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10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)Norm
AVG §45 Abs2Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Dr. Köller sowie die Hofrätinnen Mag. Dr. Maurer-Kober und Mag. Schindler als Richter und Richterinnen, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Schörner, über die Revision der R in T, vertreten durch Dr. Manfred Sommerbauer und DDr. Michael Hermann Dohr, Rechtsanwälte in 2700 Wiener Neustadt, Babenbergerring 5a/3. OG, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Niederösterreich vom 22. Jänner 2020, LVwG-S-236/001-2019, betreffend Übertretungen der StVO und des FSG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bezirkshauptmannschaft Neunkirchen), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Neunkirchen vom 19. Dezember 2018 wurde die Revisionswerberin schuldig erkannt, sich am 23. Juli 2018 gegen 18:40 Uhr an einem näher bestimmten Ort nach Aufforderung durch ein besonders geschultes Organ der Bundespolizei geweigert zu haben, ihre Atemluft auf Alkoholgehalt untersuchen zu lassen, wobei vermutet werden habe können, dass sie zum angeführten Zeitpunkt das angeführte Fahrzeug in einem vermutlich durch Alkohol beeinträchtigten Zustand gelenkt habe (Spruchpunkt 1.), sowie, einen ungültigen Führerschein verwendet zu haben, da sie auf dem Foto nicht mehr erkennbar gewesen sei, es somit unterlassen habe, nach dem Ungültigwerden den Führerschein bei der Behörde abzuliefern und gegebenenfalls die Ausstellung eines neuen Führerscheins zu beantragen (Spruchpunkt 2.). Wegen Verletzung von § 5 Abs. 2 und Abs. 4 StVO wurde über sie gemäß § 99 Abs. 1 lit. b StVO zu Spruchpunkt 1. eine Geldstrafe von € 1.600,-- (Ersatzfreiheitsstrafe 336 Stunden) und wegen Verletzung von § 37 Abs. 1 iVm § 14 Abs. 4 FSG gemäß § 37 Abs. 2a FSG zu Spruchpunkt 2. eine Geldstrafe von € 40,-- (Ersatzfreiheitsstrafe 18 Stunden) verhängt.
2 Die dagegen erhobene Beschwerde wies das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich (Verwaltungsgericht) mit dem angefochtenen Erkenntnis als unbegründet ab. Die Revision wurde für nicht zulässig erklärt.
3 In seiner Begründung führte das Verwaltungsgericht - soweit für das Revisionsverfahren noch relevant - zusammengefasst aus, die Revisionswerberin sei im Zuge eines von ihr verursachten Verkehrsunfalls nach einem positiv verlaufenen Vortest und nach ausführlicher Anleitung und Befragung zu ihrem Gesundheitszustand zu einer Atemluftuntersuchung mittels Alkomat aufgefordert worden. Die Frage, ob sie sich gesund genug fühle, den Alkomattest durchzuführen, habe sie bejaht, von einer Lungenerkrankung habe sie vor und während der Durchführung des Tests durch den auf dieses Gerät eingeschulten Beamten und auch nach dem Test nichts erwähnt. Das (näher beschriebene) Gerät sei (unter Anführung der betreffenden Nachweise) gültig geeicht, überprüft und funktionstüchtig gewesen, der Selbsttest des Gerätes sei störungsfrei verlaufen und es habe keine Hinweise auf eine Funktionsstörung des Gerätes gegeben. Der den Test durchführende Polizeibeamte habe beobachtet, dass die Revisionswerberin durch absichtliches Fehlverhalten, nämlich Absetzen der Atmung, nicht festes Umschließen des Mundstücks und Vorbeiblasen am Mundstück vier Fehlversuche erzielt habe, obwohl ihr nach jedem Fehlversuch die ordnungsgemäße Beatmung des Gerätes erklärt und sie über die Folgen des Nichterzielens eines gültigen Messergebnisses informiert worden sei. Beim fünften Versuch sei der Test abgebrochen und der Messstreifen ausgedruckt worden. Ihr sei dann mitgeteilt worden, dass ihr Verhalten als Verweigerung des Alkomattests gelte, und der Führerschein vorläufig abgenommen worden. Die Revisionswerberin habe dann nachgefragt, warum man sie nicht ins Spital fahre; dafür - für eine Verbringung ins Spital zur Blutabnahme - habe der Meldungsleger aber keine Veranlassung gesehen, nachdem sie vor dem Test die Frage, ob sie verletzt sei, einen Arzt oder die Rettung benötige, verneint gehabt habe. Nach ausführlicher Darstellung der einschlägigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (zu den Voraussetzungen und Folgen des Alkomattests nach § 5 Abs. 2 StVO bzw. der Beurteilung des Verhaltens eines Probanden als Verweigerung) kam das Verwaltungsgericht zum Ergebnis, dass das Verhalten der Revisionswerberin als Verweigerung des Alkomattests zu werten gewesen sei, da diese zwar in Kenntnis ihrer Lungenerkrankung gewesen sei, aber anlässlich der Atemluftuntersuchung nicht darauf hingewiesen habe, dass sie aus medizinischen Gründen nicht in der Lage sei, der Aufforderung der Atemluftprobe nachzukommen und auch nicht behauptet habe, dass dies den einschreitenden Organen erkennbar gewesen sei. Für die Annahme, dass die Revisionswerberin zum Zeitpunkt der Atemluftuntersuchung von der Unmöglichkeit der Ablegung des Tests aus medizinischen Gründen selbst nichts gewusst habe und daher nicht dafür verantwortlich gemacht werden könne, dass sie diese (ihr unbekannten) Gründe nicht geltend gemacht habe, sah das Verwaltungsgericht keinen Anlass.
4 Dagegen richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision.
5 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
6 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.
7 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
8 In der zur Beurteilung der Zulässigkeit allein ausschlaggebenden Zulässigkeitsbegründung (vgl. dazu etwa VwGH 5.9.2017, Ra 2017/02/0153, mwN) der Revision bringt die Revisionswerberin zunächst vor, das Verwaltungsgericht habe es trotz mehrfacher Anträge verabsäumt, das Protokoll der nächsten Überprüfung, nämlich den Prüfbericht vom 18. November 2018 betreffend den verwendeten Alkomaten beizuschaffen und habe sich lediglich auf den Überprüfungsbericht vom 8. Mai 2018 bzw. die Mitteilung vom 26. Oktober 2016 des Bundesamtes für Eich- und Vermessungswesen gestützt. Diese Urkunden seien aber nicht geeignet, die Funktionsfähigkeit des Alkomaten nachzuweisen, weil „die in diesen Urkunden enthaltenen Zeitpunkte“ weit vor dem 23. Juli 2018 (der Tatzeit) gelegen seien. Erst in Zusammenschau mit dem dem Vorfall folgenden Überprüfungsbericht vom 8. November 2018 hätte verlässlich beurteilt werden können, ob der Alkomat funktioniert habe oder nicht, zumal „begründete Zweifel“ an der Funktionsfähigkeit des verwendeten Messgerätes sowie am ordnungsgemäß zustande gekommenen Messergebnis bestanden habe, da trotz ausreichenden Blasvolumens und ausreichender Blaszeit kein gültiges Messergebnis habe erzielt werden können. Es hätte daher auch der Einholung eines messtechnischen Sachverständigengutachtens bedurft.
9 Mit dieser Verfahrensrüge zeigt die Revision keine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung auf: Das Verwaltungsgericht hat sich mit der Frage des ordnungsgemäßen Funktionierens des verwendeten Alkomaten ausreichend auseinandergesetzt und ist ausgehend von der Aussage des auf das Gerät eingeschulten Meldungslegers, wonach das Gerät im Selbsttest einwandfrei funktioniert habe, und von der Tatsache, dass der Alkomat bei Verwendung am 23. Juli 2018 gültig geeicht und überprüft gewesen sei (Ende der Nacheichfrist am 31. Dezember 2018) schlüssig zum Ergebnis gekommen, dass die Messung ordnungsgemäß erfolgt sei. Für eine Funktionsstörung habe es keinen Hinweis gegeben. Als Grund für die Erzielung der vier Fehlversuche erkannte das Verwaltungsgericht gestützt auf die detailliert geschilderten Beobachtungen des die Messung durchführenden Meldungslegers vielmehr das trotz mehrfacher Belehrungen und Erklärungen absichtlich gesetzte, näher beschriebene Fehlverhalten der Revisionswerberin bei der Durchführung des Tests. Dem tritt die Revisionswerberin in der Revision nicht entgegen. Mit dem bloßen Hinweis darauf, dass Blaszeit und Blasvolumen ausreichend für ein gültiges Messergebnis hätten sein müssen, legt die Revision auch sonst nicht konkret dar, inwiefern das verwendete Gerät defekt gewesen sei. Eine aufzugreifende Unvertretbarkeit der im Einzelfall vorgenommenen Beweiswürdigung des Verwaltungsgerichts wird damit nicht aufgezeigt (zu dem im Revisionsverfahren maßgebenden Prüfkalkül vgl. etwa VwGH 13.12.2021, Ra 2021/02/0240, oder VwGH 1.12.2021, Ra 2021/02/0237, jeweils mwN). Für die Einholung des begehrten Sachverständigengutachtens bestand somit für das Verwaltungsgericht keine Veranlassung (vgl. VwGH 5.9.2002, 2002/02/0044).
10 Weiters bringt die Revisionswerberin vor, das Verwaltungsgericht sei von der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs abgewichen, indem es den medizinisch maßgeblichen Sachverhalt nicht geklärt habe, obwohl die Revisionswerberin schon der Verwaltungsbehörde eine ärztliche Bestätigung eines Lungenfacharztes vom 1. August 2018 vorgelegt und die Einholung eines lungenfachärztlichen Gutachtens beantragt habe zum Beweis dafür, dass es ihr aufgrund ihrer eingeschränkten Lungenfunktion nicht möglich gewesen sei, ein verwertbares Ergebnis zu erzielen.
11 Zunächst ist dazu darauf zu verweisen, dass mit der bloßen pauschalen Behauptung, dass von der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes abgewichen worden sei, ohne eine konkrete Entscheidung anzuführen und konkret darzulegen, inwiefern davon abgewichen worden sein soll, die Begründung für die Zulässigkeit nicht gesetzmäßig ausgeführt wird (vgl. etwa VwGH 22.10.2021, Ra 2021/01/0346, mwN).
12 Ungeachtet dessen wird darauf hingewiesen, dass nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes derjenige, der gemäß § 5 Abs. 2 StVO zu einer Untersuchung der Atemluft aufgefordert wird, umgehend (das heißt bei diesem Anlass) auf die Unmöglichkeit der Ablegung einer Atemalkoholuntersuchung mittels Alkomat aus medizinischen Gründen hinzuweisen hat (sofern dies nicht für Dritte sofort klar erkennbar ist), sodass die Organe der Straßenaufsicht in die Lage versetzt werden, das Vorliegen der Voraussetzungen nach § 5 Abs. 5 Z 2 StVO zu prüfen, bejahendenfalls von der Aufforderung zur Untersuchung der Atemluft Abstand zu nehmen und den Aufgeforderten zum Zwecke der Feststellung des Grades der Beeinträchtigung durch Alkohol zu einem in § 5 Abs. 5 StVO genannten Arzt zu bringen. Es ist unerheblich, ob der Revisionswerber tatsächlich aus medizinischen Gründen nicht in der Lage gewesen wäre, der Aufforderung zur Atemluftprobe nachzukommen (vgl. hierzu VwGH 9.5.2018, Ra 2018/02/0064, mwH).
13 Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist eine Verweigerung der Atemluftuntersuchung dann gegeben, wenn mehrere Versuche zu keiner gültigen Messung geführt haben und das Zustandekommen eines entsprechenden Messergebnisses durch das Verhalten des Probanden verhindert wurde (vgl. etwa VwGH 27.4.2012, 2011/02/0311, mwN)
14 Im vorliegenden Fall wurde nach den insoweit unbestrittenen Feststellungen des Verwaltungsgerichts die Revisionswerberin vor der Durchführung des Alkomattests vom Polizeiorgan K gefragt, ob sie sich gesund genug fühle, den Alkomattest durchzuführen, dies wurde bejaht. Im Zuge der Befragung zu vorhandenen Krankheiten erwähnte sie ihre Lungenerkrankung nicht. Somit hat die Revisionswerberin bei der Amtshandlung nicht darauf hingewiesen, dass sie tatsächlich aus medizinischen Gründen nicht in der Lage gewesen wäre, der Aufforderung zur Atemluftprobe nachzukommen, und auch nicht behauptet, dass dies den einschreitenden Organen erkennbar gewesen sei. Daran ändert auch die nachträgliche Vorlage der lungenfachärztlichen„Bestätigung“ vom 1. August 2018 nichts, da aus dieser lediglich hervorgeht, dass die Revisionswerberin über sieben Monate vor der Atemluftkontrolle wegen Pneumonie in stationärer Behandlung gewesen sei, an den stationären Aufenthalt anschließend ihre Lungenfunktion beeinträchtigt gewesen sei und noch in Behandlung stehe. Daraus ergibt sich aber nicht, dass die Revisionswerberin zum fraglichen Zeitpunkt aus medizinischen Gründen nicht in der Lage gewesen sei, die Atemluftuntersuchung durchführen zu können. Es sind auch nachträglich keine Umstände hervorgekommen, dass die Revisionswerberin erst nach der Amtshandlung davon erfahren habe, dass sie aus gesundheitlichen Gründen zur Bedienung des Alkomaten nicht in der Lage gewesen wäre. Das Verwaltungsgericht ist bei seiner Beurteilung des Verhaltens der Revisionswerberin als Verweigerung iSd § 5 Abs. 2 StVO iVm § 99 Abs. 1 lit. b StVO somit entgegen der Ansicht der Revisionswerberin nicht von der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abgewichen.
15 Zu Spruchpunkt 2. lässt die Revision jegliche Ausführungen vermissen, sodass die Revision dazu schon deshalb keine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung aufwirft.
16 In der Revision werden sohin keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.
Wien, am 14. Februar 2022
Schlagworte
Begründungspflicht Manuduktionspflicht MitwirkungspflichtEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2022:RA2020020056.L00Im RIS seit
14.03.2022Zuletzt aktualisiert am
18.03.2022