TE Vwgh Beschluss 2022/2/3 Ra 2021/17/0001

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Veröffentlicht am 03.02.2022
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Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)
10/07 Verwaltungsgerichtshof
34 Monopole
40/01 Verwaltungsverfahren

Norm

B-VG Art133 Abs4
GSpG 1989 §52 Abs1 Z1
VwGG §34 Abs1
VwGVG 2014 §47 Abs4

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Enzenhofer und die Hofrätin Mag. Dr. Zehetner sowie den Hofrat Dr. Terlitza als Richterin und Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Kovacs, über die Revision der S S in L, vertreten durch die Hochstöger Nowotny Wohlmacher Rechtsanwälte OG in 4020 Linz, Breitwiesergutstraße 10, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Oberösterreich vom 11. Mai 2020, LVwG-413458/6/BMa/FK, betreffend Übertretungen des Glücksspielgesetzes (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Landespolizeidirektion Oberösterreich), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1        Mit Straferkenntnis der belangten Behörde vom 6. Juni 2019 wurde die Revisionswerberin der siebenfachen Übertretung des § 52 Abs. 1 Z 1 viertes Tatbild Glücksspielgesetz - GSpG schuldig erkannt. Es wurden über sie sieben Geldstrafen in der Höhe von jeweils EUR 6.000,-- (sowie sieben Ersatzfreiheitsstrafen in der Höhe von jeweils 60 Stunden) verhängt, weil sie der F Kft die Räumlichkeiten des Lokals W in L, in dem mit sieben Eingriffsgegenständen verbotene Ausspielungen veranstaltet worden seien, gegen Entgelt zur Verfügung gestellt habe.

2        Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich (LVwG) die von der Revisionswerberin dagegen erhobene Beschwerde unter Modifizierung des Spruches (u.a. Korrektur der Verwaltungsstrafnorm auf § 52 Abs. 2 dritter Strafsatz GSpG) ab (Spruchpunkt I.). Der Revisionswerberin wurde ein Beitrag zu den Kosten des Beschwerdeverfahrens vorgeschrieben (Spruchpunkt II.). Das Verwaltungsgericht sprach aus, dass gegen diese Entscheidung eine Revision nicht zulässig sei (Spruchpunkt III.).

3        Der Verfassungsgerichtshof lehnte mit Beschluss vom 21. September 2020, E 1757/2020-6, die Behandlung der von der Revisionswerberin gegen dieses Erkenntnis erhobenen Beschwerde ab und trat die Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung ab.

4        In der Folge erhob die Revisionswerberin die vorliegende außerordentliche Revision.

5        Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

6        Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.

7        Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision - gesondert - vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

8        Liegen - wie hier in Bezug auf den Ausspruch von Schuld und Strafe - trennbare Absprüche vor, so ist die Zulässigkeit einer dagegen erhobenen Revision getrennt zu überprüfen (vgl. VwGH 5.7.2021, Ra 2019/17/0056, mwN).

9        Die Revision bringt zu ihrer Zulässigkeit zunächst vor, das LVwG habe keine Kohärenzprüfung durchgeführt. Es habe keine wie immer gearteten Feststellungen getroffen oder daraus rechtliche Schlüsse gezogen.

10       Festzuhalten ist zunächst, dass bereits die belangte Behörde in ihrem Straferkenntnis vom 6. Juni 2019 eine Kohärenzprüfung vorgenommen hatte. Die Revisionswerberin rügte in ihrer gegen das Straferkenntnis erhobenen Beschwerde, dass sie im erstinstanzlichen Verfahren diesbezüglich kein Vorbringen erstattet habe und es befremdlich anmute, wenn die belangte Behörde auf Behauptungen Bezug nehme, die nicht aufgestellt worden seien. Die Revisionswerberin erstattete im Beschwerdeverfahren kein inhaltliches Vorbringen gegen die Richtigkeit dieser Kohärenzprüfung. Dem Protokoll über die mündliche Verhandlung vor dem LVwG am 10. März 2020 (vom 13. März 2020) ist überdies Folgendes zu entnehmen:

„Über Befragen durch die Verhandlungsleiterin wird vom Vertreter der Beschwerdeführerin mitgeteilt, dass EU-Rechtswidrigkeit des Glücksspielgesetzes nicht von der Beschwerde mitumfasst ist.“

11       Das LVwG konnte aus diesem Grunde davon ausgehen, dass die Revisionswerberin das Ergebnis der behördlichen Kohärenzprüfung nicht in Frage stellte. Da das LVwG offensichtlich das Ergebnis der behördlichen Kohärenzprüfung teilte, konnten im Revisionsfall explizite Feststellungen dazu im angefochtenen Erkenntnis unterbleiben.

12       Die Revision rügt in ihrem Zulässigkeitsvorbringen weiters, das LVwG habe zwar festgestellt, dass die Revisionswerberin als Vermieterin Kenntnis von der Veranstaltung verbotener Ausspielungen in dem vermieteten Geschäftslokal gehabt habe, es habe aber nicht festgestellt, dass „der Mieter und Betreiber des Lokals genau mit sieben Geräten verbotene Ausspielungen durchführt“. Sie könne daher nicht dahingehend bestraft werden, dass der Mieter genau mit sieben Glücksspielautomaten verbotene Ausspielungen durchgeführt habe.

13       Der Verwaltungsgerichtshof hat bereits wiederholt ausgesprochen, dass mit dem Täter iSd vierten Tatbilds des § 52 Abs. 1 Z 1 GSpG eine Person gemeint ist, die nicht Veranstalter ist, sondern die sich nur in irgendeiner Weise an der Veranstaltung unternehmerisch im Sinn des § 2 Abs. 2 GSpG beteiligt. Eine unternehmerische Beteiligung im Sinne des § 52 Abs. 1 Z 1 viertes Tatbild GSpG setzt die Kenntnis von der Veranstaltung von Glücksspielen voraus. Auch das entgeltliche Überlassen von Glücksspielgeräten wie auch die Vermietung von Räumlichkeiten kann das vierte Tatbild des § 52 Abs. 1 Z 1 GSpG erfüllen, was entsprechende Feststellungen zur subjektiven Tatseite der die Räumlichkeiten überlassenden Person - so beispielsweise zur Erkennbarkeit einer möglichen unternehmerischen Beteiligung an verbotenen Ausspielungen für den Überlasser aufgrund einer besonderen Indizienlage hinsichtlich der Nutzung des von ihm überlassenen Objektes - voraussetzt (vgl. etwa wieder VwGH 5.7.2021, Ra 2019/17/0056, mwN).

14       Mit ihrem oben wiedergegebenen Vorbringen bestreitet die Revisionswerberin nicht, Kenntnis von der Durchführung verbotener Ausspielungen in dem vermieteten Geschäftslokal gehabt zu haben. Sie behauptet auch nicht, keine Kenntnis von der Durchführung dieser Ausspielungen mit sieben Glücksspielgeräten gehabt zu haben, sodass die Relevanz des behaupteten Verfahrensmangels schon aus diesem Grunde nicht ersichtlich ist.

15       Darüber hinaus ist auf Folgendes hinzuweisen: Dass ein Täter iSd vierten Tatbilds des § 52 Abs. 1 Z 1 GSpG stets zu jedem Zeitpunkt Kenntnis über die genaue Anzahl und Art der gerade betriebsbereiten Glücksspielgeräte haben müsste, ist der oben angeführten hg. Rechtsprechung nicht zu entnehmen. Dass und warum eine derart detaillierte Kenntnis unabdingbare Voraussetzung für eine Bestrafung nach § 52 Abs. 1 Z 1 viertes Tatbild GSpG sein sollte, wird in der Revision auch nicht dargelegt. Eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung wird somit mit dem genannten Vorbringen über unterbliebene Feststellungen nicht aufgezeigt.

16       Die Revision bringt zu ihrer Zulässigkeit weiters vor, das LVwG habe sich in seiner Beweiswürdigung u.a. auf die Anzeige der Finanzpolizei, deren Dokumentation und die „Fotodokumentation des GSP 26“ gestützt. Das LVwG habe aber diese Aktenbestandteile nicht verlesen. Dieser Mangel sei aber relevant, weil die Revisionswerberin bestreite, dass es sich bei den gegenständlichen Geräten um Glücksspielgeräte gehandelt und sie sich an verbotenen Ausspielungen unternehmerisch beteiligt habe.

17       Wenn eine Verhandlung durchgeführt wurde, dann ist nach § 48 Abs. 1 VwGVG bei der Fällung des Erkenntnisses nur auf das Rücksicht zu nehmen, was in dieser Verhandlung vorgekommen ist. Auf Aktenstücke ist nur insoweit Rücksicht zu nehmen, als sie bei der Verhandlung verlesen wurden, es sei denn, der Beschuldigte hätte darauf verzichtet, oder als es sich um Beweiserhebungen handelt, deren Erörterung infolge des Verzichts auf eine fortgesetzte Verhandlung gemäß § 44 Abs. 5 VwGVG entfallen ist.

18       Aus der bei der mündlichen Verhandlung am 10. März 2020 angefertigten und vom Rechtsvertreter der Revisionswerberin unterfertigten Niederschrift über diese Verhandlung ergibt sich, dass die Parteien ausdrücklich auf die Verlesung des Akteninhalts verzichtet haben, sodass schon aus diesem Grund eine Rechtsfrage von grundsätzliche Bedeutung nicht aufgezeigt wird.

19       Schließlich erblickt die Revision im Unterbleiben der Verkündung des angefochtenen Erkenntnisses („direkt nach der Verhandlung“) ein Abweichen von der hg. Rechtsprechung.

20       Der Spruch des Erkenntnisses und seine wesentliche Begründung sind gemäß § 47 Abs. 4 letzter Satz VwGVG nach Möglichkeit sofort (nach Schluss der Verhandlung) zu beschließen und zu verkünden.

21       Kann das Erkenntnis nicht sogleich im Anschluss an die Verhandlung verkündet werden, insbesondere wenn komplexe Rechtsfragen zu klären sind oder erst in der Verhandlung neue Beweismittel vorgelegt wurden, die das Verwaltungsgericht noch prüfen/werten muss, entfällt die Verkündung (arg. „nach Möglichkeit“). In diesem Fall ergeht die Entscheidung des Verwaltungsgerichts nur schriftlich (vgl. VwGH 12.11.2020, Ra 2020/15/0068). Es kommt nach hg. Rechtsprechung somit stets darauf an, ob im Einzelfall - etwa wegen der Komplexität der Sach- oder Rechtslage - eine sofortige Verkündung möglich gewesen wäre (vgl. VwGH 29.10.2020, Ra 2020/11/0039, mwN). Nichts anderes ergibt sich auch aus dem im Zulässigkeitsvorbringen der Revision ins Treffen geführten Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 24. Februar 2012, 2009/02/0205. In diesem Erkenntnis, welches zur Rechtslage vor Einführung der Verwaltungsgerichtsbarkeit ergangen ist, hat der Verwaltungsgerichtshof fallbezogen das Erfordernis „reiflicher Überlegungen“ für entscheidungswesentlich erachtet. Dass im Revisionsfall solche reiflichen Überlegungen nicht erforderlich gewesen wären, sodass eine sofortige Verkündung der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung möglich und verpflichtend gewesen wäre, wird im Zulässigkeitsvorbringen der Revision nicht behauptet, sodass schon deswegen ein Abweichen von der hg. Rechtsprechung nicht aufgezeigt wird.

22       Die Revision bringt zu ihrer Zulässigkeit weiters vor, es liege ein Verstoß gegen die Judikatur zu § 16 Abs. 2 VStG vor, weil zwischen den jeweils verhängten Geldstrafen (EUR 6.000,--) und den jeweiligen Ersatzfreiheitsstrafen (60 Stunden) ein unverhältnismäßiger Unterschied (nämlich 10 % bzw. 17,86 % der jeweiligen Höchststrafe) bestehe. Das LVwG hätte daher seine Entscheidung begründen müssen. Da dies nicht erfolgt sei, habe das LVwG den Strafausspruch mit Rechtswidrigkeit belastet.

23       Die Ersatzfreiheitsstrafe darf nach § 16 Abs. 2 VStG das Höchstmaß der für die Verwaltungsübertretung angedrohten Freiheitsstrafe und, wenn keine Freiheitsstrafe angedroht und nicht anderes bestimmt ist, zwei Wochen nicht übersteigen. Eine Ersatzfreiheitsstrafe von mehr als sechs Wochen ist nicht zulässig. Sie ist ohne Bedachtnahme auf § 12 VStG nach den Regeln der Strafbemessung festzusetzen.

24       Nach der vom LVwG im Revisionsfall angewendeten Bestimmung des § 52 Abs. 2 dritter Strafsatz GSpG ist bei Übertretung des § 52 Abs. 1 Z 1 GSpG mit mehr als drei Glücksspielautomaten oder anderen Eingriffsgegenständen für jeden Glücksspielautomaten oder anderen Eingriffsgegenstand eine Geldstrafe von EUR 3.000 bis zu EUR 30.000 zu verhängen.

25       Das LVwG hat im Revisionsfall bei der Bemessung der Geldstrafe das Höchstmaß der für die Verwaltungsübertretung angedrohten Geldstrafe somit nicht - wie in der Revision behauptet - mit 10 %, sondern zu 20 % ausgeschöpft. Dass unter Zugrundelegung der richtigen Verhältniszahlen eine unverhältnismäßige Bemessung der Ersatzfreiheitsstrafe vorgelegen wäre, wird nicht vorgebracht und ist auch sonst nicht ersichtlich, sodass auch mit diesem Vorbringen eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung nicht aufgezeigt wird.

26       In der Revision werden somit insgesamt keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.

Wien, am 3. Februar 2022

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2022:RA2021170001.L00

Im RIS seit

11.03.2022

Zuletzt aktualisiert am

22.03.2022
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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