TE Vwgh Beschluss 2022/2/17 Ra 2022/08/0002

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Veröffentlicht am 17.02.2022
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof
20/01 Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch (ABGB)

Norm

ABGB §1332
VwGG §46 Abs1

Beachte


Serie (erledigt im gleichen Sinn):
Ra 2022/08/0003 B 10.01.2022
Ra 2022/08/0004 B 17.02.2022

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Vizepräsidentin Dr.in Sporrer und die Hofrätin Dr. Julcher als Richterinnen sowie den Hofrat Mag. Stickler als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Sasshofer, über 1. den Antrag des K R in T, vertreten durch Dr. Nikolaus Schirnhofer, Rechtsanwalt in 1020 Wien, Aspernbrückengasse 4/8A, auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Erhebung der Revision gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 18. November 2021, W198 2244692-1/5E und W198 2244696-1/5E, betreffend Pflichtversicherung nach dem ASVG, sowie 2. die Revision gegen das genannte Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 18. November 2021 (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Österreichische Gesundheitskasse), den Beschluss gefasst:

Spruch

Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wird abgewiesen.

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1        Mit dem in Revision gezogenen Erkenntnis wies das Bundesverwaltungsgericht Beschwerden des Revisionswerbers gegen zwei Bescheide der Österreichischen Gesundheitskasse als unbegründet ab und sprach aus, dass die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei. Das Erkenntnis wurde dem Revisionswerber am 24. November 2021 zugestellt.

2        Am 5. Jänner 2022 brachte der Revisionswerber im Weg des elektronischen Rechtsverkehrs die nunmehr gegenständliche außerordentliche Revision unmittelbar beim Verwaltungsgerichtshof ein.

3        Der Verwaltungsgerichtshof veranlasste mit verfahrensleitender Anordnung vom 10. Jänner 2022, abgefertigt am 11. Jänner 2022, im Sinn von § 25a Abs. 5 VwGG die Übermittlung der Revision an das zuständige Bundesverwaltungsgericht, wo die Sendung am selben Tag einlangte. Das Bundesverwaltungsgericht legte die Revision unter Anschluss der Akten dem Verwaltungsgerichtshof erneut vor.

4        Auf Vorhalt durch den Verwaltungsgerichtshof, dass die Revision ausgehend von diesem Sachverhalt nach der Aktenlage verspätet erscheine, brachte der Revisionswerber mit Schriftsatz vom 21. Jänner 2022 eine Stellungnahme ein und beantragte die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Erhebung der (außerordentlichen) Revision.

5        Der Revisionswerber brachte vor, sein Rechtsvertreter habe die Eingabemaske für die Einbringung der Revision im elektronischen Rechtsverkehr versehentlich so ausgefüllt, dass die Übermittlung nicht an das Bundesverwaltungsgericht, sondern an den Verwaltungsgerichtshof erfolgt sei. Der Rechtsvertreter des Revisionswerbers überprüfe eine Eingabe vor der Übermittlung im elektronischen Rechtsverkehr, indem er einen „Probeausdruck“ herstelle. Dadurch könne eine Überprüfung „besser erfolgen“ als anhand der Eingabe „im PDF-Format am Bildschirm“, die aufgrund der „minimal dargestellten Buchstaben schlecht ersichtlich“ sei. Im Zuge der Einbringung der Revision am 5. Jänner 2022, dem letzten Tag der Revisionsfrist, sei es jedoch zu - in der Kürze der verfügbaren Zeit nicht behebbaren - EDV-Problemen in der Kanzlei des Rechtsvertreters gekommen, durch die der Drucker ausgefallen und die Herstellung eines Ausdruckes nicht möglich gewesen sei. Aufgrund der „subjektiven Meinung, die Eingabe richtig angelegt zu haben“, habe der Rechtsvertreter diese dennoch übermittelt. Wäre ein Probeausdruck möglich gewesen, wäre aufgefallen, dass eine Übersendung nicht an das Bundesverwaltungsgericht, sondern an den Verwaltungsgerichtshof erfolgt sei. So aber sei dem Rechtsvertreter dieser Fehler erst aufgrund einer Information des Verwaltungsgerichtshofs am 7. Jänner 2022 bekannt geworden.

6        Gemäß § 26 Abs. 1 VwGG beträgt die Frist zur Erhebung einer Revision gegen ein Erkenntnis eines Verwaltungsgerichts sechs Wochen. Nach Z 1 leg. cit. beginnt die Frist in einem Fall des Art. 133 Abs. 6 Z 1 B-VG mit der Zustellung an den Revisionswerber zu laufen. Gemäß § 25a Abs. 5 VwGG ist die Revision beim Verwaltungsgericht einzubringen.

7        Wird ein fristgebundenes Anbringen bei einer unzuständigen Stelle eingereicht, so erfolgt die Weiterleitung auf Gefahr des Einschreiters. Die Frist ist nur dann gewahrt, wenn die unzuständige Stelle das Anbringen zur Weiterleitung an die zuständige Stelle spätestens am letzten Tag der Frist zur Post gibt oder das Anbringen bis zu diesem Zeitpunkt bei der zuständigen Stelle einlangt (vgl. aus der ständigen Rechtsprechung etwa VwGH 30.12.2020, Ra 2020/22/0189, mwN).

8        Ausgehend von der Zustellung der Revision an den Revisionswerber am 24. November 2021 endete die sechswöchige Revisionsfrist am 5. Jänner 2022. Die Revision langte an diesem Tag beim Verwaltungsgerichtshof ein, von dem das Rechtsmittel an das zuständige Bundesverwaltungsgericht weitergeleitet wurde. Die Abfertigung beim Verwaltungsgerichtshof erfolgte bereits nach Ablauf der Revisionsfrist. Die Revision war daher verspätet.

9        Gemäß § 46 Abs. 1 VwGG ist einer Partei auf Antrag die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis eine Frist versäumt und dadurch einen Rechtsnachteil erleidet. Ein minderer Grad des Versehens hindert die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht.

10       Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes trifft das Verschulden des Parteienvertreters die von diesem vertretene Partei, wobei an berufliche und rechtskundige Parteienvertreter ein strengerer Maßstab anzulegen ist als an rechtsunkundige und bisher noch nie an gerichtlichen Verfahren beteiligte Personen (vgl. etwa VwGH 9.6.2021, Ra 2020/11/0098, mwN). Ein beruflicher rechtskundiger Parteienvertreter hat seine Kanzlei so zu organisieren, dass nach menschlichem Ermessen die Versäumung von Fristen ausgeschlossen ist. Dazu gehört auch, dass sich der Parteienvertreter bei der Übermittlung von Eingaben im elektronischen Weg vergewissert, ob die Übertragung erfolgreich durchgeführt wurde. Unterbleibt diese Kontrolle aus welchen Gründen auch immer, stellt dies ein über den minderen Grad des Versehens hinausgehendes Verschulden dar (vgl. 17.12.2020, Ra 2020/18/0287, mwN). Die Einhaltung der den anwaltlichen Vertreter treffenden Sorgfaltspflicht erfordert es auch, die ordnungsgemäße Einbringung des Schriftsatzes bei der zuständigen Stelle etwa dadurch zu kontrollieren, dass die Sendebestätigung über die Einbringung im elektronischen Rechtsverkehr geprüft wird. Das Fehlen bzw. die Unzulänglichkeit eines entsprechenden Kontrollsystems ist nicht mehr als minderer Grad des Versehens zu werten (vgl. VwGH 26.3.2021, Ro 2019/03/0026; 29.5.2015, Ra 2015/08/0013, mwN).

11       Im vorliegenden Fall stellt der Revisionswerber nicht in Abrede, dass seinem Rechtsvertreter - trotz Ausfalls seines Druckers - eine Kontrolle der Übermittlung der Revision an das Bundesverwaltungsgericht als zuständige Stelle „am Bildschirm“ möglich gewesen wäre, mag die Kontrolle allenfalls auch beschwerlicher gewesen sein, als dies anhand eines Ausdrucks der Sendebestätigung der Fall gewesen wäre. Der Rechtsvertreter des Revisionswerbers wäre zu einer solchen entsprechend sorgfältigen Kontrolle vor dem Hintergrund der von ihm geschilderten in seiner Kanzlei bestehenden EDV-Probleme verhalten gewesen. Die Unterlassung dieser Kontrolle stellt sich im Sinn der dargestellten Rechtsprechung nicht als minderer Grad des Versehens dar.

12       Dass dem Revisionswerber an der Versäumung der Revisionsfrist kein ihm zurechenbares Verschulden oder ein lediglich minderer Grad des Versehens anzulasten ist, wurde mit dem Wiedereinsetzungsantrag somit nicht dargetan. Der Wiedereinsetzungsantrag war daher abzuweisen.

13       Die außerordentliche Revision erweist sich aus den dargestellten Gründen als verspätet und war somit gemäß § 34 Abs. 1 VwGG wegen Versäumung der Einbringungsfrist ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.

Wien, am 17. Februar 2022

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2022:RA2022080002.L00

Im RIS seit

14.03.2022

Zuletzt aktualisiert am

18.03.2022
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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