Index
001 Verwaltungsrecht allgemeinNorm
BAO §115Beachte
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zorn und die Hofräte Mag. Novak und Dr. Sutter sowie die Hofrätinnen Dr.in Lachmayer und Dr.in Wiesinger als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Engenhart, über die Revision des A M in W, vertreten durch Dr. Herbert Laimböck, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Annagasse 3 A/15, gegen den Beschluss des Bundesfinanzgerichts vom 4. August 2021, Zl. RV/7101725/2021, betreffend Zurückweisung einer Beschwerde gemäß § 260 Abs. 1 lit. a BAO, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Beschluss wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Revisionswerber Aufwendungen in der Höhe von € 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
1 Das Finanzamt erließ am 5. November 2019 gegenüber dem Revisionswerber einen „Bescheid - Leistungsgebot“ betreffend Umsatzsteuer in Höhe von 144.619,47 € und führte zur Begründung aus, dass gemäß § 19 Abs. 1a UStG 1994 der Leistungsempfänger die Umsatzsteuer auf Bauleistungen schulde, wenn der Hinweis, dass er mit der Erbringung von Bauleistungen beauftragt sei, zu Unrecht erfolgt sei.
2 Gegen diesen Bescheid langte beim Finanzamt am 4. Dezember 2019 eine Beschwerde ein, die auszugsweise wie folgt lautet:
„Betreff: [Revisionswerber, Adresse des Revisionswerbers]
Beschwerde gegen den Bescheid - Leistungsgebot
Meine Beschwerde richtet sich gegen den Bescheid-Leistungsgebot an Herrn [Revisionswerber] vom 5.11.2019, zugestellt am 13. November 2019, mit dem Antrag auf Aufhebung dieses Bescheides.
[...]
Ich beantrage demnach höflichst die Aufhebung dieses Bescheides und um Aussetzung des Streitbetrages bis zur Erledigung der Beschwerde.
Mit vorzüglicher Hochachtung
[ A Wirtschaftstreuhand GmbH]“
3 Die Beschwerde war mit dem Stempel der A Wirtschaftstreuhand GmbH versehen, die auch im Kopf des Schriftsatzes aufscheint, und von einem Wirtschaftstreuhänder unterzeichnet.
4 Das Finanzamt gab der Beschwerde mit Beschwerdevorentscheidung vom 30. November 2020 keine Folge, woraufhin der Revisionswerber - nunmehr vertreten durch Rechtsanwalt Dr. B, der sich ausdrücklich auf die ihm erteilte Vollmacht berief - deren Vorlage an das Bundesfinanzgericht beantragte.
5 Mit dem angefochtenen Beschluss, in dem eine ordentliche Revision für nicht zulässig erklärt wurde, wies das Bundesfinanzgericht die Beschwerde und den Vorlageantrag als unzulässig zurück und begründet die Zurückweisung im Wesentlichen wie folgt:
6 Das österreichische Stellvertretungsrecht sei vom Offenlegungsgrundsatz beherrscht. Nach der zivilrechtlichen Judikatur setze eine wirksame Stellvertretung, neben dem Handeln des Stellvertreters im Namen des Vertretenen, das Vorliegen von Vertretungsmacht voraus, die hinreichend offengelegt werden müsse. Ein ohne ausreichende Vertretungsmacht gesetzter Geschäftsakt sei unwirksam. Im Zweifel sei ein Eigengeschäft des Handelnden anzunehmen.
7 Auch ein berufsmäßiger Parteienvertreter müsse seine Stellvertretereigenschaft ausreichend zu erkennen geben. Eine generelle gesetzliche Vermutung, dass jeder einschreitende berufliche Parteienvertreter als bevollmächtigt anzusehen sei, existiere nicht. Vielmehr verlangten die einschlägigen berufsrechtlichen Vorschriften eine explizite Berufung auf die erteilte Vollmacht. Diese Bestimmungen des Berufsrechts dienten lediglich der Vereinfachung der Verfahrensabläufe und kämen nur unter der Voraussetzung zum Tragen, dass im Zeitpunkt des Einschreitens tatsächlich eine gültige Bevollmächtigung vorliege. Eine Nachholung der Bevollmächtigung - etwa im Rahmen eines Mängelbehebungsverfahrens nach § 85 Abs. 2 BAO - genüge nicht. Zudem wirke eine Bevollmächtigung jeweils nur für jenes Verfahren, in dem sich der Bevollmächtigte entweder durch eine schriftliche Vollmacht ausgewiesen oder wirksam auf seine Bevollmächtigung berufen habe.
8 Der angefochtene Bescheid 5. November 2019 sei an den Revisionswerber ergangen und diesem auch zugestellt worden. Gem. § 246 Abs. 1 BAO sei daher allein er zur Einbringung einer Bescheidbeschwerde befugt gewesen. Ein Vertreter hätte nur im Namen des Revisionswerbers wirksam Beschwerde erheben können. Bis zum Eingang der gegenständlichen Beschwerde sei dem Finanzamt kein Vertreter bekanntgegeben worden. Der Beschwerdeschriftsatz enthalte keine Berufung auf eine erteilte Vollmacht und es fehle auch jeglicher Hinweis auf eine Bevollmächtigung (etwa „Vollmacht erteilt“, „Vollmacht ausgewiesen“, „Namens und Auftrags meiner Mandantschaft“). Dass die A Wirtschaftstreuhand GmbH in Vertretung des Revisionswerbers einschreite werde auch nicht auf andere Weise zum Ausdruck gebracht. Die im Schriftsatz verwendeten Formulierungen „meine Beschwerde“ und „ich beantrage“ könne sich folglich nur auf den Geschäftsführer der A Wirtschaftstreuhand GmbH beziehen.
9 Die Beschwerde sei nach ihrem objektiven Erklärungswert im Namen der A Wirtschaftstreuhand GmbH eingebracht worden und der Erwähnung des Revisionswerbers im Betreff komme beim vorliegenden Sachverhalt die Bedeutung eines bloßen Konkretisierungsmerkmales zu.
10 Eine explizite Berufung auf die erteilte Vollmacht finde sich erstmals im Vorlageantrag, der - ohne Bezugnahme auf die A Wirtschaftstreuhand GmbH - von dem für den Revisionswerber erstmalig einschreitenden Rechtsanwalt Dr. B eingebracht worden sei. Es stehe außer Frage, dass dieser Hinweis auf die erteilte Vollmacht keine Heilung des der Beschwerde anhaftenden Mangels bewirke.
11 Da das Finanzamt nicht über eine Bevollmächtigung der A Wirtschaftstreuhand GmbH informiert worden sei und der Revisionswerber kein Verhalten gesetzt habe, das die Annahme einer Anscheinsvollmacht rechtfertige, sehe das Bundesfinanzgericht keine Veranlassung, an der fehlenden Aktivlegitimation der A Wirtschaftstreuhand GmbH zur Erhebung der Beschwerde zu zweifeln. Die Beschwerde gegen den Bescheid vom 5. November 2019 sei daher als unzulässig zurückzuweisen. Damit entfielen auch die Rechtsgrundlagen für die Beschwerdevorentscheidung und den Vorlageantrag.
12 Die Durchführung eines Mängelbehebungsverfahrens nach § 85 Abs. 2 BAO habe sich erübrigt, weil nicht Zweifel über das Vorliegen oder den Umfang einer Bevollmächtigung der A Wirtschaftstreuhand GmbH zur Zurückweisung geführt hätten, sondern die nach dem objektiven Erklärungswert des Beschwerdeschriftsatzes unzweifelhaft fehlende Berufung auf die erteilte Vollmacht. „Nachdem die [Wirtschaftstreuhand GmbH] ihre Bevollmächtigung nicht durch Vorlage einer schriftlichen Vollmacht nachzuweisen hat, kam auch die Bestimmung des § 85 Abs. 4 BAO nicht zum Tragen.“
13 Die gegen diesen Beschluss gerichtete Revision bringt zu ihrer Zulässigkeit vor, das Bundesfinanzgericht habe Umstände, die für die Einbringung der Beschwerde durch die A Wirtschaftstreuhand GmbH im Namen des Revisionswerbers gesprochen hätten, unberücksichtigt gelassen.
14 Das Finanzamt hat über Aufforderung hierzu eine Revisionsbeantwortung erstattet.
15 Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
16 Die Revision ist zulässig und begründet.
17 Im Revisionsfall ist strittig, ob das Bundesfinanzgericht zu Recht davon ausgehen durfte, dass die hier in Rede stehende Beschwerde von der A Wirtschaftstreuhand GmbH im eigenen Namen und damit nicht im Namen des Revisionswerbers erhoben wurde.
18 Gemäß § 246 Abs. 1 BAO ist zur Einbringung einer Bescheidbeschwerde jeder befugt, an den der den Gegenstand der Anfechtung bildende Bescheid ergangen ist. Wird eine Beschwerde von einem hierzu nicht Legitimierten eingebracht, so ist sie gemäß § 260 Abs. 1 lit. a BAO zurückzuweisen (vgl. VwGH 16.12.2010, 2009/16/0091, mwN).
19 Ist zweifelhaft, wem ein Anbringen zuzurechnen ist, verpflichtet dies die Abgabenbehörde bzw. das Bundesfinanzgericht zu entsprechenden Ermittlungen (vgl. wiederum VwGH 16.12.2010, 2009/16/0091, mwN).
20 Grundsätzlich ist davon auszugehen, dass ein Parteienvertreter, der ein Rechtsmittel gegen einen Bescheid einbringt, dies im Namen jener Person tut, die zur Erhebung des Rechtsmittels legitimiert ist (vgl. ein weiteres Mal VwGH 16.12.2010, 2009/16/0091).
21 Für die Beurteilung eines Parteianbringens kommt es auf dessen Inhalt an, auf das erkennbar oder zu erschließende Ziel des Parteischrittes (vgl. z.B. VwGH 2.9.2020, Ra 2020/15/0047; 13.1.2021, Ra 2020/13/0099). Der Erklärungsinhalt ist durch Auslegung zu ermitteln (vgl. Ritz/Koran, BAO7, § 85 Tz 1). Bei undeutlichem Inhalt eines Anbringens ist die Absicht der Partei zu erforschen (VwGH 18.12.2019, Ra 2019/15/0005).
22 Im gegenständlichen Fall wurde Beschwerde gegen einen an den Revisionswerber ergangenen Bescheid erhoben. Im „Betreff“ der Beschwerde ist der Revisionswerber genannt. Die Beschwerde erklärt ausdrücklich, dass sie sich gegen das „Leistungsgebot“ gegenüber dem Revisionswerber richtet und die Aufhebung des an den Revisionswerber ergangenen Bescheides beantragt wird.
23 Bei dieser Sachlage trifft es nicht zu, dass der Erklärungswert des Beschwerdeschriftsatzes zweifelsfrei dahingehend gedeutet werden kann, dass die Beschwerde von der A Wirtschaftstreuhand GmbH im eigenen Namen und nicht im Namen des Revisionswerbers erhoben worden sei.
24 Weiters ist - wie in der Revision zutreffend aufgezeigt wird - darauf zu verweisen, dass das Finanzamt keine Zweifel daran hegte, dass eine Beschwerdeerhebung im Namen des Revisionswerbers vorliegt. Es hat dem Revisionswerber eine abweisende Beschwerdevorentscheidung zugestellt, der in der Folge - wenn auch unter Zuhilfenahme eines anderen Vertreters - deren Vorlage an das Bundesfinanzgericht beantragt hat.
25 Schließlich ist darauf zu verweisen, dass mit dem angefochtenen Beschluss „in der Beschwerdesache des [Revisionswerbers], vertreten durch [Rechtsanwalt Dr. B]“ entschieden wurde und der Beschluss laut Zustellverfügung an den „[Beschwerdeführer] zu Handen [Rechtsanwalt Dr. B] als Beschwerdeführer“ gerichtet ist. Das Bundesfinanzgericht hat demnach eine Beschwerde des Revisionswerbers zurückgewiesen, was in einem unauflösbaren Widerspruch zur dem angefochtenen Beschluss zugrundeliegenden Auffassung steht, dass die Beschwerde von der A Wirtschaftstreuhand GmbH im eigenen Namen erhoben worden sei.
26 Indem das Bundesfinanzgericht davon ausgegangen ist, die Beschwerde sei zweifelsfrei nicht im Namen des Revisionswerbers erhoben worden, sondern im Namen der A Wirtschaftstreuhand GmbH, und es daher unterlassen hat, die Parteiabsicht zu erforschen, hat es die Rechtslage verkannt.
27 Der angefochtene Beschluss erweist sich daher als mit Rechtswidrigkeit seines Inhaltes belastet, weshalb er gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben war.
28 Von der beantragten mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 4 VwGG abgesehen werden.
29 Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.
Wien, am 10. Februar 2022
Schlagworte
Individuelle Normen und Parteienrechte Auslegung von Bescheiden und von Parteierklärungen VwRallg9/1European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2022:RA2021150104.L00Im RIS seit
14.03.2022Zuletzt aktualisiert am
25.03.2022