TE Vwgh Erkenntnis 1996/8/20 95/16/0332

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Veröffentlicht am 20.08.1996
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Index

32/07 Stempelgebühren Rechtsgebühren Stempelmarken;

Norm

GebG 1957 §33 TP5 Abs3;

Beachte

Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden): 95/16/0333

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Meinl und die Hofräte Dr. Steiner und Dr. Fellner als Richter, im Beisein des Schriftführers DDDr. Jahn, über die Beschwerde der O Ges.m.b.H. in W, vertreten durch Dr. M, Rechtsanwalt in L, gegen die Bescheide (Berufungsentscheidungen) der Finanzlandesdirektion für Oberösterreich je vom 20. Oktober 1995, 1. zu

Zl. 68/3-9/Mü-1995, und 2. zu Zl. 69/1-9/Mü-1995, jeweils betreffend Rechtsgebühren, zu Recht erkannt:

Spruch

1. Der Bescheid der belangten Behörde Zl. 68/3-9/mü-1995 (hg. Zl. 95/16/0332) wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 12.920,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

2. Die zu hg. Zl. 95/16/0333 protokollierte Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Am 30. August 1994 wurden gleichzeitig zwei verschiedene Urkunden beim Finanzamt für Gebühren und Verkehrsteuern in Linz angezeigt, bei denen als Vertragspartner jeweils die Beschwerdeführerin (als "Mieter") und die P. KG (als "Vermieter") aufschienen.

Die eine der beiden Vereinbarungen war als "Mietvertrag" bezeichnet und wies auf der ersten Seite der Urkunde das Datum "6. Dezember 1993" auf. Die neben einer Präambel in neun Abschnitte und 34 Paragraphen gegliederte Vereinbarung hatte die "Vermietung" von Flächen eines Einkaufszentrums zum Gegenstand. Nach § 1 dieser Vertragsurkunde war Mietgegenstand ein Geschäftslokal in der oberen Verkaufsebene (dieses Einkaufszentrums) im Ausmaß von rund 178 m2, sobei auf eine genauere Bezeichnung in einem (nicht bei den Verwaltungsakten befindlichen) Plan verwiesen wurde.

Die §§ 10, 11 und 34 dieser Vertragsurkunde lauten:

"§ 10

Investitionsablöse

(1) Der Mieter verpflichtet sich bis spätestens bei der Übergabe des Geschäftslokales eine einmalige, nicht rückzahlbare, zusätzlich zum Mietzins zu entrichtende Investitionsablöse in Höhe von S 623.000,-- (Schilling sechshundertdreiundzwanzigtausend) zuzüglich Umsatzsteuer zu bezahlen.

(2) Die Investitionsablöse ist nicht rückzahlbar; auch wenn das Mietverhältnis vor Ablauf der vereinbarten Dauer aus wichtigem Grund beendet wird, verzichtet der Mieter auf eine Rückzahlung der Investitionsablöse.

§ 11

Hauptmietzins

(1) Der Hauptmietzins für das Mietobjekt ist vorrangig umsatzorientiert.

Dieser umsatzorientierte Hauptmietzins ist zu bezahlen, wenn er höher ist als der im Absatz (4) vereinbarte Mindesthauptmietzins.

(2) Als Bemessungsgrundlage dient die Summe jener Umsätze, die der Mieter mit seinen Kunden - dem Mietlokal zurechenbar - getätigt hat (das ist das vereinbarte Entgelt im Sinne des Umsatzsteuergesetzes zuzüglich Umsatzsteuer; einzurechnen sind neben den Kassabruttoeinnahmen auch Kredit- und Ratengeschäfte, einschließlich Verzinsung, der Eigenverbrauch und die Geschäftsfälle, die im Mietobjekt angebahnt oder abgewickelt werden, aber außerhalb zustande kommen).

(3) Ausgehend von dieser Bemessungsgrundlage (Bruttoumsatz) werden 4,5 % als Umsatz-Hauptmietzins vereinbart.

(4) Der Mindesthauptmietzins für den in § 1 Absatz (1) angeführten Bestandsgegenstand beträgt monatlich S 390,--/m2 zuzüglich Umsatzsteuer.

§ 34

Aufschiebende Bedingung

Dieser Mietvertrag erfolgt unter der aufschiebenden Bedingung, daß der Mietvertrag zwischen dem derzeitigen Mieter, der Firma S. einerseits und der P. andererseits aufgelöst werden kann und dieses Geschäftslokal in der oberen Verkaufsebene bis spätestens 30.06.1994 der P. zurückgestellt wird.

Der Vermieter wird den Mieter vom Wegfall der aufschiebenden Bedingung unverzüglich, spätestens jedoch 1 Monat vor dem Übergabetermin schriftlich informieren."

Im § 13 der Vertragsurkunde waren Bestimmungen über verschiedene Nebenkosten enthalten. Im § 17 wurde ein Werbekostenbeitrag im Ausmaß von 1 % des Jahresumsatzes vereinbart.

Die Vertragsurkunde war auf ihrer letzten Seite (das ist die Seite 29) von den Vertretern der Vertragsparteien firmenmäßig unterfertigt, wobei unmittelbar oberhalb der Unterschriften und Firmenstampiglien handschriftlich das Datum "24.08.94" angegeben war.

In der zweiten der beiden Vertragsurkunden, die mit "Vereinbarung" überschrieben war und als Betreff "Mietvertrag vom 6. Dezember 1993" anführte, wurde einleitend ausgeführt, der Mietvertrag werde in den nachfolgend angeführten Punkten geändert. Nach § 1 war als Mietgegenstand ein Geschäftslokal in der unteren Verkaufsebene im Ausmaß von rund 113 m2 sowie eine Lagerfläche im Ausmaß von rund 86 m2 angeführt.

§ 11 und § 34 der zweiten Vertragsurkunde lauteten:

"§ 11

Hauptmietzins

(1) bis (3) unverändert

(4) Der Mindesthauptmietzins für den in § 1 Absatz (1) angeführten Bestandsgegenstand beträgt monatlich S 390,--/m2 für die untere Verkaufsebene sowie S 85,--/m2 für das Untergeschoß jeweils zuzüglich Umsatzsteuer.

Der Beginn der Mietzahlung wird mit 1. September 1994 festgelegt.

§ 34

Aufschiebende Bedingung:

entfällt

Für den Fall, daß die Firma O. in ein anderes Geschäftslokal übersiedelt, so werden von der P. S 500.000,-- Pauschalabgeltung geleistet, wobei diese Pauschalabgeltung mit jährlich 10 % (10jähriges Afa) abgewertet wird (d.h. pro begonnenem Geschäftsjahr verringert sich die Summe um S 50.000,--).

Im übrigen bleiben sämtliche Rechte und Pflichten aus dem Mietvertrag vom 6. Dezember 1993 unverändert bestehen."

Die (zweite) Vertragsurkunde war auf ihrer letzten Seite (der Seite 3) unterfertigt, wobei unmittelbar oberhalb der Unterschriften und Firmenstampiglien handschriftlich das Datum "24.08.94" angegeben war.

Das Finanzamt erließ zunächst am 30. September 1994 einen vorläufigen Bescheid über Rechtsgebühren nach § 33 TP 5 GebG. Im Sinne des § 11 Abs. 4 der erstangeführten Vertragsurkunde wurde die Bemessungsgrundlage nach einem Bestandzins von S 390,-- zuzüglich Verwaltungskosten von S 2,57 bei einer Fläche von 178 m2 ermittelt. Dieser Bescheid wurde mit Bescheid vom 19. Oktober 1994 für endgültig erklärt.

Mit einem vorläufigen Bescheid vom 24. Oktober 1994 wurden weiters Bestandvertragsgebühren auf der Grundlage der zweiten Vertragsurkunde festgesetzt. Die Bemessungsgrundlage wurde nach dem im § 11 Abs. 4 der Urkunde festgesetzten Mindesthauptmietzins zuzüglich der Verwaltungskosten ermittelt.

In den gleichlautenden Berufungen gegen die Gebührenbescheide vom 19. Oktober 1994 und vom 24. Oktober 1994 wurde vorgebracht, den Gebührenbemessungen liege ein Bestandvertrag über ein Bestandobjekt im Einkaufszentrum P. zugrunde. Über diesen Bestandvertrag seien zwei Schriftstücke gefertigt worden, nämlich der vorbereitete Vertragsentwurf mit Ausfertigungsdatum 6. Dezember 1993 und die Vereinbarung, mit der der Text des Vertragsentwurfes in einzelnen Punkten geändert worden sei. Beide Schriftstücke seien gleichzeitig unterfertigt worden und bildeten die einheitliche Beurkundung eines einzigen Bestandvertrages. Weiters wurde vorgebracht, daß keine Ungewißheit im Sinne des § 200 BAO mehr bestehe und somit die Voraussetzungen für die Erlassung eines vorläufigen Bescheides nicht gegeben seien.

In einer Eingabe vom 14. Dezember 1994 wurde ergänzend ausgeführt, daß im "Vertragsentwurf" das Datum "6.12.1993" aus der Textverarbeitung enthalten war, der Entwurf jedoch erst zu einem späteren Zeitpunkt unterfertigt worden sei.

Die Berufungen wurden mit Berufungsvorentscheidungen als unbegründet abgewiesen. Beide in Rede stehenden Gebührenvorschreibungen wurden insoferne abgeändert, als die im § 11 des Vertrages vereinbarte Investitionsablöse von S 685.300,-- jeweils der Bemessungsgrundlage zugerechnet wurde.

Die Beschwerdeführerin beantragte in beiden Fällen die Entscheidung über die Berufung durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz.

In einem die Berufungen ergänzenden Schriftsatz vom 24. Juli 1995 wurde ausgeführt, ein Mietvertrag über ein Geschäftslokal in der oberen Verkaufebene habe gar nicht abgeschlossen werden können, weil dieses Mietobjekt nicht frei, sondern an die Firma S. vermietet gewesen sei. Das im Vertragsentwurf (mit Druckdatum 6.12.1993) bezeichnete Objekt sei nach wie vor an S. vermietet. Es sei zwar geplant gewesen, diese Mietobjekte zu tauschen, doch habe S. einem solchen Tausch nicht zugestimmt. Dementsprechende Schriftsätze, insbesondere ein Schriftverkehr zwischen der P KG und S, waren dieser Eingabe angeschlossen.

Mit den beiden in Beschwerde gezogenen Bescheiden wurden die Berufungen als unbegründet abgewiesen. Die Rechtsgebühr wurde jeweils in derselben Höhe wie in den Berufungsvorentscheidungen festgesetzt. Die belangte Behörde ging dabei offenkundig davon aus, daß von der Beschwerdeführerin und der P KG zwei verschiedene Bestandverträge abgeschlossen worden sind. Zur Änderung der Bemessungsgrundlage vertrat die belangte Behörde die Auffassung, daß auch die nicht rückzahlbare Investitionsablöse als Entgelt zu betrachten sei.

In den Beschwerden gegen diese Bescheide werden deren inhaltliche Rechtswidrigkeit sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht.

Die belangte Behörde erstattete Gegenschriften und legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor.

Der Verwaltungsgerichtshof hat die beiden Beschwerden wegen ihres persönlichen und sachlichen Zusammenhanges zur gemeinsamen Beratung und Entscheidung verbunden und darüber in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Den Rechtsgebühren unterliegen die im Tarif des § 33 GebG 1957 aufgezählten Rechtsgeschäfte. Nach § 15 Abs. 1 GebG sind solche Rechtsgeschäfte grundsätzlich nur dann gebührenpflichtig, wenn über sie eine Urkunde errichtet wurde.

In den beiden angefochtenen Bescheiden wird zwar der Inhalt der Urkunden sowie die im Verwaltungsverfahren vorgebrachte Auffassung der Beschwerdeführerin wiedergegeben; sie enthalten aber keine Darstellung, welchen Sachverhalt die belangte Behörde als erwiesen angenommen hat. Aus der Aneinanderreihung von Grundsätzen des Gebührenrechtes ist aber zu entnehmen, daß die belangte Behörde implizit vom Vorliegen zweier verschiedener, einer Rechtsgebühr unterliegender Vorgänge ausgegangen ist. Damit verkennt die belangte Behörde aber zunächst, daß nicht die Urkunde, sondern vielmehr das Rechtsgeschäft der Gebühr unterliegt. Wenn auch die Abfassung zweier Urkunden über ein einziges Rechtsgeschäft ungewöhnlich ist und der Einleitungssatz der (zweiten) "Vereinbarung" ("Der Mietvertrag, abgeschlossen zwischen ... wird in folgenden Punkten geändert") isoliert betrachtet eine andere Auslegung der Urkunden zulassen würde, so ist schon aus dem handschriftlich beigesetztem Datum ersichtlich, daß diese beiden Urkunden gleichzeitig unterfertigt worden sind. Die Beschwerdeführerin hat im Verwaltungsverfahren darauf hingewiesen, daß (bis zum 24. August 1994) eine Einigung über die Bestandsache nicht erfolgte, ein Umstand, mit dem sich die belangte Behörde in den angefochtenen Bescheiden nicht auseinandergesetzt hat. Die Beschwerdeführerin hat diese mangelnde Einigung damit begründet, daß das in dem auf der ersten Seite mit "6.12.1993" datierten Vertragsentwurf vorgesehene Bestandobjekt an einen anderen Bestandnehmer vermietet war und dieser sich weigerte, dieses Bestandobjekt zu räumen. Der diesbezügliche umfangreiche Schriftverkehr ist der Abgabenbehörde vorgelegt worden. Damit ist aber klargestellt, daß - ungeachtet der mißverständlichen Beurkundung, gegen die aber im Sinne des § 17 Abs. 2 GebG ein Gegenbeweis zulässig ist - lediglich ein einziger Bestandvertrag zustande gekommen ist. Als für die Gebührenbemessung bedeutsamer Urkundeninhalt, zu dem auch der Inhalt von Schriften zählt, der durch Bezugnahme zum rechtsgeschäftlichen Inhalt gemacht wird (vgl. § 17 Abs. 1 GebG), ist dabei der Inhalt des Vertragsentwurfs mit den sich aus der dreiseitigen "Vereinbarung" ergebenden Änderungen anzusehen.

Daraus folgt aber, daß die Erlassung des vorläufigen Bescheides vom 24. Oktober 1994, der mit dem Bescheid der belangten Behörde Zl. 68/3-9/Mü-1995 bestätigt wurde, wegen entschiedener Sache dem Gesetz widersprach. Der mit der Beschwerde zu hg. Zl. 95/16/0332 angefochtene Bescheid der belangten Behörde war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Hingegen erweist sich die zu hg. Zl. 95/16/0333 protokollierte Beschwerde gegen den Bescheid Zl. 69/1-9/Mü-1995 als unbegründet:

Die Beschwerdeführerin selbst geht davon aus, daß das am 24. August 1994 abgeschlossene und mit den dargestellten Schriftsätzen beurkundete Rechtsgeschäft der Rechtsgebühr im Sinne des § 33 TP 5 GebG (im einfachen Ausmaß) unterliegt. Gegen die Höhe der Rechtsgebühr werden nur insoferne Einwendungen erhoben, als die belangte Behörde eine Investitionsablöse in die Bemessungsgrundlage einbezogen hat. Die in § 10 des ersten Vertragsentwurfes enthaltene und vom zweiten Schriftsatz unberührt gebliebene Vereinbarung sah ausdrücklich vor, daß die Investitionsablöse von S 623.000,-- zuzüglich Umsatzsteuer nicht rückzahlbar war, und zwar auch nicht bei vorzeitiger Beendigung des Bestandverhältnisses. Eine solche Leistung ist aber mit ihrer vollen Höhe in die Bemessungsgrundlage einzubeziehen, wenn wie hier unabhängig von der Dauer des Bestandverhältnisses keine Erstattung erfolgen soll (vgl. zuletzt z.B. die Erkenntnisse vom 18. November 1993, 92/16/0068, und vom 14. Dezember 1994, 94/16/0050). Wenn die Beschwerdeführerin in diesem Zusammenhang auf den vorletzten Satz der Vertragsergänzung vom 24. August 1994 verweist, so kann nach dem insoweit nicht undeutlichen Urkundeninhalt dieser Vertragsbestimmung keineswegs eine Abänderung der Bestimmung über die Leistung einer Investitionsablöse entnommen werden. In der in der Vertragsergänzung im § 34 enthaltenen Vereinbarung ist keine Aussage über das vom Bestandnehmer zu leistende Entgelt, sondern vielmehr umgekehrt über eine Leistung des Bestandgebers als "Pauschalabgeltung", also offenkundig als schadenersatzähnliche Leistung getroffen worden. Aus dieser Vereinbarung können somit entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin keine Rückschlüsse auf den "Wert" des Bestandvertrages im Sinne des § 33 TP 5 GebG gezogen werden.

Die zu hg. Zl. 95/16/0333 protokollierte Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Kostenentscheidungen stützen sich auf die §§ 47 ff VwGG i. V.m. der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1996:1995160332.X00

Im RIS seit

03.04.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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