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10 VerfassungsrechtNorm
B-VG Art139 Abs1 / IndividualantragLeitsatz
Zurückweisung der Individualanträge auf Aufhebung der Verordnung der Gemeinde Halbturn vom 27.01.93 und der Verordnung vom 09.06.93 betreffend Erlassung einer Bausperre für bestimmte Grundstücke mangels Legitimation; Zumutbarkeit der Erwirkung eines Bescheides über ein Ansuchen um Bauplatzerklärung gemäß §11 Bgld BauO.Spruch
Die Anträge werden zurückgewiesen.
Begründung
Begründung:
I. 1. Mit Verordnung des Gemeinderates der Gemeinde Halbturn vom 27. Jänner 1993, kundgemacht durch Anschlag an der Amtstafel vom 28. Jänner bis 11. Februar 1993, wurde gemäß §26 des Burgenländischen Raumplanungsgesetzes in Verbindung mit §75 der Burgenländischen Gemeindeordnung für die Grundstücke Nr. 2071/8 und 2071/9 eine Bausperre erlassen. Gestützt auf dieselben Bestimmungen wurde vom Gemeinderat dieser Gemeinde mit Beschluß vom 9. Juni 1993 eine inhaltlich idente Verordnung erlassen, die durch Anschlag an der Amtstafel vom 14. Juni bis 29. Juni 1993 kundgemacht wurde.
Gegen diese Verordnungen wenden sich die Antragsteller der beim Verfassungsgerichtshof zu V44/93 und V61/93 protokollierten, auf Art139 B-VG gestützten Anträge, in denen sie die kostenpflichtige Aufhebung dieser Verordnungen als gesetzwidrig begehren.
2. Zur Begründung der Antragslegitimation wird in den Anträgen
jeweils ausgeführt, daß der Erstantragsteller sowie die
Zweitantragstellerin je zur Hälfte Eigentümer der von der
Bausperre betroffenen Grundstücke sind und die
drittantragstellende Gesellschaft - mit schriftlicher Zustimmung
des Erstantragstellers und der Zweitantragstellerin - bereits das
Bauplatzerklärungsverfahren eingeleitet und um die Baubewilligung
zur Errichtung einer "Sortieranlage mit entsprechenden
Nebengebäuden" angesucht hat. Dennoch bestehe "ein zumutbarer
anderer Weg ... nicht, zumal auf Grund der verhängten Bausperre
die (bereits ergangenen) negativen Bescheide der
Bezirkshauptmannschaft Neusiedl/See (als Baubehörde in Vertretung
der Gemeinde) formal rechtmäßig sind (auch wenn ... zur Vorsicht
gegen beide Bescheide Berufung erhoben ...) wurde".
II. Die Anträge sind unzulässig.
1. Voraussetzung der Antragslegitimation ist einerseits, daß der Antragsteller behauptet, unmittelbar durch die angefochtene Verordnung - im Hinblick auf deren Gesetzwidrigkeit - in seinen Rechten verletzt worden zu sein, dann aber auch, daß die Verordnung für den Antragsteller tatsächlich, und zwar ohne Fällung einer gerichtlichen Entscheidung oder ohne Erlassung eines Bescheides wirksam geworden ist. Grundlegende Voraussetzung der Antragslegitimation ist, daß die Verordnung in die Rechtssphäre des Antragstellers nachteilig eingreift und diese - im Falle ihrer Gesetzwidrigkeit - verletzt.
Nicht jedem Normadressaten aber kommt die Anfechtungsbefugnis zu. Es ist darüber hinaus erforderlich, daß die Verordnung selbst tatsächlich in die Rechtssphäre des Antragstellers unmittelbar eingreift. Ein derartiger Eingriff ist jedenfalls nur dann anzunehmen, wenn dieser nach Art und Ausmaß durch die Verordnung selbst eindeutig bestimmt ist, wenn er die (rechtlich geschützten) Interessen des Antragstellers nicht bloß potentiell, sondern aktuell beeinträchtigt und wenn dem Antragsteller kein anderer zumutbarer Weg zur Abwehr des - behaupteter Weise - rechtswidrigen Eingriffes zu Verfügung steht (VfSlg. 8009/1977, 10511/1985, 11726/1988).
2. Der Verfassungsgerichtshof hat in ständiger Rechtsprechung (s. etwa VfSlg. 11743/1988) die Auffassung vertreten, daß "Bescheide, insbesondere Baubewilligungsbescheide, 'welche dem Zweck einer Bausperre zuwiderlaufen'", rechtswidrig sind. Die Bausperre wirkt insofern in gleicher Weise wie die Widmung des - zukünftigen - Flächenwidmungsplanes und unterliegt daher in gleicher Weise wie dieser der Anfechtung vor dem Verfassungsgerichtshof durch die von der Bausperre in ihrer Rechtssphäre betroffenen Grundstückseigentümer (VfSlg. 8463/1978, 8697/1979, 8850/1980, 10207/1984, 10452/1985, 10793/1986). Der Verfassungsgerichtshof sah in derartigen Fällen einen zumutbaren Weg - in Betracht käme nur ein formelles Baubewilligungsansuchen -, die behauptete Gesetzwidrigkeit des Flächenwidmungsplanes an den Verfassungsgerichtshof heranzutragen, dann nicht als gegeben an, wenn der Antragsteller allein zu diesem Zweck die für ein Ansuchen um Erteilung einer Baubewilligung erforderlichen Planunterlagen anfertigen lassen müßte.
Demgegenüber sah der Verfassungsgerichtshof in jenen Fällen, in denen das maßgebliche Gesetz etwa eine Bauplatzbewilligung bzw. Bauplatzerklärung vorsah, die Einbringung eines darauf gerichteten, keiner aufwendigen Planunterlagen bedürfenden Ansuchens als einen zumutbaren Weg an, nach Erlassung eines - negativen - Bescheides die vermeintliche Gesetzwidrigkeit des Flächenwidmungsplanes oder der Bausperre in einem Verfahren nach Art144 B-VG an den Verfassungsgerichtshof heranzutragen. Der Gerichtshof schloß daher bei einer derartigen Rechtslage die unmittelbare Anfechtung eines Flächenwidmungsplanes beim Verfassungsgerichtshof gemäß Art139 Abs1 letzter Satz B-VG aus. (So etwa für die Rechtslage in Oberösterreich die Erkenntnisse VfSlg. 9773/1983, 10004/1984; für die Rechtslage im Land Salzburg etwa die Erkenntnisse VfSlg. 11317/1987, 12395/1990).
3. Zwar hat es der Verfassungsgerichtshof im Zuge der Anfechtung eines burgenländischen Flächenwidmungsplanes durch die davon betroffenen Grundstückseigentümer in VfSlg. 9361/1982 nicht für zumutbar gehalten, ein (förmliches) Bauverfahren nach der Burgenländischen Bauordnung, LGBl. 13/1970, mit den hiefür erforderlichen Planungsunterlagen (s. §90 Z3 der Burgenländischen Bauordnung, LGBl. 13/1970) in Angriff zu nehmen. Er prüfte in jenem Verfahren aber nicht die Möglichkeit und die Zumutbarkeit, über ein Ansuchen um Bauplatzerklärung gemäß §§10ff. der Burgenländischen Bauordnung im Instanzenzug einen Bescheid zu erwirken, um bei dessen Anfechtung vor den Gerichtshöfen des öffentlichen Rechts auch die Bedenken gegen die Rechtmäßigkeit der den Bescheid tragenden Bauvorschriften (wie etwa eines Flächenwidmungsplanes oder auch einer Bausperre) an den Verfassungsgerichtshof heranzutragen.
Nach den §§10ff. der Burgenländischen Bauordnung besteht nämlich sowohl in der Fassung LGBl. 13/1970 als auch in der derzeit geltenden Fassung LGBl. 11/1994 die Möglichkeit, einen Antrag auf Bauplatzerklärung zu stellen. Ein solches Ansuchen um eine Bauplatzerklärung hat zwar verschiedene Angaben, Beilagen sowie einen Lageplan zu enthalten, nicht jedoch Baupläne und ausführliche Beschreibungen, wie sie für ein Baubewilligungsverfahren erforderlich sind. Anläßlich einer Bauplatzerklärung hat die Behörde auch zu prüfen, ob das Grundstück mit einem Bauverbot belegt ist (§12 Abs4 Burgenländische Bauordnung), wie es auch - zumindest teilweise - durch eine Bausperre bewirkt wird. Die Stellung eines Antrages nach §11 Burgenländische Bauordnung hält der Verfassungsgerichtshof in den vorliegenden Fällen für zumutbar.
Es steht den Antragstellern frei, gegen den ihren Antrag auf Bauplatzerklärung abweisenden Bescheid nach Erschöpfung des administrativen Instanzenzuges Beschwerde an die Gerichtshöfe des öffentlichen Rechtes zu erheben und im Verfahren vor diesen Gerichtshöfen die behauptete Gesetzwidrigkeit der durch die Verordnungen verfügten Bausperre geltend zu machen.
Den Antragstellern steht somit ein zumutbarer Weg zur Verfügung, um über eine Beschwerde an die Gerichtshöfe des öffentlichen Rechtes gegen den auf der Rechtsgrundlage der Bausperre erlassenen Bescheid die Prüfung der Gesetzmäßigkeit der angefochtenen Verordnung zu erreichen (vgl. für
Flächenwidmungspläne: VfSlg. 8118/1977, 9135/1981; für
Bausperren: VfSlg. 11743/1988, 13118/1992), zumal die drittantragstellende Gesellschaft - ihrem Vorbringen zufolge - bereits einen die begehrte Bauplatzerklärung verweigernden Bescheid erhielt.
Daraus folgt, daß den Antragstellern auch die Legitimation zur Stellung des (Individual-)Antrages, die bezeichneten Verordnungen aufzuheben, fehlt.
Bei diesem Ergebnis erübrigt es sich, auf das Verhältnis und die Geltung zweier inhaltsgleicher Verordnungen zueinander einzugehen.
4. Es waren somit beide (Individual-)Anträge mangels Legitimation der Antragsteller gemäß §19 Abs3 Z2 lite VerfGG in nichtöffentlicher Sitzung ohne vorausgegangene Verhandlung zurückzuweisen.
Schlagworte
VfGH / Individualantrag, Baurecht, Raumordnung, BausperreEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:1994:V44.1993Dokumentnummer
JFT_10059073_93V00044_00