TE Vwgh Beschluss 2022/2/16 Ra 2020/08/0125

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 16.02.2022
beobachten
merken

Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)
10/07 Verwaltungsgerichtshof
62 Arbeitsmarktverwaltung
66/02 Andere Sozialversicherungsgesetze

Norm

AlVG 1977 §25 Abs1
AlVG 1977 §50
B-VG Art133 Abs4
VwGG §28 Abs3
VwGG §34 Abs1

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Vizepräsidentin Dr.in Sporrer und die Hofrätin Dr. Julcher als Richterinnen sowie den Hofrat Dr. Bodis als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Sasshofer, über die Revision des Arbeitsmarktservice Wien Redergasse gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 23. Juni 2020, W228 2212807-1/11E, betreffend Rückforderung von Notstandshilfe (mitbeteiligte Partei: J L in W, vertreten durch Dr. Thomas Majoros, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Walfischgasse 12/3), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1        Das revisionswerbende Arbeitsmarktservice (AMS) sprach mit Bescheid vom 12. September 2018 aus, dass der Bezug der Notstandshilfe der Mitbeteiligten für bestimmte Zeiträume in den Jahren 2016 und 2017 gemäß § 24 Abs. 2 AlVG „widerrufen bzw. rückwirkend berichtigt“ und sie gemäß § 25 Abs. 1 iVm. § 38 AlVG zum Ersatz der unberechtigt empfangenen Notstandshilfe in Höhe von € 4.426,22 verpflichtet werde. Begründend wurde ausgeführt, die Mitbeteiligte habe die Leistung in den betreffenden Zeiträumen zu Unrecht bezogen, weil sie die Dienstverhältnisse ihres Gatten nicht gemeldet habe.

2        Gegen diesen Bescheid erhob die Mitbeteiligte Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht. Mit Beschwerdevorentscheidung vom 28. November 2018 änderte das AMS den Bescheid vom 12. September 2018 dahingehend ab, dass gegenüber der Mitbeteiligten für den Zeitraum 1. Dezember 2016 bis 31. Dezember 2016 der Bezug der Notstandshilfe berichtigt und der Widerruf und die Rückforderung der bezogenen Notstandshilfe für bestimmte Zeiträume im Jahr 2017 in Höhe von € 3.614,44 ausgesprochen wurde.

3        Die Mitbeteiligte stellte am 16. Dezember 2018 einen Vorlageantrag und führte in einem ergänzenden Schriftsatz vom 19. Dezember 2018 u.a. aus, sie habe das AMS bereits im Jahr 2016 über die Arbeitsaufnahme ihres Gatten informiert. Sie habe auch versucht, in der „Infozone“ des AMS die Lohnabrechnungen ihres Gatten vorzulegen, wobei ihr mitgeteilt worden sei, dass diese nicht reichen würden, sondern die Vorlage einer vom Arbeitgeber unterzeichneten Lohnbescheinigung notwendig sei.

4        Mit dem angefochtenen Erkenntnis gab das Bundesverwaltungsgericht - nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung - der Beschwerde der Mitbeteiligten teilweise statt und hob die Beschwerdevorentscheidung des AMS betreffend den Spruchteil der Rückforderung auf. Die Revision erklärte das Bundesverwaltungsgericht gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG für nicht zulässig.

5        Das Bundesverwaltungsgericht stellte u.a. fest, die Mitbeteiligte habe gemeinsam mit ihrer Tochter am 8. November 2016 beim AMS das Dienstverhältnis ihres Gatten gemeldet. Sie habe am 24. Jänner 2017 die Arbeitsbestätigung (Arbeitsvertrag) und am 7. März 2017 die Lohnzettel ihres Gatten der Mitarbeiterin des AMS auf den Tisch gelegt, womit diese Unterlagen in die Sphäre des AMS gelangt seien. Diese Unterlagen - Arbeitsvertrag und Lohnzettel - seien dem Schwiegersohn der Mitbeteiligten nach mehrmaligem Ersuchen vom Dienstgeber des Gatten der Mitbeteiligten per E-Mail übermittelt worden.

6        Beweiswürdigend führte das Bundesverwaltungsgericht zusammengefasst aus, aufgrund der vorgelegten Unterlagen über die E-Mail-Korrespondenz zwischen dem Schwiegersohn und dem Dienstgeber des Gatten der Mitbeteiligten ergebe sich die dahinterstehende Motivation der Mitbeteiligten, die Lohnzettel dem AMS vorzulegen. Den Aussagen der Tochter der Mitbeteiligten, wonach sie ihre Mutter am 8. November 2016 zum AMS begleitet habe, werde Glauben geschenkt. In der Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht habe sich die augenscheinliche Gewissenhaftigkeit der Mitbeteiligten gezeigt. Sie habe glaubhaft gemacht, alle nötigen Anstrengungen unternommen zu haben, um die Lohnzettel ihres Gatten beizuschaffen, um sie dem AMS vorzulegen.

7        In rechtlicher Hinsicht folgerte das Bundesverwaltungsgericht, die Revisionswerberin habe den getroffenen Feststellungen zufolge ihre Meldepflicht erfüllt. Angesichts ihres Verhaltens, aus welchem ihre Bemühungen, die Meldeflicht zu erfüllen, abzulesen seien, sei auch vom Vorliegen eines (bedingten) Vorsatzes - als weitere Voraussetzung für die Annahme eines Verschweigens maßgebender Tatsachen im Sinn des § 25 Abs. 1 AlVG - nicht auszugehen. Der Rückforderungstatbestand nach § 25 Abs. 1 AlVG sei sohin mangels Meldeverstoßes und mangels Vorsatzes nicht erfüllt.

8        Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die (außerordentliche) Revision des AMS.

9        Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

10       Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.

11       Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

12       Zur Zulässigkeit der Revision wird zunächst vorgebracht, die Beweiswürdigung des Bundesverwaltungsgerichtes sei unschlüssig. Die Glaubwürdigkeit der Mitbeteiligten und ihrer Tochter sei - entgegen der Ansicht des Bundesverwaltungsgerichtes - anzuzweifeln, weil die (geringfügige) Beschäftigung des Gatten bei der Beantragung der Notstandshilfe im Juli 2016 - und damit vor dem Streitzeitraum - nicht angegeben worden sei und nach den elektronischen Aufzeichnungen des AMS die behauptete Vorsprache der Mitbeteiligten am 8. November 2016 nicht aufscheine.

13       Die Beweiswürdigung ist einer Überprüfung durch den Verwaltungsgerichtshof als Rechtsinstanz nur insofern zugänglich, als es um die ordnungsgemäße Ermittlung der Beweisergebnisse und die Kontrolle der Schlüssigkeit der angestellten Erwägungen geht. Eine im Einzelfall vorgenommene, nicht als grob fehlerhaft - so etwa, wenn die Beurteilung des Verwaltungsgerichtes in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden unvertretbaren Weise vorgenommen worden wäre - erkennbare Beweiswürdigung wirft im Allgemeinen keine über den Einzelfall hinausgehende Rechtsfrage im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG auf (vgl. etwa VwGH 14.12.2020, Ra 2020/08/0113, mwN). Der - an sich nur zur Rechtskontrolle berufene - Verwaltungsgerichtshof ist im Übrigen auch nicht berechtigt, eine Beweiswürdigung des Verwaltungsgerichtes auf ihre Richtigkeit hin zu beurteilen, das heißt, sie mit der Begründung zu verwerfen, dass auch ein anderer Ablauf der Ereignisse bzw. ein anderer Sachverhalt schlüssig begründbar wäre (vgl. VwGH 24.7.2018, Ra 2017/08/0045, mwN).

14       Eine derart grob fehlerhafte Beweiswürdigung durch das Bundesverwaltungsgericht, das die in der Revision bekämpften Feststellungen auf vorgelegte Unterlagen und auf die Aussagen der in der Verhandlung einvernommenen Mitbeteiligten und ihrer Tochter gestützt hat, ist allerdings im Revisionsfall nicht ersichtlich. Die bekämpften Annahmen des Bundesverwaltungsgerichts sind nach den Ergebnissen des Beweisverfahrens vertretbar.

15       Die Revision bringt zur Begründung ihrer Zulässigkeit weiters vor, das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes weiche vom Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 30. Jänner 2018, Ra 2017/08/0125, ab. Darin habe der Verwaltungsgerichtshof ausgesprochen, eine Meldung entspreche nur dann § 50 AlVG, wenn sie vom Meldepflichtigen selbst stammt bzw. dies aus der Meldung ersichtlich ist. Eine Meldung der Ehegattin eines Meldepflichtigen zu deren Versicherungsnummer sei dafür jedenfalls nicht ausreichend, weil dieser Meldung nicht eindeutig entnommen werden könne, dass sie (auch) in Bezug auf den Leistungsanspruch des Meldepflichtigen selbst erfolgt.

16       Mit diesem Vorbringen entfernt sich die Revision allerdings vom festgestellten Sachverhalt, wonach die Meldung des Dienstverhältnisses des Gatten (sowie die Vorlage von Lohnzettel) durch die Mitbeteiligte selbst - als Meldepflichtige - erstattet wurde.

17       In der Revision werden keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.

Wien, am 16. Februar 2022

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2022:RA2020080125.L00

Im RIS seit

14.03.2022

Zuletzt aktualisiert am

18.03.2022
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten