkenntnis der belangten Behörde vom selben Tag wurde der Zweitrevisionswerber der dreifachen Übertretung des § 52 Abs. 1 Z 1 dritter Fall GSpG schuldig erkannt. Es wurden über ihn ebenfalls drei Geldstrafen in der Höhe von jeweils EUR 30.000,-- (samt Ersatzfreiheitsstrafen) verhängt.

3        Dagegen erhoben u.a. der Erst- und der Zweitrevisionswerber jeweils Beschwerde.

4        Mit Erkenntnis vom 4. Dezember 2017 gab das Verwaltungsgericht Wien (Verwaltungsgericht) - soweit für das vorliegende Revisionsverfahren von Bedeutung - den Beschwerden teilweise Folge. Es hob die Straferkenntnisse der belangten Behörde jeweils hinsichtlich eines der Geräte auf und stellte diesbezüglich die Verwaltungsstrafverfahren ein. Die jeweils verbliebenen beiden Geldstrafen wurden für den nunmehrigen Erstrevisionswerber mit jeweils EUR 6.000,-- und für den Zweitrevisionswerber mit jeweils EUR 3.000,-- unter Anpassung der Ersatzfreiheitsstrafen neu bemessen. Im Übrigen wies das Verwaltungsgericht die Beschwerden als unbegründet ab. Weiters wurde den revisionswerbenden Parteien jeweils ein Beitrag zu den Kosten des Beschwerdeverfahrens auferlegt. Das Verwaltungsgericht sprach aus, dass eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.

5        Der Verwaltungsgerichtshof hob diese Entscheidung mit Erkenntnis vom 24. Oktober 2019, Ra 2018/15/0025 bis 0027, hinsichtlich des nunmehrigen Erstrevisionswerbers „im Umfang der Bestätigung der Bestrafung“ sowie „der Vorschreibung der Kosten des Beschwerdeverfahrens“ und hinsichtlich des Zweitrevisionswerbers hinsichtlich des „Ausspruchs über die gegen den Zweitrevisionswerber verhängte Strafe“ und der „Kosten des Beschwerdeverfahrens“ wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit auf.

6        Der Verwaltungsgerichtshof begründete seine Entscheidung zunächst damit, dass das Verwaltungsgericht die Strafsanktionsnorm trotz des fehlerhaften Abspruchs in den Straferkenntnissen nicht korrigiert habe. Darüber hinaus weise das Erkenntnis vom 4. Dezember 2017 hinsichtlich des Erstrevisionswerbers einen Widerspruch zwischen Spruch und Begründung auf, weil nach den Entscheidungsgründen die U sro die Geräte auf eigene Rechnung und Gefahr betrieben hätte und somit Veranstalterin der verbotenen Ausspielungen gewesen wäre. Dem Erstrevisionswerber wäre nach den Entscheidungsgründen eine Übertretung des § 52 Abs. 1 Z 1 1. Fall GSpG anzulasten gewesen. In dem vom Verwaltungsgericht bestätigten Spruch des Straferkenntnisses sei der Erstrevisionswerber allerdings wegen des 4. Falls (unternehmerisch beteiligen) bestraft worden. Das Erkenntnis vom 4. Dezember 2017 sei daher im Umfang der Bestrafung des Erstrevisionswerbers und des davon abhängigen Ausspruchs über die Kosten des verwaltungsbehördlichen Strafverfahrens wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

7        Während die Revision des Zweitrevisionswerbers in Bezug auf den Schuldspruch zurückgewiesen wurde, hob der Verwaltungsgerichtshof wegen der fehlerhaften Strafsanktionsnorm den Ausspruch über die zwei über ihn verhängten Strafen und die Kosten des Beschwerdeverfahrens auf.

8        Mit dem nunmehr angefochtenen Erkenntnis vom 6. Juli 2020 gab das Verwaltungsgericht der Beschwerde des Erstrevisionswerbers insoweit Folge, als es unter Neufassung des Spruchs des Straferkenntnisses die übertretene Rechtsvorschrift mit „§ 52 Abs. 1 Zif. 1 (1. Fall) GSpG“ und die Strafsanktionsnorm in „§ 52 Abs. 2 GSpG“ abänderte. Es setzte die beiden Geldstrafen neuerlich mit jeweils EUR 6.000,-- (samt Ersatzfreiheitsstrafen) und gemäß § 64 VStG den Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens mit EUR 1.200,-- fest (Spruchpunkt I.). Zudem schrieb das Verwaltungsgericht dem Erstrevisionswerber einen „Beitrag zu den Kosten des Beschwerdeverfahrens“ in der Höhe von EUR 1.200,-- vor (Spruchpunkt II.).

9        Das Verwaltungsgericht gab der Beschwerde des Zweitrevisionswerbers insoweit Folge, als es die beiden Geldstrafen neuerlich mit jeweils EUR 3.000,-- (samt Ersatzfreiheitsstrafen) festsetzte, die Strafsanktionsnorm in „§ 52 Abs. 2 GSpG“ änderte und den Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens in der Höhe von EUR 600,-- bestimmte (Spruchpunkt III.). Zudem schrieb das Verwaltungsgericht dem Zweitrevisionswerber einen „Beitrag zu den Kosten des Beschwerdeverfahrens“ in der Höhe von EUR 600,-- vor (Spruchpunkt IV.).

10       Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision der (nunmehrigen) Erst- und Zweitrevisionswerber. Die belangte Behörde erstattete keine Revisionsbeantwortung.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

11       Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

12       Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.

13       Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision - gesondert - vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

14       Liegen - wie hier - trennbare Absprüche vor, so ist die Zulässigkeit einer dagegen erhobenen Revision auch getrennt zu prüfen (vgl. z.B. VwGH 24.9.2020, Ra 2019/17/0032, mwN).

Zum Erstrevisionswerber:

15       Die Revision bringt zu ihrer Zulässigkeit u.a. vor, im angefochtenen Erkenntnis bestehe hinsichtlich des Erstrevisionswerbers (weiterhin) ein Widerspruch zwischen Spruch und Begründung. Mit diesem Vorbringen erweist sich die Revision als zulässig. Sie ist auch begründet.

16       Stehen Spruch und Begründung einer Entscheidung zueinander im Widerspruch, erweist sich nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes eine solche Entscheidung als mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit behaftet, sofern sich der vorliegende Widerspruch nicht als bloß terminologische Abweichung darstellt, deren Wirkung sich im Sprachlichen erschöpft (vgl. das Vorerkenntnis VwGH 24.10.2019, Ra 2018/15/0025 bis 0027, mwN).

17       In Spruchpunkt I. des angefochtenen Erkenntnisses wird dem Erstrevisionswerber (im Wege der Modifizierung des Spruches des Straferkenntnisses vom 24. April 2017) vorgeworfen, er habe es im Sinne des § 9 Abs. 1 VStG zu verantworten, dass sich die U sro an verbotenen Ausspielungen unternehmerisch beteiligt habe, weil diese Gesellschaft zwei näher bezeichnete Glücksspielgeräte „gegen Entgelt zur Verfügung gestellt“ habe. Dadurch habe er die Rechtsvorschrift des „§ 52 Abs. 1 Zif. 1 (1. Fall) GSpG“ verletzt. Damit ist bereits der Spruch in sich widersprüchlich, weil die vorgeworfene Tathandlung nicht unter den ersten Fall des § 52 Abs. 1 Z 1 GSpG fällt. Die im Spruch vorgeworfene Tathandlung steht überdies im Widerspruch zur Begründung, in der das Verwaltungsgericht feststellt, die U sro habe die Geräte auf eigene Rechnung und Gefahr betrieben, weshalb dieser „das Veranstalten von Glücksspielen iSd § 52 Abs. 1 Z 1 1. Fall GSpG anzulasten und nicht wie im Straferkenntnis die unternehmerische Beteiligung [iSd] § 52 Abs. 1 Z 1 4. Fall GSpG“. Damit erweisen sich aber sowohl der Schuldspruch als auch der davon abhängige Ausspruch über die Strafen und die Kosten als rechtswidrig.

Zum Zweitrevisionswerber:

18       Zum Zulässigkeitsvorbringen der Revision ist zunächst festzuhalten, dass die Voraussetzungen für eine Vorlagepflicht an den Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) gemäß Art. 267 AEUV geklärt sind. Ebenso sind die Anforderungen an eine Prüfung der Unionsrechtskonformität im Zusammenhang mit einer Monopolregelung im Glücksspielsektor durch die nationalen Gerichte geklärt (vgl. EuGH 15.9.2011, Dickinger und Ömer, C-347/09, Rn. 83 f; 30.4.2014, Pfleger, C-390/12, Rn. 47 ff; 30.6.2016, Admiral Casinos & Entertainment AG, C-464/15, Rn. 31, 35 ff; 28.2.2018, Sporting Odds Ltd., C-3/17, Rn. 28, 62 ff; sowie 6.9.2018, Gmalieva s.r.o. u.a., C-79/17, Rn. 22 ff). Diesen Anforderungen ist der Verwaltungsgerichtshof im Erkenntnis vom 16. März 2016, Ro 2015/17/0022, durch die Durchführung der nach der Rechtsprechung des EuGH erforderlichen Gesamtwürdigung nachgekommen. Der Verwaltungsgerichtshof hat an dieser Gesamtwürdigung mit Erkenntnis vom 11. Juli 2018, Ra 2018/17/0048, 0049, mit näherer Begründung festgehalten. Von dieser Rechtsprechung ist das Verwaltungsgericht im Revisionsfall nicht abgewichen. Entgegen dem weiteren Vorbringen steht die angefochtene Entscheidung daher nicht im Widerspruch zum Urteil des EuGH vom 30. April 2014, Pfleger, C-390/12.

19       Ebenso stehen nach den Ausführungen des EuGH in seinem Urteil vom 14. Juni 2017, Online Games Handels GmbH u.a., C-685/15, die Art. 49 AEUV (Niederlassungsfreiheit) und Art. 56 AEUV (Dienstleistungsfreiheit) im Lichte des Art. 47 GRC einem Verfahrensregime wie dem vor dem Verwaltungsgericht geltenden betreffend die amtswegige Ermittlung der Umstände der vom Gericht entschiedenen Rechtssachen nicht entgegen (vgl. auch EuGH 28.2.2018, Sporting Odds Ltd., C-3/17, Rn. 55; sowie VwGH 11.7.2018, Ra 2018/17/0048, 0049, Rn. 24 ff, und VfGH 12.6.2018, E 885/2018).

20       Anders als der Revisionswerber vermeint, kann sich das GSpG selbst bei Hinweisen auf das Vorliegen einer expansionistischen Geschäftspolitik der Konzessionäre - etwa durch das Glücksspiel verharmlosende Werbung - nach der Rechtsprechung des EuGH und des Verwaltungsgerichtshofes im Rahmen der Gesamtwürdigung als mit dem Unionsrecht in Einklang stehend erweisen, wenn etwa mit dieser Geschäftspolitik eine Umlenkung von Spielern vom illegalen zum legalen Glücksspiel sichergestellt werden soll (vgl. VwGH 26.9.2018, Ra 2017/17/0459, 0460, sowie 16.11.2018, Ra 2017/17/0947, 0948). Dass das LVwG von dieser Rechtsprechung abgewichen wäre, wird mit dem Zulässigkeitsvorbringen der vorliegenden Revision nicht aufgezeigt.

21       Wenn zur Zulässigkeit der Revision weiters vorgebracht wird, das LVwG sei von näher genannter Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu Beweisanträgen abgewichen und habe keine Feststellungen zur Beurteilung der behaupteten Unionsrechtswidrigkeit des GSpG getroffen, ist dem entgegenzuhalten, dass das LVwG diesbezügliche Feststellungen getroffen hat. Überdies ist die Relevanz der geltend gemachten Verfahrensmängel nicht ersichtlich.

22       Mit dem Vorbringen, das angefochtene Erkenntnis stehe im Widerspruch zur Rechtsprechung des EuGH vom 12. September 2019, C-64/18 u.a., Maksimovic u.a., wird ebenfalls keine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung aufgezeigt, hat doch der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 6. Mai 2020, Ra 2020/17/0001, mit näherer Begründung ausgesprochen, dass das Unionsrecht der uneingeschränkten Anwendbarkeit des § 52 Abs. 2 erster Strafsatz GSpG, des § 16 VStG sowie des § 64 VStG nicht entgegensteht. Auf die Entscheidungsgründe des genannten Erkenntnisses wird gemäß § 43 Abs. 2 zweiter Satz VwGG verwiesen. Im Übrigen wird auch auf das Urteil des EuGH vom 14. Oktober 2021, MT, C231/20, verwiesen, nach welchem der EuGH selbst in der Anwendung des dritten und vierten Strafsatzes keine grundsätzliche Unvereinbarkeit mit Art. 56 AEUV erblickt.

23       In der Revision wird weiters zur Zulässigkeit der Revision vorgebracht, das Verwaltungsgericht sei von näher genannter Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abgewichen, weil im zweiten Rechtsgang keine mündliche Verhandlung durchgeführt worden sei.

24       Das Verwaltungsgericht hat nach den Feststellungen im angefochtenen Erkenntnis bereits im ersten Rechtsgang (am 20. November 2017) eine mündliche Verhandlung durchgeführt

25       Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes muss nach einer öffentlichen mündlichen Verhandlung im ersten Rechtsgang auch im zweiten Rechtsgang eine öffentliche mündliche Verhandlung durchgeführt werden, wenn z.B. das konkrete Feststellungen auf Sachverhaltsebene erfordernde Verschulden des Revisionswerbers an den ihm angelasteten Verwaltungsübertretungen noch ungeklärt ist (vgl. VwGH 8.3.2021, Ra 2020/17/0089, mwN).

26       Im Revisionsfall ist zu beachten, dass der den Zweitrevisionswerber betreffende Schuldspruch infolge des hg. Erkenntnisses vom 24. Oktober 2019, Ra 2018/15/0025 bis 0027, nicht mehr Gegenstand des vor dem Verwaltungsgericht fortgesetzten Verfahrens war.

27       Wenn die Revision diesbezüglich vorbringt, den revisionswerbenden Parteien hätte zu Parametern wie ihrem Vermögen und ihrem Einkommen Gehör eingeräumt werden müssen, so legt sie nicht dar, inwiefern der Zweitrevisionswerber im zweiten Rechtsgang an einer Bekanntgabe seiner diesbezüglichen Verhältnisse gehindert gewesen wäre, zumal das Verwaltungsgericht ohnehin (noch) von ungünstigen finanziellen Verhältnissen wegen eines den Zweitrevisionswerber betreffenden Schuldenregulierungsverfahrens ausgegangen ist. Mit dem allgemeinen Vorbringen, bei einer Verhandlung wären „sehr ungünstige Vermögens- und Einkommensverhältnisse dargelegt“ worden, wird nicht ausgeführt, welche darüber hinausgehenden Feststellungen im zweiten Rechtsgang unterblieben wären.

28       Dass das Verwaltungsgericht vorliegendenfalls von der Durchführung einer weiteren mündlichen Verhandlung nicht hätte absehen dürfen, wird Revisionsfall nicht aufgezeigt, sodass eine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung nicht vorliegt.

29       Die Revision bringt in ihrem Zulässigkeitsvorbringen überdies vor, das Verwaltungsgericht habe bei der Strafbemessung die Verfahrensdauer nicht als Milderungsgrund berücksichtigt. Die Strafbemessung sei unvertretbar, weil die überlange Verfahrensdauer („über vier Jahre zwischen ‚Tat’aufdeckung und der Entscheidung über die Bestrafung“) nicht als mildernd berücksichtigt worden sei.

30       Bei der Strafbemessung handelt es sich um eine Ermessensentscheidung, die nach den vom Gesetzgeber in § 19 VStG festgelegten Kriterien vorzunehmen ist. Vom Verwaltungsgerichtshof ist daher (bloß) zu prüfen, ob das Verwaltungsgericht von dem ihm eingeräumten Ermessen im Sinn des Gesetzes Gebrauch gemacht hat, das heißt, ob die verhängte Strafe unter Bedachtnahme auf die Strafbemessungsgründe vertretbar erscheint (vgl. etwa VwGH 17.3.2021, Ra 2020/17/0010, mwN).

31       Die Frage der Angemessenheit der Verfahrensdauer ist dabei an Hand der besonderen Umstände des Einzelfalles, insbesondere der Schwierigkeit des Falles, des Verhaltens der Partei und der staatlichen Behörden im betreffenden Verfahren und der Bedeutung der Sache für die Partei zu beurteilen. Die maßgebliche Frist beginnt, sobald die Partei durch offizielle Mitteilung oder auch in sonstiger Weise in Kenntnis gesetzt wird, dass gegen sie wegen des Verdachts, eine strafbare Handlung begangen zu haben, Ermittlungen mit dem Ziel strafrechtlicher Verfolgung durchgeführt werden (vgl. etwa VwGH 21.4.2020, Ra 2020/17/0018, 0019). Anders als die Revision vermeint, ist der Beginn des Verwaltungsstrafverfahrens daher nicht die Tatbegehung durch den Zweitrevisionswerber.

32       Der Zweitrevisionswerber wurde mit Aufforderung zur Rechtfertigung vom 20. Jänner 2017, zugestellt am 26. Jänner 2017, erstmals mit den ihm vorgeworfenen strafbaren Handlungen konfrontiert. Das nunmehr angefochtene Erkenntnis wurde seinem Rechtsvertreter am 9. Juli 2020 zugestellt. Die Verfahrensdauer betrug daher deutlich weniger als die in der Revision geltend gemachten „über vier Jahre“.

33       Die Revision rügt in ihrem Zulässigkeitsvorbringen auch die Vorschreibung der Kosten des Beschwerdeverfahrens als rechtswidrig. Damit erweist sich die Revision als zulässig. Sie ist auch begründet.

34       Die Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nach § 52 Abs. 8 VwGVG dem Beschwerdeführer nicht aufzuerlegen, wenn der Beschwerde auch nur teilweise Folge gegeben worden ist. Im angefochtenen Erkenntnis wurde die Strafe des Zweitrevisionswerbers herabgesetzt. Dennoch wurde ihm ein „Beitrag zu den Kosten des Beschwerdeverfahrens“ vorgeschrieben. Damit erweist sich der diesbezügliche Spruch des angefochtenen Erkenntnisses als rechtswidrig. Daran vermag auch die Begründung des angefochtenen Erkenntnisses, wonach für das Beschwerdeverfahren keine Kosten vorzuschreiben gewesen seien, nichts zu ändern.

Ergebnis:

35       Das angefochtene Erkenntnis war daher hinsichtlich des Erstrevisionswerbers im vollen Umfang und hinsichtlich des Zweitrevisionswerbers hinsichtlich der Kostenvorschreibung für das Beschwerdeverfahren gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit aufzuheben. Im Übrigen war die Revision gemäß § 34 Abs. 1 und 3 VwGG mit Beschluss zurückzuweisen.

36       Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG, insbesondere § 53 Abs. 1 VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.

Wien, am 3. Februar 2022

Gerichtsentscheidung

EuGH 62020CJ0231 M.T. VORAB

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2022:RA2020170116.L00

Im RIS seit

14.03.2022

Zuletzt aktualisiert am

22.03.2022
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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