Index
L94409 Krankenanstalt Spital WienNorm
AVG §8Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Handstanger, Hofrat Dr. Mayr, Hofrätin Mag. Hainz-Sator sowie die Hofräte Dr. Pürgy und Mag. Brandl als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Schara, über die Revision der Kammer für Arbeiter und Angestellte für Wien in 1041 Wien, vertreten durch Dr. Thomas Majoros, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Walfischgasse 12/3, gegen das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes Wien vom 19. Februar 2021, Zl. VGW-101/079/9976/2018-2, betreffend Entziehung der Gewerbeberechtigung (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Magistrat der Stadt Wien; mitbeteiligte Partei: P Gesellschaft m.b.H. in W, vertreten durch die Singer & Kessler Rechtsanwälte OG in 1010 Wien, Seilerstätte 22/1/23), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Die Revisionswerberin hat der Mitbeteiligten Aufwendungen in der Höhe von € 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
1 1. Mit Bescheid vom 11. Juni 2018 entzog der Magistrat der Stadt Wien (belangte Behörde) in einem auf Antrag der Kammer für Arbeiter und Angestellte für Wien (Revisionswerberin) eingeleiteten Verfahren der P GmbH (Mitbeteiligte) gemäß § 87 Abs. 1 Z 3 sowie § 135 Abs. 4 und 5 Gewerbeordnung 1994 (GewO 1994) wegen Wegfall der gewerberechtlichen Zuverlässigkeit die Berechtigung zur Ausübung des Gewerbes „Überlassung von Arbeitskräften“.
2 2. Mit dem angefochtenen Erkenntnis vom 19. Februar 2021 gab das Verwaltungsgericht Wien der dagegen erhobenen Beschwerde der Mitbeteiligten Folge und hob den bekämpften Bescheid der belangten Behörde ersatzlos auf. Die Revision wurde gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG für zulässig erklärt.
3 Das Verwaltungsgericht stellt fest, dass die Mitbeteiligte im Jahr 1995 das verfahrensgegenständliche (bis dato aufrechte) Gewerbe der Überlassung von Arbeitskräften angemeldet habe. Die belangte Behörde habe vor der bescheidmäßigen Entziehung der Gewerbeberechtigung kein Verfahren nach § 91 Abs. 2 GewO 1994 durchgeführt.
4 In seiner rechtlichen Beurteilung verwies das Verwaltungsgericht zunächst auf die Regelung des § 87 Abs. 1 Z 3 GewO 1994, der zufolge die Gewerbeberechtigung von der Behörde zu entziehen sei, wenn der Gewerbeinhaber infolge schwerwiegender Verstöße gegen näher umschriebene Rechtsvorschriften und Schutzinteressen die für die Ausübung des Gewerbes erforderliche Zuverlässigkeit nicht mehr besitze. Wenn der Gewerbeinhaber eine juristische Person sei und sich der Entziehungsgrund gemäß § 87 GewO 1994 auf eine natürliche Person beziehe, der ein maßgeblicher Einfluss auf den Betrieb der Geschäfte zukomme, habe die Behörde dem Gewerbetreibenden gemäß § 91 Abs. 2 GewO 1994 eine Frist bekanntzugeben, innerhalb der der Gewerbetreibende diese Person zu entfernen habe. Die Gewerbeberechtigung sei zu entziehen, wenn die genannte natürliche Person nicht innerhalb dieser Frist entfernt werde.
5 § 135 GewO 1994 - so das Verwaltungsgericht weiter - enthalte eine besondere Regelung für das Gewerbe der Überlassung von Arbeitskräften, die in Abs. 4 spezielle Unzulässigkeitskriterien normiere. Ferner sei ein „besonderes Entziehungsverfahren“ vorgesehen, bei dem es in erster Linie um die Mitwirkung bestimmter öffentlicher Stellen (Interessenvertretungen) gehe, nicht jedoch um die Infragestellung grundlegender gewerberechtlicher Verfahrensregeln wie etwa der Vorgehensweise nach § 91 Abs. 2 GewO 1994. Es entspreche sowohl dem Grundkonzept des § 87 Abs. 1 Z 3 in Verbindung mit § 91 Abs. 2 GewO 1994 als auch dem allgemeinen Sprachgebrauch, dass der Begriff „Zuverlässigkeit“ in der Regel auf das Verhalten einer natürlichen Person abstelle, das allenfalls einer juristischen Person zuzurechnen sei. Dieses sprachliche Konzept komme auch in § 135 Abs. 4 GewO 1994 zum Ausdruck. Auch bei der Entziehung der Gewerbeberechtigung „Überlassung von Arbeitskräften“ sei Ausgangspunkt der Tatbestand des § 87 Abs. 1 Z 3 GewO 1994, der hinsichtlich der Zuverlässigkeitskriterien durch § 135 Abs. 4 GewO 1994 eine Ergänzung erfahren habe. Daher finde bei einer Entziehung nach § 135 Abs. 5 GewO 1994 - sofern die Gewerbeberechtigung nicht auf eine natürliche Person laute - § 91 Abs. 2 GewO 1994 in gleicher Weise Anwendung. Da die Mitbeteiligte eine juristische Person sei, hätte die Entziehung der Gewerbeberechtigung nur auf der Grundlage einer Verfahrensanordnung gemäß § 91 Abs. 2 GewO 1994 verfügt werden dürfen. Mangels Einhaltung dieser Vorgangsweise sei der Entziehungsbescheid aufzuheben gewesen.
6 Abschließend verwies das Verwaltungsgericht auf die Regelung des § 135 Abs. 6 letzter Satz GewO 1994, der zufolge der zuständigen Landeskammer für Arbeiter und Angestellte - in bestimmten Fällen - ein Bescheidbeschwerderecht zukomme. Ein Revisionsrecht sei demgegenüber nicht ausdrücklich vorgesehen. Aus einer Beschwerdelegitimation könne auch nicht zwingend auf eine Revisionslegitimation geschlossen werden. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes sei eine Organ- bzw. Formalpartei ohne eigene gegen den Staat gerichtete Interessensphäre nur insoweit rechtsmittellegitimiert, als es zur Durchsetzung prozessualer Befugnisse erforderlich sei. Es sei aber fraglich, ob es dem Rechtsschutzkonzept entspreche, ein im Behördenverfahren eingeräumtes Rechtsmittel im Beschwerdestadium zu verneinen. Allenfalls sei hier von einer potentiellen Rechtsverletzung im Sinn des Art. 133 Abs. 6 Z 1 B-VG und insofern von einer Revisionslegitimation der Kammer für Arbeiter und Angestellte auszugehen. Aus prozessualer Vorsicht werde dieser die Entscheidung daher auch zugestellt.
7 Die Zulassung der Revision begründete das Verwaltungsgericht damit, dass keine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu der (vom Verwaltungsgericht bejahten) Frage vorliege, ob bei einer Entziehung der Gewerbeberechtigung gemäß § 135 Abs. 4 und 5 GewO 1994 im Fall einer juristischen Person § 91 Abs. 2 GewO 1994 Anwendung finde. Zudem fehle es an höchstgerichtlicher Rechtsprechung zum allfälligen Revisionsrecht der in § 135 Abs. 6 GewO 1994 genannten Interessenvertretungen.
8 3. Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision.
9 Die Mitbeteiligte erstattete eine Revisionsbeantwortung, in der sie die Zurückweisung, in eventu die Abweisung der Revision beantragt.
10 Die Revision erweist sich aus nachstehenden Erwägungen als nicht zulässig.
11 4.1. Gemäß Art. 133 Abs. 6 Z 1 B-VG kann gegen das Erkenntnis eines Verwaltungsgerichtes wegen Rechtswidrigkeit Revision erheben, wer durch das Erkenntnis in seinen Rechten verletzt zu sein behauptet. Gemäß Art. 133 Abs. 8 B-VG bestimmen die Bundes- oder Landesgesetze, wer in anderen als den in Art. 133 Abs. 6 B-VG genannten Fällen wegen Rechtswidrigkeit Revision erheben kann.
12 4.2. § 135 Gewerbeordnung 1994 (GewO 1994), BGBl. Nr. 196 in der Fassung BGBl. I Nr. 85/2013, lautet auszugsweise:
„Überlassung von Arbeitskräften
§ 135. [...]
(4) Die für die Gewerbeausübung erforderliche Zuverlässigkeit ist insbesondere dann nicht gegeben, wenn das Verhalten des Gewerbeinhabers die Annahme rechtfertigt, dass das Gewerbe in einer den Schutz und die Rechte der Arbeitskräfte nicht gewährleistenden Art ausgeübt wird; dies ist insbesondere dann der Fall, wenn der Gewerbeinhaber
1. gegen die Vorschriften des Arbeitskräfteüberlassungsgesetzes verstoßen hat oder
2. Verpflichtungen eines Arbeitgebers, die sich aus dem Arbeitsrecht einschließlich des Arbeitnehmerschutzes oder des Sozialversicherungsrechtes ergeben, erheblich verletzt hat.
(5) Die Gewerbeberechtigung für das Gewerbe der Überlassung von Arbeitskräften ist von der Behörde (§ 361 Abs. 1) zu entziehen, wenn die im Abs. 3 bezeichneten Voraussetzungen nicht mehr zur Gänze erfüllt werden oder die für die Gewerbeausübung erforderliche Zuverlässigkeit (Abs. 4) nicht mehr gegeben ist.
(6) Die zuständige Landeskammer der gewerblichen Wirtschaft und die zuständige Kammer für Arbeiter und Angestellte sind berechtigt, die Entziehung der Gewerbeberechtigung für das Gewerbe der Überlassung von Arbeitskräften zu beantragen. Vor der Erlassung eines Bescheides über einen solchen Antrag hat die Behörde die im ersten Satz genannten Stellen aufzufordern, innerhalb einer Frist von sechs Wochen Gutachten über das Vorliegen der Voraussetzungen für die Entziehung der Gewerbeberechtigung abzugeben; dies gilt nicht für jene Stelle, die den Antrag auf Entziehung der Gewerbeberechtigung gestellt hat. Gegen einen Bescheid auf Grund eines solchen Antrages steht jeder der im ersten Satz genannten Stellen jeweils dann das Recht der Beschwerde zu, wenn die Entscheidung ihrem Antrag oder ihrem fristgerecht abgegebenen Gutachten widerspricht oder wenn sie nicht gehört worden ist.
[...]“
13 5.1. Die Revisionswerberin bringt zu ihrer Revisionslegitimation vor, sie sei gemäß § 135 Abs. 6 GewO 1994 berechtigt, die Entziehung der Gewerbeberechtigung „Überlassung von Arbeitskräften“ zu beantragen, ein Gutachten abzugeben sowie - unter bestimmten Umständen - Beschwerde zu erheben. Damit sei ihr aber ein subjektiv-öffentliches Recht (im Sinn näher zitierter Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes) eingeräumt. Um dieses Recht durchsetzen zu können, bedürfe es der Möglichkeit, gegen die Entscheidung des Verwaltungsgerichtes Revision an den Verwaltungsgerichtshof zu erheben.
14 Zudem verweist die Revisionswerberin auf ihre Eigenschaft als Selbstverwaltungskörper im Sinn der Art. 120a ff B-VG. Das Recht auf Durchsetzung der beantragten Entziehung einer Gewerbeberechtigung stehe auch in Zusammenhang mit dem Recht der Revisionswerberin auf Selbstverwaltung. Eine Entziehung der Gewerbeberechtigung sei nicht nur im öffentlichen Interesse, sondern auch im Interesse der Revisionswerberin als Selbstverwaltungskörper und im Interesse ihrer Mitglieder.
15 5.2. Die Mitbeteiligte verweist in ihrer Revisionsbeantwortung darauf, dass die Gewerbeordnung 1994 den Kammern (sowohl der gewerblichen Wirtschaft als auch für Arbeiter und Angestellte) an verschiedenen Stellen Antrags- und Rechtsmittellegitimationen einräume, wobei in differenzierter Weise zum Teil nur ein Anhörungsrecht, zum Teil ein Beschwerderecht und vereinzelt auch ein Revisionsrecht vorgesehen werde. § 135 Abs. 6 GewO 1994 sehe das Recht auf Erhebung einer Beschwerde, nicht jedoch einer Revision vor. Zudem sei die Revisionswerberin von einer Entscheidung nach § 135 GewO 1994 nicht in individualisierter Weise betroffen, sondern agiere als Stellvertreterin für die Interessen der Arbeitnehmerschaft. Dies sei typisch für Formalparteien. Die Interessen der Arbeitnehmer seien auch ein Paradebeispiel für öffentliche Interessen. Die Wahrnehmung dieser Interessen sei Aufgabe der Revisionswerberin, nicht ihr Recht.
16 6.1. Zur Frage der Revisionslegitimation ist zunächst Folgendes vorauszuschicken:
17 § 135 Abs. 6 GewO 1994 sieht nur das Recht der Beschwerde gegen einen Bescheid ausdrücklich vor. Der Revisionswerberin ist somit keine Revisionslegitimation gemäß Art. 133 Abs. 8 B-VG eingeräumt.
18 Zwar kommt einer Formalpartei, auch wenn ihr keine materiellen subjektiven Rechte zustehen, zur Durchsetzung ihrer prozessualen Befugnisse auch Revisionslegitimation im Sinn des Art. 133 Abs. 6 Z 1 B-VG zu (vgl. VwGH 30.1.2019, Ro 2017/04/0017, 0018, Rn. 20, mwN). Eine Verletzung in ihr zustehenden Verfahrensrechten macht die Revisionswerberin im vorliegenden Fall allerdings nicht geltend.
19 Die Revisionslegitimation wäre daher nur zu bejahen, wenn der Revisionswerberin durch die GewO 1994 (insbesondere deren § 135 Abs. 6) materielle subjektiv-öffentliche Rechte (im Sinn des Art. 133 Abs. 6 Z 1 B-VG) eingeräumt würden.
20 6.2. Die Legitimation zur Revisionserhebung vor dem Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 6 Z 1 B-VG wegen Verletzung in subjektiven Rechten setzt die Möglichkeit der Verletzung in subjektiv-öffentlichen Rechten voraus. Eine Revision kann derart - auf dem Boden der Rechtsprechung zur vorangehenden Bestimmung des Art. 133 Abs. 1 Z 1 B-VG in der Fassung vor der Verwaltungsgerichtsbarkeits-Novelle 2012 - nur unter Berufung auf eine eigene, gegen den Staat als Träger der Hoheitsgewalt gerichtete Interessensphäre der rechtsmittelwerbenden Partei erhoben werden (vgl. zu allem VwGH 6.4.2016, Fr 2015/03/0011, Rn. 17; 7.9.2017, Ro 2014/08/0029, Pkt. 7.2.; beide mwN).
21 Ob durch die Rechtsvorschriften subjektive Rechte eingeräumt werden, ist eine Frage der Auslegung der betreffenden Vorschriften des materiellen Rechtes. Nicht jede Norm des objektiven Verwaltungsrechts gewährt auch eine subjektive Berechtigung. Ein subjektiv-öffentliches Recht ist dann zu bejahen, wenn eine zwingende Vorschrift - und damit eine sich daraus ergebende Rechtspflicht der Verwaltung - nicht allein dem öffentlichen Interesse, sondern (zumindest auch) dem Interesse einzelner zu dienen bestimmt ist (vgl. VwGH 27.11.2014, Ra 2014/03/0039, mwN).
22 Die Aufgabe der Amts- oder Formalparteien, denen eine Parteistellung in einem Verwaltungsverfahren ausdrücklich eingeräumt sein muss und denen nicht ohne weiteres die Beschwerdeberechtigung zukommt, ist nicht die Vertretung eigener subjektiver Rechte, sondern die Wahrung der objektiven Rechtmäßigkeit des Bescheides bzw. die Wahrnehmung bestimmter öffentlicher Interessen (vgl. - im Zusammenhang mit der Beschwerde einer Standortgemeinde in einem Feststellungsverfahren gemäß § 3 Abs. 7 UVP-G 2000 - VwGH 24.3.2004, 2004/04/0036, mwN; vgl. erneut VwGH Fr 2015/03/0011, Rn. 16).
23 6.3. Unter Heranziehung dieser Grundsätze kann die Einräumung eines der Revisionswerberin selbst zustehenden materiellen subjektiven Rechtes (auf - wie von ihr ins Treffen geführt - Entziehung einer Gewerbeberechtigung) in der Regelung des § 135 Abs. 6 GewO 1994 nicht erblickt werden. Insbesondere ist nicht ersichtlich, welche gegen den Staat als Träger der Hoheitsgewalt gerichtete, eigene Interessensphäre die Revisionswerberin in einem Verfahren nach § 135 GewO 1994 wahrzunehmen hätte, zumal die Entziehung einer Gewerbeberechtigung bei Vorliegen eines Entziehungstatbestandes jedenfalls auch im Interesse des Staates liegt.
24 Diese Auffassung findet in der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu früheren bzw. vergleichbaren gewerberechtlichen Bestimmungen Deckung. So hat der Verwaltungsgerichtshof - zur inhaltlich vergleichbaren früheren Regelung des § 323d GewO 1973 - festgehalten, durch dessen normative Anordnungen werde den dort genannten Stellen im dort bezeichneten Umfang lediglich eine der Parteistellung nachgebildete Position als Verfahrenspartei eingeräumt, mangels eines den genannten Stellen zukommenden subjektiv-öffentlichen Rechts nicht aber darüber hinaus schlechthin die Stellung einer Verfahrenspartei im Sinn des § 8 AVG (siehe VwGH 10.9.1991, 91/04/0210). Dies lässt sich auf die hier maßgebliche Regelung des § 135 Abs. 6 GewO 1994 übertragen. Daran vermag der Umstand, dass die Aussage im zitierten Beschluss zur Konzessionserteilung gemäß Abs. 1 des § 323d GewO 1973 - und nicht zur Entziehung der Gewerbeberechtigung gemäß Abs. 2 leg. cit. - ergangen ist, nichts zu ändern, weil die jeweils eingeräumten Rechte (abgesehen von dem in Abs. 2 leg. cit. zusätzlich vorgesehenen Antragsrecht) jeweils gleich ausgestaltet waren. Soweit die Revisionswerberin darauf hinweist, dass diesem Beschluss die Beschwerde eines Landesarbeitsamtes zugrunde gelegen sei, dem keine Rechtspersönlichkeit zukomme, ist dem entgegenzuhalten, dass der Verwaltungsgerichtshof seine Aussage ausdrücklich auf die (und somit alle) in § 323d Abs. 1 erster Satz GewO 1973 genannten Stellen - und damit auch auf die Landeskammer der gewerblichen Wirtschaft sowie die Kammer für Arbeiter und Angestellte - bezogen hat.
25 Auch zu einer Reihe weiterer vergleichbarer Regelungen in der GewO 1994 hat der Verwaltungsgerichtshof zum Ausdruck gebracht, dass aus dem Recht, ein Gutachten abzugeben bzw. unter bestimmten Voraussetzungen Berufung zu erheben, weitere Parteirechte nicht abgeleitet werden könnten (vgl. VwGH 10.12.1996, 96/04/0248, zu § 134 Abs. 2 GewO 1994 in der Stammfassung BGBl. Nr. 194; VwGH 3.9.1996, 96/04/0027, hinsichtlich der Bestimmung des § 348 Abs. 2 GewO 1994; sowie VwGH 23.5.1995, 95/04/0076, zu § 116 Abs. 3 GewO 1994 in der Stammfassung BGBl. Nr. 194). Aus der Einräumung eines Antrags- und Berufungsrechts (dort: an den Disziplinaranwalt der Kärntner Jägerschaft) hat der Verwaltungsgerichtshof abgeleitet, dass der Gesetzgeber damit ein subjektiv-öffentliches Recht auf Entscheidung in der Sache zuerkannt habe; eine (geltend gemachte) Verletzung des Rechts auf eine „richtige rechtliche Beurteilung“ schloss der Verwaltungsgerichtshof mangels behaupteter Verletzung in einer eigenen Interessensphäre hingegen aus (vgl. VwGH 1.7.2005, 2003/03/0082).
26 Weiters ist auf die Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes zu verweisen, wonach der dort beschwerdeführenden Ärztekammer durch die Einräumung einer Parteistellung sowie einer Beschwerde- und Revisionslegitimation (in § 5 Abs. 8 Wiener Krankenanstaltengesetz) die Wahrung bestimmter Interessen überantwortet worden sei; gerade der Umstand, dass ihr der Gesetzgeber Parteistellung nur in dieser eingeschränkten Form zuerkannt habe, welche die Geltendmachung subjektiver Rechte gerade nicht voraussetze, zeige aber, dass ihr eigene subjektive Rechte im vorliegenden Zusammenhang nicht verliehen seien (vgl. VfGH 22.9.2017, E 2097/2017; in diesem Sinn auch VfGH 17.6.2005, B 470/05 ua.). Aus dem Bestehen einzelner Parteirechte kann somit gerade nicht auf die Einräumung eigener subjektiver Rechte geschlossen werden.
27 Schließlich ist noch darauf hinzuweisen, dass den gesetzlichen Interessenvertretungen in verschiedenen Bestimmungen der GewO 1994 in unterschiedlichem Ausmaß Mitwirkungsrechte zugestanden werden. Nur vereinzelt wird dabei auch ausdrücklich das Recht auf Erhebung einer Revision an den Verwaltungsgerichtshof zugestanden (siehe § 349 Abs. 6 sowie § 363 Abs. 2 und 3 GewO 1994). Auch diese Differenzierung spricht gegen die von der Revisionswerberin ins Treffen geführte Sichtweise, hinsichtlich des Verfahrens nach § 135 GewO 1994 ebenfalls ein Revisionsrecht der Kammern anzunehmen (vgl. zur Bedeutung einer gezielt differenzierten Regelung auch VfGH 27.9.1985, B 516/80).
28 6.4. Auch aus dem Hinweis auf ihre Stellung als Selbstverwaltungskörper bzw. auf die von ihr wahrzunehmende Aufgabe der Interessenvertretung der Arbeitnehmer lässt sich für die Revisionswerberin nichts gewinnen. So hat der Verwaltungsgerichtshof - aus Anlass eines aufsichtsbehördlichen Verfahrens gemäß § 137 Wirtschaftskammergesetz (WKG) - dem Hinweis der beschwerdeführenden Parteien (dort: kollektivvertragsfähige Körperschaften der Arbeitnehmer gemäß § 138 Abs. 2 WKG) auf Rechte der von ihnen vertretenen Arbeitnehmer entgegengehalten, dass aus den diesen Arbeitnehmern zustehenden Rechten ein den beschwerdeführenden Parteien selbst zukommendes subjektiv-öffentliches Recht nicht abgeleitet werden könne (vgl. VwGH 18.10.2012, 2012/04/0092, mwN; vgl. weiters VwGH Ro 2017/04/0017, Rn. 20).
29 7. Da es der Revisionswerberin somit an der Revisionslegitimation fehlt, war die Revision in einem gemäß § 12 Abs. 2 VwGG gebildeten Senat zurückzuweisen.
30 Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.
Wien, am 7. Februar 2022
Schlagworte
Auslegung Diverses VwRallg3/5 Individuelle Normen und Parteienrechte Rechtsanspruch Antragsrecht Anfechtungsrecht VwRallg9/2 Mangel der Berechtigung zur Erhebung der Beschwerde mangelnde subjektive Rechtsverletzung Parteienrechte und Beschwerdelegitimation Verwaltungsverfahren Mangelnde Rechtsverletzung Beschwerdelegitimation verneint keineBESCHWERDELEGITIMATIONEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2022:RO2021040019.J00Im RIS seit
14.03.2022Zuletzt aktualisiert am
14.03.2022