TE Vfgh Beschluss 1994/9/27 G69/94, G70/94, G71/94, G73/94, V47/94, V48/94, V49/94, V51/94

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Veröffentlicht am 27.09.1994
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Index

L8 Boden- und Verkehrsrecht
L8241 Standortabgabe

Norm

B-VG Art139 Abs1 / Individualantrag
B-VG Art140 Abs1 / Individualantrag
Nö StandortabgabeG 1992
StandortabgabeVen der Gemeinden Fischamend. Schwadorf und Hollabrunn
Nö AbgabenO 1977 §186

Leitsatz

Zurückweisung der Individualanträge auf Aufhebung von Bestimmungen des Nö StandortabgabeG 1992 betreffend die von den Gemeinden zu schaffenden Standortabgaben für die Verwendung von Gemeindegrund zum Betrieb einer Deponie mangels unmittelbaren Eingriffs in die Rechtssphäre der antragstellenden Deponiebetreiber; Zurückweisung der Individualanträge auf Aufhebung von StandortabgabeVen infolge Zumutbarkeit der Beschreitung des Verwaltungsrechtsweges

Spruch

Die Anträge werden zurückgewiesen.

Begründung

Begründung:

I. 1. Mit ihren auf Art139 und 140 B-VG gestützten Anträgen begehren die antragstellenden Parteien, das Niederösterreichische Standortabgabegesetz 1992, LGBl. 8241-0, zur Gänze, in eventu einige Bestimmungen dieses Gesetzes, sowie die Verordnung der Stadtgemeinde Fischamend vom 28. September 1992 über die Ausschreibung einer Standortabgabe (V47/94, V48/94), die Verordnung der Marktgemeinde Schwadorf vom 1. März 1993 über die Ausschreibung einer Standortabgabe (V49/94) bzw. die Verordnung der Stadtgemeinde Hollabrunn vom 9. Dezember 1992 über die Ausschreibung einer Standortabgabe (V51/94) als verfassungs- bzw. gesetzwidrig aufzuheben.

Ihre Anfechtungslegitimation begründen die antragstellenden Parteien damit, daß sie behördlich genehmigte Deponien in den Gemeindegebieten der verordnungserlassenden Behörden betreiben und auf Grund der angefochtenen Gesetzesstellen im Zusammenhang mit den angefochtenen Verordnungen verpflichtet seien, von allen deponierten Abfällen die Standortabgabe zu entrichten und monatliche Vorauszahlungen auf die voraussichtliche Jahresabgabenschuld zu entrichten.

Obwohl gegen sämtliche antragstellenden Parteien (mit Ausnahme des Antragstellers zu G73/94, V51/94) bereits Abgabenbescheide erlassen wurden, mit denen die Standortabgabe nach dem NÖ Standortabgabegesetz iVm den bezughabenden Verordnungen vorgeschrieben wurde, seien die vorliegenden Individualanträge zulässig, da durch Berufungen im Abgabenverfahren "die Einhebung und zwangsweise Einbringung der Abgabe nicht aufgehalten werden". Die Berufungsmöglichkeit sei daher "keine effiziente Rechtschutzeinrichtung im Sinne der Rechtsprechung des VfGH".

Auch die in den §§6 Abs2 und 3 iVm. 6 Abs1 und 2 Abs1 NÖ Standortabgabegesetz festgelegten Verpflichtungen, monatliche Vorauszahlungen zu leisten, eine jährliche Abgabenerklärung abzugeben und einen allfälligen Abgabenrest bis 31. März des Folgejahres zu bezahlen, greifen nach Ansicht der antragstellenden Parteien in unzumutbarer Weise in ihre Rechte ein, da gemäß §165 Abs1 NÖ Abgabenordnung im Fall der Nichtzahlung einer fälligen Abgabe die Verpflichtung zur Entrichtung eines Säumniszuschlages eintrete. "Diese drohende Folge wirkt zumindest so schwer wie eine mögliche Verwaltungsstrafe, die uns jedenfalls zu einer Individualanfechtung legitimieren würde."

II. Die Anträge sind unzulässig.

1. §2 NÖ Standortabgabegesetz ermächtigt gemäß §8 Abs5 F-VG die Gemeinden, Standortabgaben für das Verwenden von Grund in der Gemeinde für das Betreiben einer Deponie zu erheben. Die angefochtenen Gesetzesstellen regeln lediglich die wesentlichen Merkmale, die eine von der Gemeinde geschaffene Standortabgabe aufweisen muß. Dies verdeutlicht auch §3 Abs1 NÖ Standortabgabegesetz, der lediglich eine Höchstgrenze der Abgabe vorsieht. Der behauptete Eingriff in die Rechtssphäre der antragstellenden Parteien tritt somit nicht unmittelbar durch die angefochtenen Gesetzesstellen ein, sondern kann erst durch eine auf Grund dieser Bestimmungen erlassene Verordnung des Gemeinderates bewirkt werden (vgl. VfSlg. 8829/1980, 8978/1980; VfGH 27.9.1988, G105,106/88; 29.11.1993, G228/93). Die Anträge auf Aufhebung des NÖ Standortabgabegesetzes, in eventu einiger Bestimmungen dieses Gesetzes, waren sohin wegen fehlender Legitimation der antragstellenden Parteien zurückzuweisen.

2. Hinsichtlich eines Individualantrages nach Art139 B-VG ist Voraussetzung der Antragslegitimation einerseits, daß der Antragsteller behauptet, unmittelbar durch die angefochtene Verordnung - im Hinblick auf deren Gesetzwidrigkeit - in seinen Rechten verletzt worden zu sein, dann aber auch, daß die Verordnung für den Antragsteller tatsächlich, und zwar ohne Fällung einer gerichtlichen Entscheidung oder ohne Erlassung eines Bescheides wirksam geworden ist. Grundlegende Voraussetzung der Antragslegitimation ist, daß die Verordnung in die Rechtssphäre des Antragstellers nachteilig eingreift und diese - im Falle ihrer Gesetzwidrigkeit - verletzt.

Nicht jedem Normadressaten aber kommt die Anfechtungsbefugnis zu. Es ist darüber hinaus erforderlich, daß die Verordnung selbst tatsächlich in die Rechtssphäre des Antragstellers unmittelbar eingreift. Ein derartiger Eingriff ist jedenfalls nur dann anzunehmen, wenn dieser nach Art und Ausmaß durch die Verordnung selbst eindeutig bestimmt ist, wenn er die (rechtlich geschützten) Interessen des Antragstellers nicht bloß potentiell, sondern aktuell beeinträchtigt und wenn dem Antragsteller kein anderer zumutbarer Weg zur Abwehr des - behaupteter Weise - rechtswidrigen Eingriffes zur Verfügung steht (VfSlg. 10511/1985, 11726/1988).

Gemäß §6 NÖ Standortabgabegesetz hat der Abgabenschuldner der Standortabgabe Vorauszahlungen auf die voraussichtliche Jahresabgabenschuld zu entrichten, wobei die Standortabgabe gemäß §6 Abs3 leg.cit. mit Bescheid festgesetzt werden kann. Gemäß §6 Abs4 leg.cit. ist bis spätestens 31. März jedes Jahres die Abgabenerklärung für das vorangehende Kalenderjahr einzureichen und gleichzeitig ein allfälliger Abgabenrestbetrag zu entrichten.

Den antragstellenden Parteien steht es sohin frei, in den Abgabenverfahren, in denen bereits Bescheide ergingen, nach Erschöpfung des Instanzenzuges die Rechtswidrigkeit der angefochtenen Verordnungen in den gegen die Abgabenbescheide gerichteten Beschwerden an den Verfassungsgerichtshof gemäß Art144 B-VG vor dem Verfassungsgerichtshof geltend zu machen; diese Möglichkeit besteht in gleicher Weise für jenen Antragsteller, gegenüber dem noch kein Abgabenbescheid erlassen wurde. Da dieser Weg den antragstellenden Parteien durchaus zumutbar ist, mangelt es den antragstellenden Parteien an der Legitimation zur Anfechtung der eingangs angeführten Verordnungen über die Ausschreibung von Standortabgaben. Daran kann die fehlende aufschiebende Wirkung der Rechtsmittel im abgabenrechtlichen Administrativverfahren ebensowenig ändern wie die Verpflichtung zur Zahlung eines Säumniszuschlags, weil die Möglichkeit besteht, diese Rechtswirkungen unter den gesetzlichen Voraussetzungen durch Erwirkung der aufschiebenden Wirkung im Vorstellungsverfahren, einer Stundung oder sonstiger Zahlungserleichterungen hinauszuschieben bzw. zu vermeiden. Darüber hinaus kommt eine unmittelbare Anfechtbarkeit genereller Normen durch Einzelpersonen gemäß den Art139 und 140 B-VG kraft dem diese Rechtsbehelfe beherrschenden Grundsatz ihrer nur subsidiären Inanspruchnahme jedenfalls nicht in Betracht, wenn die Frage der Rechtmäßigkeit jener genereller Normen nach Erschöpfung des Instanzenzuges in einer Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof gemäß Art144 B-VG releviert werden kann, unabhängig davon, ob mit der Beschreitung dieses Weges für die Normbetroffenen ein vorläufiger Rechtsschutz verbunden ist.

Unabhängig von dem in §6 Abs3 NÖ Standortabgabegesetz vorgesehenen Bescheid besteht ferner die nach der ständigen Judikatur (VfSlg. 9571/1982, 9867/1983, 9900/1983; VfGH 17.6.1992, G35/92; 17.6.1992, G99/92; 29.9.1992, G166/92; 22.3.1993, G135/92; 23.6.1993, V19/93) zumutbare Möglichkeit, einen Antrag auf Rückzahlung der bereits bezahlten Standortabgabe - einer Selbstbemessungsabgabe - gemäß §186 der NÖ Abgabenordnung zu stellen und den darüber ergehenden Bescheid nach Erschöpfung des Instanzenzuges zum Gegenstand einer Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof gemäß Art144 B-VG zu machen, in dem mit der Behauptung der Rechtswidrigkeit der angewendeten generellen Normen über die Standortabgabe an den Verfassungsgerichtshof herangetreten werden kann.

III. Dies konnte gemäß §19 Abs3 Z2 lite VerfGG in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen werden.

Schlagworte

VfGH / Individualantrag, Finanzverfahren, Selbstbemessung (Finanzverfahren), Mülldeponie, Abgaben Mülldeponie, Standortabgabe

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1994:G69.1994

Dokumentnummer

JFT_10059073_94G00069_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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